Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel Die aktuellen Nachrichten de Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel Sat, 16 Aug 2025 14:17:27 +0200 Sat, 16 Aug 2025 14:17:27 +0200 News TYPO3 EXT:news news-9981 Thu, 14 Aug 2025 15:46:51 +0200 Solidarität mit Cabo Verde nach Tropensturm Erin /news/article/solidaritaet-mit-cabo-verde-nach-tropensturm-erin Ƶ steht an der Seite seiner langjährigen Partnerinstitute nach schweren Schäden auf São Vicente In der Nacht auf Montag, den 11. August, hat der sich mittlerweile westwärts über den zentralen Atlantik bewegende Tropensturm Erin unter anderem die kapverdische Insel São Vicente und die Hauptstadt Mindelo schwer getroffen. Innerhalb weniger Stunden fielen enorme Regenmengen, die zu Sturzfluten führten und großflächige Verwüstungen verursachten. Mehrere Menschen verloren ihr Leben, viele wurden obdachlos, weitere gelten als vermisst. Die Regierung von Cabo Verde hat für zunächst sechs Monate den Katastrophenzustand ausgerufen.

Auch eines unserer langjährigen Partnerinstitute – das Instituto do Mar (IMar) – sowie das gemeinsam betriebene Ocean Science Centre Mindelo (OSCM) wurden stark in Mitleidenschaft gezogen. Eine meterhohe Schlammlawine erfasste das Gelände und hinterließ Schäden an Gebäuden und Infrastruktur. 

„Wir stehen fest an der Seite unserer Freunde in Mindelo“, sagt Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel. „Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind in diesen schwierigen Stunden und Tagen beim gesamten IMar-Team und ihren Familien.“

Das Ƶ tut alles, um die Partnerinstitute beim Wiederaufbau nach Kräften zu unterstützen und steht in engem Austausch mit ihnen, um die nächsten Schritte abzustimmen.

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news-9979 Wed, 13 Aug 2025 11:58:00 +0200 Zeitreise zum Ursprung des Meeresbodens /news/article/zeitreise-zum-ursprung-des-meeresbodens 13.08.2025/Kiel/Papeete. Wie stark beeinflussen Schwankungen des Meeresspiegels die geologischen Prozesse tief unter dem Meeresboden? Gibt es eine Wechselwirkung zwischen globalem Klima und der Bildung und Zusammensetzung neuer ozeanischer Kruste? Diesen Fragen widmet sich ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Frank und Prof. Dr. Heidrun Kopp vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel während der Expedition SO314 mit dem deutschen Forschungsschiff SONNE, die heute von Tahiti aus startet. Wenn sich im Laufe der Jahrmillionen durch das Wachsen und Schmelzen von Eisschilden und Gletschern der Meeresspiegel verändert, ändert sich damit auch der Druck auf den Meeresboden. Welche Auswirkungen hat das auf das geologische Geschehen im Erdinnern?

Modellrechnungen legen nahe, dass der Vulkanismus an Mittelozeanischen Rücken auf diese Druckschwankungen reagiert: etwa durch Änderungen in der Mächtigkeit der neu gebildeten Kruste, der Zusammensetzung des Magmas oder in der hydrothermalen Aktivität, bei der heiße, mineralreiche Flüssigkeiten aus dem Erdinneren ins Meer austreten. Bislang fehlten jedoch Zeitreihen, um diese Zusammenhänge direkt nachzuweisen.

Zeitreihen als Schlüssel zum Erdsystem

„Wir haben sehr gute Rekonstruktionen der vergangenen Meeresspiegelverläufe, aber keine ebenso hochaufgelösten Daten zur zeitlichen Entwicklung der geologischen Prozesse am ozeanischen Meeresboden. Diese Lücke wollen wir jetzt schließen“, sagt Prof. Dr. Martin Frank. Er ist Professor für chemische Paläoozeanographie am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, und unter seiner Leitung wird ein internationales Forschungsteam an Bord des deutschen Forschungsschiffs SONNE in den kommenden acht Wochen den Südostpazifischen Rücken untersuchen – einen besonders aktiven Abschnitt des mittelozeanischen Rückens. Dort entsteht kontinuierlich neue Erdkruste, weil sich die Erdplatten voneinander wegbewegen.

„Dieser Bereich des Ozeans ist wie ein Fließband der Erdgeschichte“, sagt Frank. „Und wir vermuten, dass die Prozesse hier über geologische Zeiträume hinweg vom globalen Klima beeinflusst werden – etwa über Druckveränderungen durch Schwankungen des Meeresspiegels während Eiszeiten und Warmzeiten.“

Vulkanisches Glas aus dem Sediment

Auf dem Weg von Papeete (Tahiti) nach Antofagasta (Chile) wird das Team in engem Abstand mit einem Schwerelot Sedimentkerne mit einer Länge von bis zu 25 Metern entlang einer Linie senkrecht zur Rückenachse entnehmen. So entsteht eine hochauflösende Zeitreihe. Martin Frank: „In den Ablagerungen des Meeresbodens sind vulkanische Gläser und Metallverbindungen enthalten – sie erzählen uns, wie sich Magmachemie und hydrothermale Aktivität im Laufe der letzten 1,5 Millionen Jahre verändert haben. Diese Informationen können wir auslesen wie ein Archiv der Erdgeschichte.“ Gleichzeitig sollen auf der Expedition seismische Messungen durchgeführt werden, mit denen sich Veränderungen in der Mächtigkeit der Ozeankruste rekonstruieren lassen.

Dynamik des Erdsystems verstehen

Die Expedition ist Teil des groß angelegten europäischen ERC Synergy Projekts T-SECTOR (Testing Solid Earth - Climate Connections), das sich der Frage widmet, wie eng die Prozesse in Atmosphäre, Ozean und Erdinnerem miteinander verknüpft sind. An diesem Projekt ist neben den Arbeitsgruppen von Martin Frank, Heidrun Kopp und Kaj Hoernle vom Ƶ auch Charles Langmuir von der Harvard University (USA) beteiligt. An der Expedition werden außerdem Wissenschaftler des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen und der Universität Hamburg teilnehmen.

 

Expedition in Kürze:

Name: SO314
Fahrtleitung / Chief Scientist:  Prof. Dr. Martin Frank
Zeitraum: 13. August bis 5. Oktober 2025
Start: Papeete (Tahiti)
Ende: Antofagasta (Chile)
Fahrtgebiet: üDzٱ貹ھ

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news-9977 Sun, 10 Aug 2025 14:43:00 +0200 Bundesforschungsministerin Dorothee Bär besucht das Ƶ /news/article/bundesforschungsministerin-dorothee-baer-besucht-das-geomar 10.08.2025/Kiel. Am heutigen Sonntag hat die Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt, Dorothee Bär das Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel besucht und sich über aktuelle Forschungsfelder und Technologien informiert. Anschließend hat sie dem Start des internationalen Ocean Race Europe beigewohnt. Das Ƶ ist eine der ersten Forschungseinrichtungen in Deutschland, die die Ministerin seit ihrem Amtsantritt besucht. Anlässlich des Starts des Ocean Race Europe in Kiel ist die Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt, Dorothee Bär, heute zu einem Besuch ans Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel gekommen. Das Ƶ wird institutionell von der Bundesrepublik Deutschland, d.h. dem Bundesforschungsministerium, (90 Prozent) und dem Land Schleswig-Holstein (zehn Prozent) gemeinsam getragen.

Nach der Begrüßung durch Prof. Dr. Katja Matthes, Direktorin des Ƶ, und Frank Spiekermann, Verwaltungsdirektor des Zentrums, informierte sich die Ministerin während eines Rundgangs gemeinsam mit dem schleswig-holsteinischen Digitalminister und Chef der Staatskanzlei, Dirk Schrödter über aktuelle Forschungsprojekte.

Am Infopunkt zur marinen CO2-Entnahme und -Speicherung erläuterte Prof. Dr. Klaus Wallmann, welche Methoden dazu beitragen können, Treibhausgase dauerhaft unter dem Meeresboden zu speichern. Im molekulargenetischen Labor berichtete Prof. Dr. Thorsten Reusch gemeinsam mit zwei Masterstudentinnen über die evolutionären Folgen von Überfischung am Beispiel des Dorsches. Prof. Dr. Laura Wallace und Dr. Jens Karstens stellten in der Montagehalle der Abteilung „Seegehende Technologien” ein selbst entwickeltes kompaktes Unterwasserobservatorium vor. Mithilfe dieser „MOLA“ (Modulare Ozean-Lander) ist es beispielsweise möglich, Erdbeben und Tsunamis zu überwachen und intelligente Frühwarnsysteme zu entwickeln. Dr. Aaron Beck informierte zum Thema Altmunition im Meer über Kartierungstechniken sowie die ökologischen Auswirkungen der Altlasten.

Ein weiteres Thema im Gespräch mit der Ministerin war der Bau des neuen deutschen Forschungsschiffs METEOR IV, das ab 2026 seinen Heimathafen in Kiel haben und vom Ƶ als Teil der deutschen Forschungsflotte betrieben werden wird.

Anschließend besichtigte die Ministerin das Forschungsschiff ALKOR, das hauptsächlich in Nord- und Ostsee eingesetzt wird, und setzte ans Kieler Westufer zum Start des Ocean Race Europe ü.

Bundesforschungsministerin Dorothee Bär: „Meere und Ozeane sind entscheidend für Klima und Biodiversität, aber auch wichtig als Nahrungsquelle, als Wirtschafts- und Lebensraum. Wir brauchen die Forschung, um die Meere zu schützen und nachhaltig zu nutzen. Deutschland geht bei der Meeresforschung voran – dafür steht auch das Ƶ. Es ist eine der weltweit führenden Einrichtungen in der Meeresforschung. Sehr wichtig ist mir daher, dass das Ƶ unser neues hochinnovatives Forschungsschiff METEOR IV zur wissenschaftlichen Nutzung ab 2026 betreiben wird. Damit das Ƶ auch in Zukunft – mit unserer Unterstützung – Meeresforschung auf Spitzenniveau erbringen kann.

Minister Dirk Schrödter unterstreicht die Bedeutung des Ƶ für das Verständnis der Ozeane und des Klimawandels – und lobt die Zusammenarbeit bei aktuellen Herausforderungen im Umwelt- und Meeresschutz: „Die Munition am Ozeanboden ist eine tickende Zeitbombe für unsere Umwelt. Mit modernsten Technologien wie KI und Robotik kann die maritime Wirtschaft nicht nur zur Entschärfung beitragen, sondern zugleich Meeresschutz, Sicherheit, Wachstum und Beschäftigung voranbringen. Entscheidend ist hier das Zusammenspiel von Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung  – und Schleswig-Holstein bietet dafür die besten Voraussetzungen.“

Ƶ-Direktorin Prof. Dr. Katja Matthes betonte: „Wir freuen uns sehr über das Interesse der Bundesministerin an unserer Arbeit. Es ist ein starkes Signal für die Bedeutung der Ozeanforschung. Wir erforschen die beängstigend schnellen Veränderungen im Ozean und arbeiten an Lösungen für den Schutz und Erhalt des Ozeans als Lebensgrundlage für uns Menschen und das gesamte Ökosystem. Der Austausch heute hat gezeigt, dass wissenschaftliche Innovation weit oben auf der Agenda steht und der Wille besteht, wissenschaftliche Erkenntnisse auch in politisches Handeln zu überführen. Das stimmt mich sehr zuversichtlich.“

 

 

Hintergrund The Ocean Race Europe und Neue Messboje auf der Förde:

Das Ocean Race Europe ist eine siebenwöchige europaweite Regatta, die Segelsport mit Meeresschutz verbindet, indem die Yachten während ihrer Fahrt wissenschaftlich relevante Daten sammeln. 2025 startet die Regatta erstmals in Kiel. Die folgenden Etappen führen über Portsmouth, Matosinhos, Cartagena, Nizza und Genua nach Boka Bay in Montenegro.

Das Ƶ ist Partner des Ocean Race Europe und bringt sich mit wissenschaftlichen Beiträgen, Filmen, Mitmachaktionen und einem Open Ship auf dem Forschungsschiff ALKOR in das Programm rund um den Regatta-Start ein.

Anlässlich des Starts wurde eine neu entwickelte Ozeanboje testweise in der Kieler Förde festgemacht. Die rund 7,5 Meter hohe und 3,5 Tonnen schwere Boje ist für die Ozeanbeobachtung im Tropischen Atlantik konzipiert, wo sie ab 2026 als Bestandteil des Cape Verde Ocean Observatory (CVOO) fest installiert werden wird. Sie misst unter anderem den CO2-Gehalt, Temperatur, Salzgehalt, Wellengang und meteorologische Parameter. Ziel ist es, besser zu verstehen, wie sich der Klimawandel auf die empfindlichen Prozesse im tropischen Ozean auswirkt – und welche Rückwirkungen das auf das globale Klimasystem hat.

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news-9973 Mon, 04 Aug 2025 09:29:01 +0200 Vom Ocean Dome aufs Open Ship /news/article/vom-ocean-dome-aufs-open-ship 01.08.2025/Kiel. Am Sonntag, 10. August 2025, fällt das Startsignal für das diesjährige The Ocean Race Europe in Kiel. Die Stadt ist erstmals Starthafen des international renommierten Segelrennens. Die Regatta führt von der Ostsee über den Ärmelkanal bis in den Atlantik und ins Mittelmeer – und stellt dabei nicht nur seglerisches Können, sondern auch das Engagement für Wissenschaft und Umweltschutz in den Mittelpunkt. Das Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel begleitet das Event rund um den Start als offizieller Partner mit vielfältigen Aktivitäten. Nach dem erfolgreichen Fly-By-Event vor zwei Jahren ist Kiel 2025 erneut Austragungsort – diesmal als Startpunkt des Spitzen-Sportevents „The Ocean Race Europe“. Vom 6. bis zum 10. August wird das mit einem bunten Programm zu Wasser und an Land gefeiert. Die Kiellinie wird dabei nicht nur zur Segelmeile, sondern auch zum Schaufenster für Meeresschutz und Meeresforschung.

Regattayachten als Datensammler

Für das Ocean Race Europe werden alle teilnehmenden Segelyachten mit wissenschaftlichen Messinstrumenten ausgerüstet, die während des Rennens wichtige Parameter wie Wassertemperatur und Salzgehalt, Sauerstoff- und CO2-Konzentration, Mikroplastik sowie eDNA erfassen. Die gesammelten Daten tragen zur globalen Ozeanbeobachtung bei und fließen in wissenschaftliche Studien ein.

Skipper Boris Herrmann und das deutsche Team der IMOCA-Rennyacht Malizia-Seaexplorer engagieren sich seit Jahren für den Meeresschutz. Im Rahmen ihrer Kampagne „A Race We Must Win – Climate Action Now!“ unterstützen sie die Wissenschaft, indem sie während ihrer Regatten – oft in abgelegenen Meeresregionen – wertvolle Daten sammeln. Seit kurzem betreiben sie ein eigens für die Forschung umgebautes Segelschiff, den Malizia Explorer, an dem das Ƶ ebenfalls als Partner beteiligt ist. Die langjährige Zusammenarbeit von Boris Herrmann und Team Malizia mit dem Forschungszentrum Ƶ hat den Grundstein gelegt für die heute vielfältigen Verbindungen zwischen dem deutschen Profi-Segelsport und der Meeresforschung.

Innovation aus Kiel – ein Ozean der Möglichkeiten

Die Nutzung von Segelyachten als so genannte „Ships of Opportunity“ ist Teil eines umfassenden Forschungsansatzes des Ƶ. Eine zentrale Rolle spielt dabei die von der Helmholtz Gemeinschaft geförderte Innovationsplattform „Shaping an Ocean Of Possibilities“ (SOOP). Ganz im Sinne des Projekttitels soll ein „Ozean der Möglichkeiten“ für Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft geschaffen werden mit dem Ziel, Strukturen und Technologien zur Ozeanbeobachtung zu etablieren, den Zugang zu Messdaten zu verbessern und damit das Wissen über unsere Meere zu erweitern.

 

Beiträge des Ƶ zum Ocean Race Programm

Sailing meets Science: Pagode im Ocean Live Park

6.-10. August 2025 
Mittwoch und Donnerstag: 13 bis 19 Uhr
Freitag bis Sonntag: 10 bis 19 Uhr

Gemeinsam mit Team Malizia und SubCtech zeigt das Ƶ, wie Wissenschaft und Segelsport Hand in Hand gehen: Das Segelteam Malizia erläutert, wie es Spitzensport und Datenerfassung vereint. SubCtech stellt das OceanPack-RACE-Demo-Gerät vor und informiert zum Thema „Sailing meets Science“. Das Ƶ zeigt, wie der Segelsport zur Meeresforschung beiträgt.

(Pagode im Ocean Live Park an der Kiellinie, direkt neben dem Segelcamp 24/7)

 

Open Ship auf FS ALKOR

Samstag, 9. August 2025, 10 bis 17 Uhr
Am Samstag lässt die FS ALKOR ihre Gangway für Besucher:innen herunter. Interessierte können einen Blick in das Innere des Forschungsschiffs werfen und mehr über die Arbeit und das Leben an Bord erfahren. Es werden aktuelle Forschungsprojekte aus der Ostsee und den Weltmeeren vorgestellt, dazu gibt es Mitmach-Experimente und vieles mehr.

(Admiralsbrücke, Pier vor dem Ƶ-Aquarium an der Kiellinie)

Programm beim Open Ship:

  • Plastikmüll an unseren Stränden: Infos und Experimente  
  • Meerestiere und -pflanzen aus der Kieler Förde
  • Führungen zu den Kieler Benthokosmen (Start vor ALKOR um 12, 14 und 16 Uhr)
  • Seegras: Das Multitalent der Ostsee
  • Wie verfolgen Forschende die Bewegungen von Fischen?
  • Winzig, aber wichtig: Plankton im Ozean
  • 3D-Model des Unterwasservulkans Kolumbo: Wie werden Vulkane erforscht?
  • Bomben, Minen und Granaten: Munitionsaltlasten im Meer
  • Was passiert an der Grenzschicht zwischen Atmosphäre und Ozean?

 

„Female Heroes of the Sea“ auf der Bühne an der Reventlouwiese

Freitag, 8. August, 13:30 Uhr
Samstag, 9. August, 13:30 Uhr

Moderatorin Kristin Recke hat Ƶ-Wissenschaftlerin Sylvia Sander und die Offshoreseglerinnen Kerstin Zillmer und Kiki van Leeuwen zu Gast.

 

CDRmare im Meeresschutz-Camp

6.-10. August 2025 
Mittwoch bis Freitag: 13 bis 19 Uhr
Samstag und Sonntag: 10 bis 19 Uhr

Mit einem Experiment zur Alkalinitätserhöhung im Ozean und vielen Infoangeboten präsentiert sich die Forschungsmission in den Pagoden des Meeresschutz-Camps vor dem Kieler Landtag.

 

Neues Forschungsprojekt zum Zustand der Ostsee im Waterdome von ACO

Das Unternehmen ACO ist mit einem „Waterdome“ auf der Reventlou-Brücke vertreten und informiert über die Filterung und Aufbereitung von Wasser. ACO ist Netzwerkpartner in dem neuen deutsch-dänischen Interreg-Projekt RECOVER, das Ƶ-Wissenschaftlerin Helmke Hepach vorstellt. Ziel des Projekts ist es, den Umweltzustand der westlichen Ostsee zu erfassen und Schutzmaßnahmen in Deutschland und Dänemark vergleichend zu bewerten – unter anderem mit Hilfe eines frisch renovierten Traditionsseglers, der künftig für Messfahrten genutzt wird. 

(Waterdome auf der Reventlou-Brücke)

 

GAME beim Ocean Summit

Auf der Fläche des Ocean Summit (Reventlouwiese) stellt sich das internationale Master-Studierendenprogramm GAME vor.

 

Vorstellungen im Ocean Dome 

In der Kuppel des werden Filme in 360°-Optik gezeigt.

Livevortrag: Ein Spaziergang über den Meeresboden

Mittwoch, 6. August, 15:30 Uhr

Moderne Visualisierungsmethoden, wie wir sie am Ƶ nutzen, ermöglichen einen Flug rund um unseren Planeten. Multimedialer Vortrag von Ƶ-Wissenschaftler Tom Kwasnitschka

„A Traveller’s Guide to the Seafloor"
Donnerstag, 7. August, 17 Uhr - Premiere
Samstag, 9. August, 18 Uhr
Sonntag, 10. August, 13:30 Uhr und 18:30 Uhr

Die Dome-Produktion „A Traveller’s Guide to the Seafloor“ von Ƶ-Wissenschaftler Tom Kwasnitschka feiert auf dem Ocean Race Premiere und wird insgesamt viermal gezeigt.

„Drones of the Deep"
Donnerstag, 7. August, 13:30 Uhr
Freitag, 8. August, 13:15 Uhr und 17:45 Uhr
Samstag, 9. August, 17:15 Uhr
Sonntag, 10. August, 16:45 Uhr 

CDRmare Talk
Donnerstag, 7. August, 15:45 Uhr

Onlineteilnahme über: 

Drei Wissenschaftler:innen sprechen über das Thema meeresbasierte CO2-Entnahme. Das Publikum ist ausdrücklich zum Mitdiskutieren eingeladen: CO2 binden – das Klima schützen: Sind Meere ein Teil der Lösung? Was weiß die Wissenschaft, und auf welche Fragen brauchen wir als Gesellschaft Antworten? Mit Anna Anschütz, Mirco Wölfelschneider und Lukas Tank, Moderation: Michael Sswat.

(Ocean Dome an der Kiellinie)

 

CVOO-Boje an der Admiralspier

Eine insgesamt 7,5 Meter hohe Messboje, vorgesehen für das Cape Verde Ocean Observatory (CVOO) liegt zu Testzwecken während des Ocean Race in der Kieler Förde. Die Messdaten werden live im ausgespielt.

(Admiralsbrücke, Pier vor dem Ƶ-Aquarium an der Kiellinie)

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news-9966 Thu, 31 Jul 2025 10:30:00 +0200 Arktische Viren im Rhythmus der Jahreszeiten /news/article/arktische-viren-im-rhythmus-der-jahreszeiten 31. Juli 2025/Kiel. Viren in den kalten Gewässern der Arktis treten im Jahresverlauf stark schwankend auf – und ähneln dem Virenvorkommen in der Antarktis. Diese überraschende Entdeckung ist das Ergebnis einer mehrjährigen Zeitreihenstudie unter der Leitung des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel. Die Studie liefert Einblicke in das empfindliche Gleichgewicht der polaren Ökosysteme und zeigt, dass Viren – über deren Grundmuster bislang nur wenig bekannt ist – als Indikatoren für Veränderungen im Ozean dienen könnten. Die Studie ist jetzt in Nature Communications erschienen. Die Polarregionen unterliegen den stärksten jahreszeitlichen Schwankungen auf der Erde. Der Arktische Ozean ist dabei bekannt als unwirtlicher, oft von Eis bedeckter Lebensraum. Bei näherem Blick offenbart er jedoch eine Vielfalt an Leben, das von winzigen Organismen dominiert wird. Viren, die in dem kalten Wasser leben, sind dabei eng mit ihren Wirten – meist Bakterien – verknüpft. Diese mikrobiellen Partnerschaften verändern sich stark im Laufe der Jahreszeiten – je nach Licht, Temperatur und Nährstoffverfügbarkeit.

Gleiche Viren an beiden Polen – eine Überraschung

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel hat nun in einer Langzeitstudie festgestellt, dass die Zusammensetzung der Virengemeinschaften im Arktischen Ozean stark saisonal geprägt ist und dem Virenvorkommen im Südlichen Ozean rund um die Antarktis überraschend ähnelt. Dies widerspricht Annahmen, dass sich die Virenpopulationen zwischen Nord- und Südpol stark unterscheiden. In wärmeren Breiten konnten diese viralen Gruppen nicht nachgewiesen werden.

„Dass sich an den geografisch so weit entfernten Polen ähnliche virale Muster zeigen, war völlig unerwartet“, sagt Alyzza Calayag, Meeresökologin am Ƶ und Erstautorin der Studie. „Wie diese Ähnlichkeit zustande kommt, ist eine der spannenden Fragen für künftige Studien.“

Proben aus einer mehrjährigen Zeitreihe

Die Proben für die Studie wurden mithilfe autonomer Wasserprobennehmer im HAUSGARTEN-Observatorium des Alfred-Wegener-Instituts in der Arktis gesammelt. Über vier Jahre hinweg (2016 bis 2020) sammelten die Geräte kontinuierlich Wasserproben in der Framstraße, der Meerespassage zwischen Grönland und Spitzbergen.

Um Viren zu erkennen, durchsuchten die Forschenden Millionen langer DNA-Sequenzen mithilfe von Computerprogrammen, die virale DNA-Signaturen identifizieren. So konnten Viren sowohl innerhalb als auch an Bakterien haftend nachgewiesen werden. Mithilfe computergestützter Netzwerkanalysen konnten die Forschenden zudem bestimmte Viren-Gruppen ihren bevorzugten Wirten zuordnen.

Um herauszufinden, ob diese Viren auch außerhalb der Arktis vorkommen, verglich das Team sie mit globalen Metagenomdaten – also mit Umwelt-DNA aus verschiedenen Weltregionen. In diesen globalen Datensätzen konnten 42 Prozent der arktischen Viren auch in antarktischen Regionen nachgewiesen werden.

Virale Hochsaison: 30 Viren pro Bakterie im Sommer

Überraschend war für das Forschungsteam auch der starke saisonale Unterschied in der Anzahl und Zusammensetzung der Viren: „Im Winter fanden wir in den Wasserproben etwa gleich viele Viren wie Bakterien“, erklärt Calayag. Doch im Spätsommer zwischen August und September schnellten die Zahlen in die Höhe: „Im Durchschnitt kamen 30 Viren auf jede einzelne Bakterie.“

Dieser extreme Anstieg – ein sogenannter saisonaler „Peak“ – sei bisher völlig unerkannt geblieben, da sich frühere Studien nicht auf eine kontinuierliche Probenahme stützen konnten und keine Proben während der dunklen Wintermonate erhoben wurden.

Die Forscherin betont: „Wir sehen, dass sich mit den Jahreszeiten nicht nur die Anzahl der Viren verändert, sondern auch ihre Zusammensetzung. Das bedeutet, dass sich je nach Umweltbedingungen ganz unterschiedliche Virentypen durchsetzen – und diese wiederum haben unterschiedliche Effekte auf das mikrobielle Nahrungsnetz.“

Denn Viren befallen gezielt bestimmte Bakterien und kontrollieren damit ihr Wachstum und ihre Verbreitung. So beeinflussen sie, welche Stoffe im Wasser umgesetzt werden und wie Energie in der Nahrungskette weitergegeben wird. Dieses fein austarierte Gleichgewicht könnte durch den Klimawandel ins Wanken geraten.

Klimawandel könnte das mikrobielle Gleichgewicht verschieben

„Wenn sich Temperatur, Salzgehalt oder Eisbedeckung verändern, geraten auch die Lebensbedingungen für die Viren durcheinander“, so Calayag. „An Kälte angepasste Viren könnten verdrängt werden, neue Typen könnten sich etablieren. Das hätte Auswirkungen auf das gesamte ökologische Zusammenspiel. Genau deshalb sind Viren wichtige Frühindikatoren für den Wandel in den Polarregionen.“

 

Publikation:

Calayag, A., Priest, T., Oldenburg, E., Muschiol, J., Popa, O., Wietz, M. & Needham, D. M. (2025): Arctic Ocean virus communities and their seasonality, bipolarity, and prokaryotic associations, Nature Communications.

öܲԲ:

Die Studie wurde gefördert durch die Helmholtz-Gemeinschaft (Helmholtz Young Investigator Grant der Helmholtz-Akademie) und ermöglicht durch das Arktische Langzeit-Observatorium FRAM des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI).

 

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news-9959 Wed, 23 Jul 2025 10:22:00 +0200 Grüner Wasserstoff aus dem Meer /news/article/gruener-wasserstoff-aus-dem-meer 23.07.2025/Kiel. Wasserstoff aus Nord- und Ostseewasser direkt an Offshore-Windanlagen gewinnen – dieses Vorhaben steht im Zentrum des Projekts SalYsAse. Dazu sollen Bakterien als Biokatalysatoren genutzt werden, um den Prozess umweltschonend und kostengünstig durchzuführen. Das Projekt unter Leitung von Prof. Dr. Mirjam Perner, Professorin für Geomikrobiologie am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, wird in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Kiel und dem Technologieunternehmen Element22 durchgeführt. Es wird gefördert vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR). Offshore-Windanlagen produzieren oft mehr Strom als über die Leitungen an Land transportiert werden kann. Kann der Strom nicht abgenommen werden, stehen sie still. Effizienter wäre es, den Strom direkt in das speicherbare Medium Wasserstoff umzuwandeln. Wasserstoff aus Meerwasser zu gewinnen, direkt dort, wo der Wind weht – diese Idee steht im Fokus des Projekts SalYsAse (Salzwasserelektrolyse mittels mariner Bakterien auf Titangasdiffusionsschichten). Das Prinzip: Mittels Elektrolyse soll Strom in so genannten grünen Wasserstoff umgewandelt werden. Bei der Elektrolyse wird Wasser durch elektrischen Strom in seine Bestandteile, also Wasserstoff und Sauerstoff, getrennt. Grüner Wasserstoff ist CO2-neutral und kann einfach gespeichert und transportiert werden. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt über drei Jahre mit 733.000 Euro gefördert.

„Ziel des Projekts ist es, Wasserstoff mittels Salzwasserelektrolyse umweltschonend und kostengünstig herzustellen – aber mit optimiertem Wirkungsgrad und geringerem Einsatz von chemischen Katalysatoren“, sagt Dr. Mirjam Perner. Sie ist Professorin für Geomikrobiologie am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und leitet das Projekt gemeinsam mit Prof. Dr.-Ing. Jana Schloesser, Professorin für Werkstofftechnik an der Fachhochschule Kiel, und Florian Gerdts, leitender Prozessingenieur beim Kieler Technologieunternehmen Element22.

Herausforderungen der Elektrolyse mit Salzwasser

Bislang benötigt die Elektrolyse gereinigtes Süßwasser, da es weder Salze noch Mineralien enthält und deshalb die Elektrolyseanlage vor Korrosion schützt. Allerdings sind nur 2,5 Prozent der weltweiten Wasserreserven Süßwasser. Zudem verursachen die Entsalzung und Reinigung von Salzwasser zusätzliche Kosten, die durch die direkte Nutzung des Meerwassers vermieden werden könnten. Die Wissenschaftler:innen wollen im Rahmen des Projekts SalYsAse Salzwasser direkt aus dem Meer nutzen. Damit stehen sie vor einigen Herausforderungen: Durch das enthaltene Salz kann bei der Elektrolyse von Meerwasser giftiges Chlorgas entstehen. „Auch eine schnellere Korrosion der Elektroden oder unerwünschte Nebenreaktionen können auftreten. Dies wollen wir durch geeignete Werkstoffe in Kombination mit den Mikroorganismen verhindern“, sagt Werkstoffexpertin Jana Schloesser.

Effiziente Katalysatoren und Membranen

Um das Meerwasser nutzen zu können, wollen die Forschenden neben herkömmlichen Katalysatorschichten auch marine Mikroben, also Bakterien, verwenden. Die Mikroben stammen aus der Ost- und Nordsee, da sie am besten an die Bedingungen des Salzwassers angepasst sind. Mirjam Perner erklärt: „Oftmals wird das chemische Element Iridium als Katalysator genutzt, da es sehr beständig gegenüber Korrosion ist. Allerdings ist es selten und daher nur begrenzt verfügbar. Deshalb wollen wir Biokatalysatoren in Form von Mikroben nutzen.“ Die Mikroben sollen dabei helfen, die Herausforderungen, die durch die Nutzung des Salzwassers entstehen, zu verringern oder sogar zu umgehen.

Das Projektteam setzt zusätzlich geeignete Materialien für die Membran, die Wasserstoff und Sauerstoff während der Elektrolyse voneinander trennt, und die poröse Transportschicht ein. „Die Besonderheit in SalYsAse liegt darin, dass die poröse Transportschicht nicht nur den Strom und die Reaktionsmedien leitet. Wir gestalten sie so, dass diese Schicht auch als Träger für die Mikroben fungiert. Damit findet die biologische Katalyse direkt in der Elektrolysezelle statt – ein spannender Ansatz, der die Materialwissenschaften und die Life Sciences zusammenbringt“, so Florian Gerdts. Dafür wollen die Projektbeteiligten poröse Titanstrukturen nutzen, da Titan besonders widerstandsfähig gegenüber Korrosion ist, was für den Einsatz im Meerwasser essenziell ist.

Wasserstoffproduktion direkt dort, wo der Wind weht

Der gesamte Prozess soll zukünftig dort stattfinden, wo auch schon der Strom entsteht: an Offshore-Windanlagen. Damit vermeiden die Wissenschaftler:innen, dass der Strom erst noch ans Festland transportiert werden muss. Dieser Weg ist teuer, Energie geht verloren. Stattdessen wird vor Ort sauberer, klimaneutraler Wasserstoff erzeugt. Dieser kann effizient weitertransportiert werden, und zum Beispiel in energieintensiven Industrien wie der Stahl- und Chemieproduktion eingesetzt werden.

 

Hintergrund: Wasserstoff als Energieträger der Zukunft

Um fossile Brennstoffe zu ersetzen, werden in Zukunft mehr erneuerbare Energien genutzt und nachhaltige Energieträger benötigt. Wasserstoff spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, da er gut gespeichert und transportiert werden kann. Wasserstoff als Energieträger ermöglicht so die Kopplung verschiedener Sektoren – von der Industrie, über Mobilität bis hin zur Energieversorgung.  Besonders effizient und ressourcenschonend ist grüner Wasserstoff. Als grün gilt Wasserstoff, wenn er durch Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energien wie Sonnen- oder Windenergie erzeugt wird. Bei diesem Prozess entstehen keine Treibhausgase. Wasserstoff, der durch Meerwasserelektrolyse an windreichen Standorten entsteht, kann beispielsweise in der Industrie oder im Schwerlastverkehr eingesetzt werden.

 

öܲԲ:

Das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) fördert das Projekt mit insgesamt 733.000 Euro über einen Zeitraum von drei Jahren.

 

Partner

Projektpartner sind die Fachhochschule Kiel in Koordination der Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule Kiel GmbH und das Technologieunternehmen Element22 GmbH aus Kiel, das für dieses Projekt die Titanbauteile herstellt. SalYsAse ist angebunden an CAPTN Energy, ein schleswig-holsteinisches Innovationsbündnis, das erneuerbare Energien für maritime Anwendungen nutzt.

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news-9963 Fri, 11 Jul 2025 17:17:00 +0200 Mit Tauchgängen eine Datenlücke schließen /news/article/mit-tauchgaengen-eine-datenluecke-schliessen 11.07.2025/Bremen/Kiel. Laut dem EU-Klimadienst Copernicus war 2024, insbesondere der Sommer, das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Der mit der globalen Erwärmung einhergehende Klimawandel manifestiert sich in ganz Europa in Form von extremen Wetterereignissen wie Waldbränden, Dürren, Überschwemmungen nach starken Regenfällen und Hitzewellen im Meer. Das Citizen-Science-Projekt BlueDOT, das vom MARUM – Zentrum für marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen koordiniert wird, arbeitet daran, diese Veränderungen besser zu verstehen, indem es Temperaturdaten in den oberen 40 Metern des Mittelmeers sammelt. Ziel ist es, die Meerestemperaturen genauer zu verfolgen und marine Hitzewellen zu überwachen. Dadurch soll das Verständnis verbessert werden, wie sich der Klimawandel auf die Ozeane auswirkt. Taucher:innen stehen im Mittelpunkt des Projekts BlueDOT. Indem sie Tauchprofile von ihren Tauchcomputern auf das Divelogs-Portal hochladen und der Weitergabe an die wissenschaftliche Datenbank zustimmen, leisten sie einen wertvollen Beitrag zur Meeresforschung.

Mit Citizen Science gegen Datenlücken im Mittelmeer

Das Projektteam nutzt diese Daten unter Einhaltung der Datenschutzbestimmungen, um Temperaturänderungen in verschiedenen Teilen des Mittelmeers und aus Küstenregionen weltweit zu überwachen und aufzuzeichnen. Dr. Christophe Galerne und Prof. Achim Kopf, beide vom MARUM an der Universität Bremen, Dr. Rebecca Zitoun vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Arne Schwab von Schwab Research Technology leiten das Projekt.

Sensoren unter Wasser: Kalibrierung an Referenz-Tauchplätzen

Um die Qualität der gesammelten Daten zu verbessern und sicherzustellen, dass die Temperaturmessungen verschiedener Tauchcomputer vergleichbar sind, hat BlueDOT an ausgewählten Referenztauchplätzen an der Costa Brava, auf Helgoland und auf der maltesischen Insel Gozo hochpräzise Temperatursensoren dauerhaft installiert. Diese Sensoren zeichnen die Temperatur in verschiedenen Tiefen auf, sodass die Wissenschaftler:innen von BlueDOT die gesammelten Daten der Tauchcomputer anhand konsistenter, hochauflösender Messungen kalibrieren können. Um diese Bemühungen zu unterstützen, arbeitet BlueDOT mit zwei Tauchzentren in Spanien und auf Malta zusammen.

Großes globales Potenzial: Sechs Millionen Taucher:innen weltweit

Laut Christophe Galerne erhöht der Einsatz der Sensoren die Genauigkeit der BlueDOT-Datenbank. „Dies schafft eine zuverlässigere Grundlage für die Forschung und hilft dabei, das Projekt für die langfristige globale Ausweitung weiter zu entwickeln.“ Diese von Taucher:innen gesammelten Daten sind eine wichtige Ergänzung zu bestehenden Plattformen zur Meeresüberwachung wie Satellitenbeobachtungen, Argo-Floats und hydrografischen Vermessungen. „Mit geschätzten sechs Millionen aktiven Tauchern weltweit birgt diese Citizen-Science-Initiative enormes Potenzial für die Verbesserung der Klimaforschung durch weitreichende, gemeinschaftsbasierte Beobachtungen der Meerestemperatur“, betont Galerne.

Das Projekt wird vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) gefördert. Es ist im Dezember 2024 gestartet und zunächst auf eine Laufzeit von etwa 18 Monaten angelegt. Es dient als Testphase, um den besten Ansatz für eine mögliche globale Ausweitung zu entwickeln.

Erwärmung mit Folgen

Das Team hat bereits Tauchdaten aus dem Mittelmeer ausgewertet. Wie Galerne erwartet hatte, deuten diese darauf hin, dass die durchschnittlichen Meerestemperaturen stetig ansteigen. Die Wassermassen der Ozeane wirken als Wärmespeicher, die mit der Atmosphäre interagieren und so das Klima beeinflussen. Wenn dieses System durch die anhaltende Erwärmung des Oberflächenwassers aus dem Gleichgewicht gerät, könnte dies zu verstärkter Verdunstung und letztlich zu regional begrenzten extremen Niederschlagsereignissen in den umliegenden Gebieten führen. Galerne erklärt, dass sich der damit verbundene Regenbereich in den vergangenen 20 Jahren immer weiter nach Norden verlagert hat, was zu sporadischen Dürren, starken Regenfällen und Überschwemmungen geführt habe.

Mehr als nur Sommerdaten – warum jede Jahreszeit zählt

„Die anhaltende Erwärmung und die zunehmende Häufigkeit von Hitzewellen im Meer haben auch erhebliche Auswirkungen auf die Artenvielfalt und die Ökosystemleistungen unserer Ozeane – was sie zu einem entscheidenden Faktor macht, der sowohl in der Forschung als auch im Management berücksichtigt werden muss. Derzeit gibt es eine sogenannte Stichprobenverzerrung – eine deutliche Übergewichtung von Daten aus den wärmeren Monaten und der Urlaubssaison. Um einen Durchschnittswert ermitteln zu können, möchten wir Taucher dazu ermutigen, ihre Daten – auch ältere Daten – in unser Portal einzugeben und auch Daten aus kühleren Jahreszeiten aufzuzeichnen und hochzuladen“, sagt Galerne. Durch das Schließen dieser saisonalen Lücken könnten Taucher:innen eine entscheidende Rolle dabei spielen, ein genaueres Bild davon zu erstellen, wie sich die Meerestemperaturen im Laufe des Jahres verändern.

BlueDOT ist ein anerkanntes Projekt der UN-Ozean-Dekade.

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Aktuelles 2025 Top_Slider FB4News Ozeanbeobachtung Ozean und Klima Klima
news-9955 Fri, 11 Jul 2025 13:05:03 +0200 Deutsch-afrikanische Kooperation zum Schutz des marinen Ökosystems /news/article/westafrika-kooperation-an-einem-wissenschaftlichen-hotspot 11.07.2025/Kiel/Mindelo. Die Zusammenarbeit im Bereich der Meereswissenschaften zwischen deutschen und kapverdischen Institutionen begann im Jahr 2004. Das Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel hat diese Partnerschaft über die Jahre weiterentwickelt. Neben einer Vielzahl an gemeinsamen Forschungsaktivitäten wurde der nachhaltige Aufbau von Forschungsinfrastruktur sowie eines internationalen Masterstudiengangs vor Ort ermöglicht, welche substanzielle Beiträge zur Erreichung der Ziele der UN Ozeandekade darstellen. Ein kürzlich in der Zeitschrift Oceanography veröffentlichter Artikel würdigt diese einzigartige Partnerschaft, die in Zukunft weiter ausgebaut werden soll. Der Atlantische Ozean vor Westafrika spielt eine wichtige Rolle bei der globalen Klimaregulierung und der sozio-ökonomischen Stabilität vieler Anrainerstaaten. Das hochproduktive Auftriebsgebiet vor dem Senegal und Mauretanien mit Einflüssen bis zum Inselstaat Cabo Verde ernährt eine artenreiche marine Nahrungskette und sichert die Lebensgrundlage großer Teile der lokalen Bevölkerung durch Fischerei und Tourismus. Allerdings ist diese Region zunehmenden von Menschen verursachten Belastungen wie Ozeanerwärmung, Küstenerosion und Sauerstoffmangel ausgesetzt.

Fehlende Forschungsinfrastruktur und Ausbildungsmöglichkeiten erschweren es, den Problemen angemessen zu begegnen und fundierte, eigene Entscheidungen für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Meeresökosysteme zu treffen. Im Jahr 2004 wurden daher in einem internationalen wissenschaftlichen Austausch Kapazitätslücken und Forschungsprioritäten erörtert und im Jahr 2006 erste land- und seegestützte Infrastrukturen aufgebaut, um ozeanographische Forschung vor Ort durchzuführen. So wurde zum Beispiel die erste Ozean-Zeitserienstation Cabo Verdes etabliert, das Cape Verde Ocean Observatory (CVOO), welches wichtige Daten über die Auswirkungen des Klimawandels auf den Ozean in der Region liefert.

Ocean Science Centre Mindelo als weltweite Begegnungs- und Forschungsstätte

Die Zusammenarbeit führte dann im Jahr 2017 zu der Eröffnung des Ocean Science Centre Mindelo (OSCM), welches als Anlaufstelle nicht nur für nationale und internationale Forschende dient, sondern auch den Austausch von Wissen zwischen Gesellschaft, Politik und Wissenschaft fördert. „Das Zentrum wird vor Ort von Wissenschaftler:innen und Techniker:innen aus Cabo Verde betrieben, die seit Beginn zur bilateralen Partnerschaft beigetragen und von ihr profitiert haben“, sagt Cordula Zenk vom Ƶ, Koordinatorin der deutsch-kapverdischen Kooperation, die zusammen mit den kapverdischen Kollegen:innen den Aufbau des OSCM steuerte. Das Management wird zu gleichen Teilen vom kapverdischen Partnerinstitut Instituto do Mar (IMar) und vom Ƶ getragen, wodurch die Verschmelzung regionaler und internationaler Perspektiven sowie der Ausbau des Netzwerks gewährleistet werden.

Ivanice Monteiro, die im Rahmen der Partnerschaft als Studentin begann und heute die OSCM-Laboratorien leitet hebt die transformative Wirkung hervor: "Diese Partnerschaft hat mir und vielen meiner Kolleg:innen die Möglichkeit gegeben, unser Wissen und unsere Fähigkeiten in der Meeresforschung hier in Cabo Verde aufzubauen und anzuwenden. Es ist unglaublich erfüllend, zu sehen, wie wir gemeinsam mit unseren deutschen Partnern das OSCM betreiben und damit eigenständig einen echten Beitrag für unser Land und die gesamte Region leisten."

Internationaler Masterstudiengang für Klimawandel und Meereswissenschaften

Der wissenschaftliche Artikel in Oceanography beleuchtet auch die akademische Ausbildung sowie den Aufbau eines Netzwerks von westafrikanischen Nachwuchswissenschaftler:innen, welche das Ƶ maßgeblich mit entwickelt. Eine wichtige Errungenschaft im Jahr 2019 dazu war die Etablierung eines internationalen Masterstudiengangs für Klimawandel und Meereswissenschaften, welcher an der Universidade Técnica do Atlântico (UTA) in Mindelo angesiedelt ist. Dieser ist Teil des WASCAL-Programmes (West African Science Service Centre on Climate Change and Adapted Land-Use), das vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) finanziert wird, und mittlerweile als offizielles Projekt der Ozeandekade durchgeführt wird. Studierende aus insgesamt 12 westafrikanischen Ländern nehmen daran teil und absolvieren neben ihrem Studium in Mindelo auch einen Forschungsaufenthalt in Deutschland sowie eine schiffspraktische Ausbildung, die „WASCAL Floating University.“

„Das Netzwerk umfasst mittlerweile mehr als 50 Nachwuchsforschende und wächst stetig. Einige der Alumni bleiben in der Forschung im Rahmen einer Doktorarbeit, andere sind in ihren Heimatländern bereits in öffentlichen oder privaten Institutionen tätig“, sagt Dr. Björn Fiedler, Erstautor des Artikels und wissenschaftlicher Koordinator des OSCM. „Wir sind davon überzeugt, dass die durch den Klimawandel hervorgerufenen Herausforderungen in Westafrika nur gemeinsam angegangen werden können. Dazu bedarf es langfristige Vorhaben, die eine gemeinschaftliche Nutzung von Forschungsinfrastrukturen und Wissen über Ländergrenzen hinweg ermöglichen.“

Ein solches Vorhaben stellt auch das vom Ƶ koordinierte FUTURO Projekt dar, welches eine groß angelegte, internationale Forschungskampagne in Westafrika zusammen mit sieben westafrikanischen Ländern zum Ende dieses Jahrzehntes durchführen wird. „Neben einer einjährigen Schiffskampagne mit der neuen METEOR IV steht im Zentrum des Vorhabens die gemeinschaftliche Entwicklung sowie Durchführung der Kampagne in enger Zusammenarbeit mit westafrikanischen Partner:innen zu denen auch das weiter wachsende Netzwerk an Nachwuchswissenschaftler:innen beitragen wird“, so Prof. Dr. Arne Körtzinger, Chemischer Ozeanograph und wissenschaftlicher Koordinator des FUTURO Projekts.

 

Publikation:
Fiedler, B., Monteiro, I., Almeida, C., Zenk, C., Silva, P., Karstensen, J., Rodrigues, E., Vieira, N., Pinto-Almeida, A., Lima, E., Hahn, T., Koné, D., Rodrigues, Y., & Körtzinger, A. (2025). 20 Years of Partnership in Marine Sciences Between Cabo Verde and Germany: From Ideas, Opportunities, and Observations to Long-Term and Sustained Capacity Sharing. Oceanography, 38(1).

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Ƶ News Aktuelles 2025 Cabo Verde Auftrieb
news-9947 Thu, 10 Jul 2025 08:52:00 +0200 Munition im Meer endgültig beseitigen /news/article/cammera 10.07.2025/Kiel. Seit 2016 erforschen Wissenschaftler:innen des Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel Munitionsaltlasten im Meer – von der Kartierung über die Analyse chemischer Belastungen bis hin zur Entwicklung autonomer Unterwasserfahrzeuge (AUVs). Mit dem Projekt CAMMera beginnt nun die nächste Phase: die Vorbereitung und wissenschaftliche Erprobung der großflächigen Räumung. Das auf drei Jahre angelegte Vorhaben wird von Prof. Dr. Jens Greinert, Meeresgeologe am Ƶ, geleitet und mit 5,6 Millionen Euro von der Europäischen Union gefördert. Mehr als 1,6 Millionen Tonnen Altmunition lagern am Grund der Nord- und Ostsee. Das Projekt CAMMera (Clearance Activities for Marine Munition through Efficient Remediation Approaches) entwickelt nun die nötigen weiterführenden Technologien und Leitlinien, um die Altmunition endgültig aus europäischen Meeren zu entfernen. Den Grundstein dafür legen vorausgegangene Ƶ-Projekte wie BASTA, ExPloTect oder CONMAR. Sie konzentrierten sich auf die Identifikation von Umweltgefahren, die Entwicklung chemischer Analysegeräte oder autonomer Unterwasserfahrzeuge (AUVs). Offen blieb bislang die letzte und entscheidende Phase: die endgültige Räumung und Entsorgung von schlecht handhabbaren Munitionsobjekten in einem industriellen Maßstab. Hier setzt das Projekt CAMMera an. An dem vom Ƶ koordinierten Projekt wirken Industriepartner aus mehreren Ländern in Europa mit.

„Niemand weiß wirklich, wie viel Munition am Meeresboden liegt. Aber wir stehen in der Verantwortung sie zu beseitigen – und zwar sicher, effizient und umweltfreundlich. Nach viel Vorarbeit geht es im Projekt CAMMera jetzt um die konkrete Umsetzung. Das Ziel ist es, Methoden und Technologien weiterzuentwickeln, um die Altmunition im industriellen Maßstab zu bergen und damit ein internationales Vorbild zu sein", sagt Professor Dr. Jens Greinert, Leiter des Projekts, Meeresgeologe und Experte für Munitionsaltlasten am Ƶ.

Strategien zur sicheren und umweltfreundlichen Beseitigung

In Vorläuferprojekten identifizierten Expert:innen bereits Strategien für den Umgang mit Munitionsaltlasten. Nun sollen die Techniken weiterentwickelt werden. Autonome und unbemannte Unterwasserfahrzeuge helfen dabei, Objekte direkt am Meeresboden zu bergen. Außerdem arbeiten die Projektpartner:innen an Methoden zur umweltfreundlichen Beseitigung offener Sprengstoffe und zerbrochener Granaten, einer automatischen Überwachung der Bergungsstellen sowie der Entsorgung im industriellen Maßstab. Aus den Ergebnissen werden Best-Practice-Beispiele entwickelt und bereitgestellt.

Insgesamt wurden sieben Projektziele festgelegt:

1. Greifroboter entwickeln: Ziel ist es, ein unbemanntes Fahrzeug zu entwickeln und zu erproben, das Munitionshaufen sowohl von der Wasseroberfläche als auch direkt unter Wasser effizient beräumen kann.

2. Bergung großer oder beschädigter Munitionskörper: Vorgesehen ist die Entwicklung umweltfreundlicher Verfahren, mit denen sich stark korrodierte Munitionsobjekte mit bereits offen liegendem Sprengstoff bergen lassen.

3. Sicherheits- und Schutzkonzept: Da Munitionsdeponien häufig in küstennahen, intensiv genutzten Gebieten liegen und neben starkem Tourismus auf See auch ein potenzielles Ziel feindlicher Handlungen darstellen, steht die Entwicklung eines Schutzkonzepts im Fokus. Es soll helfen, Risiken frühzeitig zu erkennen und eine sichere, transparente Bergung ermöglichen.

4. Automatisierung der Vorsortierung: Das Projekt arbeitet an der Konzeption einer automatisierten Zerlegeanlage, die klein- und mittelkalibrige Munition direkt auf See sortieren und zerschneiden kann, um sie der thermischen Vernichtung zuzuführen. Damit wird ein zentraler Engpass bei der Automatisierung adressiert – insbesondere das Öffnen von Kisten, die Vorsortierung kleinkalibriger Munition und das Zerlegen mittelgroßer Munitionskörper.

5. Nachsorge und Monitoring: Ziel ist es, geräumte Gebiete systematisch zu überprüfen, um sicherzustellen, dass keine Munition im Sediment zurückbleibt oder der angestrebte Räumungsgrad erreicht wurde. Ergänzend wird ein Umweltmonitoring eingerichtet, das Wasser und Sedimente vor Schadstoffeinträgen schützt.

6. Wissensbündelung: Die Expert:innen werten nationale und internationale Projekte zur Munitionsräumung aus und bündeln die Erkenntnisse in einer übergreifenden Richtlinie.

7. Wirtschaftliche Umsetzbarkeit: Das Projekt erarbeitet tragfähige Geschäftsmodelle und Wirtschaftlichkeitsanalysen, um die Munitionsräumung in europäischen Meeren langfristig zu gestalten.

 

Hintergrund: Gefahr am Meeresboden

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Munition im Meer versenkt – und liegt dort größtenteils immer noch. Alte Munition am Meeresboden kann potenziell schädlich für den Ozean sein. Explosive Chemikalien wie TNT oder giftige Stoffe wie Quecksilber und Blei reichern sich beispielsweise in Fischen und Muscheln an. Sie wirken dort krebserregend und können das Erbgut verändern. Durch fortschreitende Korrosion werden diese Substanzen schneller freigesetzt. Steigende Temperaturen und Stürme, die unter anderem durch den Klimawandel bedingt sind, beschleunigen den Zerfall der Munition. Einzelne Blindgänger wurden bereits beseitigt, etwa wenn Windräder oder Datenkabel im Meer gebaut werden. Im Fokus des Projekts CAMMera steht die Vorbereitung der großflächigen Räumung ganzer Munitionsdeponien. In diesen lagern tausende Munitionskisten, Seeminen und andere Objekte in großen Mengen und auf engem Raum übereinander.

Hintergrund: Projekte zu Munition im Meer am Ƶ

Forschende am Ƶ haben in den vergangenen Jahren bereits einige erfolgreiche Projekte zu Munition im Meer durchgeführt. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen nun in das Projekt CAMMera ein.  

Das Projekt ExPloTect (Ex-situ, near-real-time exPlosive compound deTection in seawater, Ex-situ, Nahezu-Echtzeit-ExPlosivstoffabbau in Meerwasser) entwickelte von 2019 bis 2022 Technologien, um Chemikalien, die aus versenkter Munition stammen, nachzuweisen.

Parallel dazu erarbeitete das Projekt BASTA (Boost Applied munition detection through Smart data inTegration and AI workflows, Verbesserte Erkennung angewandter Munition durch intelligente Datenintegration und KI-Workflows) Strategien, um Daten über Altmunition im Meer zu erheben und auszuwerten.

Im Rahmen des Projekts CONMAR (CONcepts for conventional MArine Munition Remediation in the German North and Baltic Sea, Konzepte zur Sanierung konventioneller Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee) bündeln die Beteiligten ihr Wissen über Risiken, Strategien und Handlungsansätze für den Umgang mit Munitionsaltlasten. Das Projekt ist 2024 in die zweite Projektphase gestartet, die bis 2027 angesetzt ist. CONMAR ist eines von mehreren Verbundprojekten der DAM-Forschungsmission sustainMare.

öܲԲ:

Das Projekt CAMMera ist auf drei Jahre angelegt und wird durch die Europäische Union im Rahmen der Pilot Projects and Preparatory Actions (PPPAs) mit 5,6 Millionen Euro gefördert.

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Aktuelles 2025 Presse 2025 Top_Slider FB2News Munition im Meer Ostsee Marine Ökosysteme
news-9951 Wed, 09 Jul 2025 12:47:59 +0200 Helmholtz Promotionspreis für Ƶ-Forscherin /news/article/helmholtz-verleiht-promotionspreis Bei Helmholtz forschen knapp 9.000 Doktorandinnen und Doktoranden. Elf von ihnen wurden jetzt ausgezeichnet. Mit dem Promotionspreis würdigt Helmholtz jedes Jahr die besten und originellsten Doktorarbeiten. In ihrer Doktorarbeit untersuchte Vanessa Stenvers Anpassungen bei pelagischen Wirbellosen, sowohl kurzfristig als Reaktion auf Umweltstress als auch langfristig auf evolutionären Zeitskalen. Dabei konzentrierte sie sich auf die Auswirkungen der globalen Erwärmung und des Tiefseebergbaus auf eine pelagische Qualle. Während die Auswirkungen von Sedimentablagerungen in der Wassersäule ein zunehmend besorgniserregendes Thema im Zusammenhang mit dem Bergbau sind, fehlten bisher experimentelle Daten. Vanessa Stenvers fand heraus, dass die Exposition gegenüber Plumes mit hohen energetischen Kosten verbunden ist, aber auch schwerwiegendere Auswirkungen hat als das extremste Erwärmungsszenario. Darüber hinaus zeigte sie, dass Kenntnisse über symbiotisches Verhalten entscheidend sind, um die Tarnung und visuelle Anpassungen einer Gruppe von Krebstieren zu verstehen. Dieses Wissen wird dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen vorherzusagen, da sich pelagische Gemeinschaften und ihre Wechselwirkungen unter Umweltveränderungen wahrscheinlich verändern werden.

„Die Tiefsee und ihre Bewohner existieren nicht isoliert vom Leben an Land. Pelagische Tiere tragen zur Regulierung unseres Klimas, zum Nährstoffkreislauf und zum Erhalt der Fischbestände bei. Ob und wie sich diese Tiere anpassen, ist eine zunehmend wichtige Frage, und das Verständnis ihrer Reaktionen auf Veränderungen ist für die Erhaltung eines gesunden Planeten von entscheidender Bedeutung,“ erklärt Vanessa Stenvers.

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Ƶ News Aktuelles 2025 FB3News
news-9936 Tue, 01 Jul 2025 08:54:26 +0200 Von Kiel bis Apenrade und zurück: Dem Plastik auf der Spur /news/article/von-kiel-bis-apenrade-und-zurueck-dem-plastik-auf-der-spur 1. Juli 2025/Kiel. Diese Woche ist die ALKOR-Expedition AL635 unter der Leitung des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in die westliche Ostsee, im deutsch-dänischen Grenzgebiet, gestartet. Das Ziel der Fahrt ist es, die Verbreitung von Mikro- und Nanoplastikpartikeln im Küstengebiet systematisch zu erfassen, ihre Eigenschaften zu analysieren und mögliche Eintragsquellen besser zu verstehen. Die Expedition ist Teil des Interreg 6A-Projekts PlastTrack. Am Freitag, dem 4. Juli, macht das Schiff Halt in Sonderborg, um der Öffentlichkeit einen Einblick in die Forschung zu geben. Bereits zum zweiten Mal führen die Wissenschaftler:innen des Projekts PlastTrack eine Expedition durch, um die Verbreitung von Plastikteilchen in der westlichen Ostsee zu erfassen und quantifizieren. Sie wollen besser verstehen, wo die Plastikpartikel herkommen, wie sie im Wasser transportiert werden und welche Auswirkungen damit einhergehen.

Die Expedition AL635 ist Teil des Interreg 6A-Projekts PlastTrack (Technological platform for micro- and nanoplastics tracking), in dem das Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel unter anderem mit dem Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und der Süddänischen Universität (SDU) zusammenarbeitet. Ziel des Projekts ist es, die Plastikverschmutzung durch Mikro- und Nanoplastikpartikel (MNP) in der Ostsee zu erfassen, neue Verfahren zu testen und weiterzuentwickeln.

Im Meer finden sich die Kunststoff-Partikel sowohl an der Oberfläche als auch am Grund der tiefsten Ozeane, ѱٰöܲԲ transportieren sie in alle Welt. Tausende Tonnen Plastik landen jedes Jahr in der Ostsee. Probennahmen zeigten Mikroplastik in 28 Prozent aller untersuchten Fische. Winzige Plastikpartikel (Mikroplastik) werden für verschiedene Verbraucheranwendungen produziert, zum Beispiel Reinigungsmittel, oder stammen aus Zersetzungsprozessen größerer Plastikstücke. Wenn sie sich zu Nanoplastik zersetzen, können sie auch Zellmembranen durchdringen und gelangen somit direkt in die Körper von Lebewesen.

Methoden zur Probennahme von Plastikpartikeln

Während der Expedition werden verschiedene Methoden zur Beprobung von Mikroplastik eingesetzt. Mit dem Neuston-Katamaran können beispielsweise Proben nahe der Wasseroberfläche entnommen werden, da einige Plastikpartikel leicht sind und in Salzwasser auftreiben. Andere Instrumente können sinkende Partikel aus tieferen Wasserschichten nehmen oder unterschiedliche Partikelgrößen aus dem Wasser filtern. Die Proben werden teilweise direkt an Bord mit speziellen Kameras oder spektroskopischen Messungen ausgewertet. In den heimischen Laboren kommen dann weitere Verfahren zur Analyse insbesondere sehr kleiner Partikel zur Anwendung.

Herausforderungen beim Nachweis von Mikro- und Nanoplastik

Expeditionsleiterin Prof. Dr. Anja Engel, Professorin für Biologische Ozeanographie und Leiterin des Forschungsbereichs Marine Biogeochemie am Ƶ, erklärt: „Nano-Partikel sind 1000 Mal kleiner als Mikroplastik und mit dem bloßen Auge nicht mehr zu erkennen. Derzeit können wir Nano-Partikel in der Umwelt noch nicht bestimmen, weil es an standardisierten Verfahren zur Probennahme dieser kleinen Partikel fehlt, insbesondere im Meer. Im Projekt PlastTrack arbeiten wir an Lösungen und Methoden, um Mikro- und Nanoplastik in der Umwelt schneller und gezielter nachzuweisen“, so Anja Engel.

Von Kiel über Flensburg bis nach Sonderburg und Apenrade

Die Route verläuft im Uhrzeigersinn durch das deutsch-dänische Grenzgebiet der westlichen Ostsee: Nach dem Start in Kiel wird die ALKOR entlang der schleswig-holsteinischen Küste die Flensburger Förde ansteuern. Die nördlichste Station ist Apenrade, bevor es um die dänische Insel Als herum und entlang der schleswig-holsteinischen Küste zurück nach Kiel geht.

In Sonderburg wird am Freitag, dem 4. Juli, ein Zwischenstopp eingelegt. Am Nachmittag macht das Forschungsschiff an der Pier vor dem Kulturzentrum Multikulturhuset fest, wo es eine Ausstellung und eine Mitmachstation geben wird. Alle Interessierten sind eingeladen, sich über die Arbeit der Forschenden zu informieren.

 

Hintergrund: PlastTrack

Das Projekt PlastTrack wird von der Europäischen Union im Rahmen von Interreg Deutschland-Danmark mit rund 1,74 Millionen gefördert. Das Ƶ arbeitet hierfür mit dem Mads Clausen Institute und dem Danish Molecular Biomedical Imaging Center aus Dänemark, sowie dem Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) zusammen. Seit 2023 untersuchen die Forscher:innen die Gefahren der Plastikverschmutzung für Mensch und Umwelt und entwickeln Instrumente zur Bekämpfung. Dazu soll eine offene Plattform entstehen, die gesammelte Daten vergleicht und bewertet. Neue Tools helfen zum Beispiel die Probennahme zu verbessern und die Umwandlung und den Abbau von Materialien zu überwachen.

 

Expedition auf einen Blick:

Name: ALKOR AL635 (im Rahmen von PlastTrack)

Fahrtleitung: Prof. Dr. Anja Engel

Zeitraum: 30.06.2025 – 11.07.2025

Start und Ende: Kiel

Fahrtgebiet: westliche Ostsee

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Aktuelles 2025 Presse 2025 Top_Slider FB2News Plastik im Meer Expeditionen
news-9934 Fri, 27 Jun 2025 11:00:00 +0200 LITTORINA seit 50 Jahren im Dienst der Meeresforschung /news/article/50-jahre-im-dienst-der-meeresforschung 27.06.2025/Kiel. Der Forschungskutter LITTORINA feiert runden Geburtstag: Seit 50 Jahren ist das Schiff im Dienst der Wissenschaft unterwegs und trägt bis heute zur Gewinnung wichtiger Erkenntnisse in der Meeresforschung bei. Am 27. Juni 2025 blicken das Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) auf ein halbes Jahrhundert Meeresforschung mit LITTORINA zurück. Für die Kieler:innen ist sie ein vertrauter Anblick. Wer an der Kiellinie spazieren geht, hat sie mit Sicherheit schon einmal gesehen – entweder auf der Förde oder an der Admiralsbrücke am Westufer. Heute ist ihr Liegeplatz am Ostufer vor dem Ƶ-Neubau. Seit 50 Jahren gehört die LITTORINA zur Kieler „Skyline“.

„Für das Ƶ ist die LITTORINA ein wichtiges und intensiv genutztes Schiff für die Forschung in den flachen Küstengewässern der Nord- und Ostsee. Es ist nahezu täglich im Einsatz. Wir brauchen langfristig diese Möglichkeit, direkt von unserem Kai abzulegen, um wichtige Daten etwa für den Schutz der Ostsee zu sammeln,“ erklärt Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des Ƶ.

„50 Jahre sind für ein Forschungsschiff ein beachtliches Alter. Dass die LITTORINA immer noch so zuverlässig ihren Dienst versieht, ist schon etwas Besonderes“, sagt Ƶ-Schiffskoordinator Dr. Klas Lackschewitz und blickt zurück in die 1970er Jahre: „Damals erfuhr die Meeresforschung in Deutschland einen großen Aufschwung, insbesondere hier in Kiel.“ Im Jahr 1972 bezog das damalige Institut für Meereskunde der CAU seinen Neubau am Westufer der Kieler Förde, direkt an der Kiellinie. Mit dem Sonderforschungsbereich 95 der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) wurde der Grundstein für zahlreiche wissenschaftliche Durchbrüche gelegt. Um unabhängig von anderen Schiffen zu forschen, bewilligte die DFG den Bau eines eigenen Forschungskutters (FK). Am 27. Juni 1975 war es soweit: FK LITTORINA wurde offiziell in den Dienst gestellt.

Strandschnecke als Namensgeberin

Gebaut wurde der Kutter auf der Julius Dietrich Werft in Oldersum für 3,4 Millionen DM. Der Name LITTORINA steht symbolisch für die enge Zusammenarbeit zwischen der Meeresbiologie und der Meeresgeologie. Die Strandschnecke Littorina littorea, eine der häufigsten Meeresschnecken, war bereits Namensgeberin für das „Littorinameer“, ein frühes Entwicklungsstadium der Ostsee vor etwa 8500 bis 2500 Jahren.

Nach Beendigung des Sonderforschungsbereiches übernahm die CAU den Kutter. Heute teilen sich die Kieler Universität und das Ƶ die Personal- und Betriebskosten. Unter der Leitung von Dr. Klas Lackschewitz koordiniert das Ƶ zudem die Einsätze der LITTORINA, die aktuell von der Reederei Briese aus Leer bereedert wird. „Die Schiffscrew trägt mit ihrer Professionalität wesentlich dazu bei, dass die LITTORINA so viele Einsätze fahren kann“, betont Klas Lackschewitz.

Vielseitige Arbeitsplattform

Die LITTORINA ist vielseitig einsetzbar. Am häufigsten ist sie in den Küstengewässern von Nord- und Ostsee unterwegs, kann aber auch bis zu den Lofoten vor der Küste Norwegens operieren. Mit ihr sind Probennahmen von Wasser und Sediment aus bis zu 500 Metern Tiefe möglich. Außerdem ist sie mit einem speziellen Taucherraum und einem robusten Arbeitsschlauchboot ausgestattet. Regelmäßig finden Lehrgänge für Forschungstaucher:innen, die seit mehr als 50 Jahren an der Christian-Albrechts-Universität ausgebildet werden, und wissenschaftliche Arbeiten des Instituts für Geowissenschaften an der CAU an Bord der LITTORINA statt.

Die monatlichen Ƶ-Fahrten zur Zeitserienstation Boknis Eck am Ausgang der Eckernförder Bucht sind ein fester Bestandteil des Einsatzplans der LITTORINA. Seit 1957 werden dort kontinuierlich Sauerstoffgehalt, Nährstoffkonzentration, Planktonwachstum sowie weitere biologische, chemische und physikalische Parameter gemessen. Die Station Boknis Eck zählt damit zu den weltweit am längsten kontinuierlich beprobten Meeresstationen.

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Aktuelles 2025 Presse 2025 Top_Slider Ostsee Technik
news-9916 Wed, 25 Jun 2025 20:00:00 +0200 "Schrumpfende" Dorsche: Wie der Mensch das Erbgut der Fische verändert /news/article/schrumpfende-dorsche-wie-der-mensch-das-erbgut-der-fische-veraendert 25.06.2025/Kiel. Überfischung dezimiert nicht nur Bestände, sie greift auch in das Erbgut von Fischen ein. So sind Dorsche in der zentralen Ostsee heute nicht nur seltener, sondern auch deutlich kleiner als früher. Forschende des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel haben jetzt erstmals nachgewiesen, dass die Tiere deutlich langsamer wachsen, und sie konnten diese Veränderung auch im Erbgut der Fische nachweisen. Intensive Fischerei hat Auswirkungen auf die Genome überfischter Bestände – mit langfristigen Folgen für ihre Entwicklung. Die Ergebnisse werden heute in der Fachzeitschrift Science Advances öڴڱԳٱ. Der Dorsch (Gadus morhua) war einst ein Gigant. Nicht nur die üppigen Populationen, auch seine Größe von über einem Meter Länge bei einem Gewicht bis zu 40 Kilogramm machten ihn neben dem Hering zum „Brotfisch“ der Ostsee. Heute würde ein ausgewachsener Dorsch auf einen Teller passen. Würde – denn der Fang ist aufgrund des Zusammenbruchs der Bestände seit 2019 verboten.

Das „Schrumpfen“ des Dorsches ist, genau wie der Rückgang der Population, auf menschliche Einflüsse zurückzuführen. Forschende des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel haben jetzt erstmals nachgewiesen, dass die jahrzehntelange intensive Befischung, im Zusammenspiel mit Umweltveränderungen, gravierende Folgen auf das Erbgut der Fische hat. Ihre Ergebnisse werden heute im Fachjournal Science Advances öڴڱԳٱ.

„Die selektive Übernutzung hat das Genom des östlichen Ostseedorsches verändert“, sagt Erstautorin Dr. Kwi Young Han, die als Biologin in der Forschungsgruppe Marine Evolutionary Ecology (Marine Evolutionsökologie) am Ƶ zu diesem Thema promoviert hat. „Sichtbar wird dies an dem Rückgang der durchschnittlichen Größe, was wir auf geringere Wachstumsraten zurückführen konnten. Auf der Ebene der Gene konnten wir erstmals nachweisen, dass starker Fischereidruck eine evolutionäre Reaktion im Erbgut von überfischten Beständen auslösen kann.“

Konkret identifizierten die Forschenden bestimmte Genvarianten, die mit dem Körperwachstum in Verbindung stehen und über die Zeit hinweg Anzeichen gerichteter Selektion zeigten – also systematisch häufiger oder seltener wurden. Diese Gen-Orte überschneiden sich auffällig mit Genregionen, die für Wachstum und Fortpflanzung wichtig sind. Auch eine bestimmte chromosomale Inversion (eine Veränderung im Erbgut, die für die Anpassung an Umweltbedingungen eine wichtige Rolle spielt) zeigte einen gerichteten Selektionsverlauf. Das bedeutet: Die genetische Basis des „Schrumpfens“ der Dorsche ist belegt – der Mensch hat Spuren im Genom der Fische hinterlassen.

Starke gerichtete Auslese für langsames Wachstum durch Fischerei

Für diesen Nachweis nutzten die Forschenden ein ungewöhnliches Archiv: Gehörsteinchen von 152 Dorschen, die zwischen 1996 und 2019 im Bornholm-Becken gefangen wurden. An diesen so genannten Otolithen kann das Alter anhand von Wachstumsringen – vergleichbar mit den Jahresringen von Bäumen – abgelesen werden. Die Proben wurden im Rahmen der Baltic Sea Integrative Long-Term Data Series der Ƶ-Forschungsgruppe Marine Evolutionary Ecology gesammelt – ein langfristiges Monitoring-Programm, das seit 1996 jährlich durchgeführt wird. So konnten die Wissenschaftler:innen eine genetische Zeitreise unternehmen, die zurückreicht in die Ära vor dem Zusammenbruch der Population des östlichen Ostseedorschs.

Mit einer Kombination aus chemischer Otolithenanalyse und hochauflösender DNA-Sequenzierung wurde untersucht, wie sich das Wachstum und die genetische Zusammensetzung des Ostseedorsches über 25 Jahre unter Fischereidruck verändert haben.

Das zentrale Ergebnis: Es finden sich systematische Unterschiede im Genom zwischen langsam und schneller wachsenden Individuen, und letztere sind heute im Vergleich zu vor 30 Jahren beinahe ausgestorben. Denn Dorsche, die langsam wachsen und sich mit kleinerer Länge bereits fortpflanzen können, hatten unter hohem Fangdruck einen Überlebensvorteil.

„Wenn über Jahre hinweg bevorzugt die größten Tiere weggefangen werden, gibt das den kleineren, schneller reifen Individuen einen evolutionären Vorteil“, erklärt Prof. Dr. Thorsten Reusch, Leiter des Forschungsbereichs Marine Ökologie am Ƶ und Betreuer der Promotion von Dr. Kwi Han. „Was wir beobachten, ist eine durch Menschen ausgelöste Evolution – fischereiinduzierte Selektion. Das ist wissenschaftlich spannend, aber ökologisch natürlich hoch dramatisch.“

Kleinere, genetisch weniger diverse Populationen erholen sich schlechter

Denn die Auslese hat gravierende Konsequenzen für die Erholung der Bestände: Die Genvarianten für schnelleres Wachstum und spätere Reifung sind möglicherweise nicht mehr vorhanden, und die nun auf frühe Geschlechtsreife programmierten kleineren Fische bringen weniger Nachwuchs zur Welt. Dies bedeutet auch einen Verlust von Anpassungspotenzial an kommende Umweltveränderungen.

Reusch: „Evolutionäre Veränderungen entstehen über viele Generationen, eine Erholung wird sehr viel länger dauern als der Niedergang, wenn sie überhaupt möglich ist. Das sehen wir auch an unseren aktuellen Längen-Daten aus der ALKOR-Ausfahrt 2025, bei denen trotz jahrelangem Fangverbot keine Erholung der Größenverteilung zu erkennen ist.“

Die Studie macht deutlich: Schutzmaßnahmen und Fangquoten dürfen nicht kurzfristig, sondern müssen über Generationen hinweg gedacht werden. „Unsere Ergebnisse zeigen, wie tiefgreifend menschlicher Einfluss auf das Leben von Wildpopulationen ist – sie reicht bis auf die Ebene des Erbguts“, sagt Kwi Young Han. „Und sie machen deutlich, dass nachhaltige Fischerei weit mehr ist als eine ökonomische Frage. Es geht um den Erhalt biologischer Vielfalt, und das bedeutet auch: genetischer Ressourcen.“

 

 

Hintergrund: Östlicher Bestand des Ostseedorsches

Der östliche Ostseedorsch ist eine Population des atlantischen Dorsches (Gadus morhua), die in der zentralen Ostsee beheimatet ist. Die Population trennte sich vor sieben- bis achttausend Jahren, als die Ostsee entstand, von den anderen atlantischen Populationen. Biologisch und genetisch unterscheidet er sich von anderen atlantischen Beständen wie dem westlichen Ostseedorsch oder dem Nordsee-Kabeljau. Er ist an die besonderen Umweltbedingungen der Ostsee angepasst, die durch niedrige Salzgehalte, einen hohen Gehalt an Kohlendioxid, weit verbreitete Sauerstoffarmut und mit den Jahreszeiten stark schwankende Temperaturen gekennzeichnet ist.

Seit Mitte der 1990er Jahre hat sich der Zustand des östlichen Ostseedorschs in vielerlei Hinsicht verschlechtert: Die Biomasse des Laicherbestands (Fische größer als 35 Zentimeter) ist stark zurückgegangen, zwei wichtige Laichplätze sind durch eine Verschlechterung der Umweltbedingungen verloren gegangen. Ihr letztes verbliebenes Laichgebiet ist das Bornholm-Becken. Die Größe bei der Geschlechtsreife und die Kondition der Fische markierten in den letzten Jahren die niedrigsten L50-Werte (Länge, bei der 50 Prozent der Population die Geschlechtsreife erreichen) von unter 20 Zentimetern. Der vollständige Zusammenbruch des Bestands hat zu einem Verbot der gezielten Fischerei seit 2019 geführt, aber die Population konnte sich bislang nicht erholen.

Publikation:

Han, K.Y., Brennan, R.S., Monk. C.T., Jentoft, S., Helmerson, C., Dierking, J., Hüssy, K., Endo Kokubun, E., Fuss, J., Krause-Kyora, B., Thomsen, T.B., Heredia, B.D., Reusch, Th. B.H. (2025): Genomic Evidence of Fisheries Induced Evolution in Eastern Baltic cod. Science Advances

öܲԲ und Auszeichnung:

Das Promotionsvorhaben von Kwi Han wurde gefördert von der DFG-Graduiertenschule TransEvo. Für ihre Doktorarbeit erhielt sie den mit 5000 Euro dotierten Förderpreis der „Forschungsstiftung Ostsee“.

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news-9927 Wed, 25 Jun 2025 10:00:00 +0200 Mit Künstlicher Intelligenz neue marine Enzyme aufspüren /news/article/mit-kuenstlicher-intelligenz-neue-marine-enzyme-aufspueren 25.06.2025/Jülich/Kiel. Wie lassen sich bislang unentdeckte Enzyme aus dem Ozean finden, die Plastik abbauen oder Kohlendioxid binden können? Das neue Forschungsprojekt AI MareExplore, koordiniert am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, setzt auf Künstliche Intelligenz (KI), um gezielt nach solchen marinen Biokatalysatoren zu suchen. Riesige bereits vorhandene marine Genomdatenbanken sollen genutzt werden, um KI-Modelle zu trainieren und Enzyme zu identifizieren, die bei der Lösung drängender gesellschaftlicher Probleme helfen können. Das Projekt wird aus dem Helmholtz-Innovationspool für den Forschungsbereich Erde und Umwelt finanziert und bringt die Expertise von vier Helmholtz-Zentren zusammen. Am 26. und 27. Juni treffen sich die Beteiligten zum Projekt-Kick-Off in Jülich. Der Ozean birgt einen gigantischen Schatz an noch unentdeckten Enzymen, die möglicherweise nachhaltige Lösungen für drängende menschengemachte Umweltprobleme bereithalten könnten. Wie kann dieser Schatz gehoben werden? Das Projekt AI MareExplore, koordiniert am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, setzt auf Künstliche Intelligenz (KI), um genau diese wertvollen Biokatalysatoren aufzuspüren. Dabei greifen die Forschenden auf bereits bestehende, frei zugängliche marine Genomdatenbanken zurück, um anhand dieser Daten KI-Modelle zu trainieren. Das Ziel: Enzyme zu finden, die Kunststoffe abbauen oder Kohlendioxid aus der Atmosphäre fixieren können.

Ein neuer Blick auf die „dunkle Materie“ des Lebens

Bisher basierte die Entdeckung neuer Enzyme meist auf einer direkten Analyse von Umweltproben. Mikroorganismen wurden isoliert und auf ihre biochemischen Fähigkeiten getestet – eine Methode, die zwar bewährt ist (1928 wurde so das Penicillin entdeckt), aber auch sehr enge Grenzen hat. „Wir können viele Organismen einfach nicht im Labor kultivieren und damit auch ihre Enzyme nicht untersuchen“, sagt Dr. Erik Borchert, Meeresmikrobiologe am Ƶ und Koordinator von AI MareExplore. Seit Ende der 1990er-Jahre ermöglicht die Methode der Metagenomik zumindest einen umfassenden Blick auf die Gesamt-DNA einer Umweltprobe. Doch auch diese Methode ist limitiert: Nur rund 30 bis 40 Prozent der gefundenen Sequenzen lassen sich bestehenden Funktionen zuordnen. „Wir wissen, dass da draußen noch viel mehr ist – eine Art funktionelle ‚dunkle Materie‘, die sich unserer Analyse entzieht“, so Borchert.

Hier setzt die KI an. Durch Mustererkennung in riesigen Datenmengen kann sie auch unbekannte Sequenzen identifizieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit biokatalytische Funktionen besitzen. Borchert: „KI hilft uns, diese verborgenen Schätze zu heben, weil sie gut im Mustererkennen ist. Gut trainiert, könnte sie Verbindungen zwischen DNA-Sequenzen und enzymatischen Eigenschaften herstellen, die für uns unsichtbar sind."

Interdisziplinäre Forschung für nachhaltige Lösungen

AI MareExplore bringt vier Helmholtz-Zentren und mehrere wissenschaftliche Disziplinen zusammen: Neben dem Ƶ sind das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), das Forschungszentrum Jülich (FZJ) und das GFZ Helmholtz Zentrum für Geoforschung (GFZ) beteiligt. Gemeinsam arbeiten sie daran, ein leistungsfähiges KI-Modell zu entwickeln, das gezielt nach zwei Schwerpunkten sucht: Enzyme, die Plastik effizient abbauen können, und solche, die CO₂ in Zucker umwandeln, um zur Kohlenstofffixierung beizutragen.

Die KI wird mit umfangreichen marinen Metagenom-Daten trainiert, die in den letzten Jahren gesammelt wurden. Je größer die Datenbasis, desto präziser kann das Modell arbeiten. Später testen die Forschenden im Labor, ob die gefundenen Enzyme tatsächlich die gewünschten Eigenschaften aufweisen. „Am Ende wollen wir nicht nur eine neue Analyse-Methode entwickeln, sondern auch konkrete Biokatalysatoren identifizieren, die zur Bewältigung globaler Umweltprobleme beitragen“, sagt Borchert.

 

Hintergrund: Innovationspool-Projekte

Das Projekt wird durch den so genannten Innovationspool der Helmholtz-Gemeinschaft gefördert. Der Innovationspool für den Forschungsbereich Erde und Umwelt dient dazu, die Zusammenarbeit zwischen den Zentren zu stärken, neue innovative Ideen in Drei-Jahres-Projekten zu fördern, Initiativen von Nachwuchswissenschaftlern zu unterstützen und in Forschungskampagnen flexibel auf neue, gesellschaftlich relevante Themen zu reagieren.

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news-9922 Fri, 20 Jun 2025 11:57:39 +0200 Vier Ozean-Fakten zur Kieler Woche /news/article/vier-ozean-fakten-zur-kieler-woche 20.06.2025/Kiel. Der Ozean ist der größte Lebensraum unseres Planeten. Es gibt vieles, was wir noch nicht über ihn wissen. Prozesse am Meeresboden, wie etwa Hangrutschungen, sind bislang nur unzureichend verstanden. Gleichzeitig stehen die Meere unter erheblichem Druck: Sie leiden unter den Folgen menschlicher Aktivitäten wie der Klimaerwärmung, Überdüngung, Verschmutzung und Überfischung. Das hat viele negative Folgen, darunter Sauerstoffmangel und eine zunehmende Versauerung des Wassers. Das Ƶ erforscht den globalen Ozean vom Meeresboden bis in die Atmosphäre. Zur Kieler Woche bringen vier Ƶ-Wissenschaftler:innen ihre Forschung direkt in die Stadt: In den Bussen der Kieler Verkehrsgesellschaft (KVG) zeigen sie, warum Ozeanforschung für unsere Zukunft so wichtig ist. Jana Willim: „Seegraswiesen sind die Korallenriffe der Ostsee.“

Seegraswiesen sind echte Multitalente: Sie bilden einen dreidimensionalen Lebensraum für viele Lebewesen und bieten somit Schutz und Nahrung, sie verbessern die Wasserqualität und speichern effektiv und langfristig Kohlenstoffdioxid (CO2) im Sediment, in ihren Wurzeln und im Wurzelstock. Außerdem schützen sie die Küsten, indem sie Wellen ausbremsen und den sandigen Untergrund mit ihren Wurzeln festhalten.

Ähnlich wie Korallenriffe sind Seegraswiesen also wichtige Ökosysteme und Lebensräume im Ozean und damit essenziell für die marine Biodiversität. Sie reagieren aber empfindlich auf äußere Einflüsse wie ein Übermaß an Nährstoffen, die zunehmende Nutzung der Küstengebiete durch den Menschen und die fortschreitende Erwärmung. Die Folge: In vielen Regionen schrumpfen die Bestände. Deshalb ist es umso wichtiger, Seegraswiesen zu schützen und zu renaturieren. NGOs und Bürger:innen helfen dabei, Seegras in den Küstengebieten der Ostsee wieder anzupflanzen.

Am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung wird unter anderem erforscht, wie Seegras renaturiert und klimaresistentes Seegras gezüchtet werden kann. Zudem untersuchen Wissenschaftler:innen, wie viel CO2 die Seegraswiesen in der Ostsee speichern.

Jana Willim ist Doktorandin in der Forschungseinheit Marine Evolutionsökologie am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Sie forscht insbesondere zu Renaturierungsmaßnahmen und Anpassungsprozessen von Seegras an Umweltfaktoren.

 

Florian Schütte: „Der Ozean nimmt über 90 % der überschüssigen Wärme auf.“

Seit Beginn der Industrialisierung hat die Menschheit durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern massiv Einfluss auf den natürlichen Wärmehaushalt der Erde genommen. Der Ozean hat seitdem mehr als 90 Prozent der zusätzlich freigesetzten Wärme aufgenommen. Damit wirken die Meere als Puffer, ohne den es heute auf der Erde schon viel wärmer wäre.

Diese extreme Erwärmung der Meere hat aber auch viele negative Konsequenzen: Die höheren Temperaturen der Wasseroberfläche, kann zu verstärkter Verdunstung führen – und damit regional zu mehr Niederschlag. In tropischen Regionen begünstigt die wärmere Meeresoberfläche zudem die Entwicklung und Intensivierung tropischer Wirbelstürme.

Außerdem nimmt durch die Erwärmung und verstärkte Schichtung der oberen Wasserschichten die Durchmischung des Wassers ab. Das hat Auswirkungen auf die Versorgung von Lebewesen mit Sauerstoff und Nährstoffen – und somit auf das marine Ökosystem. Nicht zuletzt trägt die Ozeanerwärmung zur Eischmelze, insbesondere in der Antarktis und in Grönland, bei. Das wiederum beschleunigt den Meeresspiegelanstieg. Bis zum Ende des Jahrhunderts kann im Durchschnitt mit einem Anstieg von 50 bis 100 Zentimeter gerechnet werden. Selbst wenn wir jetzt mit der Emission von Treibhausgasen aufhören, würde der Meeresspiegel für mehrere Jahrhunderte weiter ansteigen, da das Klimasystem träge auf solche Veränderungen reagiert.

Florian Schütte ist Juniorprofessor für Physikalische Ozeanographie am Ƶ Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Er beschäftigt sich unter anderem mit der physikalischen Beobachtung von ozeanischen Wirbeln, die überall in den Weltmeeren anzutreffen sind.

 

Morelia Urlaub: „Wir überwachen Vulkanhänge unter Wasser.“

Genau wie an Land können auch unter Wasser Hänge ins Rutschen geraten. Doch die Ausmaße von Hangrutschungen im Ozean übersteigen die von denjenigen an Land oft deutlich. Etwa ein Viertel aller Tsunamis werden von submarinen Hangrutschungen ausgelöst. Die Ursachen für solche Hangrutschungen im Meer sind bisher kaum bekannt und die dynamischen Prozesse am Meeresboden werden bislang nur ungenügend verstanden. Denn die Spuren der Rutschungen sind unter mehreren hundert oder tausend Metern Wasser verborgen, und die Schicht, in der der Hang zuerst nachgibt, wird beim Erdrutsch meist zerstört.

Flächendeckende Kartierungen des Meeresbodens mithilfe von autonomen Tauchfahrzeugen (Autonomous Underwater Vehicles, AUVs) und punktuelle Langzeitmessungen sollen diese Wissenslücken füllen. Hier kommen zum Beispiel akustische Vermessungsnetze auf dem Meeresboden zum Einsatz. Diese bestehen aus mehreren autonomen Transpondern, die miteinander kommunizieren. Dadurch kann über die Laufzeit der Schallwellen der Abstand der Geräte zueinander zentimetergenau bestimmt werden. Verändert sich die Laufzeit (zum Beispiel aufgrund einer Hangrutschung), können daraus die relativen Bewegungen zueinander errechnet werden.

Ziel der Forschung ist es, ein Frühwarnsystem auf dem Meeresboden zu entwickeln, um Echtzeitdaten zu Erdbeben, Bodenbewegungen und vulkanischer Aktivität zu sammeln. So soll eine zuverlässige Überwachung unterseeischer Vulkane möglich werden. 

Morelia Urlaub ist Juniorprofessorin für Marine Geomechanik am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung und der Universität Kiel. Schwerpunkte ihrer Forschung liegen in der Erforschung submariner Naturgefahren, insbesondere solcher, die durch Hanginstabilitäten und submarine Rutschungen verursacht werden. Diese untersucht sie mit Hilfe von Langzeitbeobachtungen am Meeresboden und numerischen Modellen.

 

Amavi Silva: „Der Ozean ist der größte CO2-Speicher der Welt.“

Der Ozean ist unser Verbündeter im Kampf gegen den Klimawandel. Seit Beginn der Industrialisierung hat er rund ein Viertel des vom Menschen verursachten Kohlendioxids (CO2) aus der Atmosphäre aufgenommen – und damit den Klimawandel deutlich verlangsamt. Doch die CO2-Aufnahme hat einen hohen Preis: das Wasser im Meer wird sauerer.

Die Kohlendioxidaufnahme des Ozeans erfolgt an der Meeresoberfläche, wo sich das CO2 aus der Luft im Meerwasser löst. Ob und wie viel atmosphärisches CO2 im Wasser gelöst wird, hängt in erster Linie vom Unterschied im sogenannten CO2-Partialdruck zwischen Meerwasser und Atmosphäre ab. Vereinfacht gesagt, handelt es sich dabei um jenen Druck, den das im Oberflächenwasser gelöste und das in der Atmosphäre befindliche Kohlendioxid jeweils erzeugen. Der natürliche Gasaustausch zwischen Meerwasser und Atmosphäre zielt immer auf einen Ausgleich des Druckunterschieds ab.

Am Ƶ werden Ansätze erforscht, wie die Aufnahme von CO2 durch den Ozean in Zukunft erhöht werden kann, um die international vereinbarten Klimaziele zu erreichen und nicht vermeidbare Emissionen zu kompensieren. Oberstes Ziel auf dem Weg zur Klimaneutralität ist und bleibt aber die Vermeidung von Emissionen.

Amavi Silva ist marine Biogeochemikerin (Postdoc) am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Ihre Forschung zielt darauf ab, die Dynamik der Mikroschicht an der Meeresoberfläche zu verstehen - die „Haut“ des Ozeans, die den CO2-Austausch zwischen Luft und Meer kontrolliert.

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news-9914 Wed, 18 Jun 2025 10:00:00 +0200 International und interdisziplinär: Treffen der Fachwelt zum Thema Munition im Meer /news/article/international-und-interdisziplinaer-treffen-der-fachwelt-zum-thema-munition-im-meer 18.06.2025/Kiel. Vom 18. bis 20. Juni 2025 wird Kiel erneut zum internationalen Treffpunkt für alle, die sich mit Munitionsbelastung im Ozean befassen. Bei der zweiten Kiel Munition Clearance Week (KMCW25) diskutieren mehr als 200 Fachleute aus 16 Ländern in der Wunderino Arena Lösungsansätze für die Bergung von Altmunition. Organisiert wird die Fachkonferenz vom Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur Schleswig-Holstein (MEKUN) und dem Technologieunternehmen north.io GmbH. Das Ƶ ist als wissenschaftlicher Hauptpartner dabei. Allein in der deutschen Nord- und Ostsee liegen schätzungsweise 1,6 Millionen Tonnen alter Munition am Meeresboden, die nach Jahrzehnten im Salzwasser durchrostet und schädliche Stoffe freisetzt. Weltweit ist bislang nur ein Bruchteil dieser Altlasten überhaupt kartiert. Umso wichtiger ist die internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit. In Kiel treffen sich in dieser Woche wieder internationale Expert:innen aus Wissenschaft, Politik, Industrie, Militär und Umweltschutz, um Wissen auszutauschen, neue Technologien vorzustellen und konkrete nächste Schritte zu entwickeln. Neben der Munitionsräumung steht auch der Schutz von Pipelines, Offshore-Windparks und Kommunikationskabeln im Fokus.

Als wissenschaftlicher Hauptpartner bringt das Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel seine umfassende Expertise in die Konferenz ein. Gemeinsam mit Partnern aus den aktuellen Forschungsprojekten – MUNI-RISK, MMinE-SwEEPER, Validity, SAM, BorDEx, MUNIMAP, ErovMUs und REMARCO – präsentieren die beteiligten Forschenden in der Ausstellung und in Vorträgen aktuelles Fachwissen.

Grundlagenforschung zur Munitionsräumung fand am Ƶ statt

Zur Eröffnung der KMCW25 sagte Ƶ-Direktorin Prof. Dr. Katja Matthes: „Das Ƶ forscht seit vielen Jahren zu den Grundlagen für die Räumung der Munition vor unseren Küsten. Mit unseren internationalen Projektpartnern nehmen wir zunehmend auch die europäische Perspektive in den Blick. Unsere Expertise bei der Kartierung und zum Umgang mit austretenden Schadstoffen bringen wir als wissenschaftlicher Partner in die Konferenz ein. Mit dem Kompetenzzentrum MUNIMAR schaffen wir außerdem gemeinsam mit dem Land SH und der IHK einen Ort, um die Entwicklung konkreter Projekte und Technologien zum Umgang mit Munitionsaltlasten voranzutreiben.“ Renommierte Forschende wie Prof. Dr. Jens Greinert, Prof. Dr. Jacek Beldowski, Prof. Dr. Edmund Maser und Hans Sanderson nehmen an Panels, Workshops und der Fachausstellung teil.

19. Juni: Öffentliche Veranstaltung zu Altmunition im Meer

Am Donnerstag, 19. Juni, sind alle Interessierten in die Business Lounge der Wunderino Arena eingeladen: Von 19:15 bis 21 Uhr wird unter dem Titel „Kommunikation über Altmunition im Meer: Herausforderungen und Chancen“ diskutiert, wie das Thema transparent und verständlich kommuniziert werden kann – jenseits von Angstnarrativen und mit Blick auf die Chancen für eine nachhaltige „Blue Economy“. Auch das Kompetenzzentrum MUNIMAR (Zentrum für den Umgang mit Munition in der marinen Umwelt in Schleswig-Holstein) wird hier vorgestellt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

 

 

 

Hintergrund: Kiel Munition Clearance Week

Im September 2021 trafen sich erstmals Fachleute zum Thema Munition im Meer zur Kiel Munition Clearance Week (KMCW), um sich auszutauschen und Lösungen für die Munitionsbergung voranzutreiben. Auf Initiative von Jann Wendt (north.io GmbH) organisierte das internationale Munitionskataster Ammunition Cadastre Sea (AmuCad.org) den Kongress gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft. Die zweite KMCW wird vom Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein (MEKUN) gemeinsam mit north.io veranstaltet. 

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Aktuelles 2025 Transfer Presse 2025 2025 Top_Slider FB2News Munition im Meer
news-9953 Sun, 15 Jun 2025 11:06:00 +0200 Die Ozeanzirkulation der Vergangenheit überdenken, um zukünftige Klimamodelle zu verfeinern /news/article/die-ozeanzirkulation-der-vergangenheit-ueberdenken-um-zukuenftige-klimamodelle-zu-verfeinern Eine internationale Studie unter der Leitung der Universität Lausanne zeigt, dass die Strömungen in der Tiefsee während des letzten glazialen Maximums vor etwa 20.000 Jahren dynamisch und relativ stabil blieben. Diese Entdeckung steht im Widerspruch zu etablierten Modellen, die eine Abschwächung der Strömungen beschrieben. Sie dürfte es ermöglichen, vergangene Simulationen zu korrigieren und zukünftige Klimasimulationen zu verbessern. Die Ozeane unseres Planeten spielen eine zentrale Rolle bei der Regulierung (oder Deregulierung) des Klimas. Die Abschwächung wichtiger ѱٰöܲԲ wie des Golfstroms könnte die Lebensbedingungen auf bewohntem Land drastisch verändern und die Temperaturen möglicherweise um Dutzende von Grad ansteigen oder sinken lassen. Die Dynamik der Wassermassen in den Ozeanen zu verstehen und zu modellieren ist daher entscheidend, um sich auf diese Veränderungen vorzubereiten.

An der Universität Lausanne (UNIL) hat ein Team von Wissenschaftlern die letzte terrestrische Eiszeit - die vor etwa 20.000 Jahren ihren Höhepunkt erreichte - untersucht und die Tiefsee-Strömungen des Planeten modelliert. Ihre Ergebnisse wurden in Nature Geoscience öڴڱԳٱ.

Sie zeigen, dass die Dynamik der Tiefseeströmungen während dieser Zeit trotz der Erwärmung der Atmosphäre relativ stabil blieb, anders als bisher angenommen. Diese Entdeckung stellt frühere Hypothesen in Frage, wonach sich die Ozeanzirkulation zu diesem Zeitpunkt der Geschichte deutlich abgeschwächt hatte. 

Tiefe Strömungen wären daher widerstandsfähiger gegen Klimastörungen als bisher angenommen. „Wir müssen jedoch aufpassen, dass wir keine Vergleiche mit der heutigen Situation ziehen. Die Erwärmung, die wir heute erleben, ist tatsächlich viel schneller und die Eismassen sind viel kleiner als damals“, erklärt Patrick Blaser, Erstautor des Artikels und Forscher an der Fakultät für Geowissenschaften und Umwelt der Universität Lausanne. „Diese Studie zeigt jedoch, dass wir weder die eiszeitliche Ozeanzirkulation noch das eiszeitliche Klimasystem vollständig verstehen und dass die für solche Paläo-Rekonstruktionen verwendeten Erdsystemmodelle erhebliche Mängel aufweisen“.

Der Forscher plädiert dafür, auf der Grundlage dieses Durchbruchs neue Forschungsarbeiten in Angriff zu nehmen, um die Klimamechanismen der Vergangenheit besser zu verstehen und künftige Klimaprojektionen zu korrigieren. „Diese Arbeit ist unerlässlich, wenn wir vergangene, gegenwärtige und zukünftige Naturphänomene richtig einschätzen und die vor uns liegenden Herausforderungen bewältigen wollen.“

Um die ѱٰöܲԲ vor 20.000 Jahren zu rekonstruieren, kombinierten die Forscher fünf verschiedene Indikatoren aus Meeressedimenten, darunter Isotopenverhältnisse von Neodym, Sauerstoff und Kohlenstoff sowie Radiokohlenstoff und die chemische Zusammensetzung in den Schalen von Mikroorganismen. Ihr Ansatz ist vergleichbar mit der Gegenüberstellung mehrerer Zeugenaussagen zur Beobachtung derselben Szene. Diese Multi-Proxy-Analyse ermöglicht es, den Ursprung der Wassermassen und ihre Zirkulation mit größerer Sicherheit und detaillierter als bisher zu rekonstruieren (auch wenn die Geschwindigkeit, mit der sie sich bewegten, schwieriger einzuschätzen ist). Dies veranlasste die Autoren, die Annahme in Frage zu stellen, dass die Ozeanzirkulation im Nordatlantik während der letzten Eiszeit abrupt zum Stillstand kam.

Publikation:

P. Blaser, C. Waelbroeck, D. J. R. Thornalley, J. Lippold, F. Pöppelmeier, S. Kaboth-Bahr, J. Repschläger & S. L. Jaccard (2025): Prevalent North Atlantic Deep Water during the Last Glacial Maximum and Heinrich Stadial 1, Nature Geoscience

doi: 

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news-9907 Fri, 13 Jun 2025 11:02:09 +0200 Was gut für das Klima ist, ist nicht automatisch gut für den Ozean /news/article/was-gut-fuer-das-klima-ist-ist-nicht-automatisch-gut-fuer-den-ozean 13.06.2025/Kiel. Methoden zur Erhöhung der CO2-Aufnahme des Ozeans sollen dabei helfen, die Klimakrise zu bewältigen. Doch insbesondere biologische Methoden, bei denen Biomasse im Meer zersetzt wird, würden gleichzeitig den Sauerstoffgehalt im Ozean erheblich verringern. Die Auswirkungen auf den Meeressauerstoff müssen daher bei der Bewertung dieser Methoden berücksichtigt werden. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Oschlies vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Seine Studie ist jetzt im Fachjournal Environmental Research Letters erschienen. Die globale Erwärmung ist die Hauptursache für den dramatischen Sauerstoffverlust im Ozean – rund zwei Prozent hat die Menge des in Meerwasser gelösten Sauerstoffs in den vergangenen Jahrzehnten abgenommen, was bereits gravierende Folgen für das Leben im Meer hat. Jede weitere Erwärmung wird den Sauerstoffverlust noch weiter verstärken. Umgekehrt sollten Methoden, die die Folgen des Klimawandels abschwächen, somit auch dem Sauerstoffverlust entgegenwirken. Doch eine neue Studie zeigt: Insbesondere Verfahren zur marinen Entnahme von Kohlendioxid (CO2), die auf biologischen Prozessen basieren, könnten den Sauerstoffverlust des Ozeans zusätzlich beschleunigen.

„Was gut für das Klima ist, ist nicht automatisch gut für den Ozean“, sagt Prof. Dr. Andreas Oschlies, Erstautor der Studie und Leiter der Forschungseinheit Biogeochemische Modellierung am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Gemeinsam mit einem internationalen Team von Wissenschaftler:innen der UNESCO Arbeitsgruppe Global Ocean Oxygen Network (GO2NE) hat er eine umfassende Modellierungsstudie durchgeführt, in der er mithilfe idealisierter globaler Simulationen die direkten und indirekten Auswirkungen verschiedener mariner CO2-Entnahmemethoden (mCDR, marine Carbon Dioxide Removal) auf den Sauerstoffgehalt im Ozean analysiert hat. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Environmental Research Letters öڴڱԳٱ.

Ozeandüngung oder Algenversenkung sind besonders kritische Verfahren

Als besonders kritische Verfahren identifizierten die Forschenden die Ozeandüngung, die Makroalgenzucht mit anschließendem Versenken der Algenbiomasse sowie den künstlichen Auftrieb von nährstoffreichem Tiefenwasser. Bei ersteren werden große Mengen der Algen in den tiefen Ozean eingebracht und dort mikrobiell zersetzt. Dieser Abbauprozess verbraucht Sauerstoff – und zwar in einem Ausmaß, das vergleichbar ist mit dem heutigen jährlichen Sauerstoffverlust durch die globale Erwärmung. Auch der künstliche Auftrieb, bei dem nährstoffreiches Tiefenwasser an die Oberfläche gepumpt wird, wo es das Wachstum von Mikroalgen fördert, würde den Sauerstoffverbrauch im Ozean deutlich erhöhen.

„Verfahren, die zusätzliche Biomasse im Ozean produzieren, deren Abbau Sauerstoff verbraucht, können nicht als unbedenkliche Klimaschutzmaßnahme gelten“, sagt Oschlies. „Unsere Modellrechnungen zeigen, dass manche Methoden zu einem Verlust an gelöstem Sauerstoff im Meerwasser führen können, der vier- bis 40-mal größer ist als der Sauerstoffgewinn, der durch die Minderung der Erderwärmung zu erwarten wäre.“

Geochemische Verfahren, bei denen keine Nährstoffe zugeführt werden, wie die Alkalinitätserhöhung durch basische Substanzen basierend auf Kalkprodukten, schneiden besser ab. Sie scheinen den Sauerstoffgehalt kaum zu beeinflussen und sind in dieser Hinsicht vergleichbar mit einem Szenario, bei dem einfach weniger CO2 ausgestoßen wird.

Von allen untersuchten Methoden ist nur der großflächige Anbau und die Ernte von Makroalgen in der Lage, den historischen Sauerstoffverlust im Ozean tatsächlich umzukehren. Bei diesem Ansatz wird im Ozean kein zusätzlicher Sauerstoff verbraucht, da die Nährstoffe zusammen mit der geernteten Biomasse aus dem Ozean entfernt werden. Die Modellrechnungen zeigen: Diese Methode könnte, wenn sie sehr umfassend eingesetzt würde, innerhalb von 100 Jahren zehnmal mehr Sauerstoff liefern, als durch den Klimawandel im Ozean verloren gegangen ist. Allerdings hätte hierbei die Entnahme von Nährstoffen negative Auswirkungen auf die biologische Produktivität im Meer.

Forderung nach systematischer Überwachung des Sauerstoffs

Die Forschenden fordern, den Sauerstoffgehalt künftig bei jeder mCDR-Maßnahme systematisch mit zu erfassen und die möglichen Auswirkungen auf den Meeressauerstoff bei der Bewertung ihrer Eignung zu berücksichtigen.

„Der Ozean ist ein komplexes und bereits sehr belastetes System“, sagt Oschlies. „Eingriffe an einem Ort können weitreichende Folgen haben. Deshalb dürfen wir auch gut gemeinte Klimaschutzmaßnahmen nur nach gründlicher Erforschung mit größter Vorsicht einsetzen, um sicherzustellen, dass wir das Leben im Meer dabei nicht seiner Lebensgrundlage berauben.“

 

Hintergrund: CO2-Entnahme als Teil der Klimastrategie

Selbst bei ambitionierter Klimapolitik wird Deutschland in drei Jahrzehnten voraussichtlich noch immer zehn bis 20 Prozent der aktuellen Treibhausgas-Emissionen freisetzen und die Erderwärmung weiter vorantreiben. Ein möglicher Ausweg, um diese schwer vermeidbaren Restemissionen auszugleichen und damit das Ziel der Treibhausgasneutralität zu erreichen, ist die gezielte Entnahme und Speicherung von Kohlendioxid. Aufgrund seiner natürlichen CO2-Aufnahmefähigkeit ist der Ozean der Hauptakteur im globalen Kohlenstoffkreislauf. Allerdings finden die CO2-Aufnahmeprozesse im Ozean und im Ozeanboden auf langen Zeitskalen statt. Durch mCDR (marine Carbon Dioxide Removal)-Verfahren könnten diese beschleunigt und damit die Kohlendioxid-Aufnahmerate des Ozeans erhöht werden.

Originalpublikation:

Oschlies, A., Slomp, C. P., Altieri, A. H., Gallo, N. D., Gregoire, M., Isensee, K., Levin, L. A., & Wu, J. (2025): Potential impacts of marine carbon dioxide removal on ocean oxygen. Environmental  Research Letters.

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news-9904 Thu, 12 Jun 2025 16:25:26 +0200 Wissenschaftlicher Beirat für Aktionsplan Ostseeschutz 2030 konstituiert /news/article/wissenschaftlicher-beirat-fuer-aktionsplan-ostseeschutz-konstituiert 12.06.2025/Kiel. Heute (12. Juni) hat sich auf Einladung von Ministerpräsident Daniel Günther der Wissenschaftliche Beirat zum Aktionsplan Ostseeschutz 2030 im Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel konstituiert. Die 16 Expert:innen von führenden europäischen Forschungsinstituten und vom Land Schleswig-Holstein waren von Günther in das Gremium berufen worden, um die Umsetzung des Aktionsplan Ostseeschutz (APOS) wissenschaftlich zu begleiten. Mithilfe des Beirats soll sichergestellt werden, dass die im Aktionsplan vorgesehenen Schutzmaßnahmen auf soliden und aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. Auch regelmäßige Datenerhebungen und Analysen sollen dazu beitragen – sie ermöglichen es, proaktiv auf Veränderungen zu reagieren und die Meeresökosysteme langfristig und effektiv zu schützen. „Mit dem Aktionsplan Ostseeschutz 2030 haben wir im letzten Jahr das größte Programm zum Schutz der Ostsee in der Geschichte Schleswig-Holsteins beschlossen“, sagte der Ministerpräsident zur Eröffnung der konstituierenden Sitzung. „Ostseeschutz funktioniert nur gemeinsam: mit den Menschen in Schleswig-Holstein, mit den Fischern und Landwirtinnen, den Naturschützern und den Beschäftigten in der Tourismusbranche – und mit den Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft. Dank ihnen wissen wir ziemlich genau, wie es um die Ostsee steht“, so Günther. Heute gehe die Landesregierung einen weiteren Schritt bei der Umsetzung des Aktionsplans. „Es freut mich sehr, dass Sie als Vertreterinnen und Vertreter international renommierter Forschungsinstitute unserem Ruf in den Wissenschaftlichen Beirat gefolgt sind. Sie stehen unserer Landesregierung von nun an mit Ihrer Expertise und neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen beim Ostseeschutz beratend zur Seite – dafür sind wir Ihnen sehr dankbar.“

In dem wissenschaftlichen Gremium arbeiten 16 Expert:innen, die die Bereiche Meeresökologie, Munition im Meer, Geologie, Klima, Tourismus, Wirtschaft, Fischerei, Landwirtschaft und Gesellschaftswissenschaften abdecken. Sie kommen vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (Ƶ), von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, dem Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW), dem Institut für Weltwirtschaft (IfW), vom Institut für Tourismus und Bäderforschung in Nordeuropa (NIT) und von der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM).

„Dieser interdisziplinäre Ansatz ermöglicht es, komplexe ökologische, wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge zu verstehen und ganz gezielt Maßnahmen zu entwickeln, mit der wir unsere Ostsee wirksam und besser schützen können“, sagte der Regierungschef.

„Artensterben, Verschmutzung und Klimawandel: Die drei globalen Umweltkrisen finden in der Ostsee wie unter einem Brennglas statt. Mit dem Aktionsplan Ostseeschutz 2030 hat die Landesregierung ein effektives Schutzprogramm für die Ostsee auf den Weg gebracht. Der Beirat wird eine wichtige Plattform sein, um Wissenschaft, Verwaltung und Politik im Sinne einer lebendigen und gesunden Ostsee zu vernetzen. Wir Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner lieben unsere Ostsee und werden gemeinsam künftig besser mit ihr umgehen“, sagte Umweltminister Tobias Goldschmidt.

Zur Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats haben die Mitglieder Professorin Dr. Ursula Siebert  vom Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, gewählt.

„Ich bedanke mich herzlich für das Vertrauen, den Wissenschaftlichen Beirat für den Aktionsplan Ostseeschutz 2030 leiten zu dürfen. Der Beirat birgt die große Möglichkeit, auf einem interdisziplinären wissenschaftlichen Level die Entscheidungsträger und Öffentlichkeit zu beraten und damit den Weg für eine gesündere Ostsee zu unterstützen“, sagte Siebert. 

Zum stellvertretenden Vorsitzenden des Gremiums wurde Prof. Dr. Thorsten Reusch vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel gewählt.

„Ich freue mich auf die Zusammenarbeit in diesem kompetenten interdisziplinären Team. Dies ist eine wichtige Möglichkeit, unsere gesammelte Expertise als unabhängiges wissenschaftliches Gremium in politische Prozesse einzubringen. Wir haben die gemeinsame Verantwortung, das Ökosystem Ostsee mit seinen vielfältigen Funktionen zu erhalten – und das angesichts sehr schwieriger Rahmenbedingungen wie beispielsweise massiver Überfischung in der Vergangenheit und dreimal schneller steigenden Meerestemperaturen im Vergleich zum globalen Durchschnitt“, sagte Reusch.

Der Wissenschaftliche Beirat wird mindestens einmal im Jahr zusammenkommen.

 

Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats für den Aktionsplan Ostseeschutz:

Prof. Prof. h. c. Dr. Ursula Siebert, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW Büsum)

Prof. Dr. Thorsten B. Reusch, Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Forschungsbereich 3: Marine Ökologie

Prof. Dr. Jens Greinert, Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Forschungsbereich 2: Marine Biogeochemie

Dr. Thomas Martin, Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Forschungsbereich 1: Ozeanzirkulation und Klimadynamik

Prof. Dr. Christian Winter, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Geowissenschaften

Prof. Dr. Stefan Garthe, Forschungs- und Technologiezentrum Westküste der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Prof. Dr. Konrad Ott, Philosophisches Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Prof. Dr. Nicola Fohrer, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Natur- und Ressourcenschutz, Abteilung für Hydrologie und Wasserwirtschaft

Prof. Dr. Marie-Catherine Riekhof, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Politische Ökonomie des Ressourcenmanagements mit Schwerpunkt auf Meeres- und Küstenressourcen

Prof. Dr. Nele Matz-Lück, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Geschäftsführende Direktorin des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht

Prof. Dr. Torben Tiedemann, Fachhochschule Kiel, Fachbereich Agrarwirtschaft

Prof. Dr. Wilfried Rickels, Kiel Institut für Weltwirtschaft

Dr. Dirk Schmücker, Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa GmbH

Dr. Joachim Harms, Deutsche Allianz Meeresforschung e.V.

Andreas Burmester, Maritimer Koordinator der Landesregierung Schleswig-Holstein

Dr. Juliane Rumpf, Landesnaturschutzbeauftragte, Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein

 

Hintergrund: Aktionsplan Ostseeschutz:

Im Rahmen des am 19. März 2024 von der Landesregierung beschlossenen Aktionsplan Ostseeschutz werden zahlreiche Maßnahmen zum Schutz des Meeres ergriffen. 12,5 Prozent der schleswig-holsteinischen Ostsee werden unter strengen Schutz gestellt. Damit sollen insbesondere Rückzugs- und Ruheräume für Tiere und Pflanzen entstehen. Um die bedrohte Artenvielfalt zu schützen, werden zudem etwa Riffstrukturen oder Seegraswiesen wiederhergestellt.

Um das Meer vor Überdüngung zu schützen, wurde bereits Ende 2024 zusätzlich zur Düngeverordnung eine Zielvereinbarung mit der Landwirtschaft geschlossen. Diese hat zum Ziel, die Austräge von Stickstoff und Phosphor aus der Landwirtschaft um zehn Prozent bis zum Jahr 2030 und um weitere zehn Prozent bis zum Jahr 2035 zu verringern. Dies entspricht einer Reduktion um 400 Tonnen Stickstoff und 13 Tonnen Phosphor bis zum Jahr 2035 und damit einem Anteil von etwa sechs Prozent der aktuellen Frachten. Außerdem werden die Einleitwerte von kommunalen Kläranlagen an den aktuellen Stand der Technik angepasst und die öܲԲ zur Phosphatfällung und Stickstoffeliminierung an Kläranlagen fortgeführt und erweitert.

Um die Munitionsaltlasten aus der Ostsee zu bergen, hatte die Bundesregierung 2024 als ersten Schritt ein Sofortprogramm aufgelegt und die ersten sechs Tonnen Munition bearbeitet. Um die Verklappungsgebiete großflächig von den Munitionsaltlasten zu befreien, sollen Plattformen auf See gebaut werden, von denen aus der gesamte Prozess von der Detektion über die Bergung bis zur Entsorgung stattfinden kann.

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news-9902 Sat, 07 Jun 2025 12:15:02 +0200 UN-Ozeankonferenz 2025 in Nizza (9.–13. Juni) /news/article/un-ozeankonferenz-2025-in-nizza-9-13-juni 07.06.2025/Kiel/Nizza. Die dritte Ozean-Konferenz der Vereinten Nationen findet vom 9. bis 13. Juni 2025 in Nizza, Frankreich, statt und wird von den Regierungen Frankreichs und Costa Ricas gemeinsam ausgerichtet. Ziel der Konferenz ist es, dringende Maßnahmen zur Erhaltung und der nachhaltigen Nutzung des Ozeans voranzutreiben. Die UN-Ozeankonferenz soll die Erreichung des Nachhaltigkeitsziels 14 (SDG 14) „Leben unter Wasser“ unterstützen. Am Ende der Konferenz wird der „Nice Ocean Action Plan“ als handlungsorientierte Erklärung verabschiedet. Das Ƶ ist mit zwei Side Events auf dem Forschungsschiff METEOR vertreten. Darüber hinaus stehen Wissenschaftler:innen für Interviews und fachlichen Austausch zur Verfügung.

 

Ƶ Side Events:

10. Juni | 13:00–15:00 Uhr

Bridging Science, Policy and Society for sustainable ocean management in Africa – MeerWissen and Future West African Marine Ecosystem (FUTURO)

Organisatoren:

Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)

Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)

Co-Organisatoren:

Intergovernmental Oceanographic Commission Sub-Commission for Africa and the Adjacent Island States (IOC-AFRICA)

Mehr erfahren:

 

11. Juni | 18:00–20:00 Uhr

No time to waste: Tackling submerged munitions in European seas

Organisatoren:

Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung

Helsinki-Kommission zum Schutz der Meeresumwelt des Ostseeraums (HELCOM)

Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMUKN)

Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) 

Co-Organisatoren:

Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI)

Council oft he Baltic Sea States (CBSS)

Institute of Oceanology of Polish Academy of Sciences (IO PAN)

JPI Oceans

Umweltbundesamt (UBA)

Mehr erfahren:

 

Wissenschaftler:innen vor Ort:

Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des Ƶ (Schwerpunkt Ozean und Klima, CO2-Speicherung und Entnahme, internationale Abkommen)

Prof. Dr. Arne Körtzinger (Schwerpunkt Ozeanbeobachtung, Forschung in den hochrelevanten Auftriebsgebieten vor Westafrika)

Dr. Toste Tanhua (Entwicklung von Messinstrumenten für neue Formen der Ozeanbeobachtung in Kooperation mit Handelsschiffen und Seglern) 

Prof. Dr. Jens Greinert (Munitionsbergung in Nord- und Ostsee und anderen europäischen Gewässern)

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news-9895 Tue, 03 Jun 2025 17:00:00 +0200 Start in die Unterwasser-Pflanzsaison /news/article/start-in-die-unterwasser-pflanzsaison 03.06.2025/Kiel/Wackerballig. In Schleswig-Holstein hat die Pflanzsaison für ganz besondere Unterwassergärtner begonnen: Freiwillige Taucher:innen von fünf Nichtregierungsorganisationen bepflanzen in diesem Sommer erstmals wissenschaftlich ausgewählte Flächen, um Seegraswiesen in der Ostsee zu renaturieren. Die Schulungen organisiert Sea Shepherd Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, das die Wiederanpflanzungen wissenschaftlich begleitet. Elf Taucher:innen in schwarzen Taucheranzügen machen sich an diesem Frühsommermorgen am Strand von Wackerballig in der Geltinger Bucht bereit für ihren Einsatz als Unterwassergärtner. In leuchtend blauen Netzbeuteln steckt das Pflanzmaterial: Seegrassprossen, entnommen aus einer nahe gelegenen gesunden Spenderwiese. Diese sollen hier, wenige Meter vom Strand entfernt, zu einer neuen Seegraswiese zusammenwachsen. Langsam waten die Taucher:innen ins Wasser, wo ein Schlauchboot sie dann zur Pflanzfläche zieht. Dort angekommen, tauchen sie ab. Am Meeresboden wird nun Spross für Spross in das weiche Sediment gesetzt, immer acht Sprossen auf einen Quadratmeter.

Mit Netzbeutel und Neopren: Unterwassergärtnern für Natur- und Klimaschutz

Einzelspross-Transplantation heißt die Methode, und es ist die derzeit effektivste Technik zur Wiederansiedlung von Seegras. Dafür braucht es viele Hände. In diesem Sommer übernehmen erstmals fünf Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit zahlreichen freiwilligen Taucher:innen in größerem Stil die Renaturierung.

„Die Pilotphase ist vorbei – jetzt gehen wir in die Fläche“, sagt Prof. Dr. Thorsten Reusch, Leiter des Forschungsbereichs Marine Ökologie am Ƶ. „Dass die NGOs mithilfe der geschulten Taucherinnen und Taucher nun eigenständig Seegraswiesen renaturieren, ist eine gute Nachricht für die biologische Vielfalt im Küstenbereich der Ostsee und für den natürlichen Klimaschutz.“

Seegras – die unterschätzte natürliche CO-Senke

Denn Seegras ist ein wahres Multitalent unter Wasser. Es bietet wichtige Lebensräume für Fische und andere Lebewesen, stabilisiert das Sediment, beruhigt Wellen und filtert Krankheitserreger aus dem Wasser. Vor allem aber bindet es sehr effektiv und langfristig Kohlenstoff. Damit zählen Seegraswiesen zu den bedeutendsten natürlichen CO₂-Senken unserer Küstengewässer.

Genau hier setzt das vom Bundesumweltministerium geförderte Projekt ZOBLUC an, das in diesem Jahr unter Leitung des Ƶ gestartet ist. ZOBLUC steht für „Zostera marina als Blue Carbon-Kohlenstoffspeicher in der Ostsee“ und vereint Forschung, Schutz und Wiederherstellung von Seegraswiesen. Im Mittelpunkt steht die Frage, in welchem Umfang diese Ökosysteme als natürliche Kohlenstoffspeicher wirken – und wie sie gezielt gestärkt werden können. Das Projekt ist Teil des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz (ANK) und wird mit rund sechs Millionen Euro vom Bund und vom Land Schleswig-Holstein gefördert.

„Seegraswiesen sind wie unterseeische Moore“, erklärt Reusch. „Sie speichern Kohlenstoff über Jahrhunderte im sauerstoffarmen Sediment – das macht sie zu einer unterschätzten, aber wirksamen Waffe im Kampf gegen den Klimawandel.“

Doch Seegraswiesen sind bedroht. Zu hohe Nährstoffeinträge und daraus resultierendes übermäßiges Algenwachstum, mechanische Störungen, etwa durch Anker sowie steigende Wassertemperaturen haben in den vergangenen Jahrzehnten dazu geführt, dass Seegras vielerorts verschwunden ist. Allerdings haben sich an einigen Küstenabschnitten die Bedingungen nach Ƶ-Daten wieder verbessert. „Um der langsamen natürlichen Kolonisierung eine Starthilfe zu geben, ist eine Renaturierung von Seegras an sorgfältig ausgewählten Flächen sinnvoll“.

Citizen Science für den Meeresschutz

Die Einbindung von Bürger:innen in die Renaturierung im Rahmen des Citizen-Science-Ansatzes ist ein zentrales Element von ZOBLUC. Die dafür notwendigen Schulungsformate wurden über mehrere Jahre hinweg entwickelt und schrittweise ausgebaut: 2023 haben Ƶ-Forschende einen achtteiligen Pilotkurs erarbeitet und in Kooperation mit Sea Shepherd für eine kleine Gruppe erfahrener „Citizen Divers“ angeboten. Im Folgejahr 2024 wurden die Schulungen auf Tauchlehrer:innen und Leiter:innen von Tauchclubs ausgeweitet.

2025 markiert nun den Übergang in die Fläche: Geschult werden die Mitglieder von fünf NGOs – Sea Shepherd Deutschland, Mission Förde, Lake Divers (Just1Ocean), Seagrass Conservation e.V. (SeaGCon, in Gründung) und Greenpeace. Sie betreuen dann neun wissenschaftlich ausgewählte Flächen in der Ostsee, von Holnis bis Fehmarn, auf denen das Seegras entweder vollständig verschwunden oder nur noch in kleinen Resten vorhanden ist. Durch die gezielten Anpflanzungen sollen diese Lücken wieder gefüllt und langfristig vernetzt werden. Die geeigneten Renaturierungs-Flächen und Spenderweisen werden vom Ƶ ausgewählt und in enger Absprache mit dem schleswig-holsteinischen Umweltministerium (MEKUN) genehmigt. Wissenschaftlich begleitet werden die Maßnahmen unter anderem durch ein Monitoring-Programm, das Umweltbedingungen und Pflanzerfolge dokumentiert.

Neun Flächen, fünf NGOs, ein gemeinsames Ziel

Für Christin Otto von Sea Shepherd, die die Schulungen koordiniert, ist dieser Einsatz ein zentrales Anliegen: „Wir setzen damit unseren langjährigen Einsatz für den Schutz der Ostsee konsequent fort – mit direktem, wirkungsvollem Meeresschutz. Dank der Kooperation mit dem Ƶ ist es uns möglich, unsere Schutzbemühungen weiter auszubauen und einen nachhaltigen Beitrag zum Erhalt von wichtigen Lebensräumen zu leisten.“

„Wir bieten hier Naturschutz zum Mitmachen“, sagt der Biologe und Forschungstaucher Christian Lieberum. Er ist hauptamtlicher Koordinator des Citizen-Science-Programms. „Die Resonanz ist riesig“, sagt er. Bei weitem nicht allen Interessierten konnte eine Schulung angeboten werden. „Aber wir fangen ja gerade erst an. Diese Erfolgsgeschichte wird hoffentlich noch lange weitergeschrieben.“

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news-9890 Fri, 30 May 2025 11:00:00 +0200 Abtauchen direkt vor der Haustür /news/article/abtauchen-direkt-vor-der-haustuer 30.05.2025/Kiel. Die je nach Wetter grau-grüne oder blaue Oberfläche des Wassers kennt an der Ostsee jedes Kind. Aber was verbirgt sich darunter? Das können jetzt rund 400 Schüler:innen aus Kiel, Neumünster, Preetz und Hamburg erkunden – mit Maske, Schnorchel und Flossen. Beim Umweltbildungsprojekt „Snorkeling.City“, das vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel ins Leben gerufen wurde, bekommen 22 Schulklassen die Möglichkeit, die Unterwasserwelt der Ostsee zu entdecken. Organisiert von Pro Ocean, gefördert durch die BINGO! Umweltlotterie und umgesetzt von einem Netzwerk regionaler Partner erleben sie direkt, wie faszinierend und schützenswert das Leben im Meer vor ihrer Haustür ist. Das erste Mal schnorcheln im Meer, mit eigenen Augen sehen, was sich unter der Oberfläche verbirgt und wie viele Tiere und Pflanzen direkt vor der Kaikante in der Kieler Förde leben – diese eindrückliche Erfahrung können auch in diesem Jahr wieder rund 400 Schüler:innen aus Kiel und Umgebung machen: Mit Schnorchel und Maske geht es für 22 Schulklassen direkt von der Seebadeanstalt Düsternbrook in die Kieler Förde, hinein in die Unterwasserwelt von Seegras, Quallen, Garnelen und Seesternen.

Meer erleben – Natur schützen

„Nur was wir kennen und lieben, wollen wir auch schützen“, sagt Dr. Mark Lenz, Meeresbiologe am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Er hat das Projekt im vergangenen Jahr initiiert und freut sich, dass es in diesem Jahr weitergeführt werden kann: „Wer einmal mit eigenen Augen gesehen hat, wie vielfältig das Leben direkt unter der Wasseroberfläche ist, schaut nie wieder gleichgültig auf die Ostsee – genau diese Erfahrung möchten wir Kindern und Jugendlichen mit ,Snorkeling.City‘ bieten.“

Ermöglicht wird das in diesem Jahr durch den Verein Pro Ocean und die öܲԲ durch die BINGO! Umweltlotterie. Die Schnorchelausrüstungen werden vom BUND-Umwelthaus in Neustadt, dem BUND SH und der Tourismusagentur Lübecker Bucht zur Verfügung gestellt. Die Koordination und Projektleitung hat Dr. Henry Göhlich, Meeresbiologe am Ƶ, ehrenamtlich übernommen, unterstützt durch eine Vielzahl regionaler Partner wie dem Team vom Ocean Summit, der Heinrich-Böll-Stiftung SH, Kiel Marketing, dem Arbeiter-Samariter-Bund SH sowie dem Tauchlehrer Kjell Wassermann.

Schulklassen und Studierende tauchen ab

Vom 2. Juni bis zum 4. Juli werden beinahe täglich Schulklassen abtauchen. Die Kurse dauern rund drei Stunden: Vor der Schnorcheleinheit gibt es eine Einführung in die Besonderheit der Ostsee und deren Lebewesen, danach einen Austausch über das Erlebte. Angeleitet werden die Gruppen von Studierenden der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des Ƶ, die in Umweltbildung, Erste Hilfe und Rettungsschwimmer- und Schnorchelpraxis geschult sind.

Am Donnerstag, 12. Juni nehmen 25 Biologiestudierende der CAU unter der Leitung von Dr. Kim Wagner und Dr. Daniela Winkler an einem Exkursionstag mit dem Snorkeling.City-Team teil. Unterstützt wird die Exkursion vom Verein Alumni und Freunde der CAU.

Zukunftsvision: Jedes Kind an der Ostseeküste soll die Unterwasserwelt kennenlernen

Die Initiator:innen haben ein großes Ziel vor Augen: Jedes Kind an der Ostseeküste Schleswig-Holsteins sollte einmal in die Unterwasserwelt der Ostsee eintauchen dürfen. Damit das gelingt, braucht es mehr Partner, die die Finanzierung des Projekts sichern. Eine lohnende Vision für die Zukunft, denn Lenz und Göhlich sind sich sicher: „Wer das Leben in einer Seegraswiese selbst gesehen hat, versteht, dass jedes Tier, jede Pflanze im Meer wichtig ist – und wird sich für ihren Schutz einsetzen.“

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news-9884 Thu, 22 May 2025 20:00:00 +0200 Warum Europas Fischereimanagement neu gedacht werden muss /news/article/warum-europas-fischereimanagement-neu-gedacht-werden-muss 22.05.2025/Kiel. Jedes Jahr werden europaweit in einem mehrstufigen Verfahren Höchstfangmengen und Fangquoten festgesetzt, dennoch sind viele Fischbestände in europäischen Gewässern überfischt. Eine Analyse des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, die heute im Fachjournal Science veröffentlicht wurde, zeigt: Die Fangmengen sind nicht nachhaltig, weil Bestandsgrößen systematisch überschätzt werden und die politisch festgesetzten Quoten regelmäßig über den schon zu hohen Empfehlungen liegen. Um zu einem wirklich nachhaltigen Fischereimanagement zu kommen, schlagen die Wissenschaftler:innen die Schaffung einer politisch unabhängigen Institution vor, die bindende ökosystembasierte Fangbeschränkungen festlegt. Eine nachhaltige Fischerei, der sich die Länder der Europäischen Union rechtlich verpflichtet haben, darf nicht mehr Fänge erlauben, als jeweils Fische nachwachsen können. Dennoch sind etwa 70 Prozent der wirtschaftlich genutzten Fischbestände in den nördlichen EU-Gewässern überfischt oder komplett zusammengebrochen. Warum verfehlt die EU trotz guter Datenlage und vorhandener politischer Instrumente ihre Ziele für eine nachhaltige Fischerei? Dieser Frage sind Wissenschaftler:innen des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel jetzt am Beispiel der gut erforschten Meere Nordeuropas nachgegangen, mit einem besonderen Fokus auf der westlichen Ostsee. Ihre Analyse wird heute in Science öڴڱԳٱ.

„Wir haben die Ursachen analysiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass sie auf kurzsichtige nationale Forderungen nach höheren, nicht nachhaltigen Fangmengen zurückzuführen sind, die alle Ebenen der Entscheidungsfindung beeinträchtigen“, sagt Erstautor Dr. Rainer Froese, Fischereiexperte am Ƶ. „Umweltfaktoren wie die Erwärmung der Meere und der Sauerstoffverlust spielen ebenfalls eine Rolle, aber die Überfischung ist so stark, dass sie allein ausreicht, um Bestände zusammenbrechen zu lassen.“

Die Forschenden schlagen daher einen neuen Ansatz für das EU-Fischereimanagement vor, der im Rahmen der bestehenden Gesetze durchführbar wäre und innerhalb weniger Jahre zu einer rentablen Fischerei aus gesunden Fischbeständen führen könnte: Eine politisch unabhängige Institution, die verbindliche Fangquoten nach bewährten wissenschaftlichen Regeln für ein ökosystembasiertes Fischereimanagement festlegt.

Der europäische Weg zur jährlichen Fangquotierung

Die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) der EU beruht auf dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (United Nations Convention on the Law of the Sea, UNCLOS), das gesetzlich vorschreibt, dass Fischpopulationen auf einem Niveau erhalten oder wiederhergestellt werden müssen, das die höchste nachhaltige Fangmenge ermöglicht. In Nordeuropa soll dies durch rechtsverbindliche Gesamtfangmengen (total allowable catch, TAC) sichergestellt werden, die der Internationale Rat für Meeresforschung (International Council for the Exploration of the Sea, ICES) auf wissenschaftlicher Grundlage empfiehlt. Die Arbeitsgruppen dieser zwischenstaatlichen Organisation setzen sich hauptsächlich aus Wissenschaftler:innen der nationalen Fischereiinstitutionen zusammen. Auf Basis dieser Gutachten schlägt die EU-Kommission jährliche Quoten vor, die dann mit den Mitgliedstaaten und Interessengruppen beraten und schließlich vom Rat der EU-Fischereiminister beschlossen werden. Der gesamte Prozess zeigt jedoch eine systematische Tendenz zu überhöhten Fangquoten – mit negativen Folgen für die Bestände.

Missmanagement am Beispiel der westlichen Ostsee

Um zu verstehen, wie es dazu kommt, haben die Forschenden beispielhaft die westliche Ostsee ausgewählt, ein relativ einfaches Ökosystem, für das umfangreiche Daten vorliegen und das ausschließlich von EU-Mitgliedstaaten unter EU-Kontrolle befischt wird.

„In der westlichen Ostsee dominieren drei stark kommerziell genutzte Arten: Dorsch, Hering und Scholle“, erklärt Prof. Dr. Thorsten Reusch, Leiter des Forschungsbereichs Marine Ökologie am Ƶ. „Die langjährige Überfischung von Hering und Dorsch hat in jüngster Zeit zum Zusammenbruch dieser Fischereien geführt. Im Gegensatz dazu weisen die weniger gefragten Plattfische Scholle, Flunder und Kliesche stabile oder sogar steigende Bestandsgrößen auf.“

Im Jahr 2022 wurde insgesamt weniger als ein Zehntel dessen angelandet, was aus gesunden Beständen nachhaltig gefangen werden könnte. Reusch: „Es sind die kleinen Küstenfischer, die am meisten leiden, oft ohne etwas falsch gemacht zu haben, außer vielleicht, sich auf die politische Vertretung durch Fischereiverbände zu verlassen, die Lobbyarbeit für nicht nachhaltige Fangquoten betrieben haben.“

Systematische Überschätzungen und Phantom-Erholungen

Um die Fänge nachhaltig zu bewirtschaften, gibt der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) Empfehlungen ab, wie viel Fisch einer bestimmten Fischart jährlich entnommen werden kann, ohne die langfristige Lebensfähigkeit des Bestands zu gefährden. In diesen Bewertungen wurden die Bestandsgrößen für das kommende Jahr, für das nachhaltige Fangmengen empfohlen werden sollten, jedoch wiederholt zu hoch angesetzt. Diese allzu optimistischen Vorhersagen suggerierten, dass sich die Fischbestände erholen und viel höhere Fangmengen verkraften könnten, während die Bestände in Wirklichkeit stagnierten oder zurückgingen. Rainer Froese: „Wir sprechen hier von phantom recovery, Phantom-Erholungen, die vorhergesagt wurden aber nie eingetreten sind.“

Die „Überfischungs-Ratsche“: Wie das System seine eigenen Nachhaltigkeitsziele unterläuft

Basierend auf den bereits zu hoch eingeschätzten Bestandsgrößen der ICES-Gutachten hat die EU-Kommission häufig noch höhere Fangquoten angesetzt, die von den Ministern im EU-Rat in der Regel gebilligt oder manchmal sogar noch erhöht wurden. Das Ergebnis: Offiziell durfte deutlich mehr gefangen werden, als der Bestand verkraften konnte – teilweise sogar mehr als es überhaupt ausgewachsene Fische gab. Die Autor:innen nennen diesen Mechanismus Overfishing ratchet, „Überfischungs-Ratsche“. Er beschreibt den schrittweisen Prozess, bei dem – wie bei einer Ratsche, die nur in eine Richtung einrastet – von Stufe zu Stufe die empfohlenen und schließlich erlaubten Fangmengen immer größer werden.

Rainer Froese: „Interessanterweise blieben die tatsächlichen Fänge in der Ostsee meist unter den erlaubten Mengen. Das liegt schlicht daran, dass viele Fischer nicht mehr fangen konnten oder wollten: Die Suche nach den letzten Fischen wäre zu teuer geworden und hätte sich nicht mehr gelohnt.“

Eine neue unabhängige Institution für die Festlegung von ökosystembasierten Fangquoten

Die Gemeinsame Fischereipolitik der europäischen Länder sah ausdrücklich eine Frist bis 2020 vor, um die Überfischung zu beenden – ein Ziel, das eindeutig verfehlt wurde, wie Thorsten Reusch feststellt. Er betont: „Europa muss als Beispiel vorangehen und seine eigene Fischerei nachhaltig gestalten, wenn es andere Regionen der Welt zur Einführung nachhaltiger Fischereipraktiken ermutigen will.“ Sein Appell: „Die EU muss endlich ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele ernst nehmen und die Gemeinsame Fischereipolitik dringend konsequent umsetzen.“

Um den Prozess transparenter zu machen und eine klare Rechenschaftspflicht zu erreichen, schlagen die Forschenden die Schaffung einer neuen, politisch unabhängigen Institution vor, die mit einem klaren Mandat ausgestattet ist und die im Einklang mit den Grundsätzen des ökosystembasierten Fischereimanagements solide, wissenschaftlich fundierte Fanggrenzen für jeden Bestand festlegt. So könne die EU endlich ihre eigenen Gesetze umsetzen und die Überfischung wirksam stoppen. Rainer Froese: „Um erfolgreich zu sein, müsste eine solche Einrichtung für nachhaltige Fischerei mit dem gleichen Maß an Unabhängigkeit arbeiten wie eine Zentralbank.“ Und er betont: „Die Umsetzung fundierter wissenschaftlicher Empfehlungen könnte in vielen Fällen innerhalb weniger Jahre zu einer hochprofitablen Fischerei aus großen Fischbeständen in gesunden europäischen Meeren führen.“

 

Original-Publikation:

Froese, R., Steiner, N., Papaioannou, E., MacNeil, L., Reusch, Th., Scotti, M. (2025): Systemic failure of European fisheries management, Science

DOI: 10.1126/science.adv4341

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news-9878 Tue, 20 May 2025 10:29:00 +0200 Kleine Prozesse – große Wirkung /news/article/kleine-prozesse-grosse-wirkung 20. Mai 2025/ Kiel / Mindelo. Warum ist das Meer rund um die Kapverdischen Inseln so ungewöhnlich produktiv, obwohl es mitten in einem nährstoffarmen Gebiet des Ozeans liegt? Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel hat jetzt Daten aus zwei Jahrzehnten interdisziplinärer Beobachtungen ausgewertet. Die Analyse zeigt: Drei kleinskalige physikalische Prozesse – Wirbel, interne Wellen und Windfelder – fördern maßgeblich den Transport von Nährstoffen aus der Tiefe an die Oberfläche und beeinflussen, welche Arten sich wo im Ozean ansiedeln. Die Studie macht sichtbar, wie sich aus scheinbar chaotischen Mustern im Ozean Hinweise auf ökologische Strukturen ableiten lassen. Zugleich liefert sie wichtige Grundlagen für die Weiterentwicklung eines Digitalen Zwillings des Ozeans. Rund 600 Kilometer vor der westafrikanischen Küste liegt das Kapverdische Archipel – ein Hotspot mariner Vielfalt mitten im offenen Atlantik. Trotz nährstoffarmer Umgebung tummeln sich hier Wale, Delphine und große Fischschwärme. Warum gerade rund um die Inseln so viel Leben herrscht, konnte ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel nun erstmals im Detail erklären:  Kleinskalige physikalische Prozesse wie Strömungswirbel, Gezeiten und Winde schaffen lokal sehr unterschiedliche Lebensräume. Diese Mikrohabitate bieten die Grundlage für den außergewöhnlichen Artenreichtum im marinen Ökosystem der Kapverden.

Datenschatz aus zwei Jahrzehnten interdisziplinärer Forschung

Die Studie stützt sich auf einen außergewöhnlich umfangreichen Datensatz: Er umfasst die Ergebnisse von 34 Forschungsexpeditionen, Messdaten autonomer Unterwasserfahrzeuge (Glider), Satellitenbeobachtungen sowie Daten von dauerhaft verankerten Ozeanstationen. Die Forschenden verknüpften physikalische, chemische und biologische Messgrößen, um den Zusammenhang zwischen Strömungen, Nährstoffverfügbarkeit und Artenzusammensetzung im Ozean sichtbar zu machen.

„Erst durch die Kombination all dieser Informationen konnten wir Muster erkennen, die mit physikalischen Daten allein nicht sichtbar geworden wären“, sagt Erstautor Dr. Florian Schütte, Juniorprofessor für Physikalische Ozeanographie am Ƶ. Die Ergebnisse liefern nicht nur neue Einblicke in das Ökosystem, sondern auch wichtige Grundlagen für die Entwicklung digitaler Werkzeuge – etwa gekoppelter Ökosystemmodelle oder eines sogenannten Digitalen Zwillings des Ozeans. Dieses digitale Abbild verknüpft große Datenmengen aus verschiedenen Disziplinen miteinander. Schütte: „Was wir gemacht haben, ist die Grundidee eines Digitalen Zwillings: viele Perspektiven zusammenbringen, um das System als Ganzes zu verstehen.“

Drei Schlüsselprozesse bringen Nährstoffe an die Oberfläche

Auf Basis des riesigen Datensatzes identifizierte das Forschungsteam drei physikalische Schlüsselprozesse, die dafür sorgen, dass Nitrat – der limitierende Nährstoff für das Wachstum von Phytoplankton im Atlantik – aus tieferen Wasserschichten an die Oberfläche gelangt. Dort bildet es die Grundlage für die hohe biologische Produktivität.  

1. Windwirbel in Lee der Inseln: Der erste Mechanismus basiert auf sogenannten „Island Wakes“ – Wirbelfeldern, die entstehen, wenn der stetige Nordostpassat auf die hohen Vulkane von Santo Antão und Fogo trifft. Die markante Topografie lenkt den Wind ab und erzeugt im Windschatten starke lokale Windscherung. Diese wiederrum führen zur Bildung kleiner, aber sehr produktiver Wasserwirbel, die die Durchmischung und den Nährstofftransport anregen.

2. Mesoskalige Ozeanwirbel: Der zweite Prozess betrifft so genannte „mesoskalige Eddies“ – eher großräumige Ozeanwirbel mit bis zu 120 Kilometern Durchmesser. Diese entstehen regelmäßig vor der westafrikanischen Küste und transportieren nährstoffreiches, kaltes und salzärmeres Wasser westwärts in Richtung der Kapverdischen Inseln. Treffen sie auf die Inseln oder flache Unterwasserstrukturen, entlassen sie das nährstoffreiche Wasser aus ihrem Inneren und verstärken lokal die vertikale Durchmischung.

3. Interne Wellen durch Gezeiten: Auch die Wechselwirkung von Gezeiten mit der steilen Unterwassertopographie der Inseln spielt eine entscheidende Rolle. Das Kapverdische Archipel liegt in einem Tiefseebecken (Kapverdenbecken) mit Wassertiefen zwischen 3000 und 4000 Metern. Die gleichmäßigen Gezeiten werden durch die Seeberge und Küstenlinien der Kap Verden gestört – es entstehen sogenannte interne Gezeitenwellen. An bestimmten Stellen, etwa südlich von Santo Antão, brechen diese internen Wellen wie Brandung an einer Küste – und setzen dabei große Mengen Energie frei. Die Folge: eine stark erhöhte vertikale Durchmischung des Wassers. An genau diesen Hotspots wurden die bisher höchsten Mischungswerte gemessen, die das Ƶ je dokumentiert hat, verbunden mit Wassergeschwindigkeiten, die um ein Vielfaches höher sind als die ursprüngliche Gezeitenströmung in der Tiefe.

Der Clou: Die Physik bestimmt, wer wo lebt

„All diese Prozesse transportieren Nitrat aus der Tiefe in die lichtdurchflutete Oberflächenschicht und fördern dort das Wachstum von Phytoplankton, das die Basis allen Lebens im Ozean bildet“, erklärt Dr. Florian Schütte. In den dadurch entstehenden produktiven Zonen wurden bis zu zehnmal höhere Konzentrationen von Zooplankton gemessen, häufiger Fische gefangen und mehr Wale gesichtet. Sogar die jährlichen Fangmengen von Makrelen und Thunfischen in der Region zeigen eine deutliche Korrelation mit der Intensität der kleinskaligen physikalischen Prozesse und den daraus resultierenden Chlorophyllwerten.

Die zentrale Erkenntnis der Studie geht jedoch noch weiter: Es sind nicht nur die Nährstoffe, die an die Oberfläche gelangen – sondern auch die Artenzusammensetzung im Ozean, die durch die Art des physikalischen Prozesses gezielt beeinflusst wird. So unterscheiden sich die Zooplanktongemeinschaften je nach physikalischer Dynamik – etwa zwischen Regionen mit starker Gezeitenmischung, windgetriebenen Island Wakes oder den Einflussbereichen großer ozeanischer Wirbel. Diese Unterschiede setzen sich offenbar entlang der Nahrungskette fort – bis hin zu Fischen und Walen.

„Wo Gezeiten dominieren, leben andere Tiere als dort, wo Windwirbel entstehen oder große Eddies gegen die Inseln stoßen“, sagt Schütte. „Was früher wie chaotische Vielfalt wirkte, zeigt jetzt erkennbare Muster. Wir bringen etwas Struktur in den Ozean – und beginnen zu verstehen, wie biologische Vielfalt entsteht.“

Relevanz für Meeresschutz und nachhaltige Nutzung

Die Studie zeigt erstmals im Detail, wie die biologische Vielfalt im Ozean rund um die Kapverdischen Inseln mit physikalischen Prozessen und der Unterwassertopografie verknüpft ist. Diese ganzheitliche Perspektive liefert eine wichtige Grundlage, um das marine Ökosystem der Region besser zu verstehen.

Gerade für den Meeresschutz und das nachhaltige Management von Fischbeständen ist dieser systemische Blick von großer Bedeutung. Denn bislang basieren viele Entscheidungen in der Fischerei vor allem auf Fangstatistiken. Die neue Studie macht deutlich: Ein zukunftsfähiges Monitoring braucht mehr – eine interdisziplinäre Datenerhebung, bei der physikalische, chemische und biologische Prozesse gemeinsam berücksichtigt werden, idealerweise in Kombination mit Satellitendaten und langfristigen Messprogrammen vor Ort.

 

Originalpublikation:

Schütte, F., Hans, A.C., Schulz, M., Hummels, R., Assokpa, O., Brandt, P., Kiko, R., Körtzinger, A., Fiedler, B., Fischer, T., Rodrigues, E., Hoving, H-J., Hauss, H. (2025). Linking physical processes to biological responses: Interdisciplinary observational insights into the enhanced biological productivity of the Cape Verde Archipelago, Progress in Oceanography, 235, 103479.  

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news-9874 Thu, 15 May 2025 12:44:56 +0200 Zelluläre Grundlagen von Symbiosen /news/article/zellulaere-grundlagen-von-symbiosen Symposium des Kieler Metaorganismus-Sonderforschungsbereichs zu einem bislang wenig untersuchten Aspekt des Zusammenspiels von Wirten und Mikroorganismen. Der Sonderforschungsbereichs (SFB) 1182 „Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen“ an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) veranstaltet seit gestern das internationale Symposium „Cellular Underpinnings of Host-Microbe-Crosstalk“ (Deutsch: „Zelluläre Grundlagen der Kommunikation zwischen Wirten und Mikroben“). Rund 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Kiel und ihre internationalen Gäste kommen am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel zusammen, um die Prinzipien der Kommunikation von Wirtslebewesen und Mikroorganismen auf zellulärer Ebene zu diskutieren. Zu den internationalen Expertinnen und Experten, die an der Kieler Tagung teilnehmen, zählen unter anderem Professor Spencer Nyholm von der University of Connecticut, Dr. Liz Hambleton von der Universität Wien sowie Dr. Claudia Pogoreutz von der Université de Perpignan.
Der Kieler SFB 1182 ist Teil des CAU-Forschungsschwerpunkts Kiel Life Science (KLS) und untersucht seit 2016, warum und wie mikrobielle Gemeinschaften langfristige Verbindungen mit ihren Wirtsorganismen eingehen und welche funktionellen Konsequenzen dieses Zusammenspiel für Gesundheit und Krankheit hat. Ein wichtiger aber bislang wenig beachteter Aspekt dieses Forschungsgebiets besteht neben den molekularen und organismischen Ebenen von Symbiosen besonders auch in solchen Prozessen, die in den einzelnen Zellen bei der Kommunikation von vielzelligen Wirtlebewesen mit der Vielzahl von besiedelnden Mikroorganismen wie Bakterien, Viren und Pilzen ablaufen.
 
Zelluläre Prozesse: Ein übersehener Aspekt in der Wirts-Mikroben-Forschung?
„Die komplizierte Dynamik an dieser zentralen Schnittstelle sei derzeit noch nicht ausreichend erforscht“, betont Professorin Tal Dagan, Vizesprecherin des SFB 1182, die derzeitige Bedeutung des Themas. Das aktuelle Symposium hat daher das Ziel, diese bedeutende Wissenslücke in der Metaorganismus-Forschung zu verkleinern. Im Rahmen des Treffens diskutieren sie daher zahlreiche Details dieser zellulären Prozesse: Wie beeinflusst das angeborene Immunsystem des Wirtes die Interaktionen zwischen den Zellen des Wirtslebwesens und Mikroorganismen? Wie läuft dieses Zusammenspiel bereits auf der Ebene einzelner Zellen ab und wie kann es dargestellt werden? „Wirtszellen und ihre Oberflächen sind entscheidend für den Erstkontakt, die Adhäsion und die Selektion von Mikroorganismen und spielen eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts im Zusammenspiel von Wirten und Mikroben. Die Gewebeoberflächen von Wirtslebewesen bilden also eine entscheidende Schnittstelle, die über die Etablierung einer bestimmten Mikrobiota auf den Wirtsgeweben und damit letztlich über das Zustandekommen einer Symbiose entscheidet“, erklärt Professorin Ute Hentschel Humeida vom Ƶ, die die Tagung organsiert hat.
Im Kieler SFB 1182 und an vielen anderen weiteren Forschungsstandorten weltweit arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daran, die Methoden zur Untersuchung dieser Schnittstelle zu verbessern oder gänzlich neu zu entwickeln. Dazu zählen unter anderem sogenannte Einzelzellatlanten, eine verbesserte Einzelzellproteomik sowie hochauflösende räumliche Bildgebungsverfahren, die künftig noch nie dagewesene Einblicke in zelluläre Prozesse versprechen. „Ziel unseres Symposiums ist es, Forschende aus verschiedenen Disziplinen zusammenzubringen, die an solchen Themen und den relevanten Methoden arbeiten. Im internationalen Austausch werden wir so künftig mehr über diesen neuartigen Aspekt zellulärer Mechanismen erfahren, die den Interaktionen von Wirten und Mikroben zugrunde liegen und damit zur Funktion von Metaorganismen beitragen“, betont SFB-1182 Sprecher Professor Hinrich Schulenburg von der CAU.
 
Über den SFB 1182:
Der Sonderforschungsbereich „Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen“ ist ein interdisziplinäres Netzwerk unter Beteiligung von rund 80 Forschenden, das die Interaktionen spezifischer Mikrobengemeinschaften mit vielzelligen Wirtslebewesen untersucht. Es wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt und beschäftigt sich mit der Frage, wie Pflanzen und Tiere einschließlich des Menschen gemeinsam mit hoch spezifischen Gemeinschaften von Mikroben funktionale Einheiten (Metaorganismen) bilden. Ziel des SFB 1182 ist es zu verstehen, warum und wie mikrobielle Gemeinschaften diese langfristigen Verbindungen mit ihren Wirtsorganismen eingehen und welche funktionellen Konsequenzen diese Wechselwirkungen haben. Im SFB 1182 sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus fünf Fakultäten der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, dem Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie Plön, der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, dem Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und der Mathematik und der Muthesius Kunsthochschule zusammengeschlossen.

 

Kontakt:
Prof. Hinrich Schulenburg
Sprecher SFB 1182 „Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen“, CAU:
Tel.: 0431-880-4141
E-Mail: hschulenburg(at)zoologie.uni-kiel.de
 
Prof. Ute Hentschel Humeida
Forschungseinheit - Marine Symbiosen
Forschungsbereich 3 - Marine Ökologie
Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel:
E-Mail: uhentschel(at)geomar.de

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Aktuelles 2025 Presse 2025
news-9896 Thu, 15 May 2025 12:34:00 +0200 Neue Korallengärten und Hydrothermalquellen in den eisigen Tiefen der abgelegenen Südlichen Sandwichinseln entdeckt /news/article/neue-korallengaerten-und-hydrothermalquellen-in-den-eisigen-tiefen-der-abgelegenen-suedlichen-sandwichinseln-entdeckt Palo Alto, Kalifornien, USA: Ein internationales Team von Wissenschaftler:innen hat auf einer 35-tägigen Tiefseeexpedition zu einer der entlegensten Inselketten der Welt gedeihende polare Ökosysteme erforscht, neue hydrothermale Quellen und Korallengärten sowie diverse mutmaßlich neue Arten entdeckt. Die Ozeanzensus-Flaggschiff-Expedition an Bord des Forschungsschiffs Falkor des Schmidt Ocean Institute erforschte die Südlichen Sandwichinseln, darunter einen der kältesten und isoliertesten unterseeischen Gräben der Welt, und fand Hinweise auf explosiven Vulkanismus. Auf dieser Expedition wurde auch die erste bestätigte Sichtung eines jungen Riesenkalmares gefilmt. Die Expedition war Teil des Nekton-Ozeanzensus-Programms der Nippon-Stiftung, der weltweit größten Initiative zur Beschleunigung der Entdeckung von Meereslebewesen. Die Wissenschaftler:innen von Ozeanzensus waren federführend bei der Entdeckung von Arten. Sie bestimmten eine Vielzahl potenziell noch nicht erfasster Meereslebewesen – darunter Korallen, Schwämme, Schnecken, Seeigel, benthische Ctenophoren (bodenlebende Rippen-, bzw. Kammquallen) und Seesterne. Die genaue Zahl der neuen Arten wird im Laufe des Jahres nach einem Ozeanzensus-Workshop bekannt gegeben, bei dem taxonomische Expert:innen die Ergebnisse offiziell einordnen und katalogisieren. Das GoSouth-Team – eine Zusammenarbeit zwischen der Universität von Plymouth (UK), dem Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (Deutschland) und dem British Antarctic Survey (UK) – untersuchte die Auswirkungen von Georisiken wie Tsunamis, Vulkanen und Erdbeben.

„Diese Expedition hat uns einen Einblick in einen der entlegensten und biologisch artenreichsten Teile unseres Ozeans gegeben. Genau deswegen gibt es den Ozeanzensus – um unser Verständnis über das Leben im Meer zu erweitern, bevor es zu spät ist“, sagte Dr. Michelle Taylor, wissenschaftliche Leiterin und Expeditionsleiterin beim Ozeanzensus sowie Dozentin an der Universität Essex. „Die 35 Tage auf See waren eine aufregende Achterbahnfahrt wissenschaftlicher Entdeckungen. Deren Auswirkungen werden noch viele Jahre lang zu spüren sein, während die Erkenntnisse in Managementmaßnahmen umgesetzt werden.“

Mutter Natur hat der Expedition alles abverlangt, so Taylor, einschließlich eines Unterwasser-Erdbebens, tropischer Stürme mit Böen auf Orkan-Niveau, acht Meter hoher Wellen und Eisbergen, die es zu umschiffen galt.

Die im Südatlantik gelegenen Südlichen Sandwichinseln sind Teil eines reichhaltigen Mosaiks von geologischen Merkmalen wie Gräben in der Hadalzone, Unterwasservulkanen und Spreizungszentren – Merkmale, die durch tektonische Kräfte entstanden sind und die Entwicklung von Arten begünstigt haben, die nirgendwo sonst auf der Erde vorkommen. Das Forschungsschiff benötigte acht Tage, um vom chilenischen Hafen Punta Arenas zu den Inseln zu gelangen.

Das GoSouth-Team unter der wissenschaftlichen Co-Leitung Dr. Jenny Gales entdeckte zwei Pockennarben in den Kartierungsdaten einer Unterwasser-Caldera – einer schüsselförmigen Vertiefung im Meeresboden, die nach einem Vulkanausbruch entsteht. Pockennarben können auf hydrothermale Aktivität hinweisen. In einem „verschachtelten“ Ansatz setzte das Team das ferngesteuerte Fahrzeug SuBastian des Schmidt Ocean Institute ein, um die Pockennarben mit höherer Auflösung zu kartieren und das Vorhandensein von Schloten zu bestätigen. Die verschachtelte Kartierung ist das Konzept, von großen Kartenbereichen mit geringerem Detailgrad zu kleineren Bereichen mit höherem Detailgrad hinzuarbeiten.

Die größere Pockennarbe enthielt drei hydrothermale Schlote, die kleinere nur einen. Sie befinden sich in 700 Metern Tiefe und gehören zu den flachsten hydrothermalen Schloten, die in der Nähe der Südlichen Sandwichinseln entdeckt wurden, und sind die einzigen, die mit einem ferngesteuerten Fahrzeug erkundet wurden. Der höchste Schornstein war vier Meter hoch und damit etwa so hoch wie ein Basketballkorb. Jeder Schlot war mit einer Vielzahl von Lebewesen bedeckt, die von Chemosynthese abhängig sind, darunter Meeresschnecken und Seepocken. Blühende Korallengärten und große Schwämme wurden in unmittelbarer Nähe der Schlote gefunden – eine ungewöhnliche Beobachtung, so Taylor.

„Die Entdeckung dieser hydrothermalen Schlote war ein magischer Moment, da sie hier noch nie zuvor gesichtet wurden“, sagte Gales, Assoziierter Professor für Meeresforschung an der Universität Plymouth (UK). „Es ist eine unglaubliche Entdeckung, die wertvolle Einblicke in die tektonischen Aktivitäten in diesem Gebiet erlaubt. Eine solche Entdeckung ist selten. Sie hebt noch einmal hervor, wie wichtig die Erforschung der Ozeane und die Kartierung des Meeresbodens sind“.

Neben den Schloten gab es weitere bemerkenswerte Erkenntnisse während der Expedition:

  • Im Graben fanden die Wissenschaftler:innen Schneckenfischeier, die auf einer schwarzen Koralle abgelegt worden waren, sowie eine mögliche neue Seegurkenart;
  • große Bimssteinblöcke, die darauf hinweisen, dass die Südlichen Sandwichinseln zu explosivem Vulkanismus fähig sind;

  • ein vitaler Korallengarten westlich von Saunders Island in einer Tiefe von 120 Metern;

  • die ersten Aufnahmen von Akarotaxis aff. gouldae, einer vor zwei Jahren entdeckten Drachenfischart.

„Die herausfordernden Meeres- und Wetterbedingungen und die isolierte Lage der Südlichen Sandwich-Inseln regen die Phantasie der kühnsten Entdecker an – oft waren die dem Schiff nächstgelegenen Menschen die auf der Internationalen Raumstation“, sagte Dr. Jyotika Virmani, geschäftsführender Direktor des Schmidt Ocean Institute. „Wir sind stolz, Ozeanzensus in ihrem Auftrag unterstützt zu haben, die Erfassung von Leben im Meer voranzubringen, sowie GoSouth in ihrem Bestreben, die geologische Beschaffenheit dieser dynamischen Ecke der Welt besser zu verstehen.“

 

Ansprechperson:
Dr. Tom Kwasnitschka, tkwasnitschka(at)geomar.de

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Aktuelles 2025 Presse 2025 Korallen Ozeanbeobachtung Tiefsee Lebensraum Ozean Grundwissen Ozean
news-9868 Mon, 05 May 2025 10:53:00 +0200 Künstliche Sauerstoffzufuhr in Küstengewässern: Hoffnungsträger mit Risiken /news/article/kuenstliche-sauerstoffzufuhr-in-kuestengewaessern-hoffnungstraeger-mit-risiken 05.05.2025/Kiel/Nijmegen. Könnte der künstliche Eintrag von Sauerstoff sterbende Küstengewässer wiederbeleben? Ansätze zur Sauerstoffanreicherung haben sich in Seen bereits als erfolgreich erwiesen, aber ihre möglichen Nebeneffekte müssen sorgfältig untersucht werden, bevor sie auch im Meer eingesetzt werden. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende eines internationalen Workshops, der vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und der niederländischen Radbout Universität geleitet wurde. In einem Beitrag im Fachmagazin EOS warnen sie: Technische Maßnahmen können zeitlich und örtlich begrenzt Schäden abmildern, sind aber mit erheblichen Unsicherheiten und Risiken behaftet. Vor allem bieten sie keine dauerhafte Lösung, weil der Sauerstoffgehalt nach Beendigung der Maßnahmen auf das alte Niveau zurücksinkt, wenn nicht die Ursachen des Problems, Nährstoffeinträge und globale Erwärmung, bekämpft werden. Weltweit verlieren Küstengewässer zunehmend Sauerstoff mit dramatischen Folgen – nicht nur für die Ökosysteme, sondern auch für die Menschen, die von ihnen leben. Die Ostsee ist ein bekanntes Beispiel: Dort Die Folgen der sich ausbreitenden sauerstoffarmen oder sauerstofffreien Zonen zeigen sich in Form von Fischsterben, dem Rückgang von Laichgebieten und giftigen Blaualgenblüten. Wäre es da nicht naheliegend, Sauerstoff ins Meer einzuleiten – genau dort, wo er am dringendsten benötigt wird?

„Technisch sind bereits verschiedene Ansätze getestet worden, die in Seen zum Teil auch positive Effekte gezeigt haben“, sagt Prof. Dr. Andreas Oschlies, Professor für Marine Biogeochemische Modellierung am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, „doch die künstliche Sauerstoffzufuhr kann keine Wunder bewirken – sie lindert vorübergehend Symptome, bekämpft aber nicht die Ursachen.“

Andreas Oschlies leitet gemeinsam mit Prof. Dr. Caroline P. Slomp, Professorin für Geomikrobiologie und Biogeochemie an der Radboud Universität in den Niederlanden, das Global Ocean Oxygen Network (GO2NE), ein internationales Expert:innengremium der Intergovernmental Oceanographic Commission (IOC UNESCO) der Vereinten Nationen, das die Ursachen und Folgen des sinkenden Sauerstoffgehalts im Ozean erforscht und im Herbst einen ersten internationalen Workshop zum Thema künstliche Sauerstoffzufuhr durchgeführt hat. Die Ergebnisse dieses Workshops sind letzte Woche im Fachmagazin EOS erschienen.

Hauptursachen für Sauerstoffverluste in Küstenmeeren

Küstenmeere gewinnen Sauerstoff auf natürliche Weise durch den Austausch zwischen dem Meer und der Luft, und durch das Phytoplankton, das an der Oberfläche Photosynthese betreibt. Tiefere Wasserschichten können nur durch Austausch mit Oberflächenwassermassen Sauerstoff erhalten. Das Meerwasser verliert Sauerstoff durch Bakterien, die ihn beim Zersetzen von organischem Material aufzehren. Diese können besonders gut gedeihen, wenn das Nährstoffangebot hoch ist – daher gehören zu hohe Nährstoffeinträge (vor allem Stickstoff und Phosphor) aus Abwässern und Landwirtschaft zu den Hauptursachen für den sinkenden Sauerstoffgehalt. Dazu kommt die Erwärmung der Gewässer – in wärmerem Wasser kann weniger Sauerstoff gelöst werden, und durch warme Wasserschichten, die sich über kühlere legen, wird die Durchmischung der Wasserschichten gehemmt.

Oschlies: „Es gibt in der Ostsee inzwischen riesige Zonen, in denen gar kein Sauerstoff mehr vorkommt. Wir nennen sie anoxisch, also sauerstofffrei. Umgangssprachlich werden sie als ,Todeszonen‘ bezeichnet. Ganz tot sind sie nicht, denn es gibt durchaus Bakterien, die in diesem Milieu noch leben können. Für alle anderen Organismen sind diese Bereiche aber absolut lebensfeindlich.“

Grenzen und Risiken von künstlichem Sauerstoffeintrag

Oschlies und Slomp haben Studien zu zwei technischen Ansätzen untersucht, mit denen Gewässern Sauerstoff zugeführt werden kann: das Einblasen von Luft oder reinem Sauerstoff (englisch Bubble Diffusion) sowie das Pumpen sauerstoffreicher Oberflächengewässer in tiefere Schichten (künstliches Downwelling). Beide Methoden wurden bereits lokal getestet – mit zum Teil positiven Effekten. Doch sobald die Maßnahmen eingestellt werden, kehrt die Anoxie meist innerhalb kürzester Zeit zurück. Slomp: „In Seen, flachen Flussmündungen oder kleinen Buchten kann dieser künstliche Sauerstoffeintrag erfolgreich angewendet werden. Doch die Wirkung hält nur so lange an, wie der Betrieb aufrechterhalten wird.“ Ein Beispiel dafür ist die Chesapeake Bay bei Baltimore in den USA, wo nach jahrzehntelanger Belüftung eines flachen Nebenarms die Anlagen abgeschaltet wurden und innerhalb eines Tages die Sauerstoffgehalte auf die alten Werte zurückfielen.

Zudem birgt die künstliche Sauerstoffzufuhr ökologische Risiken. So kann etwa die aufsteigende Bewegung von Gasen wie Methan – einem starken Treibhausgas – durch das Einblasen von Sauerstoff verstärkt werden. Auch Veränderungen von Temperatur- und Salzverteilungen sowie Unterwasserlärm könnten marine Lebensräume beeinträchtigen und im Extremfall sogar zu einer noch stärkeren Sauerstoffabnahme führen. „Diese Verfahren dürfen nur nach gründlicher Prüfung und mit begleitender Umweltüberwachung eingesetzt werden“, betont Oschlies.

Kein Ersatz für Klimaschutz und Reduktion von Nährstoffeinträgen

Ein aktueller Anlass für die Debatte ist der Ausbau von Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff. Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse gewonnen, wobei Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. Stehen die Elektrolyseure am Meer, könnte der als Nebenprodukt entstehende Sauerstoff direkt für Maßnahmen zur Sauerstoffanreicherung in küstennahen Meeresregionen genutzt werden. Doch die Forschenden mahnen zur Vorsicht: Wo geeignete Bedingungen herrschen, könnten technische Eingriffe sinnvoll sein – sie müssten aber eingebettet werden in umfassende Strategien zum Gewässerschutz.

Slomps Fazit: „Die technischen Möglichkeiten zur Sauerstoffzufuhr sind kein Ersatz für konsequenten Klimaschutz und die Reduktion von Nährstoffeinträgen aus Landwirtschaft und Abwasser. Sie können aber unter bestimmten Bedingungen dazu beitragen, die schlimmsten Folgen des Sauerstoffmangels zumindest zeitweise abzumildern.“

 

Original-Publikation:

Slomp, Caroline P./Oschlies, Andreas (2025): Could bubbling Oxygen revitalize dying coastal seas?. Eos.

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Aktuelles 2025 Presse 2025 Top_Slider FB2News Sauerstoff Ozean und Klima Lebensraum Ozean Ostsee Klima Marine Ökosysteme
news-9866 Fri, 02 May 2025 13:08:18 +0200 Wie entstehen Calderas an Inselbogenvulkanen und was für Auswirkungen haben sie? /news/article/wie-entstehen-calderas-an-inselbogenvulkanen-und-was-fuer-auswirkungen-haben-sie 02.05.2025/Kiel. Welche Prozesse haben den Caldera-Einsturz des Brothers Vulkans vor der neuseeländischen Küste vor einigen tausend Jahren ausgelöst, und wie hängen diese mit heißen Quellen und Rohstoffvorkommen zusammen? Dieser Frage geht ab morgen ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel nach. An Bord des Forschungsschiffes SONNE wollen die Wissenschaftler:innen erstmals ein hochauflösendes, dreidimensionales Abbild des Unterwasservulkans erstellen. Ziel der Expedition SO312 BRASS ist es, die innere Struktur des Brothers Vulkans vor der neuseeländischen Küste detailliert zu vermessen und zum ersten Mal überhaupt den Einsturzkrater – die so genannte Caldera – eines Vulkans vollständig seismisch abzubilden. Mithilfe eines speziellen 3D-Seismik-Systems und Ozeanboden-Seismometern wollen die Forschenden herausfinden, ob die Caldera in Folge einer einzigen, gewaltigen Eruption oder durch eine Reihe kleinerer Ausbrüche entstanden ist. Dies wird wichtige Rückschlüsse auf die von Inselbogenvulkanen ausgehenden Naturgefahren zulassen. Gleichzeitig wird untersucht, ob vorhandene geologische Schwächezonen im Untergrund die Entstehung beeinflusst haben und wie die heute aktiven hydrothermalen Systeme mit diesen Strukturen verknüpft sind.

Vulkanisch aktives Labor am Meeresboden 

„Der Brothers Vulkan ist für uns so etwas wie ein Labor am Meeresboden. Nirgendwo sonst im Kermadec-Bogen gibt es eine derart aktive Caldera mit so vielen heißen Quellen und hydrothermalen Schloten“, sagt Fahrtleiter Dr. Christian Berndt, Professor für Marine Geophysik am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. „Die Kombination aus einem großen vulkanischen Krater, ultraheißen Fluiden und einzigartigen Lebensräumen macht ihn zu einem Schlüsselgebiet, um zu verstehen, wie Unterwasservulkane funktionieren und wie Rohstoffe am Meeresboden entstehen.“ 

Expedition in direkter Folge der MARUM-Bohrkampagne

Die Expedition folgt unmittelbar auf eine Forschungsfahrt des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen, bei der ebenfalls mit dem Forschungsschiff SONNE am Brothers Vulkan geforscht wurde. Dabei standen wissenschaftliche Bohrungen im Vordergrund, um die hydrothermalen Prozesse und die Entstehung von Metalllagerstätten am Meeresboden zu untersuchen. Die nun folgende Expedition ergänzt diese Untersuchungen durch großflächige geophysikalische Messungen und liefert somit auch wichtige Kontextdaten für die Interpretation der Bohrkerne.

Deutsch-neuseeländische Partnerschaft

Das Vorhaben ist ein Beispiel für die erfolgreiche internationale Zusammenarbeit in der Meeresforschung: Neben dem Ƶ ist vor allem die neuseeländische Forschungseinrichtung GNS Science (auf Māori: Te Pū Ao), an der Expedition beteiligt. Diese Kooperation bei der Erforschung des Meeresbodens rund um den pazifischen Inselstaat wird seit mehr als dreißig Jahren gepflegt und ermöglicht es, modernste Technik und jahrzehntelange lokale Expertise zu bündeln. Vor kurzem hat auch die stellvertretende neuseeländische Botschafterin in Deutschland, Evelyne Coulombe, das Ƶ besucht und sich über die Kooperationen informiert.

Wissen für mehr Sicherheit und nachhaltige Ressourcennutzung

Die Ergebnisse der Expedition sollen nicht nur helfen, die Entstehungsgeschichte des Brothers Vulkans besser zu verstehen, sondern auch die Gefahrenbewertung für mögliche zukünftige Eruptionen und Tsunamis in der Region zu verbessern. Gleichzeitig liefern sie wichtige Grundlagen für die Einschätzung von mineralischen Rohstoffvorkommen in der Tiefsee.

Hintergrund: Caldera 

Eine Caldera ist ein großer, kesselförmiger Krater, der entsteht, wenn bei einem Vulkanausbruch große Mengen Magma aus dem Untergrund entweichen. Der überdeckende Gesteinskörper verliert dabei seine Stützfunktion und sackt ab. Solche Calderen können mehrere Kilometer groß und mehrere Hundert Meter tief sein – sowohl an Land als auch unter Wasser.

Die Expedition auf einem Blick:

Name: BRASS (Brothers Volcano Seismic Structure)

Fahrtleitung: Prof. Dr. Christian Berndt

Zeitraum: 03.05.2025 – 29.05.2025

Start und Ende: Auckland (New Zealand)

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Aktuelles 2025 Presse 2025 FB3News Naturgefahren aus dem Ozean Expeditionen Plattentektonik Naturgefahren
news-9861 Wed, 30 Apr 2025 11:00:00 +0200 Blick in fossile Daten für ein besseres Verständnis der Klimazukunft /news/article/blick-in-fossile-daten-fuer-ein-besseres-verstaendnis-der-klimazukunft 30.04.2025/Kiel. Prof. Dr. Ying Cui von der Montclair State University in den USA ist mit einem Humboldt-Stipendium für erfahrene Forschende für sechs Monate am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel zu Gast. Die Geowissenschaftlerin untersucht mithilfe von Erdsystemmodellen, wie wärmere Klimata in der geologischen Vergangenheit den Sauerstoffgehalt im Ozean beeinflusst haben und welche Rückschlüsse sich daraus für die Zukunft ziehen lassen. Gastgeber ist Prof. Dr. Andreas Oschlies, Leiter der Forschungseinheit Biogeochemische Modellierung. Der Blick zurück in die Erdgeschichte kann helfen, die Zukunft besser zu verstehen. Das gilt auch für Klimadaten. Damit beschäftigt sich Prof. Dr. Ying Cui, Geochemikerin von der Montclair State University in den USA und derzeit Gastwissenschaftlerin am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Dank eines Humboldt-Forschungsstipendiums verbringt sie sechs Monate in Kiel, um mit Prof. Dr. Andreas Oschlies und seinem Team aus der Forschungseinheit Biogeochemische Modellierung die Zusammenhänge zwischen Klima, Ozean und Sauerstoffgehalt besser zu entschlüsseln.

Die Vergangenheit als Schlüssel zur Zukunft

Prof. Cui widmet sich in ihrer Forschung Zeiträumen der Erdgeschichte, in denen Treibhausgase in geologisch kurzen Zeiträumen massiv freigesetzt wurden – oft verbunden mit globalen Warmphasen und dramatischen Folgen für das Klima und das Leben auf der Erde. Am Ƶ liegt ihr Fokus auf dem Miozän, einem Zeitabschnitt, der vor 5,3 Millionen Jahren endete. Damals war es auf der Erde rund zwei bis drei Grad wärmer als heute. 

„Unsere Hypothese ist, dass wärmeres Klima zu einem Sauerstoffmangel im Ozean führt, weil weniger Sauerstoff im Wasser gebunden werden kann“, erklärt Cui. Doch der Sauerstoffgehalt wird nicht nur von der Temperatur beeinflusst. Viele andere Faktoren, wie etwa auch Ozeanströmungen spielen eine wichtige Rolle. Und die haben vor Jahrmillionen ganz anders ausgesehen als heute. Cui: „Zwischen Nord- und Südamerika existierte noch keine Landbrücke, das heißt, die Wassermassen des Atlantiks und des Pazifiks konnten sich vermischen.“ All diese Faktoren müssen berücksichtigt werden, um letztlich die Frage beantworten zu können, wie sich der Sauerstoffverlust im Ozean auf das Leben im Meer ausgewirkt hat.

Blick in die Tiefe: Der Nordatlantik im Fokus

Dafür fokussiert sich Ying Cuis Forschung auf den Nordatlantik zwischen 50 und 70 Grad nördlicher Breite, östlich von Grönland – eine Region, die für ihre nährstoffreichen Gewässer bekannt ist. Ying Cui: „Der Nordatlantik ist nicht nur eine besonders produktive Region des Ozeans, sondern auch ein Schlüsselgebiet für den globalen Kohlenstoff- und Sauerstoffhaushalt. Veränderungen in diesen Prozessen können erhebliche Auswirkungen auf marine Ökosysteme und das globale Klima haben.“

Während der internationalen IODP Expedition 395 mit dem Bohrschiff JOIDES RESOLUTION, an der Cui 2023 teilnahm, wurden Gesteinskerne aus dieser Region erbohrt. Diese Kerne enthalten Daten über die Entwicklung von Klima und Ozeanen in den vergangenen Jahrmillionen – ein geologisches Tagebuch, das wertvolle Einblicke in vergangene Klimaextreme gibt. Mit diesen Daten füttert Cui das Erdsystemmodell UVic, das physikalische, chemische und biologische Prozesse im Ozean berechnet. Die dreidimensionalen Simulationen aus dem Computermodell machen sichtbar, wie wärmere Klimabedingungen die Nährstoffkreisläufe und den Sauerstoffgehalt in produktiven Meeresregionen wie dem Nordatlantik verändert haben.

Fossile Daten als Schlüssel für bessere Klimamodelle

„Die Forschung von Ying Cui ergänzt unsere Arbeit ideal“, sagt ihr Gastgeber Dr. Andreas Oschlies, Professor für Marine Biogeochemische Modellierung am Ƶ. „Eine der größten Unsicherheiten in marinen biogeochemischen Modellen ist die Frage, wie empfindlich sie auf vorübergehende Klimaveränderungen reagieren. Vergangene Klimazustände bieten uns die Möglichkeit, solche Prozesse unter extrem anderen Bedingungen zu verstehen und unsere Modelle damit zu verbessern.“ Damit könnte der Blick in fossile Gesteinsschichten helfen, zuverlässigere Prognosen für zukünftige Klimaszenarien zu erstellen.

 

 

Hintergrund: Humboldt-Stipendium für erfahrene Forschende

Das Humboldt-Stipendium unterstützt überdurchschnittlich qualifizierte Wissenschaftler:innen aus dem Ausland bei einem langfristigen Forschungsaufenthalt (sechs bis 18 Monate) in Deutschland. Dabei können die Forschenden ein selbstgewähltes Projekt in Kooperation mit einer deutschen Forschungseinrichtung umsetzen.

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news-9853 Tue, 29 Apr 2025 10:08:00 +0200 Deutschlands begrenzte Optionen, schwer vermeidbare Restemissionen mithilfe des Meeres auszugleichen /news/article/deutschlands-begrenzte-optionen-schwer-vermeidbare-restemissionen-mithilfe-des-meeres-auszugleichen 29. April 2025/Kiel. Die natürliche Kohlendioxid-Aufnahme des Meeres zu erhöhen oder abgeschiedenes Kohlendioxid (CO2) biogenen Ursprungs tief im Meeresuntergrund zu speichern, werden in Deutschland aktuell als Möglichkeiten diskutiert, um schwer vermeidbare Restemissionen auszugleichen und das Ziel der Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 zu erreichen. Welche CO2-Entnahme- und Speicherverfahren jedoch erfolgreich einsetzbar sind, hängt von den lokalen Bedingungen ab. In deutschen Nord- und Ostseegewässern sind die Möglichkeiten auf wenige Methoden begrenzt. Das ist das Ergebnis einer ersten Machbarkeitsabschätzung von Wissenschaftler:innen der Forschungsmission CDRmare. Die Studie ist vor kurzem im Fachmagazin Earth’s Future erschienen. Oberstes Ziel auf dem Weg zur Klimaneutralität ist die Vermeidung von Emissionen. Doch angesichts der Notwendigkeit, schwer vermeidbare CO2-Emissionen in Zukunft durch eine Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre auszugleichen, gewinnen Methoden zur CO2-Entnahme und -Speicherung mithilfe des Ozeans zunehmend an Aufmerksamkeit. Welche Möglichkeiten hat Deutschland, seine Meeresgebiete dafür zu nutzen? Dieser Frage geht eine Studie nach, in der Forschende erstmals versuchen, die Machbarkeit von CO2-Entnahme- und Speicherung in deutschen Gewässern abzuschätzen, wenn man die lokalen Meeresbedingungen berücksichtigt und danach fragt, woher das notwendige Material, die erforderlichen Infrastrukturen und die benötigte Energie kommen sollen, die eine meeresbasierte CO2-Entnahme im großen Stil erfordern würde.

„Solche Standortfaktoren entscheiden maßgeblich darüber, welche Verfahren zur marinen CO2-Entnahme und -Speicherung überhaupt in Frage kommen. Unsere Analyse hilft uns, genauer zu verstehen, über welche Größenordnungen wir sprechen, wenn wir einen Einsatz dieser Verfahren in deutschen Meeresgewässern diskutieren, und an welchen Stellen der Prozessketten wir absehbar auf Engpässe oder Machbarkeitsgrenzen stoßen würden“, sagt Dr. Wanxuan Yao, Co-Autor und zum Zeitpunkt der Studie Klimamodellierer am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. 

Neueste Forschungsergebnisse ausgewertet

Für die Analyse haben die Forschenden sowohl aktuelle Fachliteratur ausgewertet als auch Ergebnisse aus ihrer aktuellen Arbeit in der DAM-Forschungsmission zur marinen CO2-Entnahme und -Speicherung (CDRmare) einfließen lassen. Abgefragt wurde für jede Methode unter anderem wie viel Wasser, Material, Energie, Land- oder Meeresfläche benötigt werden, welche Abfall- oder Beiprodukte entstehen könnten, welche Bauten und Transportwege notwendig wären, welche Betriebskosten entstünden und was über mögliche Auswirkungen auf Mensch und Natur bekannt ist.

„Außerdem haben wir untersucht, ob es für jede der Methoden bereits etablierte Verfahren gibt, mit denen die erzielte CO2-Entnahme sowie mögliche Umweltauswirkungen gemessen und überwacht werden können. Ohne solche Mess- und Kontrollverfahren hat keine der diskutierten Methoden eine realistische Chance, eines Tages großflächig eingesetzt zu werden“, erläutert Co-Erstautorin Dr. Teresa Morganti, zum Zeitpunkt der Studie Meeresbiologin am Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde.

Zehn marine CO2-Entnahmemethoden in der engeren Auswahl

Am Ende des mehrjährigen Auswahlprozesses blieben fünf Verfahren zur CO2-Entnahme übrig, die in den deutschen Nord- und Ostseegewässern umgesetzt werden könnten. Fünf weitere untersuchte Methoden müsste die Bundesrepublik in internationalen Gewässern umsetzen oder dafür mit anderen Küstenstaaten kooperieren.

„Die von uns entwickelten Optionsskizzen sollen dazu dienen, konkrete Fragen und Herausforderungen aufzuwerfen, die sich im Falle eines großskaligen Einsatzes stellen würden, und eine Diskussionsgrundlage zu liefern. Es ist aber wichtig zu betonen, dass diese Skizzen weder die rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen, noch hinterfragen sie, ob die möglichen Auswirkungen einer gezielten CO2-Entnahme mithilfe des Meeres unseren ethischen Werten und Zielvorstellungen entsprechen. Das sind wichtige Fragen, die wir nun in Folgestudien aufgreifen müssen“, sagt Dr. Nadine Mengis vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Co-Autorin der neuen Studie und CDRmare-Co-Sprecherin.

Zu hohe Erwartungen an marine CO2-Entnahmemethoden

Die Forschenden arbeiten deshalb gezielt daran, Methoden und Prozesse zu entwickeln, die ein realistisches Bild davon zeichnen, inwiefern marine CO2-Entnahmeverfahren machbar und ihre Auswirkungen für Mensch und Natur wünschenswert sind. „Sobald man marine CO2-Entnahmeverfahren für eine konkrete Region hochskaliert und somit die Dimension dieser Eingriffe begreifbar macht, wird deutlich, dass die bisherigen Erwartungen ohne diese Überlegungen oft zu hoch sind. Wir brauchen mehr solcher Studien, die die kontextspezifischen Bedingungen für eine mögliche Umsetzung von CDR-Maßnahmen mit einbeziehen, nur so kommen wir letztlich auch auf belastbare Potenziale”, sagt Nadine Mengis.

Die Erwartungen bergen zudem die Gefahr, dass auch Länder wie Deutschland auf zukünftige technische Lösungen hoffen und in der Zwischenzeit ihre Ambitionen zur Treibhausgasvermeidung mit bekannten und erprobten Maßnahmen zurückschrauben. „Das darf nicht das Resultat unserer Forschung sein“, betont Nadine Mengis.

Zu den in der Studie beschriebenen marinen CO2-Entnahme- und Speicherverfahren zählen:

Verfahren zur Erhöhung der CO2-Säurebindungsvermögens (Alkalinität) des Ozeans:

1. die Herstellung einer Lauge aus Silikatgestein und Wasser sowie die Verteilung dieser Lauge im Flachwasser entlang der deutschen Nordseeküste,

2. die Herstellung einer Lauge aus Löschkalk und Wasser sowie die Verteilung dieser Lauge entlang der Schifffahrtswege in der deutschen Nordsee,

3. das Einstreuen von pulverisiertem Basaltgestein vulkanischen Ursprungs entlang der deutschen Küste,

4. die Einleitung von Natriumhydroxid, welches in Entsalzungsanlagen durch Elektrolyse gewonnen werden kann (derzeit keine Entsalzungsanlagen in Nord- oder Ostsee).

Verfahren zur Wiederherstellung und Ausweitung vegetationsreicher Küstenökosysteme

5. die gezielte Ausweitung oder Einführung von Kelpwäldern rund um die deutsche Nordseeinsel Helgoland,

6. die Wiederherstellung und Ausweitung von Mangrovenwäldern in Indonesien,

7. der künstliche Auftrieb nährstoffreichen Tiefenwassers, um das Planktonwachstum im Nordatlantik anzukurbeln (Verstärkung der biologischen Kohlenstoffpumpe des Ozeans)

8. die gezielte Zucht von Sargassum-Algen im subtropischen Wirbel des Südatlantiks sowie das anschließende Versenken der erzeugten Biomasse im Meer

Verfahren zur Speicherung von abgeschiedenem, biogenem CO2

9. die Zucht von Großalgen mit anschließender Verwendung der Biomasse für die Herstellung von Biomethan. Bei der Verbrennung des Methans im Gaskraftwerk würde das entstehende CO2 biogenen Ursprungs abgeschieden, komprimiert und in Sandsteinformationen unter der deutschen Nordsee gespeichert.

10. die direkte Entnahme von CO2 aus der Umgebungsluft mit anschließender Speicherung in der ozeanischen Basaltkruste vor der Küste Norwegens

 

Publikation:

Yao, W., Morganti, T. M., Wu, J., Borchers, M., Anschütz, A., Bednarz, L.-K., et al. (2025). Exploring site-specific carbon dioxide removal options with storage or sequestration in the marine environment – the 10 Mt CO2 yr−1 removal challenge for Germany. Earth's Future, 13, e2024EF004902.

 

Hintergrund: CDRmare

CDRmare ist eine Forschungsmission der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM). Ihr Langtitel lautet: „Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung“. Die Mission startete im Sommer 2021 mit sechs Forschungsverbünden, die vielversprechende Methoden der marinen CO2-Entnahme und -Speicherung (Alkalinisierung, Ausweitung vegetationsreicher Küstenökosysteme, künstlicher Auftrieb, CCS) hinsichtlich ihrer Potenziale, Risiken und Wechselwirkungen untersuchen und in einem transdisziplinären Bewertungsrahmen zusammenführen. Im August 2024 ist CDRmare mit fünf Forschungsverbünden in die zweite dreijährige Förderphase gestartet. Gefördert wird CDRmare vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und den Wissenschaftsressorts der norddeutschen Bundesländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

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