Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel Die aktuellen Nachrichten de Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel Sun, 29 Jun 2025 11:19:27 +0200 Sun, 29 Jun 2025 11:19:27 +0200 News TYPO3 EXT:news news-9934 Fri, 27 Jun 2025 11:00:00 +0200 LITTORINA seit 50 Jahren im Dienst der Meeresforschung /news/article/50-jahre-im-dienst-der-meeresforschung 27.06.2025/Kiel. Der Forschungskutter LITTORINA feiert runden Geburtstag: Seit 50 Jahren ist das Schiff im Dienst der Wissenschaft unterwegs und trägt bis heute zur Gewinnung wichtiger Erkenntnisse in der Meeresforschung bei. Am 27. Juni 2025 blicken das Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) auf ein halbes Jahrhundert Meeresforschung mit LITTORINA zurück. Für die Kieler:innen ist sie ein vertrauter Anblick. Wer an der Kiellinie spazieren geht, hat sie mit Sicherheit schon einmal gesehen – entweder auf der Förde oder an der Admiralsbrücke am Westufer. Heute ist ihr Liegeplatz am Ostufer vor dem Ƶ-Neubau. Seit 50 Jahren gehört die LITTORINA zur Kieler „Skyline“.

„Für das Ƶ ist die LITTORINA ein wichtiges und intensiv genutztes Schiff für die Forschung in den flachen Küstengewässern der Nord- und Ostsee. Es ist nahezu täglich im Einsatz. Wir brauchen langfristig diese Möglichkeit, direkt von unserem Kai abzulegen, um wichtige Daten etwa für den Schutz der Ostsee zu sammeln,“ erklärt Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des Ƶ.

„50 Jahre sind für ein Forschungsschiff ein beachtliches Alter. Dass die LITTORINA immer noch so zuverlässig ihren Dienst versieht, ist schon etwas Besonderes“, sagt Ƶ-Schiffskoordinator Dr. Klas Lackschewitz und blickt zurück in die 1970er Jahre: „Damals erfuhr die Meeresforschung in Deutschland einen großen Aufschwung, insbesondere hier in Kiel.“ Im Jahr 1972 bezog das damalige Institut für Meereskunde der CAU seinen Neubau am Westufer der Kieler Förde, direkt an der Kiellinie. Mit dem Sonderforschungsbereich 95 der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) wurde der Grundstein für zahlreiche wissenschaftliche Durchbrüche gelegt. Um unabhängig von anderen Schiffen zu forschen, bewilligte die DFG den Bau eines eigenen Forschungskutters (FK). Am 27. Juni 1975 war es soweit: FK LITTORINA wurde offiziell in den Dienst gestellt.

Strandschnecke als Namensgeberin

Gebaut wurde der Kutter auf der Julius Dietrich Werft in Oldersum für 3,4 Millionen DM. Der Name LITTORINA steht symbolisch für die enge Zusammenarbeit zwischen der Meeresbiologie und der Meeresgeologie. Die Strandschnecke Littorina littorea, eine der häufigsten Meeresschnecken, war bereits Namensgeberin für das „Littorinameer“, ein frühes Entwicklungsstadium der Ostsee vor etwa 8500 bis 2500 Jahren.

Nach Beendigung des Sonderforschungsbereiches übernahm die CAU den Kutter. Heute teilen sich die Kieler Universität und das Ƶ die Personal- und Betriebskosten. Unter der Leitung von Dr. Klas Lackschewitz koordiniert das Ƶ zudem die Einsätze der LITTORINA, die aktuell von der Reederei Briese aus Leer bereedert wird. „Die Schiffscrew trägt mit ihrer Professionalität wesentlich dazu bei, dass die LITTORINA so viele Einsätze fahren kann“, betont Klas Lackschewitz.

Vielseitige Arbeitsplattform

Die LITTORINA ist vielseitig einsetzbar. Am häufigsten ist sie in den Küstengewässern von Nord- und Ostsee unterwegs, kann aber auch bis zu den Lofoten vor der Küste Norwegens operieren. Mit ihr sind Probennahmen von Wasser und Sediment aus bis zu 500 Metern Tiefe möglich. Außerdem ist sie mit einem speziellen Taucherraum und einem robusten Arbeitsschlauchboot ausgestattet. Regelmäßig finden Lehrgänge für Forschungstaucher:innen, die seit mehr als 50 Jahren an der Christian-Albrechts-Universität ausgebildet werden, und wissenschaftliche Arbeiten des Instituts für Geowissenschaften an der CAU an Bord der LITTORINA statt.

Die monatlichen Ƶ-Fahrten zur Zeitserienstation Boknis Eck am Ausgang der Eckernförder Bucht sind ein fester Bestandteil des Einsatzplans der LITTORINA. Seit 1957 werden dort kontinuierlich Sauerstoffgehalt, Nährstoffkonzentration, Planktonwachstum sowie weitere biologische, chemische und physikalische Parameter gemessen. Die Station Boknis Eck zählt damit zu den weltweit am längsten kontinuierlich beprobten Meeresstationen.

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news-9916 Wed, 25 Jun 2025 20:00:00 +0200 "Schrumpfende" Dorsche: Wie der Mensch das Erbgut der Fische verändert /news/article/schrumpfende-dorsche-wie-der-mensch-das-erbgut-der-fische-veraendert 25.06.2025/Kiel. Überfischung dezimiert nicht nur Bestände, sie greift auch in das Erbgut von Fischen ein. So sind Dorsche in der zentralen Ostsee heute nicht nur seltener, sondern auch deutlich kleiner als früher. Forschende des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel haben jetzt erstmals nachgewiesen, dass die Tiere deutlich langsamer wachsen, und sie konnten diese Veränderung auch im Erbgut der Fische nachweisen. Intensive Fischerei hat Auswirkungen auf die Genome überfischter Bestände – mit langfristigen Folgen für ihre Entwicklung. Die Ergebnisse werden heute in der Fachzeitschrift Science Advances öڴڱԳٱ. Der Dorsch (Gadus morhua) war einst ein Gigant. Nicht nur die üppigen Populationen, auch seine Größe von über einem Meter Länge bei einem Gewicht bis zu 40 Kilogramm machten ihn neben dem Hering zum „Brotfisch“ der Ostsee. Heute würde ein ausgewachsener Dorsch auf einen Teller passen. Würde – denn der Fang ist aufgrund des Zusammenbruchs der Bestände seit 2019 verboten.

Das „Schrumpfen“ des Dorsches ist, genau wie der Rückgang der Population, auf menschliche Einflüsse zurückzuführen. Forschende des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel haben jetzt erstmals nachgewiesen, dass die jahrzehntelange intensive Befischung, im Zusammenspiel mit Umweltveränderungen, gravierende Folgen auf das Erbgut der Fische hat. Ihre Ergebnisse werden heute im Fachjournal Science Advances öڴڱԳٱ.

„Die selektive Übernutzung hat das Genom des östlichen Ostseedorsches verändert“, sagt Erstautorin Dr. Kwi Young Han, die als Biologin in der Forschungsgruppe Marine Evolutionary Ecology (Marine Evolutionsökologie) am Ƶ zu diesem Thema promoviert hat. „Sichtbar wird dies an dem Rückgang der durchschnittlichen Größe, was wir auf geringere Wachstumsraten zurückführen konnten. Auf der Ebene der Gene konnten wir erstmals nachweisen, dass starker Fischereidruck eine evolutionäre Reaktion im Erbgut von überfischten Beständen auslösen kann.“

Konkret identifizierten die Forschenden bestimmte Genvarianten, die mit dem Körperwachstum in Verbindung stehen und über die Zeit hinweg Anzeichen gerichteter Selektion zeigten – also systematisch häufiger oder seltener wurden. Diese Gen-Orte überschneiden sich auffällig mit Genregionen, die für Wachstum und Fortpflanzung wichtig sind. Auch eine bestimmte chromosomale Inversion (eine Veränderung im Erbgut, die für die Anpassung an Umweltbedingungen eine wichtige Rolle spielt) zeigte einen gerichteten Selektionsverlauf. Das bedeutet: Die genetische Basis des „Schrumpfens“ der Dorsche ist belegt – der Mensch hat Spuren im Genom der Fische hinterlassen.

Starke gerichtete Auslese für langsames Wachstum durch Fischerei

Für diesen Nachweis nutzten die Forschenden ein ungewöhnliches Archiv: Gehörsteinchen von 152 Dorschen, die zwischen 1996 und 2019 im Bornholm-Becken gefangen wurden. An diesen so genannten Otolithen kann das Alter anhand von Wachstumsringen – vergleichbar mit den Jahresringen von Bäumen – abgelesen werden. Die Proben wurden im Rahmen der Baltic Sea Integrative Long-Term Data Series der Ƶ-Forschungsgruppe Marine Evolutionary Ecology gesammelt – ein langfristiges Monitoring-Programm, das seit 1996 jährlich durchgeführt wird. So konnten die Wissenschaftler:innen eine genetische Zeitreise unternehmen, die zurückreicht in die Ära vor dem Zusammenbruch der Population des östlichen Ostseedorschs.

Mit einer Kombination aus chemischer Otolithenanalyse und hochauflösender DNA-Sequenzierung wurde untersucht, wie sich das Wachstum und die genetische Zusammensetzung des Ostseedorsches über 25 Jahre unter Fischereidruck verändert haben.

Das zentrale Ergebnis: Es finden sich systematische Unterschiede im Genom zwischen langsam und schneller wachsenden Individuen, und letztere sind heute im Vergleich zu vor 30 Jahren beinahe ausgestorben. Denn Dorsche, die langsam wachsen und sich mit kleinerer Länge bereits fortpflanzen können, hatten unter hohem Fangdruck einen Überlebensvorteil.

„Wenn über Jahre hinweg bevorzugt die größten Tiere weggefangen werden, gibt das den kleineren, schneller reifen Individuen einen evolutionären Vorteil“, erklärt Prof. Dr. Thorsten Reusch, Leiter des Forschungsbereichs Marine Ökologie am Ƶ und Betreuer der Promotion von Dr. Kwi Han. „Was wir beobachten, ist eine durch Menschen ausgelöste Evolution – fischereiinduzierte Selektion. Das ist wissenschaftlich spannend, aber ökologisch natürlich hoch dramatisch.“

Kleinere, genetisch weniger diverse Populationen erholen sich schlechter

Denn die Auslese hat gravierende Konsequenzen für die Erholung der Bestände: Die Genvarianten für schnelleres Wachstum und spätere Reifung sind möglicherweise nicht mehr vorhanden, und die nun auf frühe Geschlechtsreife programmierten kleineren Fische bringen weniger Nachwuchs zur Welt. Dies bedeutet auch einen Verlust von Anpassungspotenzial an kommende Umweltveränderungen.

Reusch: „Evolutionäre Veränderungen entstehen über viele Generationen, eine Erholung wird sehr viel länger dauern als der Niedergang, wenn sie überhaupt möglich ist. Das sehen wir auch an unseren aktuellen Längen-Daten aus der ALKOR-Ausfahrt 2025, bei denen trotz jahrelangem Fangverbot keine Erholung der Größenverteilung zu erkennen ist.“

Die Studie macht deutlich: Schutzmaßnahmen und Fangquoten dürfen nicht kurzfristig, sondern müssen über Generationen hinweg gedacht werden. „Unsere Ergebnisse zeigen, wie tiefgreifend menschlicher Einfluss auf das Leben von Wildpopulationen ist – sie reicht bis auf die Ebene des Erbguts“, sagt Kwi Young Han. „Und sie machen deutlich, dass nachhaltige Fischerei weit mehr ist als eine ökonomische Frage. Es geht um den Erhalt biologischer Vielfalt, und das bedeutet auch: genetischer Ressourcen.“

 

 

Hintergrund: Östlicher Bestand des Ostseedorsches

Der östliche Ostseedorsch ist eine Population des atlantischen Dorsches (Gadus morhua), die in der zentralen Ostsee beheimatet ist. Die Population trennte sich vor sieben- bis achttausend Jahren, als die Ostsee entstand, von den anderen atlantischen Populationen. Biologisch und genetisch unterscheidet er sich von anderen atlantischen Beständen wie dem westlichen Ostseedorsch oder dem Nordsee-Kabeljau. Er ist an die besonderen Umweltbedingungen der Ostsee angepasst, die durch niedrige Salzgehalte, einen hohen Gehalt an Kohlendioxid, weit verbreitete Sauerstoffarmut und mit den Jahreszeiten stark schwankende Temperaturen gekennzeichnet ist.

Seit Mitte der 1990er Jahre hat sich der Zustand des östlichen Ostseedorschs in vielerlei Hinsicht verschlechtert: Die Biomasse des Laicherbestands (Fische größer als 35 Zentimeter) ist stark zurückgegangen, zwei wichtige Laichplätze sind durch eine Verschlechterung der Umweltbedingungen verloren gegangen. Ihr letztes verbliebenes Laichgebiet ist das Bornholm-Becken. Die Größe bei der Geschlechtsreife und die Kondition der Fische markierten in den letzten Jahren die niedrigsten L50-Werte (Länge, bei der 50 Prozent der Population die Geschlechtsreife erreichen) von unter 20 Zentimetern. Der vollständige Zusammenbruch des Bestands hat zu einem Verbot der gezielten Fischerei seit 2019 geführt, aber die Population konnte sich bislang nicht erholen.

Publikation:

Han, K.Y., Brennan, R.S., Monk. C.T., Jentoft, S., Helmerson, C., Dierking, J., Hüssy, K., Endo Kokubun, E., Fuss, J., Krause-Kyora, B., Thomsen, T.B., Heredia, B.D., Reusch, Th. B.H. (2025): Genomic Evidence of Fisheries Induced Evolution in Eastern Baltic cod. Science Advances

Förderung und Auszeichnung:

Das Promotionsvorhaben von Kwi Han wurde gefördert von der DFG-Graduiertenschule TransEvo. Für ihre Doktorarbeit erhielt sie den mit 5000 Euro dotierten Förderpreis der „Forschungsstiftung Ostsee“.

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news-9927 Wed, 25 Jun 2025 10:00:00 +0200 Mit Künstlicher Intelligenz neue marine Enzyme aufspüren /news/article/mit-kuenstlicher-intelligenz-neue-marine-enzyme-aufspueren 25.06.2025/Jülich/Kiel. Wie lassen sich bislang unentdeckte Enzyme aus dem Ozean finden, die Plastik abbauen oder Kohlendioxid binden können? Das neue Forschungsprojekt AI MareExplore, koordiniert am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, setzt auf Künstliche Intelligenz (KI), um gezielt nach solchen marinen Biokatalysatoren zu suchen. Riesige bereits vorhandene marine Genomdatenbanken sollen genutzt werden, um KI-Modelle zu trainieren und Enzyme zu identifizieren, die bei der Lösung drängender gesellschaftlicher Probleme helfen können. Das Projekt wird aus dem Helmholtz-Innovationspool für den Forschungsbereich Erde und Umwelt finanziert und bringt die Expertise von vier Helmholtz-Zentren zusammen. Am 26. und 27. Juni treffen sich die Beteiligten zum Projekt-Kick-Off in Jülich. Der Ozean birgt einen gigantischen Schatz an noch unentdeckten Enzymen, die möglicherweise nachhaltige Lösungen für drängende menschengemachte Umweltprobleme bereithalten könnten. Wie kann dieser Schatz gehoben werden? Das Projekt AI MareExplore, koordiniert am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, setzt auf Künstliche Intelligenz (KI), um genau diese wertvollen Biokatalysatoren aufzuspüren. Dabei greifen die Forschenden auf bereits bestehende, frei zugängliche marine Genomdatenbanken zurück, um anhand dieser Daten KI-Modelle zu trainieren. Das Ziel: Enzyme zu finden, die Kunststoffe abbauen oder Kohlendioxid aus der Atmosphäre fixieren können.

Ein neuer Blick auf die „dunkle Materie“ des Lebens

Bisher basierte die Entdeckung neuer Enzyme meist auf einer direkten Analyse von Umweltproben. Mikroorganismen wurden isoliert und auf ihre biochemischen Fähigkeiten getestet – eine Methode, die zwar bewährt ist (1928 wurde so das Penicillin entdeckt), aber auch sehr enge Grenzen hat. „Wir können viele Organismen einfach nicht im Labor kultivieren und damit auch ihre Enzyme nicht untersuchen“, sagt Dr. Erik Borchert, Meeresmikrobiologe am Ƶ und Koordinator von AI MareExplore. Seit Ende der 1990er-Jahre ermöglicht die Methode der Metagenomik zumindest einen umfassenden Blick auf die Gesamt-DNA einer Umweltprobe. Doch auch diese Methode ist limitiert: Nur rund 30 bis 40 Prozent der gefundenen Sequenzen lassen sich bestehenden Funktionen zuordnen. „Wir wissen, dass da draußen noch viel mehr ist – eine Art funktionelle ‚dunkle Materie‘, die sich unserer Analyse entzieht“, so Borchert.

Hier setzt die KI an. Durch Mustererkennung in riesigen Datenmengen kann sie auch unbekannte Sequenzen identifizieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit biokatalytische Funktionen besitzen. Borchert: „KI hilft uns, diese verborgenen Schätze zu heben, weil sie gut im Mustererkennen ist. Gut trainiert, könnte sie Verbindungen zwischen DNA-Sequenzen und enzymatischen Eigenschaften herstellen, die für uns unsichtbar sind."

Interdisziplinäre Forschung für nachhaltige Lösungen

AI MareExplore bringt vier Helmholtz-Zentren und mehrere wissenschaftliche Disziplinen zusammen: Neben dem Ƶ sind das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), das Forschungszentrum Jülich (FZJ) und das GFZ Helmholtz Zentrum für Geoforschung (GFZ) beteiligt. Gemeinsam arbeiten sie daran, ein leistungsfähiges KI-Modell zu entwickeln, das gezielt nach zwei Schwerpunkten sucht: Enzyme, die Plastik effizient abbauen können, und solche, die CO₂ in Zucker umwandeln, um zur Kohlenstofffixierung beizutragen.

Die KI wird mit umfangreichen marinen Metagenom-Daten trainiert, die in den letzten Jahren gesammelt wurden. Je größer die Datenbasis, desto präziser kann das Modell arbeiten. Später testen die Forschenden im Labor, ob die gefundenen Enzyme tatsächlich die gewünschten Eigenschaften aufweisen. „Am Ende wollen wir nicht nur eine neue Analyse-Methode entwickeln, sondern auch konkrete Biokatalysatoren identifizieren, die zur Bewältigung globaler Umweltprobleme beitragen“, sagt Borchert.

 

Hintergrund: Innovationspool-Projekte

Das Projekt wird durch den so genannten Innovationspool der Helmholtz-Gemeinschaft gefördert. Der Innovationspool für den Forschungsbereich Erde und Umwelt dient dazu, die Zusammenarbeit zwischen den Zentren zu stärken, neue innovative Ideen in Drei-Jahres-Projekten zu fördern, Initiativen von Nachwuchswissenschaftlern zu unterstützen und in Forschungskampagnen flexibel auf neue, gesellschaftlich relevante Themen zu reagieren.

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Aktuelles 2025 Presse 2025 Top_Slider FB3News Plastik im Meer Projekte Marine Ökosysteme
news-9922 Fri, 20 Jun 2025 11:57:39 +0200 Vier Ozean-Fakten zur Kieler Woche /news/article/vier-ozean-fakten-zur-kieler-woche 20.06.2025/Kiel. Der Ozean ist der größte Lebensraum unseres Planeten. Es gibt vieles, was wir noch nicht über ihn wissen. Prozesse am Meeresboden, wie etwa Hangrutschungen, sind bislang nur unzureichend verstanden. Gleichzeitig stehen die Meere unter erheblichem Druck: Sie leiden unter den Folgen menschlicher Aktivitäten wie der Klimaerwärmung, Überdüngung, Verschmutzung und Überfischung. Das hat viele negative Folgen, darunter Sauerstoffmangel und eine zunehmende Versauerung des Wassers. Das Ƶ erforscht den globalen Ozean vom Meeresboden bis in die Atmosphäre. Zur Kieler Woche bringen vier Ƶ-Wissenschaftler:innen ihre Forschung direkt in die Stadt: In den Bussen der Kieler Verkehrsgesellschaft (KVG) zeigen sie, warum Ozeanforschung für unsere Zukunft so wichtig ist. Jana Willim: „Seegraswiesen sind die Korallenriffe der Ostsee.“

Seegraswiesen sind echte Multitalente: Sie bilden einen dreidimensionalen Lebensraum für viele Lebewesen und bieten somit Schutz und Nahrung, sie verbessern die Wasserqualität und speichern effektiv und langfristig Kohlenstoffdioxid (CO2) im Sediment, in ihren Wurzeln und im Wurzelstock. Außerdem schützen sie die Küsten, indem sie Wellen ausbremsen und den sandigen Untergrund mit ihren Wurzeln festhalten.

Ähnlich wie Korallenriffe sind Seegraswiesen also wichtige Ökosysteme und Lebensräume im Ozean und damit essenziell für die marine Biodiversität. Sie reagieren aber empfindlich auf äußere Einflüsse wie ein Übermaß an Nährstoffen, die zunehmende Nutzung der Küstengebiete durch den Menschen und die fortschreitende Erwärmung. Die Folge: In vielen Regionen schrumpfen die Bestände. Deshalb ist es umso wichtiger, Seegraswiesen zu schützen und zu renaturieren. NGOs und Bürger:innen helfen dabei, Seegras in den Küstengebieten der Ostsee wieder anzupflanzen.

Am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung wird unter anderem erforscht, wie Seegras renaturiert und klimaresistentes Seegras gezüchtet werden kann. Zudem untersuchen Wissenschaftler:innen, wie viel CO2 die Seegraswiesen in der Ostsee speichern.

Jana Willim ist Doktorandin in der Forschungseinheit Marine Evolutionsökologie am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Sie forscht insbesondere zu Renaturierungsmaßnahmen und Anpassungsprozessen von Seegras an Umweltfaktoren.

 

Florian Schütte: „Der Ozean nimmt über 90 % der überschüssigen Wärme auf.“

Seit Beginn der Industrialisierung hat die Menschheit durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern massiv Einfluss auf den natürlichen Wärmehaushalt der Erde genommen. Der Ozean hat seitdem mehr als 90 Prozent der zusätzlich freigesetzten Wärme aufgenommen. Damit wirken die Meere als Puffer, ohne den es heute auf der Erde schon viel wärmer wäre.

Diese extreme Erwärmung der Meere hat aber auch viele negative Konsequenzen: Die höheren Temperaturen der Wasseroberfläche, kann zu verstärkter Verdunstung führen – und damit regional zu mehr Niederschlag. In tropischen Regionen begünstigt die wärmere Meeresoberfläche zudem die Entwicklung und Intensivierung tropischer Wirbelstürme.

Außerdem nimmt durch die Erwärmung und verstärkte Schichtung der oberen Wasserschichten die Durchmischung des Wassers ab. Das hat Auswirkungen auf die Versorgung von Lebewesen mit Sauerstoff und Nährstoffen – und somit auf das marine Ökosystem. Nicht zuletzt trägt die Ozeanerwärmung zur Eischmelze, insbesondere in der Antarktis und in Grönland, bei. Das wiederum beschleunigt den Meeresspiegelanstieg. Bis zum Ende des Jahrhunderts kann im Durchschnitt mit einem Anstieg von 50 bis 100 Zentimeter gerechnet werden. Selbst wenn wir jetzt mit der Emission von Treibhausgasen aufhören, würde der Meeresspiegel für mehrere Jahrhunderte weiter ansteigen, da das Klimasystem träge auf solche Veränderungen reagiert.

Florian Schütte ist Juniorprofessor für Physikalische Ozeanographie am Ƶ Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Er beschäftigt sich unter anderem mit der physikalischen Beobachtung von ozeanischen Wirbeln, die überall in den Weltmeeren anzutreffen sind.

 

Morelia Urlaub: „Wir überwachen Vulkanhänge unter Wasser.“

Genau wie an Land können auch unter Wasser Hänge ins Rutschen geraten. Doch die Ausmaße von Hangrutschungen im Ozean übersteigen die von denjenigen an Land oft deutlich. Etwa ein Viertel aller Tsunamis werden von submarinen Hangrutschungen ausgelöst. Die Ursachen für solche Hangrutschungen im Meer sind bisher kaum bekannt und die dynamischen Prozesse am Meeresboden werden bislang nur ungenügend verstanden. Denn die Spuren der Rutschungen sind unter mehreren hundert oder tausend Metern Wasser verborgen, und die Schicht, in der der Hang zuerst nachgibt, wird beim Erdrutsch meist zerstört.

Flächendeckende Kartierungen des Meeresbodens mithilfe von autonomen Tauchfahrzeugen (Autonomous Underwater Vehicles, AUVs) und punktuelle Langzeitmessungen sollen diese Wissenslücken füllen. Hier kommen zum Beispiel akustische Vermessungsnetze auf dem Meeresboden zum Einsatz. Diese bestehen aus mehreren autonomen Transpondern, die miteinander kommunizieren. Dadurch kann über die Laufzeit der Schallwellen der Abstand der Geräte zueinander zentimetergenau bestimmt werden. Verändert sich die Laufzeit (zum Beispiel aufgrund einer Hangrutschung), können daraus die relativen Bewegungen zueinander errechnet werden.

Ziel der Forschung ist es, ein Frühwarnsystem auf dem Meeresboden zu entwickeln, um Echtzeitdaten zu Erdbeben, Bodenbewegungen und vulkanischer Aktivität zu sammeln. So soll eine zuverlässige Überwachung unterseeischer Vulkane möglich werden. 

Morelia Urlaub ist Juniorprofessorin für Marine Geomechanik am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung und der Universität Kiel. Schwerpunkte ihrer Forschung liegen in der Erforschung submariner Naturgefahren, insbesondere solcher, die durch Hanginstabilitäten und submarine Rutschungen verursacht werden. Diese untersucht sie mit Hilfe von Langzeitbeobachtungen am Meeresboden und numerischen Modellen.

 

Amavi Silva: „Der Ozean ist der größte CO2-Speicher der Welt.“

Der Ozean ist unser Verbündeter im Kampf gegen den Klimawandel. Seit Beginn der Industrialisierung hat er rund ein Viertel des vom Menschen verursachten Kohlendioxids (CO2) aus der Atmosphäre aufgenommen – und damit den Klimawandel deutlich verlangsamt. Doch die CO2-Aufnahme hat einen hohen Preis: das Wasser im Meer wird sauerer.

Die Kohlendioxidaufnahme des Ozeans erfolgt an der Meeresoberfläche, wo sich das CO2 aus der Luft im Meerwasser löst. Ob und wie viel atmosphärisches CO2 im Wasser gelöst wird, hängt in erster Linie vom Unterschied im sogenannten CO2-Partialdruck zwischen Meerwasser und Atmosphäre ab. Vereinfacht gesagt, handelt es sich dabei um jenen Druck, den das im Oberflächenwasser gelöste und das in der Atmosphäre befindliche Kohlendioxid jeweils erzeugen. Der natürliche Gasaustausch zwischen Meerwasser und Atmosphäre zielt immer auf einen Ausgleich des Druckunterschieds ab.

Am Ƶ werden Ansätze erforscht, wie die Aufnahme von CO2 durch den Ozean in Zukunft erhöht werden kann, um die international vereinbarten Klimaziele zu erreichen und nicht vermeidbare Emissionen zu kompensieren. Oberstes Ziel auf dem Weg zur Klimaneutralität ist und bleibt aber die Vermeidung von Emissionen.

Amavi Silva ist marine Biogeochemikerin (Postdoc) am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Ihre Forschung zielt darauf ab, die Dynamik der Mikroschicht an der Meeresoberfläche zu verstehen - die „Haut“ des Ozeans, die den CO2-Austausch zwischen Luft und Meer kontrolliert.

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news-9914 Wed, 18 Jun 2025 10:00:00 +0200 International und interdisziplinär: Treffen der Fachwelt zum Thema Munition im Meer /news/article/international-und-interdisziplinaer-treffen-der-fachwelt-zum-thema-munition-im-meer 18.06.2025/Kiel. Vom 18. bis 20. Juni 2025 wird Kiel erneut zum internationalen Treffpunkt für alle, die sich mit Munitionsbelastung im Ozean befassen. Bei der zweiten Kiel Munition Clearance Week (KMCW25) diskutieren mehr als 200 Fachleute aus 16 Ländern in der Wunderino Arena Lösungsansätze für die Bergung von Altmunition. Organisiert wird die Fachkonferenz vom Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur Schleswig-Holstein (MEKUN) und dem Technologieunternehmen north.io GmbH. Das Ƶ ist als wissenschaftlicher Hauptpartner dabei. Allein in der deutschen Nord- und Ostsee liegen schätzungsweise 1,6 Millionen Tonnen alter Munition am Meeresboden, die nach Jahrzehnten im Salzwasser durchrostet und schädliche Stoffe freisetzt. Weltweit ist bislang nur ein Bruchteil dieser Altlasten überhaupt kartiert. Umso wichtiger ist die internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit. In Kiel treffen sich in dieser Woche wieder internationale Expert:innen aus Wissenschaft, Politik, Industrie, Militär und Umweltschutz, um Wissen auszutauschen, neue Technologien vorzustellen und konkrete nächste Schritte zu entwickeln. Neben der Munitionsräumung steht auch der Schutz von Pipelines, Offshore-Windparks und Kommunikationskabeln im Fokus.

Als wissenschaftlicher Hauptpartner bringt das Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel seine umfassende Expertise in die Konferenz ein. Gemeinsam mit Partnern aus den aktuellen Forschungsprojekten – MUNI-RISK, MMinE-SwEEPER, Validity, SAM, BorDEx, MUNIMAP, ErovMUs und REMARCO – präsentieren die beteiligten Forschenden in der Ausstellung und in Vorträgen aktuelles Fachwissen.

Grundlagenforschung zur Munitionsräumung fand am Ƶ statt

Zur Eröffnung der KMCW25 sagte Ƶ-Direktorin Prof. Dr. Katja Matthes: „Das Ƶ forscht seit vielen Jahren zu den Grundlagen für die Räumung der Munition vor unseren Küsten. Mit unseren internationalen Projektpartnern nehmen wir zunehmend auch die europäische Perspektive in den Blick. Unsere Expertise bei der Kartierung und zum Umgang mit austretenden Schadstoffen bringen wir als wissenschaftlicher Partner in die Konferenz ein. Mit dem Kompetenzzentrum MUNIMAR schaffen wir außerdem gemeinsam mit dem Land SH und der IHK einen Ort, um die Entwicklung konkreter Projekte und Technologien zum Umgang mit Munitionsaltlasten voranzutreiben.“ Renommierte Forschende wie Prof. Dr. Jens Greinert, Prof. Dr. Jacek Beldowski, Prof. Dr. Edmund Maser und Hans Sanderson nehmen an Panels, Workshops und der Fachausstellung teil.

19. Juni: Öffentliche Veranstaltung zu Altmunition im Meer

Am Donnerstag, 19. Juni, sind alle Interessierten in die Business Lounge der Wunderino Arena eingeladen: Von 19:15 bis 21 Uhr wird unter dem Titel „Kommunikation über Altmunition im Meer: Herausforderungen und Chancen“ diskutiert, wie das Thema transparent und verständlich kommuniziert werden kann – jenseits von Angstnarrativen und mit Blick auf die Chancen für eine nachhaltige „Blue Economy“. Auch das Kompetenzzentrum MUNIMAR (Zentrum für den Umgang mit Munition in der marinen Umwelt in Schleswig-Holstein) wird hier vorgestellt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

 

 

 

Hintergrund: Kiel Munition Clearance Week

Im September 2021 trafen sich erstmals Fachleute zum Thema Munition im Meer zur Kiel Munition Clearance Week (KMCW), um sich auszutauschen und Lösungen für die Munitionsbergung voranzutreiben. Auf Initiative von Jann Wendt (north.io GmbH) organisierte das internationale Munitionskataster Ammunition Cadastre Sea (AmuCad.org) den Kongress gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft. Die zweite KMCW wird vom Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein (MEKUN) gemeinsam mit north.io veranstaltet. 

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Aktuelles 2025 Transfer Presse 2025 2025 Top_Slider FB2News Munition im Meer
news-9907 Fri, 13 Jun 2025 11:02:09 +0200 Was gut für das Klima ist, ist nicht automatisch gut für den Ozean /news/article/was-gut-fuer-das-klima-ist-ist-nicht-automatisch-gut-fuer-den-ozean 13.06.2025/Kiel. Methoden zur Erhöhung der CO2-Aufnahme des Ozeans sollen dabei helfen, die Klimakrise zu bewältigen. Doch insbesondere biologische Methoden, bei denen Biomasse im Meer zersetzt wird, würden gleichzeitig den Sauerstoffgehalt im Ozean erheblich verringern. Die Auswirkungen auf den Meeressauerstoff müssen daher bei der Bewertung dieser Methoden berücksichtigt werden. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Oschlies vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Seine Studie ist jetzt im Fachjournal Environmental Research Letters erschienen. Die globale Erwärmung ist die Hauptursache für den dramatischen Sauerstoffverlust im Ozean – rund zwei Prozent hat die Menge des in Meerwasser gelösten Sauerstoffs in den vergangenen Jahrzehnten abgenommen, was bereits gravierende Folgen für das Leben im Meer hat. Jede weitere Erwärmung wird den Sauerstoffverlust noch weiter verstärken. Umgekehrt sollten Methoden, die die Folgen des Klimawandels abschwächen, somit auch dem Sauerstoffverlust entgegenwirken. Doch eine neue Studie zeigt: Insbesondere Verfahren zur marinen Entnahme von Kohlendioxid (CO2), die auf biologischen Prozessen basieren, könnten den Sauerstoffverlust des Ozeans zusätzlich beschleunigen.

„Was gut für das Klima ist, ist nicht automatisch gut für den Ozean“, sagt Prof. Dr. Andreas Oschlies, Erstautor der Studie und Leiter der Forschungseinheit Biogeochemische Modellierung am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Gemeinsam mit einem internationalen Team von Wissenschaftler:innen der UNESCO Arbeitsgruppe Global Ocean Oxygen Network (GO2NE) hat er eine umfassende Modellierungsstudie durchgeführt, in der er mithilfe idealisierter globaler Simulationen die direkten und indirekten Auswirkungen verschiedener mariner CO2-Entnahmemethoden (mCDR, marine Carbon Dioxide Removal) auf den Sauerstoffgehalt im Ozean analysiert hat. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Environmental Research Letters öڴڱԳٱ.

Ozeandüngung oder Algenversenkung sind besonders kritische Verfahren

Als besonders kritische Verfahren identifizierten die Forschenden die Ozeandüngung, die Makroalgenzucht mit anschließendem Versenken der Algenbiomasse sowie den künstlichen Auftrieb von nährstoffreichem Tiefenwasser. Bei ersteren werden große Mengen der Algen in den tiefen Ozean eingebracht und dort mikrobiell zersetzt. Dieser Abbauprozess verbraucht Sauerstoff – und zwar in einem Ausmaß, das vergleichbar ist mit dem heutigen jährlichen Sauerstoffverlust durch die globale Erwärmung. Auch der künstliche Auftrieb, bei dem nährstoffreiches Tiefenwasser an die Oberfläche gepumpt wird, wo es das Wachstum von Mikroalgen fördert, würde den Sauerstoffverbrauch im Ozean deutlich erhöhen.

„Verfahren, die zusätzliche Biomasse im Ozean produzieren, deren Abbau Sauerstoff verbraucht, können nicht als unbedenkliche Klimaschutzmaßnahme gelten“, sagt Oschlies. „Unsere Modellrechnungen zeigen, dass manche Methoden zu einem Verlust an gelöstem Sauerstoff im Meerwasser führen können, der vier- bis 40-mal größer ist als der Sauerstoffgewinn, der durch die Minderung der Erderwärmung zu erwarten wäre.“

Geochemische Verfahren, bei denen keine Nährstoffe zugeführt werden, wie die Alkalinitätserhöhung durch basische Substanzen basierend auf Kalkprodukten, schneiden besser ab. Sie scheinen den Sauerstoffgehalt kaum zu beeinflussen und sind in dieser Hinsicht vergleichbar mit einem Szenario, bei dem einfach weniger CO2 ausgestoßen wird.

Von allen untersuchten Methoden ist nur der großflächige Anbau und die Ernte von Makroalgen in der Lage, den historischen Sauerstoffverlust im Ozean tatsächlich umzukehren. Bei diesem Ansatz wird im Ozean kein zusätzlicher Sauerstoff verbraucht, da die Nährstoffe zusammen mit der geernteten Biomasse aus dem Ozean entfernt werden. Die Modellrechnungen zeigen: Diese Methode könnte, wenn sie sehr umfassend eingesetzt würde, innerhalb von 100 Jahren zehnmal mehr Sauerstoff liefern, als durch den Klimawandel im Ozean verloren gegangen ist. Allerdings hätte hierbei die Entnahme von Nährstoffen negative Auswirkungen auf die biologische Produktivität im Meer.

Forderung nach systematischer Überwachung des Sauerstoffs

Die Forschenden fordern, den Sauerstoffgehalt künftig bei jeder mCDR-Maßnahme systematisch mit zu erfassen und die möglichen Auswirkungen auf den Meeressauerstoff bei der Bewertung ihrer Eignung zu berücksichtigen.

„Der Ozean ist ein komplexes und bereits sehr belastetes System“, sagt Oschlies. „Eingriffe an einem Ort können weitreichende Folgen haben. Deshalb dürfen wir auch gut gemeinte Klimaschutzmaßnahmen nur nach gründlicher Erforschung mit größter Vorsicht einsetzen, um sicherzustellen, dass wir das Leben im Meer dabei nicht seiner Lebensgrundlage berauben.“

 

Hintergrund: CO2-Entnahme als Teil der Klimastrategie

Selbst bei ambitionierter Klimapolitik wird Deutschland in drei Jahrzehnten voraussichtlich noch immer zehn bis 20 Prozent der aktuellen Treibhausgas-Emissionen freisetzen und die Erderwärmung weiter vorantreiben. Ein möglicher Ausweg, um diese schwer vermeidbaren Restemissionen auszugleichen und damit das Ziel der Treibhausgasneutralität zu erreichen, ist die gezielte Entnahme und Speicherung von Kohlendioxid. Aufgrund seiner natürlichen CO2-Aufnahmefähigkeit ist der Ozean der Hauptakteur im globalen Kohlenstoffkreislauf. Allerdings finden die CO2-Aufnahmeprozesse im Ozean und im Ozeanboden auf langen Zeitskalen statt. Durch mCDR (marine Carbon Dioxide Removal)-Verfahren könnten diese beschleunigt und damit die Kohlendioxid-Aufnahmerate des Ozeans erhöht werden.

Originalpublikation:

Oschlies, A., Slomp, C. P., Altieri, A. H., Gallo, N. D., Gregoire, M., Isensee, K., Levin, L. A., & Wu, J. (2025): Potential impacts of marine carbon dioxide removal on ocean oxygen. Environmental  Research Letters.

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news-9904 Thu, 12 Jun 2025 16:25:26 +0200 Wissenschaftlicher Beirat für Aktionsplan Ostseeschutz 2030 konstituiert /news/article/wissenschaftlicher-beirat-fuer-aktionsplan-ostseeschutz-konstituiert 12.06.2025/Kiel. Heute (12. Juni) hat sich auf Einladung von Ministerpräsident Daniel Günther der Wissenschaftliche Beirat zum Aktionsplan Ostseeschutz 2030 im Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel konstituiert. Die 16 Expert:innen von führenden europäischen Forschungsinstituten und vom Land Schleswig-Holstein waren von Günther in das Gremium berufen worden, um die Umsetzung des Aktionsplan Ostseeschutz (APOS) wissenschaftlich zu begleiten. Mithilfe des Beirats soll sichergestellt werden, dass die im Aktionsplan vorgesehenen Schutzmaßnahmen auf soliden und aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. Auch regelmäßige Datenerhebungen und Analysen sollen dazu beitragen – sie ermöglichen es, proaktiv auf Veränderungen zu reagieren und die Meeresökosysteme langfristig und effektiv zu schützen. „Mit dem Aktionsplan Ostseeschutz 2030 haben wir im letzten Jahr das größte Programm zum Schutz der Ostsee in der Geschichte Schleswig-Holsteins beschlossen“, sagte der Ministerpräsident zur Eröffnung der konstituierenden Sitzung. „Ostseeschutz funktioniert nur gemeinsam: mit den Menschen in Schleswig-Holstein, mit den Fischern und Landwirtinnen, den Naturschützern und den Beschäftigten in der Tourismusbranche – und mit den Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft. Dank ihnen wissen wir ziemlich genau, wie es um die Ostsee steht“, so Günther. Heute gehe die Landesregierung einen weiteren Schritt bei der Umsetzung des Aktionsplans. „Es freut mich sehr, dass Sie als Vertreterinnen und Vertreter international renommierter Forschungsinstitute unserem Ruf in den Wissenschaftlichen Beirat gefolgt sind. Sie stehen unserer Landesregierung von nun an mit Ihrer Expertise und neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen beim Ostseeschutz beratend zur Seite – dafür sind wir Ihnen sehr dankbar.“

In dem wissenschaftlichen Gremium arbeiten 16 Expert:innen, die die Bereiche Meeresökologie, Munition im Meer, Geologie, Klima, Tourismus, Wirtschaft, Fischerei, Landwirtschaft und Gesellschaftswissenschaften abdecken. Sie kommen vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (Ƶ), von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, dem Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW), dem Institut für Weltwirtschaft (IfW), vom Institut für Tourismus und Bäderforschung in Nordeuropa (NIT) und von der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM).

„Dieser interdisziplinäre Ansatz ermöglicht es, komplexe ökologische, wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge zu verstehen und ganz gezielt Maßnahmen zu entwickeln, mit der wir unsere Ostsee wirksam und besser schützen können“, sagte der Regierungschef.

„Artensterben, Verschmutzung und Klimawandel: Die drei globalen Umweltkrisen finden in der Ostsee wie unter einem Brennglas statt. Mit dem Aktionsplan Ostseeschutz 2030 hat die Landesregierung ein effektives Schutzprogramm für die Ostsee auf den Weg gebracht. Der Beirat wird eine wichtige Plattform sein, um Wissenschaft, Verwaltung und Politik im Sinne einer lebendigen und gesunden Ostsee zu vernetzen. Wir Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner lieben unsere Ostsee und werden gemeinsam künftig besser mit ihr umgehen“, sagte Umweltminister Tobias Goldschmidt.

Zur Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats haben die Mitglieder Professorin Dr. Ursula Siebert  vom Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, gewählt.

„Ich bedanke mich herzlich für das Vertrauen, den Wissenschaftlichen Beirat für den Aktionsplan Ostseeschutz 2030 leiten zu dürfen. Der Beirat birgt die große Möglichkeit, auf einem interdisziplinären wissenschaftlichen Level die Entscheidungsträger und Öffentlichkeit zu beraten und damit den Weg für eine gesündere Ostsee zu unterstützen“, sagte Siebert. 

Zum stellvertretenden Vorsitzenden des Gremiums wurde Prof. Dr. Thorsten Reusch vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel gewählt.

„Ich freue mich auf die Zusammenarbeit in diesem kompetenten interdisziplinären Team. Dies ist eine wichtige Möglichkeit, unsere gesammelte Expertise als unabhängiges wissenschaftliches Gremium in politische Prozesse einzubringen. Wir haben die gemeinsame Verantwortung, das Ökosystem Ostsee mit seinen vielfältigen Funktionen zu erhalten – und das angesichts sehr schwieriger Rahmenbedingungen wie beispielsweise massiver Überfischung in der Vergangenheit und dreimal schneller steigenden Meerestemperaturen im Vergleich zum globalen Durchschnitt“, sagte Reusch.

Der Wissenschaftliche Beirat wird mindestens einmal im Jahr zusammenkommen.

 

Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats für den Aktionsplan Ostseeschutz:

Prof. Prof. h. c. Dr. Ursula Siebert, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW Büsum)

Prof. Dr. Thorsten B. Reusch, Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Forschungsbereich 3: Marine Ökologie

Prof. Dr. Jens Greinert, Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Forschungsbereich 2: Marine Biogeochemie

Dr. Thomas Martin, Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Forschungsbereich 1: Ozeanzirkulation und Klimadynamik

Prof. Dr. Christian Winter, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Geowissenschaften

Prof. Dr. Stefan Garthe, Forschungs- und Technologiezentrum Westküste der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Prof. Dr. Konrad Ott, Philosophisches Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Prof. Dr. Nicola Fohrer, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Natur- und Ressourcenschutz, Abteilung für Hydrologie und Wasserwirtschaft

Prof. Dr. Marie-Catherine Riekhof, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Politische Ökonomie des Ressourcenmanagements mit Schwerpunkt auf Meeres- und Küstenressourcen

Prof. Dr. Nele Matz-Lück, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Geschäftsführende Direktorin des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht

Prof. Dr. Torben Tiedemann, Fachhochschule Kiel, Fachbereich Agrarwirtschaft

Prof. Dr. Wilfried Rickels, Kiel Institut für Weltwirtschaft

Dr. Dirk Schmücker, Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa GmbH

Dr. Joachim Harms, Deutsche Allianz Meeresforschung e.V.

Andreas Burmester, Maritimer Koordinator der Landesregierung Schleswig-Holstein

Dr. Juliane Rumpf, Landesnaturschutzbeauftragte, Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein

 

Hintergrund: Aktionsplan Ostseeschutz:

Im Rahmen des am 19. März 2024 von der Landesregierung beschlossenen Aktionsplan Ostseeschutz werden zahlreiche Maßnahmen zum Schutz des Meeres ergriffen. 12,5 Prozent der schleswig-holsteinischen Ostsee werden unter strengen Schutz gestellt. Damit sollen insbesondere Rückzugs- und Ruheräume für Tiere und Pflanzen entstehen. Um die bedrohte Artenvielfalt zu schützen, werden zudem etwa Riffstrukturen oder Seegraswiesen wiederhergestellt.

Um das Meer vor Überdüngung zu schützen, wurde bereits Ende 2024 zusätzlich zur Düngeverordnung eine Zielvereinbarung mit der Landwirtschaft geschlossen. Diese hat zum Ziel, die Austräge von Stickstoff und Phosphor aus der Landwirtschaft um zehn Prozent bis zum Jahr 2030 und um weitere zehn Prozent bis zum Jahr 2035 zu verringern. Dies entspricht einer Reduktion um 400 Tonnen Stickstoff und 13 Tonnen Phosphor bis zum Jahr 2035 und damit einem Anteil von etwa sechs Prozent der aktuellen Frachten. Außerdem werden die Einleitwerte von kommunalen Kläranlagen an den aktuellen Stand der Technik angepasst und die Förderung zur Phosphatfällung und Stickstoffeliminierung an Kläranlagen fortgeführt und erweitert.

Um die Munitionsaltlasten aus der Ostsee zu bergen, hatte die Bundesregierung 2024 als ersten Schritt ein Sofortprogramm aufgelegt und die ersten sechs Tonnen Munition bearbeitet. Um die Verklappungsgebiete großflächig von den Munitionsaltlasten zu befreien, sollen Plattformen auf See gebaut werden, von denen aus der gesamte Prozess von der Detektion über die Bergung bis zur Entsorgung stattfinden kann.

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news-9902 Sat, 07 Jun 2025 12:15:02 +0200 UN-Ozeankonferenz 2025 in Nizza (9.–13. Juni) /news/article/un-ozeankonferenz-2025-in-nizza-9-13-juni 07.06.2025/Kiel/Nizza. Die dritte Ozean-Konferenz der Vereinten Nationen findet vom 9. bis 13. Juni 2025 in Nizza, Frankreich, statt und wird von den Regierungen Frankreichs und Costa Ricas gemeinsam ausgerichtet. Ziel der Konferenz ist es, dringende Maßnahmen zur Erhaltung und der nachhaltigen Nutzung des Ozeans voranzutreiben. Die UN-Ozeankonferenz soll die Erreichung des Nachhaltigkeitsziels 14 (SDG 14) „Leben unter Wasser“ unterstützen. Am Ende der Konferenz wird der „Nice Ocean Action Plan“ als handlungsorientierte Erklärung verabschiedet. Das Ƶ ist mit zwei Side Events auf dem Forschungsschiff METEOR vertreten. Darüber hinaus stehen Wissenschaftler:innen für Interviews und fachlichen Austausch zur Verfügung.

 

Ƶ Side Events:

10. Juni | 13:00–15:00 Uhr

Bridging Science, Policy and Society for sustainable ocean management in Africa – MeerWissen and Future West African Marine Ecosystem (FUTURO)

Organisatoren:

Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)

Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)

Co-Organisatoren:

Intergovernmental Oceanographic Commission Sub-Commission for Africa and the Adjacent Island States (IOC-AFRICA)

Mehr erfahren:

 

11. Juni | 18:00–20:00 Uhr

No time to waste: Tackling submerged munitions in European seas

Organisatoren:

Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung

Helsinki-Kommission zum Schutz der Meeresumwelt des Ostseeraums (HELCOM)

Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMUKN)

Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) 

Co-Organisatoren:

Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI)

Council oft he Baltic Sea States (CBSS)

Institute of Oceanology of Polish Academy of Sciences (IO PAN)

JPI Oceans

Umweltbundesamt (UBA)

Mehr erfahren:

 

Wissenschaftler:innen vor Ort:

Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des Ƶ (Schwerpunkt Ozean und Klima, CO2-Speicherung und Entnahme, internationale Abkommen)

Prof. Dr. Arne Körtzinger (Schwerpunkt Ozeanbeobachtung, Forschung in den hochrelevanten Auftriebsgebieten vor Westafrika)

Dr. Toste Tanhua (Entwicklung von Messinstrumenten für neue Formen der Ozeanbeobachtung in Kooperation mit Handelsschiffen und Seglern) 

Prof. Dr. Jens Greinert (Munitionsbergung in Nord- und Ostsee und anderen europäischen Gewässern)

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news-9895 Tue, 03 Jun 2025 17:00:00 +0200 Start in die Unterwasser-Pflanzsaison /news/article/start-in-die-unterwasser-pflanzsaison 03.06.2025/Kiel/Wackerballig. In Schleswig-Holstein hat die Pflanzsaison für ganz besondere Unterwassergärtner begonnen: Freiwillige Taucher:innen von fünf Nichtregierungsorganisationen bepflanzen in diesem Sommer erstmals wissenschaftlich ausgewählte Flächen, um Seegraswiesen in der Ostsee zu renaturieren. Die Schulungen organisiert Sea Shepherd Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, das die Wiederanpflanzungen wissenschaftlich begleitet. Elf Taucher:innen in schwarzen Taucheranzügen machen sich an diesem Frühsommermorgen am Strand von Wackerballig in der Geltinger Bucht bereit für ihren Einsatz als Unterwassergärtner. In leuchtend blauen Netzbeuteln steckt das Pflanzmaterial: Seegrassprossen, entnommen aus einer nahe gelegenen gesunden Spenderwiese. Diese sollen hier, wenige Meter vom Strand entfernt, zu einer neuen Seegraswiese zusammenwachsen. Langsam waten die Taucher:innen ins Wasser, wo ein Schlauchboot sie dann zur Pflanzfläche zieht. Dort angekommen, tauchen sie ab. Am Meeresboden wird nun Spross für Spross in das weiche Sediment gesetzt, immer acht Sprossen auf einen Quadratmeter.

Mit Netzbeutel und Neopren: Unterwassergärtnern für Natur- und Klimaschutz

Einzelspross-Transplantation heißt die Methode, und es ist die derzeit effektivste Technik zur Wiederansiedlung von Seegras. Dafür braucht es viele Hände. In diesem Sommer übernehmen erstmals fünf Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit zahlreichen freiwilligen Taucher:innen in größerem Stil die Renaturierung.

„Die Pilotphase ist vorbei – jetzt gehen wir in die Fläche“, sagt Prof. Dr. Thorsten Reusch, Leiter des Forschungsbereichs Marine Ökologie am Ƶ. „Dass die NGOs mithilfe der geschulten Taucherinnen und Taucher nun eigenständig Seegraswiesen renaturieren, ist eine gute Nachricht für die biologische Vielfalt im Küstenbereich der Ostsee und für den natürlichen Klimaschutz.“

Seegras – die unterschätzte natürliche CO-Senke

Denn Seegras ist ein wahres Multitalent unter Wasser. Es bietet wichtige Lebensräume für Fische und andere Lebewesen, stabilisiert das Sediment, beruhigt Wellen und filtert Krankheitserreger aus dem Wasser. Vor allem aber bindet es sehr effektiv und langfristig Kohlenstoff. Damit zählen Seegraswiesen zu den bedeutendsten natürlichen CO₂-Senken unserer Küstengewässer.

Genau hier setzt das vom Bundesumweltministerium geförderte Projekt ZOBLUC an, das in diesem Jahr unter Leitung des Ƶ gestartet ist. ZOBLUC steht für „Zostera marina als Blue Carbon-Kohlenstoffspeicher in der Ostsee“ und vereint Forschung, Schutz und Wiederherstellung von Seegraswiesen. Im Mittelpunkt steht die Frage, in welchem Umfang diese Ökosysteme als natürliche Kohlenstoffspeicher wirken – und wie sie gezielt gestärkt werden können. Das Projekt ist Teil des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz (ANK) und wird mit rund sechs Millionen Euro vom Bund und vom Land Schleswig-Holstein gefördert.

„Seegraswiesen sind wie unterseeische Moore“, erklärt Reusch. „Sie speichern Kohlenstoff über Jahrhunderte im sauerstoffarmen Sediment – das macht sie zu einer unterschätzten, aber wirksamen Waffe im Kampf gegen den Klimawandel.“

Doch Seegraswiesen sind bedroht. Zu hohe Nährstoffeinträge und daraus resultierendes übermäßiges Algenwachstum, mechanische Störungen, etwa durch Anker sowie steigende Wassertemperaturen haben in den vergangenen Jahrzehnten dazu geführt, dass Seegras vielerorts verschwunden ist. Allerdings haben sich an einigen Küstenabschnitten die Bedingungen nach Ƶ-Daten wieder verbessert. „Um der langsamen natürlichen Kolonisierung eine Starthilfe zu geben, ist eine Renaturierung von Seegras an sorgfältig ausgewählten Flächen sinnvoll“.

Citizen Science für den Meeresschutz

Die Einbindung von Bürger:innen in die Renaturierung im Rahmen des Citizen-Science-Ansatzes ist ein zentrales Element von ZOBLUC. Die dafür notwendigen Schulungsformate wurden über mehrere Jahre hinweg entwickelt und schrittweise ausgebaut: 2023 haben Ƶ-Forschende einen achtteiligen Pilotkurs erarbeitet und in Kooperation mit Sea Shepherd für eine kleine Gruppe erfahrener „Citizen Divers“ angeboten. Im Folgejahr 2024 wurden die Schulungen auf Tauchlehrer:innen und Leiter:innen von Tauchclubs ausgeweitet.

2025 markiert nun den Übergang in die Fläche: Geschult werden die Mitglieder von fünf NGOs – Sea Shepherd Deutschland, Mission Förde, Lake Divers (Just1Ocean), Seagrass Conservation e.V. (SeaGCon, in Gründung) und Greenpeace. Sie betreuen dann neun wissenschaftlich ausgewählte Flächen in der Ostsee, von Holnis bis Fehmarn, auf denen das Seegras entweder vollständig verschwunden oder nur noch in kleinen Resten vorhanden ist. Durch die gezielten Anpflanzungen sollen diese Lücken wieder gefüllt und langfristig vernetzt werden. Die geeigneten Renaturierungs-Flächen und Spenderweisen werden vom Ƶ ausgewählt und in enger Absprache mit dem schleswig-holsteinischen Umweltministerium (MEKUN) genehmigt. Wissenschaftlich begleitet werden die Maßnahmen unter anderem durch ein Monitoring-Programm, das Umweltbedingungen und Pflanzerfolge dokumentiert.

Neun Flächen, fünf NGOs, ein gemeinsames Ziel

Für Christin Otto von Sea Shepherd, die die Schulungen koordiniert, ist dieser Einsatz ein zentrales Anliegen: „Wir setzen damit unseren langjährigen Einsatz für den Schutz der Ostsee konsequent fort – mit direktem, wirkungsvollem Meeresschutz. Dank der Kooperation mit dem Ƶ ist es uns möglich, unsere Schutzbemühungen weiter auszubauen und einen nachhaltigen Beitrag zum Erhalt von wichtigen Lebensräumen zu leisten.“

„Wir bieten hier Naturschutz zum Mitmachen“, sagt der Biologe und Forschungstaucher Christian Lieberum. Er ist hauptamtlicher Koordinator des Citizen-Science-Programms. „Die Resonanz ist riesig“, sagt er. Bei weitem nicht allen Interessierten konnte eine Schulung angeboten werden. „Aber wir fangen ja gerade erst an. Diese Erfolgsgeschichte wird hoffentlich noch lange weitergeschrieben.“

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news-9890 Fri, 30 May 2025 11:00:00 +0200 Abtauchen direkt vor der Haustür /news/article/abtauchen-direkt-vor-der-haustuer 30.05.2025/Kiel. Die je nach Wetter grau-grüne oder blaue Oberfläche des Wassers kennt an der Ostsee jedes Kind. Aber was verbirgt sich darunter? Das können jetzt rund 400 Schüler:innen aus Kiel, Neumünster, Preetz und Hamburg erkunden – mit Maske, Schnorchel und Flossen. Beim Umweltbildungsprojekt „Snorkeling.City“, das vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel ins Leben gerufen wurde, bekommen 22 Schulklassen die Möglichkeit, die Unterwasserwelt der Ostsee zu entdecken. Organisiert von Pro Ocean, gefördert durch die BINGO! Umweltlotterie und umgesetzt von einem Netzwerk regionaler Partner erleben sie direkt, wie faszinierend und schützenswert das Leben im Meer vor ihrer Haustür ist. Das erste Mal schnorcheln im Meer, mit eigenen Augen sehen, was sich unter der Oberfläche verbirgt und wie viele Tiere und Pflanzen direkt vor der Kaikante in der Kieler Förde leben – diese eindrückliche Erfahrung können auch in diesem Jahr wieder rund 400 Schüler:innen aus Kiel und Umgebung machen: Mit Schnorchel und Maske geht es für 22 Schulklassen direkt von der Seebadeanstalt Düsternbrook in die Kieler Förde, hinein in die Unterwasserwelt von Seegras, Quallen, Garnelen und Seesternen.

Meer erleben – Natur schützen

„Nur was wir kennen und lieben, wollen wir auch schützen“, sagt Dr. Mark Lenz, Meeresbiologe am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Er hat das Projekt im vergangenen Jahr initiiert und freut sich, dass es in diesem Jahr weitergeführt werden kann: „Wer einmal mit eigenen Augen gesehen hat, wie vielfältig das Leben direkt unter der Wasseroberfläche ist, schaut nie wieder gleichgültig auf die Ostsee – genau diese Erfahrung möchten wir Kindern und Jugendlichen mit ,Snorkeling.City‘ bieten.“

Ermöglicht wird das in diesem Jahr durch den Verein Pro Ocean und die Förderung durch die BINGO! Umweltlotterie. Die Schnorchelausrüstungen werden vom BUND-Umwelthaus in Neustadt, dem BUND SH und der Tourismusagentur Lübecker Bucht zur Verfügung gestellt. Die Koordination und Projektleitung hat Dr. Henry Göhlich, Meeresbiologe am Ƶ, ehrenamtlich übernommen, unterstützt durch eine Vielzahl regionaler Partner wie dem Team vom Ocean Summit, der Heinrich-Böll-Stiftung SH, Kiel Marketing, dem Arbeiter-Samariter-Bund SH sowie dem Tauchlehrer Kjell Wassermann.

Schulklassen und Studierende tauchen ab

Vom 2. Juni bis zum 4. Juli werden beinahe täglich Schulklassen abtauchen. Die Kurse dauern rund drei Stunden: Vor der Schnorcheleinheit gibt es eine Einführung in die Besonderheit der Ostsee und deren Lebewesen, danach einen Austausch über das Erlebte. Angeleitet werden die Gruppen von Studierenden der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des Ƶ, die in Umweltbildung, Erste Hilfe und Rettungsschwimmer- und Schnorchelpraxis geschult sind.

Am Donnerstag, 12. Juni nehmen 25 Biologiestudierende der CAU unter der Leitung von Dr. Kim Wagner und Dr. Daniela Winkler an einem Exkursionstag mit dem Snorkeling.City-Team teil. Unterstützt wird die Exkursion vom Verein Alumni und Freunde der CAU.

Zukunftsvision: Jedes Kind an der Ostseeküste soll die Unterwasserwelt kennenlernen

Die Initiator:innen haben ein großes Ziel vor Augen: Jedes Kind an der Ostseeküste Schleswig-Holsteins sollte einmal in die Unterwasserwelt der Ostsee eintauchen dürfen. Damit das gelingt, braucht es mehr Partner, die die Finanzierung des Projekts sichern. Eine lohnende Vision für die Zukunft, denn Lenz und Göhlich sind sich sicher: „Wer das Leben in einer Seegraswiese selbst gesehen hat, versteht, dass jedes Tier, jede Pflanze im Meer wichtig ist – und wird sich für ihren Schutz einsetzen.“

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news-9884 Thu, 22 May 2025 20:00:00 +0200 Warum Europas Fischereimanagement neu gedacht werden muss /news/article/warum-europas-fischereimanagement-neu-gedacht-werden-muss 22.05.2025/Kiel. Jedes Jahr werden europaweit in einem mehrstufigen Verfahren Höchstfangmengen und Fangquoten festgesetzt, dennoch sind viele Fischbestände in europäischen Gewässern überfischt. Eine Analyse des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, die heute im Fachjournal Science veröffentlicht wurde, zeigt: Die Fangmengen sind nicht nachhaltig, weil Bestandsgrößen systematisch überschätzt werden und die politisch festgesetzten Quoten regelmäßig über den schon zu hohen Empfehlungen liegen. Um zu einem wirklich nachhaltigen Fischereimanagement zu kommen, schlagen die Wissenschaftler:innen die Schaffung einer politisch unabhängigen Institution vor, die bindende ökosystembasierte Fangbeschränkungen festlegt. Eine nachhaltige Fischerei, der sich die Länder der Europäischen Union rechtlich verpflichtet haben, darf nicht mehr Fänge erlauben, als jeweils Fische nachwachsen können. Dennoch sind etwa 70 Prozent der wirtschaftlich genutzten Fischbestände in den nördlichen EU-Gewässern überfischt oder komplett zusammengebrochen. Warum verfehlt die EU trotz guter Datenlage und vorhandener politischer Instrumente ihre Ziele für eine nachhaltige Fischerei? Dieser Frage sind Wissenschaftler:innen des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel jetzt am Beispiel der gut erforschten Meere Nordeuropas nachgegangen, mit einem besonderen Fokus auf der westlichen Ostsee. Ihre Analyse wird heute in Science öڴڱԳٱ.

„Wir haben die Ursachen analysiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass sie auf kurzsichtige nationale Forderungen nach höheren, nicht nachhaltigen Fangmengen zurückzuführen sind, die alle Ebenen der Entscheidungsfindung beeinträchtigen“, sagt Erstautor Dr. Rainer Froese, Fischereiexperte am Ƶ. „Umweltfaktoren wie die Erwärmung der Meere und der Sauerstoffverlust spielen ebenfalls eine Rolle, aber die Überfischung ist so stark, dass sie allein ausreicht, um Bestände zusammenbrechen zu lassen.“

Die Forschenden schlagen daher einen neuen Ansatz für das EU-Fischereimanagement vor, der im Rahmen der bestehenden Gesetze durchführbar wäre und innerhalb weniger Jahre zu einer rentablen Fischerei aus gesunden Fischbeständen führen könnte: Eine politisch unabhängige Institution, die verbindliche Fangquoten nach bewährten wissenschaftlichen Regeln für ein ökosystembasiertes Fischereimanagement festlegt.

Der europäische Weg zur jährlichen Fangquotierung

Die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) der EU beruht auf dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (United Nations Convention on the Law of the Sea, UNCLOS), das gesetzlich vorschreibt, dass Fischpopulationen auf einem Niveau erhalten oder wiederhergestellt werden müssen, das die höchste nachhaltige Fangmenge ermöglicht. In Nordeuropa soll dies durch rechtsverbindliche Gesamtfangmengen (total allowable catch, TAC) sichergestellt werden, die der Internationale Rat für Meeresforschung (International Council for the Exploration of the Sea, ICES) auf wissenschaftlicher Grundlage empfiehlt. Die Arbeitsgruppen dieser zwischenstaatlichen Organisation setzen sich hauptsächlich aus Wissenschaftler:innen der nationalen Fischereiinstitutionen zusammen. Auf Basis dieser Gutachten schlägt die EU-Kommission jährliche Quoten vor, die dann mit den Mitgliedstaaten und Interessengruppen beraten und schließlich vom Rat der EU-Fischereiminister beschlossen werden. Der gesamte Prozess zeigt jedoch eine systematische Tendenz zu überhöhten Fangquoten – mit negativen Folgen für die Bestände.

Missmanagement am Beispiel der westlichen Ostsee

Um zu verstehen, wie es dazu kommt, haben die Forschenden beispielhaft die westliche Ostsee ausgewählt, ein relativ einfaches Ökosystem, für das umfangreiche Daten vorliegen und das ausschließlich von EU-Mitgliedstaaten unter EU-Kontrolle befischt wird.

„In der westlichen Ostsee dominieren drei stark kommerziell genutzte Arten: Dorsch, Hering und Scholle“, erklärt Prof. Dr. Thorsten Reusch, Leiter des Forschungsbereichs Marine Ökologie am Ƶ. „Die langjährige Überfischung von Hering und Dorsch hat in jüngster Zeit zum Zusammenbruch dieser Fischereien geführt. Im Gegensatz dazu weisen die weniger gefragten Plattfische Scholle, Flunder und Kliesche stabile oder sogar steigende Bestandsgrößen auf.“

Im Jahr 2022 wurde insgesamt weniger als ein Zehntel dessen angelandet, was aus gesunden Beständen nachhaltig gefangen werden könnte. Reusch: „Es sind die kleinen Küstenfischer, die am meisten leiden, oft ohne etwas falsch gemacht zu haben, außer vielleicht, sich auf die politische Vertretung durch Fischereiverbände zu verlassen, die Lobbyarbeit für nicht nachhaltige Fangquoten betrieben haben.“

Systematische Überschätzungen und Phantom-Erholungen

Um die Fänge nachhaltig zu bewirtschaften, gibt der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) Empfehlungen ab, wie viel Fisch einer bestimmten Fischart jährlich entnommen werden kann, ohne die langfristige Lebensfähigkeit des Bestands zu gefährden. In diesen Bewertungen wurden die Bestandsgrößen für das kommende Jahr, für das nachhaltige Fangmengen empfohlen werden sollten, jedoch wiederholt zu hoch angesetzt. Diese allzu optimistischen Vorhersagen suggerierten, dass sich die Fischbestände erholen und viel höhere Fangmengen verkraften könnten, während die Bestände in Wirklichkeit stagnierten oder zurückgingen. Rainer Froese: „Wir sprechen hier von phantom recovery, Phantom-Erholungen, die vorhergesagt wurden aber nie eingetreten sind.“

Die „Überfischungs-Ratsche“: Wie das System seine eigenen Nachhaltigkeitsziele unterläuft

Basierend auf den bereits zu hoch eingeschätzten Bestandsgrößen der ICES-Gutachten hat die EU-Kommission häufig noch höhere Fangquoten angesetzt, die von den Ministern im EU-Rat in der Regel gebilligt oder manchmal sogar noch erhöht wurden. Das Ergebnis: Offiziell durfte deutlich mehr gefangen werden, als der Bestand verkraften konnte – teilweise sogar mehr als es überhaupt ausgewachsene Fische gab. Die Autor:innen nennen diesen Mechanismus Overfishing ratchet, „Überfischungs-Ratsche“. Er beschreibt den schrittweisen Prozess, bei dem – wie bei einer Ratsche, die nur in eine Richtung einrastet – von Stufe zu Stufe die empfohlenen und schließlich erlaubten Fangmengen immer größer werden.

Rainer Froese: „Interessanterweise blieben die tatsächlichen Fänge in der Ostsee meist unter den erlaubten Mengen. Das liegt schlicht daran, dass viele Fischer nicht mehr fangen konnten oder wollten: Die Suche nach den letzten Fischen wäre zu teuer geworden und hätte sich nicht mehr gelohnt.“

Eine neue unabhängige Institution für die Festlegung von ökosystembasierten Fangquoten

Die Gemeinsame Fischereipolitik der europäischen Länder sah ausdrücklich eine Frist bis 2020 vor, um die Überfischung zu beenden – ein Ziel, das eindeutig verfehlt wurde, wie Thorsten Reusch feststellt. Er betont: „Europa muss als Beispiel vorangehen und seine eigene Fischerei nachhaltig gestalten, wenn es andere Regionen der Welt zur Einführung nachhaltiger Fischereipraktiken ermutigen will.“ Sein Appell: „Die EU muss endlich ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele ernst nehmen und die Gemeinsame Fischereipolitik dringend konsequent umsetzen.“

Um den Prozess transparenter zu machen und eine klare Rechenschaftspflicht zu erreichen, schlagen die Forschenden die Schaffung einer neuen, politisch unabhängigen Institution vor, die mit einem klaren Mandat ausgestattet ist und die im Einklang mit den Grundsätzen des ökosystembasierten Fischereimanagements solide, wissenschaftlich fundierte Fanggrenzen für jeden Bestand festlegt. So könne die EU endlich ihre eigenen Gesetze umsetzen und die Überfischung wirksam stoppen. Rainer Froese: „Um erfolgreich zu sein, müsste eine solche Einrichtung für nachhaltige Fischerei mit dem gleichen Maß an Unabhängigkeit arbeiten wie eine Zentralbank.“ Und er betont: „Die Umsetzung fundierter wissenschaftlicher Empfehlungen könnte in vielen Fällen innerhalb weniger Jahre zu einer hochprofitablen Fischerei aus großen Fischbeständen in gesunden europäischen Meeren führen.“

 

Original-Publikation:

Froese, R., Steiner, N., Papaioannou, E., MacNeil, L., Reusch, Th., Scotti, M. (2025): Systemic failure of European fisheries management, Science

DOI: 10.1126/science.adv4341

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news-9878 Tue, 20 May 2025 10:29:00 +0200 Kleine Prozesse – große Wirkung /news/article/kleine-prozesse-grosse-wirkung 20. Mai 2025/ Kiel / Mindelo. Warum ist das Meer rund um die Kapverdischen Inseln so ungewöhnlich produktiv, obwohl es mitten in einem nährstoffarmen Gebiet des Ozeans liegt? Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel hat jetzt Daten aus zwei Jahrzehnten interdisziplinärer Beobachtungen ausgewertet. Die Analyse zeigt: Drei kleinskalige physikalische Prozesse – Wirbel, interne Wellen und Windfelder – fördern maßgeblich den Transport von Nährstoffen aus der Tiefe an die Oberfläche und beeinflussen, welche Arten sich wo im Ozean ansiedeln. Die Studie macht sichtbar, wie sich aus scheinbar chaotischen Mustern im Ozean Hinweise auf ökologische Strukturen ableiten lassen. Zugleich liefert sie wichtige Grundlagen für die Weiterentwicklung eines Digitalen Zwillings des Ozeans. Rund 600 Kilometer vor der westafrikanischen Küste liegt das Kapverdische Archipel – ein Hotspot mariner Vielfalt mitten im offenen Atlantik. Trotz nährstoffarmer Umgebung tummeln sich hier Wale, Delphine und große Fischschwärme. Warum gerade rund um die Inseln so viel Leben herrscht, konnte ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel nun erstmals im Detail erklären:  Kleinskalige physikalische Prozesse wie Strömungswirbel, Gezeiten und Winde schaffen lokal sehr unterschiedliche Lebensräume. Diese Mikrohabitate bieten die Grundlage für den außergewöhnlichen Artenreichtum im marinen Ökosystem der Kapverden.

Datenschatz aus zwei Jahrzehnten interdisziplinärer Forschung

Die Studie stützt sich auf einen außergewöhnlich umfangreichen Datensatz: Er umfasst die Ergebnisse von 34 Forschungsexpeditionen, Messdaten autonomer Unterwasserfahrzeuge (Glider), Satellitenbeobachtungen sowie Daten von dauerhaft verankerten Ozeanstationen. Die Forschenden verknüpften physikalische, chemische und biologische Messgrößen, um den Zusammenhang zwischen Strömungen, Nährstoffverfügbarkeit und Artenzusammensetzung im Ozean sichtbar zu machen.

„Erst durch die Kombination all dieser Informationen konnten wir Muster erkennen, die mit physikalischen Daten allein nicht sichtbar geworden wären“, sagt Erstautor Dr. Florian Schütte, Juniorprofessor für Physikalische Ozeanographie am Ƶ. Die Ergebnisse liefern nicht nur neue Einblicke in das Ökosystem, sondern auch wichtige Grundlagen für die Entwicklung digitaler Werkzeuge – etwa gekoppelter Ökosystemmodelle oder eines sogenannten Digitalen Zwillings des Ozeans. Dieses digitale Abbild verknüpft große Datenmengen aus verschiedenen Disziplinen miteinander. Schütte: „Was wir gemacht haben, ist die Grundidee eines Digitalen Zwillings: viele Perspektiven zusammenbringen, um das System als Ganzes zu verstehen.“

Drei Schlüsselprozesse bringen Nährstoffe an die Oberfläche

Auf Basis des riesigen Datensatzes identifizierte das Forschungsteam drei physikalische Schlüsselprozesse, die dafür sorgen, dass Nitrat – der limitierende Nährstoff für das Wachstum von Phytoplankton im Atlantik – aus tieferen Wasserschichten an die Oberfläche gelangt. Dort bildet es die Grundlage für die hohe biologische Produktivität.  

1. Windwirbel in Lee der Inseln: Der erste Mechanismus basiert auf sogenannten „Island Wakes“ – Wirbelfeldern, die entstehen, wenn der stetige Nordostpassat auf die hohen Vulkane von Santo Antão und Fogo trifft. Die markante Topografie lenkt den Wind ab und erzeugt im Windschatten starke lokale Windscherung. Diese wiederrum führen zur Bildung kleiner, aber sehr produktiver Wasserwirbel, die die Durchmischung und den Nährstofftransport anregen.

2. Mesoskalige Ozeanwirbel: Der zweite Prozess betrifft so genannte „mesoskalige Eddies“ – eher großräumige Ozeanwirbel mit bis zu 120 Kilometern Durchmesser. Diese entstehen regelmäßig vor der westafrikanischen Küste und transportieren nährstoffreiches, kaltes und salzärmeres Wasser westwärts in Richtung der Kapverdischen Inseln. Treffen sie auf die Inseln oder flache Unterwasserstrukturen, entlassen sie das nährstoffreiche Wasser aus ihrem Inneren und verstärken lokal die vertikale Durchmischung.

3. Interne Wellen durch Gezeiten: Auch die Wechselwirkung von Gezeiten mit der steilen Unterwassertopographie der Inseln spielt eine entscheidende Rolle. Das Kapverdische Archipel liegt in einem Tiefseebecken (Kapverdenbecken) mit Wassertiefen zwischen 3000 und 4000 Metern. Die gleichmäßigen Gezeiten werden durch die Seeberge und Küstenlinien der Kap Verden gestört – es entstehen sogenannte interne Gezeitenwellen. An bestimmten Stellen, etwa südlich von Santo Antão, brechen diese internen Wellen wie Brandung an einer Küste – und setzen dabei große Mengen Energie frei. Die Folge: eine stark erhöhte vertikale Durchmischung des Wassers. An genau diesen Hotspots wurden die bisher höchsten Mischungswerte gemessen, die das Ƶ je dokumentiert hat, verbunden mit Wassergeschwindigkeiten, die um ein Vielfaches höher sind als die ursprüngliche Gezeitenströmung in der Tiefe.

Der Clou: Die Physik bestimmt, wer wo lebt

„All diese Prozesse transportieren Nitrat aus der Tiefe in die lichtdurchflutete Oberflächenschicht und fördern dort das Wachstum von Phytoplankton, das die Basis allen Lebens im Ozean bildet“, erklärt Dr. Florian Schütte. In den dadurch entstehenden produktiven Zonen wurden bis zu zehnmal höhere Konzentrationen von Zooplankton gemessen, häufiger Fische gefangen und mehr Wale gesichtet. Sogar die jährlichen Fangmengen von Makrelen und Thunfischen in der Region zeigen eine deutliche Korrelation mit der Intensität der kleinskaligen physikalischen Prozesse und den daraus resultierenden Chlorophyllwerten.

Die zentrale Erkenntnis der Studie geht jedoch noch weiter: Es sind nicht nur die Nährstoffe, die an die Oberfläche gelangen – sondern auch die Artenzusammensetzung im Ozean, die durch die Art des physikalischen Prozesses gezielt beeinflusst wird. So unterscheiden sich die Zooplanktongemeinschaften je nach physikalischer Dynamik – etwa zwischen Regionen mit starker Gezeitenmischung, windgetriebenen Island Wakes oder den Einflussbereichen großer ozeanischer Wirbel. Diese Unterschiede setzen sich offenbar entlang der Nahrungskette fort – bis hin zu Fischen und Walen.

„Wo Gezeiten dominieren, leben andere Tiere als dort, wo Windwirbel entstehen oder große Eddies gegen die Inseln stoßen“, sagt Schütte. „Was früher wie chaotische Vielfalt wirkte, zeigt jetzt erkennbare Muster. Wir bringen etwas Struktur in den Ozean – und beginnen zu verstehen, wie biologische Vielfalt entsteht.“

Relevanz für Meeresschutz und nachhaltige Nutzung

Die Studie zeigt erstmals im Detail, wie die biologische Vielfalt im Ozean rund um die Kapverdischen Inseln mit physikalischen Prozessen und der Unterwassertopografie verknüpft ist. Diese ganzheitliche Perspektive liefert eine wichtige Grundlage, um das marine Ökosystem der Region besser zu verstehen.

Gerade für den Meeresschutz und das nachhaltige Management von Fischbeständen ist dieser systemische Blick von großer Bedeutung. Denn bislang basieren viele Entscheidungen in der Fischerei vor allem auf Fangstatistiken. Die neue Studie macht deutlich: Ein zukunftsfähiges Monitoring braucht mehr – eine interdisziplinäre Datenerhebung, bei der physikalische, chemische und biologische Prozesse gemeinsam berücksichtigt werden, idealerweise in Kombination mit Satellitendaten und langfristigen Messprogrammen vor Ort.

 

Originalpublikation:

Schütte, F., Hans, A.C., Schulz, M., Hummels, R., Assokpa, O., Brandt, P., Kiko, R., Körtzinger, A., Fiedler, B., Fischer, T., Rodrigues, E., Hoving, H-J., Hauss, H. (2025). Linking physical processes to biological responses: Interdisciplinary observational insights into the enhanced biological productivity of the Cape Verde Archipelago, Progress in Oceanography, 235, 103479.  

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news-9874 Thu, 15 May 2025 12:44:56 +0200 Zelluläre Grundlagen von Symbiosen /news/article/zellulaere-grundlagen-von-symbiosen Symposium des Kieler Metaorganismus-Sonderforschungsbereichs zu einem bislang wenig untersuchten Aspekt des Zusammenspiels von Wirten und Mikroorganismen. Der Sonderforschungsbereichs (SFB) 1182 „Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen“ an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) veranstaltet seit gestern das internationale Symposium „Cellular Underpinnings of Host-Microbe-Crosstalk“ (Deutsch: „Zelluläre Grundlagen der Kommunikation zwischen Wirten und Mikroben“). Rund 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Kiel und ihre internationalen Gäste kommen am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel zusammen, um die Prinzipien der Kommunikation von Wirtslebewesen und Mikroorganismen auf zellulärer Ebene zu diskutieren. Zu den internationalen Expertinnen und Experten, die an der Kieler Tagung teilnehmen, zählen unter anderem Professor Spencer Nyholm von der University of Connecticut, Dr. Liz Hambleton von der Universität Wien sowie Dr. Claudia Pogoreutz von der Université de Perpignan.
Der Kieler SFB 1182 ist Teil des CAU-Forschungsschwerpunkts Kiel Life Science (KLS) und untersucht seit 2016, warum und wie mikrobielle Gemeinschaften langfristige Verbindungen mit ihren Wirtsorganismen eingehen und welche funktionellen Konsequenzen dieses Zusammenspiel für Gesundheit und Krankheit hat. Ein wichtiger aber bislang wenig beachteter Aspekt dieses Forschungsgebiets besteht neben den molekularen und organismischen Ebenen von Symbiosen besonders auch in solchen Prozessen, die in den einzelnen Zellen bei der Kommunikation von vielzelligen Wirtlebewesen mit der Vielzahl von besiedelnden Mikroorganismen wie Bakterien, Viren und Pilzen ablaufen.
 
Zelluläre Prozesse: Ein übersehener Aspekt in der Wirts-Mikroben-Forschung?
„Die komplizierte Dynamik an dieser zentralen Schnittstelle sei derzeit noch nicht ausreichend erforscht“, betont Professorin Tal Dagan, Vizesprecherin des SFB 1182, die derzeitige Bedeutung des Themas. Das aktuelle Symposium hat daher das Ziel, diese bedeutende Wissenslücke in der Metaorganismus-Forschung zu verkleinern. Im Rahmen des Treffens diskutieren sie daher zahlreiche Details dieser zellulären Prozesse: Wie beeinflusst das angeborene Immunsystem des Wirtes die Interaktionen zwischen den Zellen des Wirtslebwesens und Mikroorganismen? Wie läuft dieses Zusammenspiel bereits auf der Ebene einzelner Zellen ab und wie kann es dargestellt werden? „Wirtszellen und ihre Oberflächen sind entscheidend für den Erstkontakt, die Adhäsion und die Selektion von Mikroorganismen und spielen eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts im Zusammenspiel von Wirten und Mikroben. Die Gewebeoberflächen von Wirtslebewesen bilden also eine entscheidende Schnittstelle, die über die Etablierung einer bestimmten Mikrobiota auf den Wirtsgeweben und damit letztlich über das Zustandekommen einer Symbiose entscheidet“, erklärt Professorin Ute Hentschel Humeida vom Ƶ, die die Tagung organsiert hat.
Im Kieler SFB 1182 und an vielen anderen weiteren Forschungsstandorten weltweit arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daran, die Methoden zur Untersuchung dieser Schnittstelle zu verbessern oder gänzlich neu zu entwickeln. Dazu zählen unter anderem sogenannte Einzelzellatlanten, eine verbesserte Einzelzellproteomik sowie hochauflösende räumliche Bildgebungsverfahren, die künftig noch nie dagewesene Einblicke in zelluläre Prozesse versprechen. „Ziel unseres Symposiums ist es, Forschende aus verschiedenen Disziplinen zusammenzubringen, die an solchen Themen und den relevanten Methoden arbeiten. Im internationalen Austausch werden wir so künftig mehr über diesen neuartigen Aspekt zellulärer Mechanismen erfahren, die den Interaktionen von Wirten und Mikroben zugrunde liegen und damit zur Funktion von Metaorganismen beitragen“, betont SFB-1182 Sprecher Professor Hinrich Schulenburg von der CAU.
 
Über den SFB 1182:
Der Sonderforschungsbereich „Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen“ ist ein interdisziplinäres Netzwerk unter Beteiligung von rund 80 Forschenden, das die Interaktionen spezifischer Mikrobengemeinschaften mit vielzelligen Wirtslebewesen untersucht. Es wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt und beschäftigt sich mit der Frage, wie Pflanzen und Tiere einschließlich des Menschen gemeinsam mit hoch spezifischen Gemeinschaften von Mikroben funktionale Einheiten (Metaorganismen) bilden. Ziel des SFB 1182 ist es zu verstehen, warum und wie mikrobielle Gemeinschaften diese langfristigen Verbindungen mit ihren Wirtsorganismen eingehen und welche funktionellen Konsequenzen diese Wechselwirkungen haben. Im SFB 1182 sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus fünf Fakultäten der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, dem Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie Plön, der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, dem Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und der Mathematik und der Muthesius Kunsthochschule zusammengeschlossen.

 

Kontakt:
Prof. Hinrich Schulenburg
Sprecher SFB 1182 „Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen“, CAU:
Tel.: 0431-880-4141
E-Mail: hschulenburg(at)zoologie.uni-kiel.de
 
Prof. Ute Hentschel Humeida
Forschungseinheit - Marine Symbiosen
Forschungsbereich 3 - Marine Ökologie
Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel:
E-Mail: uhentschel(at)geomar.de

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news-9896 Thu, 15 May 2025 12:34:00 +0200 Neue Korallengärten und Hydrothermalquellen in den eisigen Tiefen der abgelegenen Südlichen Sandwichinseln entdeckt /news/article/neue-korallengaerten-und-hydrothermalquellen-in-den-eisigen-tiefen-der-abgelegenen-suedlichen-sandwichinseln-entdeckt Palo Alto, Kalifornien, USA: Ein internationales Team von Wissenschaftler:innen hat auf einer 35-tägigen Tiefseeexpedition zu einer der entlegensten Inselketten der Welt gedeihende polare Ökosysteme erforscht, neue hydrothermale Quellen und Korallengärten sowie diverse mutmaßlich neue Arten entdeckt. Die Ozeanzensus-Flaggschiff-Expedition an Bord des Forschungsschiffs Falkor des Schmidt Ocean Institute erforschte die Südlichen Sandwichinseln, darunter einen der kältesten und isoliertesten unterseeischen Gräben der Welt, und fand Hinweise auf explosiven Vulkanismus. Auf dieser Expedition wurde auch die erste bestätigte Sichtung eines jungen Riesenkalmares gefilmt. Die Expedition war Teil des Nekton-Ozeanzensus-Programms der Nippon-Stiftung, der weltweit größten Initiative zur Beschleunigung der Entdeckung von Meereslebewesen. Die Wissenschaftler:innen von Ozeanzensus waren federführend bei der Entdeckung von Arten. Sie bestimmten eine Vielzahl potenziell noch nicht erfasster Meereslebewesen – darunter Korallen, Schwämme, Schnecken, Seeigel, benthische Ctenophoren (bodenlebende Rippen-, bzw. Kammquallen) und Seesterne. Die genaue Zahl der neuen Arten wird im Laufe des Jahres nach einem Ozeanzensus-Workshop bekannt gegeben, bei dem taxonomische Expert:innen die Ergebnisse offiziell einordnen und katalogisieren. Das GoSouth-Team – eine Zusammenarbeit zwischen der Universität von Plymouth (UK), dem Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (Deutschland) und dem British Antarctic Survey (UK) – untersuchte die Auswirkungen von Georisiken wie Tsunamis, Vulkanen und Erdbeben.

„Diese Expedition hat uns einen Einblick in einen der entlegensten und biologisch artenreichsten Teile unseres Ozeans gegeben. Genau deswegen gibt es den Ozeanzensus – um unser Verständnis über das Leben im Meer zu erweitern, bevor es zu spät ist“, sagte Dr. Michelle Taylor, wissenschaftliche Leiterin und Expeditionsleiterin beim Ozeanzensus sowie Dozentin an der Universität Essex. „Die 35 Tage auf See waren eine aufregende Achterbahnfahrt wissenschaftlicher Entdeckungen. Deren Auswirkungen werden noch viele Jahre lang zu spüren sein, während die Erkenntnisse in Managementmaßnahmen umgesetzt werden.“

Mutter Natur hat der Expedition alles abverlangt, so Taylor, einschließlich eines Unterwasser-Erdbebens, tropischer Stürme mit Böen auf Orkan-Niveau, acht Meter hoher Wellen und Eisbergen, die es zu umschiffen galt.

Die im Südatlantik gelegenen Südlichen Sandwichinseln sind Teil eines reichhaltigen Mosaiks von geologischen Merkmalen wie Gräben in der Hadalzone, Unterwasservulkanen und Spreizungszentren – Merkmale, die durch tektonische Kräfte entstanden sind und die Entwicklung von Arten begünstigt haben, die nirgendwo sonst auf der Erde vorkommen. Das Forschungsschiff benötigte acht Tage, um vom chilenischen Hafen Punta Arenas zu den Inseln zu gelangen.

Das GoSouth-Team unter der wissenschaftlichen Co-Leitung Dr. Jenny Gales entdeckte zwei Pockennarben in den Kartierungsdaten einer Unterwasser-Caldera – einer schüsselförmigen Vertiefung im Meeresboden, die nach einem Vulkanausbruch entsteht. Pockennarben können auf hydrothermale Aktivität hinweisen. In einem „verschachtelten“ Ansatz setzte das Team das ferngesteuerte Fahrzeug SuBastian des Schmidt Ocean Institute ein, um die Pockennarben mit höherer Auflösung zu kartieren und das Vorhandensein von Schloten zu bestätigen. Die verschachtelte Kartierung ist das Konzept, von großen Kartenbereichen mit geringerem Detailgrad zu kleineren Bereichen mit höherem Detailgrad hinzuarbeiten.

Die größere Pockennarbe enthielt drei hydrothermale Schlote, die kleinere nur einen. Sie befinden sich in 700 Metern Tiefe und gehören zu den flachsten hydrothermalen Schloten, die in der Nähe der Südlichen Sandwichinseln entdeckt wurden, und sind die einzigen, die mit einem ferngesteuerten Fahrzeug erkundet wurden. Der höchste Schornstein war vier Meter hoch und damit etwa so hoch wie ein Basketballkorb. Jeder Schlot war mit einer Vielzahl von Lebewesen bedeckt, die von Chemosynthese abhängig sind, darunter Meeresschnecken und Seepocken. Blühende Korallengärten und große Schwämme wurden in unmittelbarer Nähe der Schlote gefunden – eine ungewöhnliche Beobachtung, so Taylor.

„Die Entdeckung dieser hydrothermalen Schlote war ein magischer Moment, da sie hier noch nie zuvor gesichtet wurden“, sagte Gales, Assoziierter Professor für Meeresforschung an der Universität Plymouth (UK). „Es ist eine unglaubliche Entdeckung, die wertvolle Einblicke in die tektonischen Aktivitäten in diesem Gebiet erlaubt. Eine solche Entdeckung ist selten. Sie hebt noch einmal hervor, wie wichtig die Erforschung der Ozeane und die Kartierung des Meeresbodens sind“.

Neben den Schloten gab es weitere bemerkenswerte Erkenntnisse während der Expedition:

  • Im Graben fanden die Wissenschaftler:innen Schneckenfischeier, die auf einer schwarzen Koralle abgelegt worden waren, sowie eine mögliche neue Seegurkenart;
  • große Bimssteinblöcke, die darauf hinweisen, dass die Südlichen Sandwichinseln zu explosivem Vulkanismus fähig sind;

  • ein vitaler Korallengarten westlich von Saunders Island in einer Tiefe von 120 Metern;

  • die ersten Aufnahmen von Akarotaxis aff. gouldae, einer vor zwei Jahren entdeckten Drachenfischart.

„Die herausfordernden Meeres- und Wetterbedingungen und die isolierte Lage der Südlichen Sandwich-Inseln regen die Phantasie der kühnsten Entdecker an – oft waren die dem Schiff nächstgelegenen Menschen die auf der Internationalen Raumstation“, sagte Dr. Jyotika Virmani, geschäftsführender Direktor des Schmidt Ocean Institute. „Wir sind stolz, Ozeanzensus in ihrem Auftrag unterstützt zu haben, die Erfassung von Leben im Meer voranzubringen, sowie GoSouth in ihrem Bestreben, die geologische Beschaffenheit dieser dynamischen Ecke der Welt besser zu verstehen.“

 

Ansprechperson:
Dr. Tom Kwasnitschka, tkwasnitschka(at)geomar.de

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news-9868 Mon, 05 May 2025 10:53:00 +0200 Künstliche Sauerstoffzufuhr in Küstengewässern: Hoffnungsträger mit Risiken /news/article/kuenstliche-sauerstoffzufuhr-in-kuestengewaessern-hoffnungstraeger-mit-risiken 05.05.2025/Kiel/Nijmegen. Könnte der künstliche Eintrag von Sauerstoff sterbende Küstengewässer wiederbeleben? Ansätze zur Sauerstoffanreicherung haben sich in Seen bereits als erfolgreich erwiesen, aber ihre möglichen Nebeneffekte müssen sorgfältig untersucht werden, bevor sie auch im Meer eingesetzt werden. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende eines internationalen Workshops, der vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und der niederländischen Radbout Universität geleitet wurde. In einem Beitrag im Fachmagazin EOS warnen sie: Technische Maßnahmen können zeitlich und örtlich begrenzt Schäden abmildern, sind aber mit erheblichen Unsicherheiten und Risiken behaftet. Vor allem bieten sie keine dauerhafte Lösung, weil der Sauerstoffgehalt nach Beendigung der Maßnahmen auf das alte Niveau zurücksinkt, wenn nicht die Ursachen des Problems, Nährstoffeinträge und globale Erwärmung, bekämpft werden. Weltweit verlieren Küstengewässer zunehmend Sauerstoff mit dramatischen Folgen – nicht nur für die Ökosysteme, sondern auch für die Menschen, die von ihnen leben. Die Ostsee ist ein bekanntes Beispiel: Dort Die Folgen der sich ausbreitenden sauerstoffarmen oder sauerstofffreien Zonen zeigen sich in Form von Fischsterben, dem Rückgang von Laichgebieten und giftigen Blaualgenblüten. Wäre es da nicht naheliegend, Sauerstoff ins Meer einzuleiten – genau dort, wo er am dringendsten benötigt wird?

„Technisch sind bereits verschiedene Ansätze getestet worden, die in Seen zum Teil auch positive Effekte gezeigt haben“, sagt Prof. Dr. Andreas Oschlies, Professor für Marine Biogeochemische Modellierung am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, „doch die künstliche Sauerstoffzufuhr kann keine Wunder bewirken – sie lindert vorübergehend Symptome, bekämpft aber nicht die Ursachen.“

Andreas Oschlies leitet gemeinsam mit Prof. Dr. Caroline P. Slomp, Professorin für Geomikrobiologie und Biogeochemie an der Radboud Universität in den Niederlanden, das Global Ocean Oxygen Network (GO2NE), ein internationales Expert:innengremium der Intergovernmental Oceanographic Commission (IOC UNESCO) der Vereinten Nationen, das die Ursachen und Folgen des sinkenden Sauerstoffgehalts im Ozean erforscht und im Herbst einen ersten internationalen Workshop zum Thema künstliche Sauerstoffzufuhr durchgeführt hat. Die Ergebnisse dieses Workshops sind letzte Woche im Fachmagazin EOS erschienen.

Hauptursachen für Sauerstoffverluste in Küstenmeeren

Küstenmeere gewinnen Sauerstoff auf natürliche Weise durch den Austausch zwischen dem Meer und der Luft, und durch das Phytoplankton, das an der Oberfläche Photosynthese betreibt. Tiefere Wasserschichten können nur durch Austausch mit Oberflächenwassermassen Sauerstoff erhalten. Das Meerwasser verliert Sauerstoff durch Bakterien, die ihn beim Zersetzen von organischem Material aufzehren. Diese können besonders gut gedeihen, wenn das Nährstoffangebot hoch ist – daher gehören zu hohe Nährstoffeinträge (vor allem Stickstoff und Phosphor) aus Abwässern und Landwirtschaft zu den Hauptursachen für den sinkenden Sauerstoffgehalt. Dazu kommt die Erwärmung der Gewässer – in wärmerem Wasser kann weniger Sauerstoff gelöst werden, und durch warme Wasserschichten, die sich über kühlere legen, wird die Durchmischung der Wasserschichten gehemmt.

Oschlies: „Es gibt in der Ostsee inzwischen riesige Zonen, in denen gar kein Sauerstoff mehr vorkommt. Wir nennen sie anoxisch, also sauerstofffrei. Umgangssprachlich werden sie als ,Todeszonen‘ bezeichnet. Ganz tot sind sie nicht, denn es gibt durchaus Bakterien, die in diesem Milieu noch leben können. Für alle anderen Organismen sind diese Bereiche aber absolut lebensfeindlich.“

Grenzen und Risiken von künstlichem Sauerstoffeintrag

Oschlies und Slomp haben Studien zu zwei technischen Ansätzen untersucht, mit denen Gewässern Sauerstoff zugeführt werden kann: das Einblasen von Luft oder reinem Sauerstoff (englisch Bubble Diffusion) sowie das Pumpen sauerstoffreicher Oberflächengewässer in tiefere Schichten (künstliches Downwelling). Beide Methoden wurden bereits lokal getestet – mit zum Teil positiven Effekten. Doch sobald die Maßnahmen eingestellt werden, kehrt die Anoxie meist innerhalb kürzester Zeit zurück. Slomp: „In Seen, flachen Flussmündungen oder kleinen Buchten kann dieser künstliche Sauerstoffeintrag erfolgreich angewendet werden. Doch die Wirkung hält nur so lange an, wie der Betrieb aufrechterhalten wird.“ Ein Beispiel dafür ist die Chesapeake Bay bei Baltimore in den USA, wo nach jahrzehntelanger Belüftung eines flachen Nebenarms die Anlagen abgeschaltet wurden und innerhalb eines Tages die Sauerstoffgehalte auf die alten Werte zurückfielen.

Zudem birgt die künstliche Sauerstoffzufuhr ökologische Risiken. So kann etwa die aufsteigende Bewegung von Gasen wie Methan – einem starken Treibhausgas – durch das Einblasen von Sauerstoff verstärkt werden. Auch Veränderungen von Temperatur- und Salzverteilungen sowie Unterwasserlärm könnten marine Lebensräume beeinträchtigen und im Extremfall sogar zu einer noch stärkeren Sauerstoffabnahme führen. „Diese Verfahren dürfen nur nach gründlicher Prüfung und mit begleitender Umweltüberwachung eingesetzt werden“, betont Oschlies.

Kein Ersatz für Klimaschutz und Reduktion von Nährstoffeinträgen

Ein aktueller Anlass für die Debatte ist der Ausbau von Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff. Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse gewonnen, wobei Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. Stehen die Elektrolyseure am Meer, könnte der als Nebenprodukt entstehende Sauerstoff direkt für Maßnahmen zur Sauerstoffanreicherung in küstennahen Meeresregionen genutzt werden. Doch die Forschenden mahnen zur Vorsicht: Wo geeignete Bedingungen herrschen, könnten technische Eingriffe sinnvoll sein – sie müssten aber eingebettet werden in umfassende Strategien zum Gewässerschutz.

Slomps Fazit: „Die technischen Möglichkeiten zur Sauerstoffzufuhr sind kein Ersatz für konsequenten Klimaschutz und die Reduktion von Nährstoffeinträgen aus Landwirtschaft und Abwasser. Sie können aber unter bestimmten Bedingungen dazu beitragen, die schlimmsten Folgen des Sauerstoffmangels zumindest zeitweise abzumildern.“

 

Original-Publikation:

Slomp, Caroline P./Oschlies, Andreas (2025): Could bubbling Oxygen revitalize dying coastal seas?. Eos.

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news-9866 Fri, 02 May 2025 13:08:18 +0200 Wie entstehen Calderas an Inselbogenvulkanen und was für Auswirkungen haben sie? /news/article/wie-entstehen-calderas-an-inselbogenvulkanen-und-was-fuer-auswirkungen-haben-sie 02.05.2025/Kiel. Welche Prozesse haben den Caldera-Einsturz des Brothers Vulkans vor der neuseeländischen Küste vor einigen tausend Jahren ausgelöst, und wie hängen diese mit heißen Quellen und Rohstoffvorkommen zusammen? Dieser Frage geht ab morgen ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel nach. An Bord des Forschungsschiffes SONNE wollen die Wissenschaftler:innen erstmals ein hochauflösendes, dreidimensionales Abbild des Unterwasservulkans erstellen. Ziel der Expedition SO312 BRASS ist es, die innere Struktur des Brothers Vulkans vor der neuseeländischen Küste detailliert zu vermessen und zum ersten Mal überhaupt den Einsturzkrater – die so genannte Caldera – eines Vulkans vollständig seismisch abzubilden. Mithilfe eines speziellen 3D-Seismik-Systems und Ozeanboden-Seismometern wollen die Forschenden herausfinden, ob die Caldera in Folge einer einzigen, gewaltigen Eruption oder durch eine Reihe kleinerer Ausbrüche entstanden ist. Dies wird wichtige Rückschlüsse auf die von Inselbogenvulkanen ausgehenden Naturgefahren zulassen. Gleichzeitig wird untersucht, ob vorhandene geologische Schwächezonen im Untergrund die Entstehung beeinflusst haben und wie die heute aktiven hydrothermalen Systeme mit diesen Strukturen verknüpft sind.

Vulkanisch aktives Labor am Meeresboden 

„Der Brothers Vulkan ist für uns so etwas wie ein Labor am Meeresboden. Nirgendwo sonst im Kermadec-Bogen gibt es eine derart aktive Caldera mit so vielen heißen Quellen und hydrothermalen Schloten“, sagt Fahrtleiter Dr. Christian Berndt, Professor für Marine Geophysik am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. „Die Kombination aus einem großen vulkanischen Krater, ultraheißen Fluiden und einzigartigen Lebensräumen macht ihn zu einem Schlüsselgebiet, um zu verstehen, wie Unterwasservulkane funktionieren und wie Rohstoffe am Meeresboden entstehen.“ 

Expedition in direkter Folge der MARUM-Bohrkampagne

Die Expedition folgt unmittelbar auf eine Forschungsfahrt des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen, bei der ebenfalls mit dem Forschungsschiff SONNE am Brothers Vulkan geforscht wurde. Dabei standen wissenschaftliche Bohrungen im Vordergrund, um die hydrothermalen Prozesse und die Entstehung von Metalllagerstätten am Meeresboden zu untersuchen. Die nun folgende Expedition ergänzt diese Untersuchungen durch großflächige geophysikalische Messungen und liefert somit auch wichtige Kontextdaten für die Interpretation der Bohrkerne.

Deutsch-neuseeländische Partnerschaft

Das Vorhaben ist ein Beispiel für die erfolgreiche internationale Zusammenarbeit in der Meeresforschung: Neben dem Ƶ ist vor allem die neuseeländische Forschungseinrichtung GNS Science (auf Māori: Te Pū Ao), an der Expedition beteiligt. Diese Kooperation bei der Erforschung des Meeresbodens rund um den pazifischen Inselstaat wird seit mehr als dreißig Jahren gepflegt und ermöglicht es, modernste Technik und jahrzehntelange lokale Expertise zu bündeln. Vor kurzem hat auch die stellvertretende neuseeländische Botschafterin in Deutschland, Evelyne Coulombe, das Ƶ besucht und sich über die Kooperationen informiert.

Wissen für mehr Sicherheit und nachhaltige Ressourcennutzung

Die Ergebnisse der Expedition sollen nicht nur helfen, die Entstehungsgeschichte des Brothers Vulkans besser zu verstehen, sondern auch die Gefahrenbewertung für mögliche zukünftige Eruptionen und Tsunamis in der Region zu verbessern. Gleichzeitig liefern sie wichtige Grundlagen für die Einschätzung von mineralischen Rohstoffvorkommen in der Tiefsee.

Hintergrund: Caldera 

Eine Caldera ist ein großer, kesselförmiger Krater, der entsteht, wenn bei einem Vulkanausbruch große Mengen Magma aus dem Untergrund entweichen. Der überdeckende Gesteinskörper verliert dabei seine Stützfunktion und sackt ab. Solche Calderen können mehrere Kilometer groß und mehrere Hundert Meter tief sein – sowohl an Land als auch unter Wasser.

Die Expedition auf einem Blick:

Name: BRASS (Brothers Volcano Seismic Structure)

Fahrtleitung: Prof. Dr. Christian Berndt

Zeitraum: 03.05.2025 – 29.05.2025

Start und Ende: Auckland (New Zealand)

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Aktuelles 2025 Presse 2025 FB3News Naturgefahren aus dem Ozean Expeditionen Plattentektonik Naturgefahren
news-9861 Wed, 30 Apr 2025 11:00:00 +0200 Blick in fossile Daten für ein besseres Verständnis der Klimazukunft /news/article/blick-in-fossile-daten-fuer-ein-besseres-verstaendnis-der-klimazukunft 30.04.2025/Kiel. Prof. Dr. Ying Cui von der Montclair State University in den USA ist mit einem Humboldt-Stipendium für erfahrene Forschende für sechs Monate am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel zu Gast. Die Geowissenschaftlerin untersucht mithilfe von Erdsystemmodellen, wie wärmere Klimata in der geologischen Vergangenheit den Sauerstoffgehalt im Ozean beeinflusst haben und welche Rückschlüsse sich daraus für die Zukunft ziehen lassen. Gastgeber ist Prof. Dr. Andreas Oschlies, Leiter der Forschungseinheit Biogeochemische Modellierung. Der Blick zurück in die Erdgeschichte kann helfen, die Zukunft besser zu verstehen. Das gilt auch für Klimadaten. Damit beschäftigt sich Prof. Dr. Ying Cui, Geochemikerin von der Montclair State University in den USA und derzeit Gastwissenschaftlerin am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Dank eines Humboldt-Forschungsstipendiums verbringt sie sechs Monate in Kiel, um mit Prof. Dr. Andreas Oschlies und seinem Team aus der Forschungseinheit Biogeochemische Modellierung die Zusammenhänge zwischen Klima, Ozean und Sauerstoffgehalt besser zu entschlüsseln.

Die Vergangenheit als Schlüssel zur Zukunft

Prof. Cui widmet sich in ihrer Forschung Zeiträumen der Erdgeschichte, in denen Treibhausgase in geologisch kurzen Zeiträumen massiv freigesetzt wurden – oft verbunden mit globalen Warmphasen und dramatischen Folgen für das Klima und das Leben auf der Erde. Am Ƶ liegt ihr Fokus auf dem Miozän, einem Zeitabschnitt, der vor 5,3 Millionen Jahren endete. Damals war es auf der Erde rund zwei bis drei Grad wärmer als heute. 

„Unsere Hypothese ist, dass wärmeres Klima zu einem Sauerstoffmangel im Ozean führt, weil weniger Sauerstoff im Wasser gebunden werden kann“, erklärt Cui. Doch der Sauerstoffgehalt wird nicht nur von der Temperatur beeinflusst. Viele andere Faktoren, wie etwa auch Ozeanströmungen spielen eine wichtige Rolle. Und die haben vor Jahrmillionen ganz anders ausgesehen als heute. Cui: „Zwischen Nord- und Südamerika existierte noch keine Landbrücke, das heißt, die Wassermassen des Atlantiks und des Pazifiks konnten sich vermischen.“ All diese Faktoren müssen berücksichtigt werden, um letztlich die Frage beantworten zu können, wie sich der Sauerstoffverlust im Ozean auf das Leben im Meer ausgewirkt hat.

Blick in die Tiefe: Der Nordatlantik im Fokus

Dafür fokussiert sich Ying Cuis Forschung auf den Nordatlantik zwischen 50 und 70 Grad nördlicher Breite, östlich von Grönland – eine Region, die für ihre nährstoffreichen Gewässer bekannt ist. Ying Cui: „Der Nordatlantik ist nicht nur eine besonders produktive Region des Ozeans, sondern auch ein Schlüsselgebiet für den globalen Kohlenstoff- und Sauerstoffhaushalt. Veränderungen in diesen Prozessen können erhebliche Auswirkungen auf marine Ökosysteme und das globale Klima haben.“

Während der internationalen IODP Expedition 395 mit dem Bohrschiff JOIDES RESOLUTION, an der Cui 2023 teilnahm, wurden Gesteinskerne aus dieser Region erbohrt. Diese Kerne enthalten Daten über die Entwicklung von Klima und Ozeanen in den vergangenen Jahrmillionen – ein geologisches Tagebuch, das wertvolle Einblicke in vergangene Klimaextreme gibt. Mit diesen Daten füttert Cui das Erdsystemmodell UVic, das physikalische, chemische und biologische Prozesse im Ozean berechnet. Die dreidimensionalen Simulationen aus dem Computermodell machen sichtbar, wie wärmere Klimabedingungen die Nährstoffkreisläufe und den Sauerstoffgehalt in produktiven Meeresregionen wie dem Nordatlantik verändert haben.

Fossile Daten als Schlüssel für bessere Klimamodelle

„Die Forschung von Ying Cui ergänzt unsere Arbeit ideal“, sagt ihr Gastgeber Dr. Andreas Oschlies, Professor für Marine Biogeochemische Modellierung am Ƶ. „Eine der größten Unsicherheiten in marinen biogeochemischen Modellen ist die Frage, wie empfindlich sie auf vorübergehende Klimaveränderungen reagieren. Vergangene Klimazustände bieten uns die Möglichkeit, solche Prozesse unter extrem anderen Bedingungen zu verstehen und unsere Modelle damit zu verbessern.“ Damit könnte der Blick in fossile Gesteinsschichten helfen, zuverlässigere Prognosen für zukünftige Klimaszenarien zu erstellen.

 

 

Hintergrund: Humboldt-Stipendium für erfahrene Forschende

Das Humboldt-Stipendium unterstützt überdurchschnittlich qualifizierte Wissenschaftler:innen aus dem Ausland bei einem langfristigen Forschungsaufenthalt (sechs bis 18 Monate) in Deutschland. Dabei können die Forschenden ein selbstgewähltes Projekt in Kooperation mit einer deutschen Forschungseinrichtung umsetzen.

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news-9853 Tue, 29 Apr 2025 10:08:00 +0200 Deutschlands begrenzte Optionen, schwer vermeidbare Restemissionen mithilfe des Meeres auszugleichen /news/article/deutschlands-begrenzte-optionen-schwer-vermeidbare-restemissionen-mithilfe-des-meeres-auszugleichen 29. April 2025/Kiel. Die natürliche Kohlendioxid-Aufnahme des Meeres zu erhöhen oder abgeschiedenes Kohlendioxid (CO2) biogenen Ursprungs tief im Meeresuntergrund zu speichern, werden in Deutschland aktuell als Möglichkeiten diskutiert, um schwer vermeidbare Restemissionen auszugleichen und das Ziel der Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 zu erreichen. Welche CO2-Entnahme- und Speicherverfahren jedoch erfolgreich einsetzbar sind, hängt von den lokalen Bedingungen ab. In deutschen Nord- und Ostseegewässern sind die Möglichkeiten auf wenige Methoden begrenzt. Das ist das Ergebnis einer ersten Machbarkeitsabschätzung von Wissenschaftler:innen der Forschungsmission CDRmare. Die Studie ist vor kurzem im Fachmagazin Earth’s Future erschienen. Oberstes Ziel auf dem Weg zur Klimaneutralität ist die Vermeidung von Emissionen. Doch angesichts der Notwendigkeit, schwer vermeidbare CO2-Emissionen in Zukunft durch eine Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre auszugleichen, gewinnen Methoden zur CO2-Entnahme und -Speicherung mithilfe des Ozeans zunehmend an Aufmerksamkeit. Welche Möglichkeiten hat Deutschland, seine Meeresgebiete dafür zu nutzen? Dieser Frage geht eine Studie nach, in der Forschende erstmals versuchen, die Machbarkeit von CO2-Entnahme- und Speicherung in deutschen Gewässern abzuschätzen, wenn man die lokalen Meeresbedingungen berücksichtigt und danach fragt, woher das notwendige Material, die erforderlichen Infrastrukturen und die benötigte Energie kommen sollen, die eine meeresbasierte CO2-Entnahme im großen Stil erfordern würde.

„Solche Standortfaktoren entscheiden maßgeblich darüber, welche Verfahren zur marinen CO2-Entnahme und -Speicherung überhaupt in Frage kommen. Unsere Analyse hilft uns, genauer zu verstehen, über welche Größenordnungen wir sprechen, wenn wir einen Einsatz dieser Verfahren in deutschen Meeresgewässern diskutieren, und an welchen Stellen der Prozessketten wir absehbar auf Engpässe oder Machbarkeitsgrenzen stoßen würden“, sagt Dr. Wanxuan Yao, Co-Autor und zum Zeitpunkt der Studie Klimamodellierer am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. 

Neueste Forschungsergebnisse ausgewertet

Für die Analyse haben die Forschenden sowohl aktuelle Fachliteratur ausgewertet als auch Ergebnisse aus ihrer aktuellen Arbeit in der DAM-Forschungsmission zur marinen CO2-Entnahme und -Speicherung (CDRmare) einfließen lassen. Abgefragt wurde für jede Methode unter anderem wie viel Wasser, Material, Energie, Land- oder Meeresfläche benötigt werden, welche Abfall- oder Beiprodukte entstehen könnten, welche Bauten und Transportwege notwendig wären, welche Betriebskosten entstünden und was über mögliche Auswirkungen auf Mensch und Natur bekannt ist.

„Außerdem haben wir untersucht, ob es für jede der Methoden bereits etablierte Verfahren gibt, mit denen die erzielte CO2-Entnahme sowie mögliche Umweltauswirkungen gemessen und überwacht werden können. Ohne solche Mess- und Kontrollverfahren hat keine der diskutierten Methoden eine realistische Chance, eines Tages großflächig eingesetzt zu werden“, erläutert Co-Erstautorin Dr. Teresa Morganti, zum Zeitpunkt der Studie Meeresbiologin am Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde.

Zehn marine CO2-Entnahmemethoden in der engeren Auswahl

Am Ende des mehrjährigen Auswahlprozesses blieben fünf Verfahren zur CO2-Entnahme übrig, die in den deutschen Nord- und Ostseegewässern umgesetzt werden könnten. Fünf weitere untersuchte Methoden müsste die Bundesrepublik in internationalen Gewässern umsetzen oder dafür mit anderen Küstenstaaten kooperieren.

„Die von uns entwickelten Optionsskizzen sollen dazu dienen, konkrete Fragen und Herausforderungen aufzuwerfen, die sich im Falle eines großskaligen Einsatzes stellen würden, und eine Diskussionsgrundlage zu liefern. Es ist aber wichtig zu betonen, dass diese Skizzen weder die rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen, noch hinterfragen sie, ob die möglichen Auswirkungen einer gezielten CO2-Entnahme mithilfe des Meeres unseren ethischen Werten und Zielvorstellungen entsprechen. Das sind wichtige Fragen, die wir nun in Folgestudien aufgreifen müssen“, sagt Dr. Nadine Mengis vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Co-Autorin der neuen Studie und CDRmare-Co-Sprecherin.

Zu hohe Erwartungen an marine CO2-Entnahmemethoden

Die Forschenden arbeiten deshalb gezielt daran, Methoden und Prozesse zu entwickeln, die ein realistisches Bild davon zeichnen, inwiefern marine CO2-Entnahmeverfahren machbar und ihre Auswirkungen für Mensch und Natur wünschenswert sind. „Sobald man marine CO2-Entnahmeverfahren für eine konkrete Region hochskaliert und somit die Dimension dieser Eingriffe begreifbar macht, wird deutlich, dass die bisherigen Erwartungen ohne diese Überlegungen oft zu hoch sind. Wir brauchen mehr solcher Studien, die die kontextspezifischen Bedingungen für eine mögliche Umsetzung von CDR-Maßnahmen mit einbeziehen, nur so kommen wir letztlich auch auf belastbare Potenziale”, sagt Nadine Mengis.

Die Erwartungen bergen zudem die Gefahr, dass auch Länder wie Deutschland auf zukünftige technische Lösungen hoffen und in der Zwischenzeit ihre Ambitionen zur Treibhausgasvermeidung mit bekannten und erprobten Maßnahmen zurückschrauben. „Das darf nicht das Resultat unserer Forschung sein“, betont Nadine Mengis.

Zu den in der Studie beschriebenen marinen CO2-Entnahme- und Speicherverfahren zählen:

Verfahren zur Erhöhung der CO2-Säurebindungsvermögens (Alkalinität) des Ozeans:

1. die Herstellung einer Lauge aus Silikatgestein und Wasser sowie die Verteilung dieser Lauge im Flachwasser entlang der deutschen Nordseeküste,

2. die Herstellung einer Lauge aus Löschkalk und Wasser sowie die Verteilung dieser Lauge entlang der Schifffahrtswege in der deutschen Nordsee,

3. das Einstreuen von pulverisiertem Basaltgestein vulkanischen Ursprungs entlang der deutschen Küste,

4. die Einleitung von Natriumhydroxid, welches in Entsalzungsanlagen durch Elektrolyse gewonnen werden kann (derzeit keine Entsalzungsanlagen in Nord- oder Ostsee).

Verfahren zur Wiederherstellung und Ausweitung vegetationsreicher Küstenökosysteme

5. die gezielte Ausweitung oder Einführung von Kelpwäldern rund um die deutsche Nordseeinsel Helgoland,

6. die Wiederherstellung und Ausweitung von Mangrovenwäldern in Indonesien,

7. der künstliche Auftrieb nährstoffreichen Tiefenwassers, um das Planktonwachstum im Nordatlantik anzukurbeln (Verstärkung der biologischen Kohlenstoffpumpe des Ozeans)

8. die gezielte Zucht von Sargassum-Algen im subtropischen Wirbel des Südatlantiks sowie das anschließende Versenken der erzeugten Biomasse im Meer

Verfahren zur Speicherung von abgeschiedenem, biogenem CO2

9. die Zucht von Großalgen mit anschließender Verwendung der Biomasse für die Herstellung von Biomethan. Bei der Verbrennung des Methans im Gaskraftwerk würde das entstehende CO2 biogenen Ursprungs abgeschieden, komprimiert und in Sandsteinformationen unter der deutschen Nordsee gespeichert.

10. die direkte Entnahme von CO2 aus der Umgebungsluft mit anschließender Speicherung in der ozeanischen Basaltkruste vor der Küste Norwegens

 

Publikation:

Yao, W., Morganti, T. M., Wu, J., Borchers, M., Anschütz, A., Bednarz, L.-K., et al. (2025). Exploring site-specific carbon dioxide removal options with storage or sequestration in the marine environment – the 10 Mt CO2 yr−1 removal challenge for Germany. Earth's Future, 13, e2024EF004902.

 

Hintergrund: CDRmare

CDRmare ist eine Forschungsmission der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM). Ihr Langtitel lautet: „Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung“. Die Mission startete im Sommer 2021 mit sechs Forschungsverbünden, die vielversprechende Methoden der marinen CO2-Entnahme und -Speicherung (Alkalinisierung, Ausweitung vegetationsreicher Küstenökosysteme, künstlicher Auftrieb, CCS) hinsichtlich ihrer Potenziale, Risiken und Wechselwirkungen untersuchen und in einem transdisziplinären Bewertungsrahmen zusammenführen. Im August 2024 ist CDRmare mit fünf Forschungsverbünden in die zweite dreijährige Förderphase gestartet. Gefördert wird CDRmare vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und den Wissenschaftsressorts der norddeutschen Bundesländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

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news-9848 Thu, 24 Apr 2025 10:33:00 +0200 Sedimentaufwirbelung durch Schleppnetzfang verringert CO2-Aufnahme /news/article/sedimentaufwirbelung-durch-schleppnetzfang-verringert-co2-aufnahme 24.04.2025/Kiel. Wenn Schleppnetze über den Meeresgrund gezogen werden, wirbeln sie Sediment auf. Dabei wird nicht nur organischer Kohlenstoff wieder freigesetzt, sondern auch die Oxidation von Pyrit verstärkt, was zu einer zusätzlichen Freisetzung von Kohlendioxid (CO2) führt. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, die anhand von Sedimentproben aus der Kieler Bucht die geochemischen Folgen der Sedimentaufwirbelung untersucht hat. Ihr Fazit: Insbesondere Meeresbodenbereiche mit feinkörnigen Sedimenten, die für die CO2-Speicherung in der Ostsee entscheidend sind, sollten dringend unter Schutz gestellt werden. Die Studie ist jetzt in der Fachzeitschrift Communications Earth & Environment erschienen. Die Aufwirbelung von Meeresbodensedimenten – durch menschliche Aktivitäten wie den Schleppnetzfang und natürliche Prozesse wie Stürme und Gezeiten – hat erhebliche Auswirkungen auf die Freisetzung von Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre. Wird das Sediment dem sauerstoffreichen Meerwasser ausgesetzt, führt dies zur großflächigen Oxidation von Pyrit, einem Mineral, das in den Sedimenten angereichert ist. Diese Oxidation spielt eine weitaus größere Rolle bei der CO2-Freisetzung als die Oxidation von organischem Kohlenstoff. Dies zeigt eine neue Studie, die jetzt in der Zeitschrift Communications Earth & Environment veröffentlicht wurde.

„Die feinkörnigen, schlammigen Sedimente sind wichtige Speicher für organischen Kohlenstoff und Pyrit“, erklärt Erstautor Habeeb Thanveer Kalapurakkal, Doktorand in der Arbeitsgruppe Benthische Biogeochemie am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. „Wir wissen, dass die Sedimentaufwirbelung, etwa durch den Einsatz von Schleppnetzen zu einer starken Freisetzung von CO2 in die Wassersäule führt.“ Doch während man bislang davon ausgegangen war, dass dies hauptsächlich auf die Oxidation von organischem Kohlenstoff zurückzuführen ist, konnte er nun nachweisen, dass der Großteil der CO2-Freisetzung bei der Sedimentaufwirbelung auf die Oxidation von Pyrit zurückzuführen ist.

Die Kieler Bucht: Eine wichtige CO2-Senke in Gefahr

Das Untersuchungsgebiet lag in der Kieler Bucht, einer Küstenregion in der westlichen Ostsee zwischen Fehmarn und den dänischen Inseln. Diese Region umfasst unterschiedliche Sedimenttypen – sandige Sedimente in den flacheren Gebieten und feine Schlammsedimente, die in den tieferen Bereichen abgelagert sind. Diese sind reich an organischem Material und spielen eine zentrale Rolle im Kohlenstoffkreislauf der Ostsee. Beeinflusst werden sie sowohl durch natürliche Prozesse wie Stürme als auch durch menschliche Aktivitäten wie den Schleppnetzfang.

Laborversuche simulieren Sedimentaufwirbelung

Um die Auswirkungen der Aufwirbelung des Meeresbodens zu untersuchen, führten die Forschenden so genannte Inkubationsversuche durch: Sedimentproben aus fein- und grobkörnigen schlammigen und sandigen Bereichen der Kieler Bucht wurden im Labor in Behältern mit Meerwasser aufgerührt. Dabei wurden sowohl oxische (mit Sauerstoff) als auch anoxische (ohne Sauerstoff) Bedingungen simuliert. Während dieser Inkubation wurde gemessen, wie sich verschiedene chemische Parameter verändern – etwa der CO2-Gehalt, der pH-Wert, die Konzentrationen von Sulfat oder Nährstoffen. So konnten die Wissenschaftler:innen nachvollziehen, welche Prozesse ablaufen und welche Auswirkungen das auf den Kohlenstoffkreislauf hat. Die Ergebnisse wurden dann mit einem Computermodell kombiniert, um ein detaillierteres Bild der biogeochemischen Veränderungen durch Sedimentaufwirbelung und Sauerstoffgehalt zu bekommen.

Pyritoxidation: Ein entscheidender Faktor für die CO2-Freisetzung

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass durch die Aufwirbelung von Sedimenten deutlich mehr CO2 freigesetzt wird als bisher angenommen – vor allem durch die Oxidation von Pyrit. Wird dieses eisenhaltige Mineral, das in schlammigen, sauerstoffarmen Meeresböden lagert – beispielsweise durch menschliche Eingriffe wie Grundschleppnetzfischerei – aufgewirbelt, reagiert es mit dem Sauerstoff im Wasser. Dabei entsteht Säure, die klimaneutrales Bikarbonat aus dem Sediment in das Treibhausgas CO2 umwandelt und damit eine weitere CO2-Freisetzung in die Atmosphäre begünstigt. Modellrechnungen deuten darauf hin, dass sich durch diese Prozesse die CO2-Aufnahmekapazität der Region erheblich verringern kann. Kurz gesagt: Die Aufwirbelung der Sedimente kann den Meeresboden vorübergehend von einer natürlichen CO2-Senke in eine CO2-Quelle verwandeln.

Schutz sensibler Meeresbodenbereiche zur Erhaltung der CO2-Aufnahme

„Die Kieler Bucht ist, genau wie andere Bereiche der Ostsee, eine wichtige Senke für Kohlendioxid aus der Atmosphäre“, sagt Habeeb Thanveer Kalapurakkal, „unsere Experimente und Modellierungen haben gezeigt, dass Einflüsse wie Schleppnetzfischerei die CO2-Aufnahme deutlich reduzieren, weil durch die Oxidation des Pyrits Säure freigesetzt wird.“ Die Ergebnisse würden unterstreichen, wie wichtig der Schutz insbesondere jener Meeresbodenbereiche ist, in denen fein­körnige, schlammige Sedimente mit hohem Pyritgehalt vorkommen. Kalapurakkal: „Wenn wir die CO2-Aufnahmekapazität der Ostsee erhalten wollen, müssen diese Gebiete geschützt werden.“

 

Originalpublikation:

Kalapurakkal, H.T., Dale, A.W., Schmidt, M. et al. (2025) Sediment resuspension in muddy sediments enhances pyrite oxidation and carbon dioxide emissions in Kiel Bight. Commun Earth Environ 6(1), 156.

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Aktuelles 2025 Presse 2025 Top_Slider FB2News Kohlenstoffspeicherung im Ozean Fischereiforschung Ozean und Klima Ostsee
news-9845 Tue, 22 Apr 2025 17:41:48 +0200 Studie zum ökologischen Seemanagement gewinnt nationalen Frontiers Planet Prize /news/article/studie-zum-oekologischen-seemanagement-gewinnt-frontiers-planet-prize 22.04.2025/Kiel. Am heutigen Earth Day wurden die National Champions des Frontiers Planet Prize bekannt gegeben – ein weltweit bedeutender Forschungspreis für Nachhaltigkeit. Robert Arlinghaus, Fischereiprofessor am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) sowie an der Humboldt-Universität zu Berlin und sein Team werden für ihre wegweisende Science-Publikation über die Wirksamkeit der ökologischen Aufwertung von Gewässern auf Fischbestände gewürdigt. „Angesichts der immensen Bedrohungen für die Menschen und den Planeten brauchen wir mutige, transformative Lösungen, die sich auf Fakten stützen und wissenschaftlich fundiert sind. Innovative und skalierbare Lösungen sind der einzige Weg, um ein gesundes Leben auf einem gesunden Planeten zu gewährleisten,“ sagte Professor Jean-Claude Burgelman, Direktor des Frontiers Planet Prize.

Eine dieser Lösungen, die zur Kategorie „Naturbasierte Lösungen und Wiederherstellung von Ökosystemen“ gehört, ist in der Studie von Prof. Robert Arlinghaus und seinem Team beschrieben: Die Revitalisierung von Seen durch die Schaffung von Flachwasserzonen und das Einbringen von Totholz. Weltweit werden Millionen von Fischen in Gewässer ausgesetzt, um die natürlichen Fischbestände zu stärken. Dass diese sogenannte Fischbesatz-Praxis nicht immer erfolgreich ist und wie es besser geht, zeigt die in der Fachzeitschrift Science erschienene Studie. Die Besonderheit der Untersuchung von Arlinghaus und seinem Team ist unter anderem die enge Verbindung von Forschung und Anwendung und die Durchführung von wiederholten Experimenten auf der Ebene ganzer Seen in Zusammenarbeit mit der Angelpraxis.

Mehr Lebensraum ist besser als mehr Fische

Das Forschungsteam hat in einem Vorher-Nachher-Kontroll-Experiment über sechs Jahre in 20 Baggerseen verglichen, wie sich das Aussetzen von Fischen und die Aufwertung der Lebensräume auf die Fischbestände auswirken. „Das war ein einzigartiger Freilandversuch, in dem wir in enger Zusammenarbeit einer Vielzahl von Angelvereinen auf der Ebene des gesamten Ökosystems mit verschiedenen Bewirtschaftungsvarianten experimentiert haben. So ein großes, wiederholtes und vor allem kontrolliertes Ganzseeexperiment gab es in dieser Form bisher nicht. Es freut mich sehr, dass unsere Forschungsarbeit nun mit dem Nationalen Frontiers Planet Prize ausgezeichnet wurde“, sagt der Initiator und Koordinator des Projekts Professor Robert Arlinghaus.

„Über einen Zeitraum von sechs Jahren wurden rund 160.000 Fische und viele andere Tier- und Pflanzenarten vor und nach Maßnahmendurchführung beprobt, um zu untersuchen, wie die jeweiligen Organismengruppen auf die Schaffung von Lebensräumen oder das Einsetzen von insgesamt 40.000 einzeln markierten Fischen reagieren“, ergänzt der Erstautor der Studie, Prof. Johannes Radinger, ehemaliger Wissenschaftler der Arbeitsgruppe von Prof. Arlinghaus und jetzt Professor an der Hochschule Magdeburg-Stendal.

Einen wichtigen Beitrag zur Datenanalyse leistete Dr. Christopher Monk, inzwischen Leiter der Arbeitsgruppe Marine Behavioural Ecology am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Er war während seiner Postdoc-Zeit am IGB maßgeblich an der Auswertung der umfangreichen Freilanddaten beteiligt und unterstützte auch die Überarbeitung des Manuskripts.

„Die Studie zeigte, dass ein ökosystembasiertes Management, insbesondere die Schaffung von Flachwasserzonen, den Fischbestand in den Seen und die Reproduktion von Fischen nachhaltig erhöhte und auch die Vielfalt anderer Organismengruppen wie Libellen oder Wasserpflanzen förderte“, erläutert Dr. Sven Matern, geteilter Erstautor der ausgezeichneten Studie und ehemaliger Doktorand von Prof. Arlinghaus. Die im Fischschutz gängige Praxis des Fischbesatzes, an der viele Angelvereine aber auch andere Naturschutzakteure weltweit häufig festhalten, ist in dem Versuch hingegen fehlgeschlagen. Das Einbringen von Totholz als Strukturelement zeigte gewässerspezifisch und artabhängig positive Effekte auf Fische und andere Organismen, war aber gegenüber der Schaffung von Flachwasserzonen weniger erfolgreich.

Angelvereine als wichtige Partner

Das von den beiden Ministerien BMBF und BMUV sowie dem Bundesamt für Naturschutz in den Jahren 2016 bis 2022 finanzierte Forschungs- und Umsetzungsprojekt BAGGERSEE, das Grundlage der Science-Publikation war, wurde in enger Zusammenarbeit mit Dutzenden von Angelvereinen im Anglerverband Niedersachsen e.V. (AVN) durchgeführt. Hunderte Personen aus der Angelpraxis waren an der Umsetzung der Managementmaßnahmen und der Datenerhebung beteiligt. Fischereibiologen des AVN planten und koordinierten die Umsetzung der Maßnahmen. „Die Ergebnisse haben direkte Auswirkungen auf die Art und Weise, wie Angelvereine Seen bewirtschaften. Aktuell läuft ein Vermittlungsprojekt als Anschluss, in dem die Ergebnisse deutschlandweit an Angelvereine über die Projektregion Niedersachsen hinaus kommuniziert werden“, sagt Prof. Thomas Klefoth von der Hochschule Bremen, der das BAGGERSEE-Projekt zusammen mit Prof. Arlinghaus erdacht und ehemals als Fischereibiologe des AVN koordiniert hat.

Süßwasserfische sind gefährdet

Süßwasserfische gehören zu den am stärksten gefährdeten Wirbeltieren weltweit. In Deutschland beispielsweise gilt gemäß der Roten Liste der Süßwasserfische jede zweite Art als gefährdet. Einer der Hauptgründe ist der Verlust an angemessenem Lebensraum. Fischrückgänge haben weitreichende Folgen für die Gewässer sowie die Erwerbs- und Angelfischerei. Wirksame Erhaltungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen sind erforderlich, um den Fischrückgang umzukehren. „Ein vielversprechender Ansatz ist das ökosystembasierte Management, das darauf abzielt, wichtige ökologische Prozesse, Lebensräume und Beziehungen zwischen Arten zu verbessern oder wiederherzustellen, anstatt sich auf die Beseitigung einzelner Stressoren oder die Unterstützung einzelner Arten nur über Fischbesatz zu konzentrieren“, sagt Robert Arlinghaus. Dieser umfassende Ansatz ist jedoch oft kostspielig und mit hohen bürokratischen Hürden verbunden.

Ökosystembasiertes Management lohnt sich

Politische Entscheidungsträger zögern daher, in ökosystembasiertes Management zu investieren, solange es keine soliden wissenschaftlichen Belege für seine Wirksamkeit gibt. „Mit unserer großen experimentellen Feldstudie, die auch Kontrollgewässer einbezog und so belastbare Ergebnisse hervorbrachte, haben wir die Erfolgsaussicht Ökosystem-bezogener Maßnahmen nun auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt. Zentral ist, dass die Verbesserung der Ökosysteme die wichtigsten beschränkenden Habitate umfasst. In Baggerseen sind das Flachwasserzonen, in anderen Gewässertypen können aber auch andere Habitate wichtiger sein, wie z. B. die Wiederherstellung von Auen in Fließgewässern“, erläutert Robert Arlinghaus.

Nationale Champions mit Chance auf Millionenförderung

Die Nationalen Champions für wissenschaftliche Durchbrüche im Bereich Nachhaltigkeit wurden von einer Jury aus 100 renommierten Nachhaltigkeitsforscher:innen weltweit unter Vorsitz von Professor Johan Rockström vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ausgewählt. Die Nationalen Champions werden nun in die Endrunde des Wettbewerbs einziehen, in der im Juni 2025 drei internationale Champions vorgestellt werden, die jeweils eine Million US-Dollar für ihre weitere Forschung erhalten.

 

Original-Publikation:

Radinger, J., Matern, S., Klefoth, T., Wolter, C., Feldhege, F., Monk, C.T., Arlinghaus, R. (2023). Ecosystem-based management outperforms species-focused stocking for enhancing fish populations. Science, 379, 6635, 946-951.

 

 

Hintergrund: Frontiers Planet Prize

Der Frontiers Planet Prize ist ein internationaler Wissenschaftspreis, der seit 2022 von der Frontiers Research Foundation verliehen wird. Er zeichnet Forschende aus, deren bahnbrechende Arbeiten das Potenzial haben, die weltweite Umweltkrise zu entschärfen und das Ökosystem unseres Planeten zu stabilisieren.

Jedes Jahr wird in jedem teilnehmenden Land ein sogenannter National Champion ernannt. Aus diesem Kreis wählt eine unabhängige Jury — bestehend aus 100 Expert:innen — drei International Champions aus. Jede dieser drei herausragenden Forschenden oder Forschungsgruppen erhält eine Million US-Dollar, um ihre Arbeit weiter voranzutreiben und ihren Einfluss weltweit zu stärken.

Ziel des Preises ist es, ähnlich wie während der COVID-19-Pandemie globale Kräfte zu bündeln — diesmal aber im Kampf gegen die Umwelt- und Klimakrise.

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news-9834 Wed, 16 Apr 2025 16:00:00 +0200 Starkes Zeichen der Verbundenheit mit der deutschen Meeresforschung /news/article/starkes-zeichen-der-verbundenheit-mit-der-deutschen-meeresforschung 16.04.2025/Mindelo/Kiel. Der Präsident der Republik Cabo Verde, S.E. José Maria Pereira Neves hat am Wochenende das Forschungsteam der Expedition M209 besucht. Er ging in der Bucht „Baía do Inferno“ vor der kapverdischen Insel Santiago an Bord des deutschen Forschungsschiffes METEOR, um sich über die Tiefseeforschung zu informieren, die derzeit unter der Leitung des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel rund um Cabo Verde durchgeführt wird. Der Besuch unterstreicht das langjährige Engagement beider Länder für den Schutz des Ozeans und die enge wissenschaftliche Partnerschaft. Seit drei Wochen ist das deutsche Forschungsschiff METEOR rund um die Kapverdischen Inseln unterwegs: Die Forschungsausfahrt M209 unter Leitung von Dr. Henk-Jan Hoving, Meeresbiologe am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, untersucht die dortigen Tiefsee-Ökosysteme. Nun bekam das internationale Forschungsteam hohen Besuch. Der Präsident der Republik Cabo Verde, Seine Exzellenz José Maria Pereira Neves kam in Begleitung von Meeresminister Jorge Santos und acht weiteren Delegationsmitgliedern am Wochenende in der Bucht „Baía do Inferno“ vor der Insel Santiago an Bord.

Hochrangiger Besuch bei der M209-Expedition

Präsident José Maria Neves, international anerkannt als engagierter Fürsprecher für den Schutz des Ozeans und seit 2023 Schirmherr der von der UNESCO initiierten Ocean Decade Alliance, nahm sich Zeit für einen „Hands-on“-Besuch: Er wollte dabei sein, wenn der Unterwasserroboter ROV KIEL 6000 auf Tauchfahrt geht, um die Artenvielfalt zu erforschen, sich mit dem Kapitän und der Schiffscrew austauschen und von dem internationalen Forschungsteam aus erster Hand erfahren, welche Herausforderungen und Chancen die seegehende Forschung mit sich bringt.

„Die Tiefseeforschung, die hier von Bord der METEOR aus betrieben wird, deckt die marine Artenvielfalt auf und offenbart den Reichtum Cabo Verdes“, sagte Präsident Neves. „Wir konnten dabei sein, als das ROV auf den Meeresboden hinabgetaucht ist - die Forscher führen Tauchgänge durch, kartieren unseren Meeresboden und identifizieren verschiedene Arten. Das ist in jeder Hinsicht ein enormer Beitrag für die Wissenschaft und die zukünftige Entwicklung von Cabo Verde.“

Neves nutzte auch die Gelegenheit, sich über die Arbeit der drei an der Expedition teilnehmenden kapverdischen Meereswissenschaftler:innen zu informieren: Rui Freitas von der Universidade Técnica do Atlantico (UTA), Keider Neves von der in Mindelo ansässigen Nichtregierungsorganisation Biosfera 1 und Vanessa Lopes vom Projecto Vitó auf der Insel Fogo.

„Dies ist die zweite Tiefsee-Biologie-Expedition, an der ich teilnehme“, sagt Rui Freitas, „und die Zusammenarbeit mit dem großartigen Forschungsteam von Henk-Jan Hoving vom Ƶ ist eine tolle Erfahrung. Die Verbindung unseres Wissens über Küsten- und Riff-Fische mit der enormen Artenvielfalt in der Tiefsee stärkt die Rolle von Cabo Verde als Hotspot der marinen Biodiversität. Die modernen Beobachtungsmethoden an Bord der METEOR haben der Tiefseeforschung in Cabo Verde wichtige Impulse gegeben und eröffnen neue Chancen für unser Verständnis der Tiefsee.“

Der Krebstierexperte und Taxonom Keider Neves ergänzt: „Als kapverdischer Wissenschaftler, der sich für die reiche marine Biodiversität des Landes interessiert, ist dies eine einzigartige Gelegenheit, die Meeresökosysteme vor Cabo Verde aus erster Hand zu erforschen und Proben von Arten zu sammeln, die nicht nur in unserem Land, sondern auch in der Wissenschaft noch wenig bekannt oder völlig neu sind.“

Vanessa Lopes fügt hinzu: „Der Besuch des Präsidenten hat uns die Gelegenheit gegeben, einige unserer Erkenntnisse aus der Expedition M209 Basis zu teilen. Wir haben sowohl nahezu unberührte Meeresbereiche als auch Regionen entdeckt, die bereits durch Verschmutzung beeinträchtigt sind – das macht deutlich, wie dringend ein besserer Meeresschutz gebraucht wird. Es liegt noch viel Arbeit vor uns, und eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten ist entscheidend, um in Cabo Verde ein wirksames, auf das gesamte Ökosystem ausgerichtetes Management umzusetzen.“

M209: Erforschung der Tiefseebiologie von Cabo Verde

Die Expedition M209 mit dem Titel „BASIS“ widmet sich der Erforschung von Tiefsee-Lebensräumen rund um die kapverdischen Inseln. Sie steht im Zusammenhang mit der POSEIDON-Fahrt POS532 im Jahr 2019 und einer Reihe weiterer Feldkampagnen. Im Fokus stehen biologische Vielfalt und Nahrungsnetze in verschiedenen Tiefseezonen – von der mittleren Wassersäule bis zum Meeresboden. Durch den kombinierten Einsatz von Hightech-Geräten wie Schleppkameras, akustischen Sensoren und Umwelt-DNA-Proben wollen die Forschenden die empfindlichen und weitgehend unerforschten Lebensräume vor Cabo Verde dokumentieren. Diese Daten sind nicht nur von großem wissenschaftlichem Wert, sondern bilden auch eine wichtige Grundlage für lokale Behörden, Universitäten und Nichtregierungsorganisationen für die Ausweisung künftiger Meeresschutzgebiete in den Hoheitsgewässern von Cabo Verde.

Stärkung der wissenschaftlichen Partnerschaft zwischen Cabo Verde und dem Ƶ

Für die deutsche Meeresforschung war der Besuch des Staatsoberhauptes eine besondere Ehre – es war der bislang ranghöchste Besuch auf einem deutschen Forschungsschiff in der Region. Präsident Neves ist seit den Anfängen ein verlässlicher Partner der wissenschaftlichen Kooperation zwischen Cabo Verde und dem Ƶ.

Neben gemeinsamen Forschungsprojekten umfasst die Zusammenarbeit auch den Betrieb des Ocean Science Centre Mindelo (OSCM), das als Drehscheibe für Meeresforschung und Wissensaustausch in Westafrika dient. Der Grundstein für das OSCM wurde 2014 gemeinsam mit Prof. Dr. Arne Körtzinger vom Ƶ, wissenschaftlicher Leiter des OSCM, gelegt. In Kooperation mit der Universidade Técnica do Atlantico (UTA) und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) stärkt das OSCM die regionalen wissenschaftlichen Kapazitäten durch verschiedene akademische Programme wie den Masterstudiengang WASCAL. Im Herbst 2023 hatten sich die Staatspräsidenten beider Länder, S.E. José Maria Neves und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, im OSCM getroffen und ihr Interesse an einer Fortsetzung dieses Weges zum Ausdruck gebracht.

Dass sich der kapverdische Präsident nun persönlich ein Bild von der Expedition gemacht hat, unterstreicht den hohen Stellenwert der gemeinsamen Arbeit für den Schutz und das Verständnis des Ozeans.

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news-9836 Mon, 14 Apr 2025 11:00:00 +0200 Stoffflüsse in der Arktis vor tiefgreifenden Veränderungen durch den Klimawandel /news/article/stofffluesse-in-der-arktis-vor-tiefgreifenden-veraenderungen-durch-den-klimawandel 14.04.2025/Kiel. Wie gelangen Stoffe aus sibirischen Flüssen in den Arktischen Ozean – und was bedeutet das für die Ökosysteme im hohen Norden? Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Universität Bristol hat diese Frage nun in einer in Nature Communications veröffentlichten Studie beantwortet. Die Untersuchung basiert auf Daten der MOSAiC-Expedition, der bislang größten Arktis-Expedition, und offenbart: Die Transpolardrift, eine wichtige arktische Oberflächenströmung, ist räumlich und zeitlich weitaus variabler als bislang gedacht – mit direkten Folgen für den Transport von Nährstoffen, Mikroplastik und anderen Schadstoffen. An der Studie beteiligt waren unter anderem die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), das Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Die Transpolardrift, eine großräumige Meeresströmung, ist ein wichtiger Transportweg für Süßwasser und terrestrische Stoffe im Arktischen Ozean. Die Oberflächenströmung prägt nicht nur die polaren Ökosysteme, sondern beeinflusst auch die globale Ozeanzirkulation. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Universität Bristol hat nun gemeinsam mit internationalen Partnern, darunter die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und das Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, bisher unbekannte Einblicke in die Transportwege geliefert, über die beispielsweise Nähr- oder Schadstoffe aus sibirischen Flüssen in die Arktis gelangen. Die Ergebnisse, die heute [14.4.2025] in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurden, wecken neue Besorgnis über die zunehmende Ausbreitung von Schadstoffen und deren mögliche Folgen für die empfindlichen Ökosysteme der Arktis angesichts des fortschreitenden Klimawandels.

Neue Erkenntnisse aus der bisher größten Arktis-Expedition

Die neue Studie basiert auf den Ergebnissen der MOSAiC-Expedition – der bisher größten Arktis-Expedition, bei der das deutsche Forschungsschiff POLARSTERN ein Jahr lang eingefroren im Meereis driftete. Die Forschenden liefern das bislang präziseste Bild davon, wie die sogenannte Transpolardrift funktioniert und welche verschiedenen Faktoren diese wichtige arktische Oberflächenströmung beeinflussen – darunter auch steigende Temperaturen, die die Verbreitung von Schadstoffen zusätzlich verstärken könnten. Der arktische Stofftransport beeinflusst sowohl die Verteilung von natürlichen Stoffen wie Nährstoffe, Spurenelemente, Gase und organisches Material als auch von anthropogenen Schadstoffen wie Mikroplastik oder Schwermetalle. Diese gelangen aus den sibirischen Flusssystemen in den zentralen Arktischen Ozean und weiter in den Nordatlantik. Alle diese Stoffe beeinflussen die biogeochemischen Prozesse und Ökosysteme in der Arktis, während das Süßwasser selbst die Ozeanzirkulation verändert.

Transportwege variabler als bisher angenommen

Da der Arktische Ozean ein besonders variables System ist, folgen die Stoffe aus den Flüssen keinem einheitlichen Pfad. Stattdessen nehmen sie unterschiedliche, jahreszeitlich variierende Wege, die durch sich ändernden Schelfbedingungen, ѱٰöܲԲ und der Bildung, Drift und dem Abschmelzen von Meereis bestimmt werden. Dies führt zu einer raschen und weiträumigen Umverteilung sowohl von natürlichen Stoffen als auch von schädlichen Substanzen. „Wir haben deutliche Veränderungen in der Zusammensetzung des sibirischen Flusswassers entlang der Transpolardrift beobachtet – ein klarer Hinweis auf hochdynamische Wechselwirkungen. Saisonale Schwankungen der Flusseinträge und die dynamische Zirkulation auf dem sibirischen Schelf treiben die Variabilität an der Ozeanoberfläche an, während die Wechselwirkung zwischen Meereis und Ozean die Umverteilung der von den Flüssen transportierten Stoffe noch verstärkt,“ erklärt Erstautor Dr. Georgi Laukert, Marie-Curie-Postdoktorand für Chemische Ozeanographie an der Universität Bristol (UK) und der Woods Hole Oceanographic Institution (USA).

„Eine weitere zentrale Erkenntnis ist die zunehmend aktive Rolle des Meereises, das sich entlang der Transpolardrift bildet – nicht nur als passives Transportmittel, sondern als aktiver Gestalter der Stoffumverteilung. Dieses Meereis nimmt während seines Wachstums – anders als das meiste küstennahe Meereis – Material aus mehreren Flüssen auf und bildet so komplexe Stoffmischungen, die über weite Strecken transportiert werden,“ so Laukert, der nach seiner Promotion an der Uni Kiel als Postdoktorand am Ƶ Helmholz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und an der Dalhousie University (Kanada) geforscht hatte.

Geochemischer Fingerabdruck ermöglicht Rückverfolgung von Stoffflüssen

Um diese komplexen Transportwege zu entschlüsseln, analysierte das internationale Forschungsteam die Isotope von Sauerstoff und Neodym und Seltenen Erden in Proben von Meerwasser, Meereis und Schnee und erstellte daraus einen geochemischen Datensatz. Dieser geochemische „Fingerabdruck“ ermöglichte es den Forschenden, die Herkunft der in den Flüssen transportierten Stoffe zurückzuverfolgen und deren Entwicklung im Laufe eines Jahres im zentralen Arktischen Ozean zu rekonstruieren.

„Die Ergebnisse stellen eine bislang einzigartige Ganzjahresbeobachtung dar. Zuvor hatten wir nur Sommerdaten, da Expeditionen ins Wintereis zu aufwendig und zu zeitintensiv waren. Diese kontinuierlichen, interdisziplinären Daten aus der Arktis liefern entscheidende Erkenntnisse, die unser Verständnis des hochkomplexen Ozeansystems und seiner zukünftigen Entwicklung erheblich erweitern,“ sagt Co-Autorin Dr. Dorothea Bauch von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

Da sich das sommerliche Meereis aufgrund steigender Temperaturen weiter zurückzieht, verändern sich auch die Zirkulations- und Driftmuster zunehmend. „Diese Veränderungen könnten die Verteilung von Süßwasser und Flussmaterial in der Arktis grundlegend beeinflussen – mit weitreichenden Folgen für Ökosysteme, biogeochemische Kreisläufe und die Dynamik der Ozeane,“ ergänzt Co-Autor Prof. Dr. Benjamin Rabe vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) und Honorarprofessor an der Hochschule Bremerhaven.

Transpolardrift nicht so stabil wie angenommen

Die Forschungsergebnisse stellen auch die langjährige Annahme in Frage, dass die Transpolardrift ein stabiles ‚Förderband‘ für Flusswasser ist. Zwar wurde sie bereits von Fridtjof Nansen auf seiner legendären Fram-Expedition in den 1890er Jahren beschrieben, doch mehr als 130 Jahre später zeigen die neuen Erkenntnisse, dass die Transpolardrift räumlich und zeitlich sehr variabel ist.

„Unsere Studie befasst sich zwar nicht mit einzelnen Schadstoffen, beleuchtet aber die zugrundeliegenden Transportmechanismen, ein entscheidender Schritt, um vorherzusagen, wie sich der arktische Stofftransport im Zuge der globalen Erwärmung verändern wird. Wenn selbst diese symbolträchtige Strömung so dynamisch ist, dann könnte der gesamte Arktische Ozean deutlich variabler und anfälliger sein als bisher angenommen,“ resümiert Dr. Laukert.

Publikation:

Laukert, G., Bauch, D., Rabe, B., Krumpen, T., Damm, E., Kienast, M. Hathorne, E., Vredenborg, M., Tippenhauer, S., Andersen, N., Meyer, H., Mellat, M., D’Angelo, A., Simoes Pereira, P., Nomura, D., Horner, T.J., Hendry, K., Kienast, S. (2025). Dynamic ice–ocean pathways along the Transpolar Drift amplify the dispersal of Siberian matter. Nature Communications, 16, 3172.

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news-9828 Fri, 11 Apr 2025 14:00:00 +0200 Tiefsee bewahren und nutzen: Forschende fordern mehr Wissen für nachhaltiges Management /news/article/tiefsee-bewahren-und-nutzen-forschende-fordern-mehr-wissen-fuer-nachhaltiges-management 11.04.2025/Brüssel/Kiel. Unter der Leitung von Professorin Dr. Sylvia Sander vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel hat eine Gruppe von international führenden Meereswissenschaftler:innen ein Future Science Brief zum Thema Tiefseeforschung öڴڱԳٱ. Der Bericht bietet eine umfassende Analyse der aktuellen Forschung und gibt Empfehlungen, wie sowohl die Erforschung als auch das Management der Tiefsee in Zukunft nachhaltiger gestaltet werden können. Die Wissenschaftler:innen warnen: Ohne umfassendes Wissen über Ökosystemprozesse und Artenvielfalt sind fundierte Entscheidungen zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der Tiefsee nicht möglich. Jetzt fordern sie gezielte Forschung, um diese Wissenslücken zu schließen und die Tiefsee langfristig zu bewahren. Der Bericht richtet sich an Zielgruppen aus Politik, Wissenschaft und Forschung sowie internationale Organisationen und wird heute digital vorgestellt. Wo beginnt die Tiefsee? Die Definition ist in der Wissenschaft und auch rechtlich durchaus nicht einheitlich. Für ihre gemeinsame Analyse des Stands der Tiefseeforschung haben sich die Mitglieder der Arbeitsgruppe „Deep Sea and Ocean Health“ des European Marine Board (EMB) auf eine Tiefe  ab 200 Metern geeinigt. Ab dieser Tiefe dringt kaum noch Sonnenlicht durch das Wasser, und der Lebensraum verändert sich gravierend. Nach dieser Definition macht die Tiefsee rund 90 Prozent des Volumens des Ozeans aus. Ihre Bedeutung für die Ökosysteme und die biologische Vielfalt ist also immens. Doch derzeit wächst der Druck auf diese zum Teil noch relativ unberührten Lebensräume unseres Planeten: Menschliche Aktivitäten wie Ölförderung, Fischerei und der potenzielle Bergbau am Meeresboden bedrohen die Ökosysteme der Tiefsee, und auch der Klimawandel wirkt sich negativ aus.

Die Arbeitsgruppe aus 11 Wissenschaftler:innen hat nun ihre Analyse zum Thema Tiefsee und Ozeangesundheit mit zehn Empfehlungen vorgelegt. Unter der Leitung von Prof. Dr. Sylvia Sander, Professorin für Marine Mineralische Rohstoffe am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung und Dr. Christian Tamburini vom Mediterranean Institute of Oceanography (MIO) erarbeiteten sie den Bericht, der heute vom EMB im Rahmen eines Webinars vorgestellt wird. Das Dokument unterstreicht unter anderem die Notwendigkeit erheblicher Investitionen in die Tiefseeforschung, um Wissenslücken zu schließen und Informationen für wissenschaftlich fundierte Entscheidungen beispielsweise über Tiefseebergbau bereitzustellen.

„Der Ozean ist ein zusammenhängendes System, das von der Küste bis in die tiefsten Tiefen reicht“, betont Sylvia Sander, „und selbstverständlich kann die Tiefsee nicht losgelöst von der photischen – der lichtdurchfluteten – Zone oder dem Meeresboden betrachtet werden.“ Daher seien Tiefseeforschung, -nutzung und -schutz untrennbar mit der Ozeangesundheit verbunden.

Zehn Empfehlungen für nachhaltigen Tiefseeschutz und bessere Zusammenarbeit:

Die Arbeitsgruppe fordert zehn zentrale Maßnahmen für den nachhaltigen Schutz der Tiefsee:

  1. Effektive Regulierung menschlicher Aktivitäten
  2. Einrichtung eines internationalen Komitees für Tiefsee-Nachhaltigkeit
  3. Entwicklung standardisierter Methoden zur Umweltverträglichkeitsprüfung
  4. Förderung transdisziplinärer Forschungsprogramme
  5. Investition in langfristige Tiefsee-Monitoring-Projekte
  6. Vertiefung des Verständnisses globaler Tiefseeprozesse durch groß angelegte, interdisziplinäre Langzeitforschungsprojekte
  7. Forschungsförderung in Bereichen wie Genomsequenzierung und biogeochemischer Prozesse
  8. Aufbau globaler Kapazitäten für Tiefseeforschung
  9. Technologietransfer in unterrepräsentierte Regionen
  10. Implementierung der FAIR-Prinzipien für Tiefsee-Daten

Die Tiefsee: Unverzichtbare Ökosysteme für das Leben auf der Erde

Dass in den dunklen, kalten Tiefen des Meeres, wo extrem hoher Druck herrscht, überhaupt Leben existieren könnte, wurde bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bezweifelt, als mit dem Beginn der Tiefseeforschung zum ersten Mal dort lebende Organismen entdeckt wurden. Heute weiß die Forschung, dass die Tiefsee eine große Vielfalt an Lebensformen birgt. An Kontinentalhängen, auf den abyssalen Tiefebenen oder an Hydrothermalquellen, den sogenannten Schwarzen Rauchern, gibt es komplexe Ökosysteme, über die noch wenig bekannt ist.

Wissenslücken: Vieles ist noch unerforscht

Schätzungsweise 90 Prozent aller Organismen in der Tiefsee sind noch nicht beschrieben und ihre Funktionen innerhalb des Ökosystems unbekannt. Auch in der physikalischen Ozeanographie gibt es große Lücken, etwa bei der Modellierung von Tiefenströmungen, die entscheidend für den Transport von Nähr- und Schadstoffen sind. In der Geochemie ist unklar, wie biogeochemische Kreisläufe in der Tiefsee durch menschliche Eingriffe wie Tiefseebergbau beeinflusst werden. So ist beispielsweise noch wenig darüber bekannt, wie Sedimentwolken, die durch den Abbau von Manganknollen entstünden, sich ausbreiten und welche langfristigen Folgen sie für die Lebensgemeinschaften am Meeresboden hätten. Schließlich gibt es auch technische Herausforderungen: Viele moderne Sensoren und Monitoring-Systeme sind für extreme Tiefen unzureichend entwickelt, was die Erfassung wichtiger Parameter erschwert. Diese Wissenslücken müssten dringend geschlossen werden, um wissenschaftlich fundierte Entscheidungen für die Tiefseebewirtschaftung zu ermöglichen, mahnen die Wissenschaftler:innen an.

Die Herausforderung: Bedrohung der Tiefsee durch menschliche Aktivitäten

Was wir allerdings gesichert wissen: Der Ozean, dessen größten Teil die Tiefsee ausmacht, speichert große Mengen CO₂ und Wärme, was zur Minderung des Klimawandels beiträgt, er spielt eine Schlüsselrolle im globalen Kohlenstoffkreislauf und produziert als „Lunge des Planeten“ mehr als 50 Prozent des Sauerstoffs. Störungen in diesen Funktionen könnten gravierende globale Folgen haben. Um den Erhalt dieser Ökosystemdienstleistungen zu sichern, sind fundierte Schutzmaßnahmen und nachhaltige Nutzungsstrategien dringend erforderlich.

Denn die Auswirkungen menschlichen Handelns beeinträchtigen die Tiefsee in vielfacher Hinsicht. Veränderungen, die in menschlichen Zeitskalen schon nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wie Erwärmung, Versauerung und Sauerstoffmangel bedrohen die sensiblen Lebensräume. Gleichzeitig gefährdet die Übernutzung von Fischbeständen und nicht erneuerbarer Ressourcen wie Öl, Gas und Mineralien die Biodiversität und Ökosystemfunktionen. 

Dringender Handlungsbedarf für die Ozeangesundheit

2025 sei ein entscheidendes Jahr, um Maßnahmen für die Gesundheit des Ozeans zu ergreifen, sind sich die Wissenschaftler:innen einig: Es sei entscheidend, den Kampf gegen den Klimawandel jetzt wirksam  anzugehen, um die angestrebten Netto-Null-Emissionen bis 2050 zu erreichen. Sylvia Sander: „Der Klimawandel ist eine der besorgniserregendsten Bedrohungen für unsere Lebensgrundlagen und das Leben auf der Erde überhaupt. Zusammen mit dem Verlust der Artenvielfalt könnte er in naher Zukunft zu erheblichen und irreversiblen Störungen des gesamten Ozeans, einschließlich der Tiefsee und den von Schnee und Eis bedeckten Teilen der Erde führen.“

Die Rolle der EU: Wie Europa den Schutz der Tiefsee vorantreiben kann

Die Arbeitsgruppe betont, dass Europa eine führende Rolle beim internationalen Schutz und der nachhaltigen Bewirtschaftung der Tiefsee übernehmen sollte, insbesondere im Rahmen bestehender internationaler Abkommen.

„Die EU könnte bei den internationalen Bemühungen um eine bessere Regelung der Tiefseeaktivitäten eine wichtige Rolle spielen“, sagt Sylvia Sander, „dafür braucht es die Einrichtung wissenschaftlicher Ausschüsse für den Tiefseeschutz und die Entwicklung standardisierter Folgenabschätzungen.“

Außerdem fordern die Forschenden eine gesicherte Finanzierung transdisziplinärer Forschung und langfristiger Überwachung. Sylvia Sander: „Wir müssen besser verstehen, wie es dem Ozean geht, um die Tiefsee zu schützen und nachhaltig zu nutzen – wo zeigen sich Veränderungen?“ Dafür brauche es mehr Forschung und Technik. „Außerdem müssen wir unterrepräsentierte Nationen in der Tiefseeforschung mehr unterstützen und die Wissenschaft als Menschenrecht anerkennen. Nur so können wir die Gesundheit des Ozeans und des Planeten für künftige Generationen sichern.“

 

Publikation: 

Sander, S. G., Tamburini, C., Gollner, S., Guilloux, B., Pape, E., Hoving, H. J., Leroux, R., Rovere, M., Semedo, M., Danovaro, R., Narayanaswamy, B. E. (2025) Deep Sea Research and Management Needs. Muñiz Piniella, A., Kellett, P., Alexander, B., Rodriguez Perez, A., Bayo Ruiz, F., Teodosio, M. C., Heymans, J. J. [Eds.] Future Science Brief N°. 12 of the European Marine Board, Ostend, Belgium.

Hintergrund: European Marine Board

Das European Marine Board (EMB) ist ein Zusammenschluss von 38 Organisationen aus 19 europäischen Ländern, die sich für die Meeresforschung engagieren. Es wurde 1995 gegründet, um die Zusammenarbeit in der europäischen Meereswissenschaft zu stärken und gemeinsame Forschungsstrategien zu entwickeln. Das EMB dient als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik, unterstützt den Wissensaustausch und gibt Empfehlungen an nationale Behörden und die Europäische Kommission, um die Meeresforschung in Europa voranzubringen. Zu den Mitgliedern gehören führende ozeanografische Institute, Forschungsförderer und Universitäten mit marinem Schwerpunkt.

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news-9830 Fri, 11 Apr 2025 11:00:00 +0200 CO2-Entnahme und -Speicherung: Welche Verfahren sind sinnvoll und wünschenswert? /news/article/co2-entnahme-und-speicherung-welche-verfahren-sind-sinnvoll-und-wuenschenswert 11.04.2025/Kiel. Mit zunehmendem Klimawandel steigt der Druck auf die Menschheit, der Atmosphäre gezielt Kohlendioxid (CO2) zu entnehmen – möglicherweise auch mithilfe des Meeres. Doch welche der diskutierten meeresbasierten Verfahren zur CO2-Entnahme und -Speicherung sollten tatsächlich eingesetzt werden? Wissenschaftler:innen der Forschungsmission CDRmare haben einen neuen Bewertungsleitfaden entwickelt, der Verantwortliche in die Lage versetzt, faktenbasiert zu entscheiden, ob eine ausgewählte marine Entnahmemethode oder ein konkretes Entnahmeprojekt umgesetzt werden können und ob ihre Folgen für Mensch und Natur wünschenswert sind. Damit unterstreichen die Forschenden, dass bei Entscheidungen über den Einsatz solcher Verfahren nicht ausschließlich deren technische, rechtliche und politische Machbarkeit im Fokus stehen darf, sondern auch die möglichen Folgen eines Einsatzes für Mensch und Natur auf strukturierte und einheitliche Weise bewertet werden müssen. Bewertungsleitfäden für Klimaschutzmaßnahmen werden von Fachleuten entwickelt und eingesetzt, um im Rahmen einer Technologiebewertung alle relevanten Informationen zu sammeln, zu strukturieren und zu gewichten. Diese Aufgabe erfüllen existierende Bewertungsschemata für Klimaschutzmaßnahmen wie etwa solche zur CO2-Entnahme und -Speicherung jedoch nur unzureichend, urteilen Expert:innen der Forschungsmission CDRmare in zwei neuen Fachpublikationen.

„Für die Frage, ob und wie ein CO2-Entnahmeverfahren umgesetzt werden sollte, sind sowohl seine Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit relevant als auch seine Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Mit den bislang bekannten Schemata lässt sich diese Frage aber nicht systematisch betrachten,“ sagt Prof. Dr. Christian Baatz, Klima- und Umweltethiker an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und Co-Autor der beiden neuen Fachartikel. „Wir zeigen jetzt, wie es besser geht und stellen Akteuren einen strukturierten Leitfaden für die Bewertung mariner CO2-Entnahmeprojekte zur Verfügung. Mit ihm können sie alle zentralen Themenaspekte bearbeiten und am Ende faktenbasiert entscheiden.“

29 Kriterien für eine umfassende Bewertung mariner CO2-Entnahmemethoden

Der neue Leitfaden umfasst 29 Kriterien, mit denen sieben große Themenbereiche beleuchtet werden. Dazu gehören sowohl Fragen zur technischen, rechtlichen und politischen Machbarkeit der zu bewertenden Verfahren als auch Fragen zur Wirtschaftlichkeit, Gerechtigkeit und solche der Umweltethik. Aufgrund dieser Komplexität empfehlen die Forschenden, Fachleute aus der Wissenschaft, der Wirtschaft, der öffentlichen Verwaltung, aus Interessenverbänden sowie aus gegebenenfalls betroffenen Bevölkerungsgruppen in den Bewertungsprozess einzubinden. Diesem Grundsatz folgend, hatten die Wissenschaftler:innen die Praxistauglichkeit des neuen Bewertungsleitfadens in einer Reihe transdisziplinärer Workshops überprüft, an denen zahlreiche Vertreter:innen aus Behörden und Interessenverbänden teilnahmen.

„Wie unsere Erfahrungen aus den Testläufen des neuen Leitfadens zeigen, sollte niemand allein versuchen, eine marine CO2-Entnahmemethode oder ein konkretes Entnahmeprojekt zu bewerten. Aufgrund der hohen Komplexität des Themas braucht es immer die Expertise vieler“, betont Ko-Autor Dr. Lukas Tank, ebenfalls Klima- und Umweltethiker an der CAU.

Im Idealfall machbar und wünschenswert

Neben dem Kriterienkatalog haben die Forschenden fünf Leitprinzipien definiert, die dazu beitragen sollen, dass im Zuge des Bewertungsverfahrens Informationen mit bestmöglicher Qualität zusammengetragen werden. Diese Leitprinzipien zielen darauf ab, das Verfahren transparent zu gestalten und alle möglicherweise von der Maßnahme betroffenen Parteien an dem Bewertungsverfahren zu beteiligen.

„Final zu entscheiden, ob ein konkretes marines CO2-Entnahmeprojekt umgesetzt werden soll, bleibt den politisch und gesellschaftlich Verantwortlichen vorbehalten. Im besten Fall entscheiden sich diese für wirksame Projekte und Methoden, die sowohl technisch, rechtlich und politisch machbar sind als auch wirtschaftlich, gerecht und umweltverträglich. Dabei kann unser Bewertungsrahmen unterstützen“, sagt Prof. Dr. Gregor Rehder, Chemiker am Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW). Auch er war als Autor an beiden Fachartikeln beteiligt und hat zudem den CDRmare-Forschungsverbund ASMASYS geleitet, unter dessen Schirm die Forschungsarbeiten zu beiden Publikationen stattgefunden haben.

 

Hintergrund: CDRmare

CDRmare ist eine Forschungsmission der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM). Ihr Langtitel lautet „Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung“. Die Mission startete im Sommer 2021 mit sechs Forschungsverbünden, die vielversprechende Methoden der marinen CO2-Entnahme und -Speicherung (Alkalinisierung, Ausweitung vegetationsreicher Küstenökosysteme, künstlicher Auftrieb, CCS) hinsichtlich ihrer Potenziale, Risiken und Wechselwirkungen untersuchen und in einem transdisziplinären Bewertungsrahmen zusammenführen.

Im August 2024 ist CDRmare mit fünf Forschungsverbünden in die zweite dreijährige Förderphase gestartet. Gefördert wird CDRmare vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und den Wissenschaftsressorts der norddeutschen Bundesländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Publikationen:

Tank, Lukas; Lieske Voget-Kleschin, Matthias Garschagen, Miranda Boettcher, Nadine Mengis, Antonia Holland-Cunz, Gregor Rehder & Christian Baatz (2025): Distinguish Between Feasibility and Desirability When Assessing Climate Response Options, NPJ Climate Action, DOI: 10.1038/s44168-025-00237-2

Christian Baatz, Lukas Tank, Lena-Katharina Bednarz, Miranda Boettcher, Teresa Maria Morganti, Lieske Voget- Kleschin, Tony Cabus, Erik van Doorn, Tabea Dorndorf, Felix Havermann, Wanda Holzhüter, David Peter Keller, Matthias Kreuzburg, Nele Matz-Lück, Nadine Mengis, Christine Merk, Yiannis Moustakis, Julia Pongratz, Hendrikje Wehnert, Wanxuan Yao and Gregor Rehder (2025): A holistic assessment framework for marine carbon dioxide removal options. Environmental Research Letters, DOI: 10.1088/1748-9326/adc93f

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news-9815 Thu, 03 Apr 2025 09:57:22 +0200 CO2-Speicherung unter der deutschen Nordsee? Forschungsverbund GEOSTOR legt Zwischenbericht vor /news/article/co2-speicherung-unter-der-deutschen-nordsee-forschungsverbund-geostor-legt-zwischenbericht-vor 03.04.2025/Kiel. Abgeschiedenes Kohlendioxid (CO2) kann tief unter der deutschen Nordsee gespeichert werden. Aufgrund der begrenzten Kapazitäten und möglicher Umweltrisiken sollte dort aber nur jene CO2-Restmenge deponiert werden, deren Entstehung sich trotz konsequenter Klimapolitik nicht vermeiden lässt. Das ist die Kernaussage eines ausführlichen Zwischenberichtes, den Wissenschaftler:innen des Forschungsverbundes zur CO2-Speicherung in Sandsteinformationen unter der deutschen Nordsee (GEOSTOR) heute veröffentlicht haben. Darin stellen sie die Ergebnisse aus den ersten drei Jahren Forschung zu den Potenzialen und Risiken einer CO2-Speicherung unter der deutschen Nordsee vor und erläutern, welche Hürden und Unsicherheiten noch beseitigt werden müssen, bevor CO2 im Nordsee-Untergrund verpresst werden könnte. GEOSTOR ist Teil der Forschungsmission CDRmare der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM). „Die wesentlichen Herausforderungen liegen aktuell darin, Vorkehrungen zu treffen, mit denen Leckagen aus dem Speichergestein vermieden werden können. Zudem gilt es, den Lärm bei Arbeiten wie der Speichererkundung und -überwachung zu minimieren sowie Lösungen für die absehbaren Nutzungskonflikte, beispielsweise Windkraftanlagen, zu finden und diese in der Meeresraumplanung zu berücksichtigen“, erläutert GEOSTOR-Koordinator Prof. Dr. Klaus Wallmann vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Außerdem muss der nationale Rechtsrahmen aktualisiert werden, um die CO2-Speicherung in der deutschen Nordsee seewärts der Küstengebiete zu ermöglichen. Entsprechende Pläne werden aktuell im Rahmen der Koalitionsgespräche in Berlin diskutiert.

Ausführliche Informationen zur geologischen CO2-Speicherung

An dem neuen Zwischenbericht haben insgesamt 36 Expert:innen aus acht Forschungs- und Partnerinstitutionen des GEOSTOR-Verbundes mitgearbeitet. Ihr Ziel war es, die Forschungsmethoden und -ergebnisse aus dem Zeitraum 2021 bis 2024 für Fachleute, politisch Verantwortliche und interessierte Bürger:innen aufzubereiten.

„Die Idee, Kohlendioxid in großen Mengen unter der Nordsee zu speichern, wird in der deutschen Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Um so wichtiger ist es für uns als Forschungsverbund, unsere Ergebnisse transparent und nachvollziehbar zu kommunizieren. Aus diesem Grund haben wir diesen Bericht in deutscher Sprache geschrieben und in der Einführung alle Kernergebnisse in leicht verständlicher Form zusammengefasst“, sagt Klaus Wallmann.

Von Speicherkapazitäten, Risiken, Nutzungskonflikten und möglichen Lösungen

Der Zwischenbericht umfasst 15 Kapitel, in denen die Autor:innen auf die verschiedenen Themenaspekte einer geologischen CO2-Speicherung eingehen: angefangen bei den statischen und dynamischen Speicherkapazitäten, über mögliche Risiken für die Meeresumwelt und Offshore-Windanlagen bis hin zu neu entwickelten Überwachungssystemen, möglichen Kosten ausgewählter Speicherprojekte, notwendigen Gesetzesänderungen sowie den absehbaren Konflikten, die es zu lösen gilt, wenn unter der schon jetzt intensiv genutzten Nordsee CO2 gespeichert werden soll. 

Der Bericht kann kostenlos unter heruntergeladen werden.

 

Hintergrund:

CDRmare ist eine Forschungsmission der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM). Ihr Langtitel lautet: »Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung«. Die Mission startete im Sommer 2021 mit sechs Forschungsverbünden, die vielversprechende Methoden der marinen CO2-Entnahme und -Speicherung (Alkalinisierung, Ausweitung vegetationsreicher Küstenökosysteme, Künstlicher Auftrieb, CCS) hinsichtlich ihres Potenzials, ihrer Risiken und Wechselwirkungen untersuchen und in einem transdisziplinären Bewertungsrahmen zusammenführen. Im August 2024 ist CDRmare mit fünf Forschungsverbünden in die zweite dreijährige Förderphase gestartet. Gefördert wird CDRmare vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und den Wissenschaftsressorts der norddeutschen Bundesländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein.

Publikation:

Wallmann, K. und das GEOSTOR-Konsortium: CO2-Speicherung unter der deutschen Nordsee? Ergebnisse aus drei Jahren Forschung, pp. 1-142, DOI 10.3289/CDRmare.49

Kontakt:

Sina Löschke, Pressereferentin CDRmare, Tel: 02353 70 71 527; media@cdrmare.de

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Ƶ News Aktuelles 2025 Presse 2025 Top_Slider FB2News Kohlenstoffspeicherung im Ozean Marine Ressourcen
news-9812 Wed, 02 Apr 2025 10:33:04 +0200 Kreativität und Meeresschutz: Alexandra Hahn im Porträt /news/article/kreativitaet-und-meeresschutz-alexandra-hahn-im-portraet Das Ƶ lebt von der Vielfalt der Menschen, die hier forschen, lehren und arbeiten. Unsere Porträtserie stellt in den kommenden Monaten in lockerer Folge Persönlichkeiten vor, die unser Forschungszentrum zu einem so lebendigen Ort der Ozeanforschung machen. Zum Auftakt sprechen wir mit der Doktorandin Alexandra Hahn über ihre Forschung und ihr Engagement an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik beim European Marine Board. Das Gespräch führten Sandy Avrutin und Mathias Zeller vom Postdoc Plus Team. Sie sind Teil des Netzwerks „Staff4Diversity“, in dem die Idee zur Porträtserie entstand. Alexandra Hahn wuchs in einem kleinen Dorf zwischen Frankfurt und Würzburg auf. Nach der Schule verbrachte sie im Rahmen eines Freiwilligendienstes ein Jahr auf Sylt. Eine wunderschöne Zeit sei das gewesen – neben Führungen und Info-Veranstaltungen gehörte es zu ihren Aufgaben, Naturschutzgebiete zu überwachen. Im Grunde sei sie dafür bezahlt worden, am Strand spazieren zu gehen, erzählt sie lachend. Anschließend machte sie ihren Bachelor in Biowissenschaften in Rostock, bevor sie vor viereinhalb Jahren für ihren Master nach Kiel zog. Als Doktorandin arbeitet sie in der Forschungsgruppe Marine Evolutionary Ecology bei Prof. Dr. Thorsten Reusch.

Neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit hat Alexandra eine kreative Ader. Sie spielt Horn im Orchester und zeichnet gerne. Dieses Talent nutzt sie auch für ihre Forschung, denn von den Ruderfußkrebsen, die sie untersucht gibt es kaum gute visuelle Darstellungen, also zeichnet sie sie, was nicht nur schön aussieht, sondern den Zuschauer:innen bei ihren Präsentationen auch besonders gut im Gedächtnis bleibt.

Woran forschst du und wie gehst Du vor? 

Alex: Ich untersuche Copepoden in der Ostsee. Das sind winzige Krebstiere, und ich erforsche ihre Anpassung an unterschiedliche Umweltbedingungen, etwa den Salzgehalt des Wassers. Dazu war ich auf mehreren Expeditionen mit der ALKOR und auch auf einem finnischen Forschungsschiff, um Copepoden zu fangen. Denn ich versuche, möglichst viele Bereiche der Ostsee abzudecken, um den gesamten Salzgehaltsgradienten bis an die finnische Küste einzubeziehen. Danach hältere ich die Copepoden in Kulturräumen, wo ich auch Experimente durchführe.

Dann extrahiere ich DNA und RNA im molekularbiologischen Labor. Ich arbeite mit Transkriptomik, das heißt ich analysiere alle RNA-Moleküle, die zu einem bestimmten Zeitpunkt exprimiert werden. Die RNA ist ja die Transkription der DNA. Damit kann ich herausfinden, welche Gene unter bestimmten Stressbedingungen aktiviert werden. In meinem Fall ist der Stressfaktor ein niedriger Salzgehalt. Im letzten Teil meiner Doktorarbeit werde ich mir dann noch anschauen, wie sich das Genom von Populationen an verschiedenen Standorten unterscheidet. 

Was motiviert Dich?

Alex: Ich will verstehen, wie sich die Copepoden an extreme Umweltbedingungen anpassen, denn die Ostsee ist für eine marine Art ein extremer Lebensraum, weil der Salzgehalt ja sehr niedrig ist und nach Osten hin immer weiter abnimmt. Außerdem möchte ich untersuchen, wie sie durch den Klimawandel beeinflusst werden. Einige Modelle prognostizieren, dass der Salzgehalt in der Ostsee weiter sinken wird. Ich will herausfinden, ob und wie sich das auf die Copepoden auswirken könnte. Das ist eine wichtige Frage, denn Copepoden machen einen großen Teil des Zooplanktons in der Ostsee aus und bilden damit die Basis der Nahrungskette.    

Wie bist Du auf Copepoden als Forschungsgegenstand gekommen?

Alex: Ich war schon immer an Umweltveränderungen und dem Klimawandel interessiert und daran, wie sich diese auf Organismen auswirken. Copepoden waren allerdings nicht von Anfang an mein Schwerpunkt. Erst als ich am Ƶ einen Hiwi-Job bekam, bei dem ich Copepoden nach Arten sortierte, entwickelte sich mein Interesse. Ich habe hier in der Kieler Förde eine Langzeitreihe mit Zooplanktonproben analysiert – jede zweite Woche wurden Proben genommen, und ich habe die Arten bestimmt und erfasst, wann sie auftauchten. Dadurch wurde ich quasi zur „Copepoden-Expertin“. Dann kam ein Juniorprofessor, Reid Brennan, der ebenfalls zu Copepoden forschte, und jemand sagte: „Frag ihn doch mal nach einer Masterarbeit!“ – und das habe ich dann getan. 

Du hast Dich in den vergangenen zwei Jahren als Young Ambassador beim European Marine Board (EMB) engagiert. Warum hast Du Dich für dieses Amt entschieden?

Alex: Ich habe mich beworben, weil mich die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik interessiert. Das EMB wählt jedes Jahr zwei Nachwuchswissenschaftler:innen aus den Mitgliedsorganisationen aus, um als Young Ambassadors die Verbindung zwischen Early Career Researchers (ECRs) und dem EMB zu stärken. Als am Ƶ eine Ausschreibung dafür herumging, habe ich mich spontan beworben – und wurde ausgewählt. 

Was waren Deine Aufgaben als Young Ambassador? 

Alex: Eine unserer Hauptaufgaben war der Aufbau eines Netzwerks für ECRs innerhalb des EMB, das sogenannte EMB ECOP Network. Wir haben regelmäßig Informationen zu aktuellen EMB-Aktivitäten verbreitet, eine Social-Media-Serie gestartet, um Forschende aus unserem Netzwerk sichtbarer zu machen, und monatliche Webinare zur Wissenschaftspolitik organisiert. Ein besonderes Highlight war die Organisation eines Workshops zur Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik – eine riesige Aufgabe mit Reiseorganisation, Vortragsplanung und inhaltlicher Vorbereitung. Das Ganze gipfelte in einer Konferenz, auf der wir Young Ambassadors die Ergebnisse in einer Keynote vor 250 Teilnehmenden präsentiert haben. 

Was nimmst Du mit aus Deiner Zeit beim EMB? 

Alex: Ich habe gelernt, dass es viele Möglichkeiten gibt, sich zu engagieren – aber dass Zeit und Unterstützung oft die größte Hürde sind. Gerade für ECRs ist es nicht immer einfach, sich neben der Forschung für Wissenschaftskommunikation oder Politikberatung einzusetzen. Eine Lösung wäre, solche Aktivitäten schon in Forschungsanträge zu integrieren, sodass es von Anfang an Teil des wissenschaftlichen Werdegangs ist. Insgesamt war es eine großartige Erfahrung, die ich jederzeit wieder machen würde. Das EMB-Sekretariat war unglaublich unterstützend, und ich kann so ein Engagement allen empfehlen, die sich für Wissenschaftspolitik interessieren.

Im Februar haben wir den International Day of Women and Girls in Science gefeiert. Wie findest Du es, dass es einen speziellen Tag für Frauen und Mädchen in der Wissenschaft gibt?

Alex: Eigentlich sollte es nicht nötig sein, weil das Geschlecht in der Karriere keine Rolle spielen sollte. Aber da es das tut, ist es wichtig und richtig, auf diese Ungleichheiten aufmerksam zu machen. 

Was würdest du jungen Mädchen raten, die Forscherinnen werden wollen?

Alex: Lasst euch nicht entmutigen, und sucht euch Frauen in der Wissenschaft, die euch inspirieren. Viele Wissenschaftlerinnen helfen gern weiter – also einfach nachfragen!

 

Hintergrund: European Marine Board (EMB)

Das European Marine Board (EMB) ist ein Think Tank mit 38 Mitgliedsorganisationen aus 19 europäischen Ländern. Auch das Ƶ ist Teil dieses Netzwerks. Ziel des EMB ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse für politische Entscheidungsträger:innen zugänglich zu machen – etwa durch Policy Briefs oder Berichte zu aktuellen Themen der Meereswissenschaften. 

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news-9802 Tue, 01 Apr 2025 12:00:00 +0200 Leinen los für die dritte „schwimmende Universität“ /news/article/leinen-los-fuer-die-dritte-schwimmende-universitaet 01.04.2025/Kiel/Mindelo. Vom subtropischen Mindelo auf den Kapverden sticht heute das deutsche Forschungsschiff POLARSTERN zu einer besonderen Expedition in See. Mit an Bord sind 13 Masterstudierende aus Westafrika, die während der zweiwöchigen Überfahrt nach Bremerhaven Meeresforschung hautnah erleben. Unterstützt werden sie dabei von erfahrenen Wissenschaftler:innen verschiedener Fachrichtungen. „Floating University“ heißt das Projekt, das bereits zum dritten Mal unter der Leitung des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel stattfindet und als Teil der UN-Ozeandekade zur Förderung der nachhaltigen Nutzung und Erforschung des Ozeans beiträgt. Gefördert wird die „schwimmende Universität“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des WASCAL-Programms (West African Science Service Centre on Climate Change and Adapted Land Use). Wie kommen Forschende an Wasserproben aus hunderten oder tausenden Meter Tiefe? Wie können die winzigen Organismen untersucht werden, die die Grundlage der Nahrungsnetze im Meer bilden? Und wie beeinflussen ѱٰöܲԲ diese Ökosysteme? Diese Fragen können 13 Masterstudierende aus dem WASCAL-Programm bald ganz praktisch beantworten. Sie gehen für zwei Wochen auf Expedition mit dem deutschen Forschungsschiff POLARSTERN, das vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung betrieben wird.

„Floating University“ – „schwimmende Universität“ heißt das Projekt, das den schiffspraktischen Teil des Masterstudiengangs „Klimawandel und Meereswissenschaften“ („Climate Change and Marine Sciences“) an der kapverdischen Universidade Técnica do Atlântico (UTA) bildet. Für die Ausbildungsfahrt PS 147/2 wird ein Transit des Schiffes von Mindelo, Cabo Verde, nach Bremerhaven in Deutschland genutzt.

„Die Floating University ist weit mehr als nur eine Ausbildungsfahrt auf See. Sie ist eine intensive Lernerfahrung für alle, die an der Fahrt teilnehmen. Das haben die beiden vorigen Expeditionen gezeigt“, sagt Dr. Björn Fiedler, Meereschemiker am Ƶ und wissenschaftlicher Fahrtleiter der Expedition. „Die Studierenden arbeiten mit modernster Meeresmesstechnik, sammeln und analysieren Daten und erleben hautnah, wie ein internationales Forschungsteam zusammenarbeitet. Diese Erfahrung ist von unschätzbarem Wert für eine wissenschaftliche Karriere in der Ozean- und Klimaforschung.“

Forschung und Lehre auf hoher See

Während der Reise sammeln die Studierenden wertvolle Daten für die internationale Meeresforschung und gleichzeitig auch für ihre eigenen Masterarbeiten. Unterstützt werden sie dabei von einem internationalen Team erfahrener Wissenschaftler:innen aus verschiedenen Fachbereichen. Darunter auch Dr. Corrine Almeida, Professorin für biologische Ozeanographie an der UTA, die den WASCAL-Masterstudiengang als Direktorin leitet: „Nach den vielen Vorlesungen im Hörsaal und Arbeiten im Labor an Land können unsere Studierenden nun endlich selbst praktisch auf See arbeiten. Sie lernen den Umgang mit technischen Geräten und Proben sowie mit den daraus resultierenden Ozeandaten. Diese Erfahrungen sind eine wichtige Voraussetzung für spätere Aufgaben in Forschung, Industrie oder Politik in ihren jeweiligen Heimatländern.“

Die Studierenden nutzen beispielsweise hydroakustische Systeme, um mit Hilfe von Schall ein detailliertes Bild der Verteilung von Fischen im Meer zu erhalten. Mit Netzen werden Kleinlebewesen gefangen und analysiert. Gleichzeitig messen Sensoren an Bord rund um die Uhr den Kohlendioxid- und Sauerstoffgehalt des Wassers. Diese Daten sind nicht nur wichtig, um zu verstehen, wie der Ozean als Klimapuffer funktioniert, sondern auch, welche Auswirkungen der Klimawandel auf das Ökosystem Meer hat.

Mithilfe des PAMOS-Messgerätes wird die Luftzusammensetzung analysiert, und die Studierenden können verfolgen, wie sich Aerosole und Spurengase entlang der Route verändern – ein sichtbarer Beleg für den Einfluss von Industrie, Schifffahrt und natürlichen Quellen wie Saharastaub.

Ein Höhepunkt ist der Stopp an zwei wichtigen Langzeit-Messstationen im Ozean: dem Cabo Verde Ocean Observatory (CVOO) und der European Time Series Oceanographic Station of the Canary Islands (ESTOC) nahe den Kanarischen Inseln. Hier helfen die Studierenden, physikalische, biogeochemische und biologische Daten zu sammeln, um die langfristigen Veränderungen im Ozean zu dokumentieren. Während der Reise werden sie auch einen Argo-Tiefendrifter aussetzen – ein autonomes Messgerät, das jahrelang Temperatur-, Salzgehalts- und Strömungsdaten aus großen Tiefen liefert. Selbst lange nach der Expedition können sie so online nachverfolgen, welche Daten „ihr“ Drifter noch sendet.

Die eigene Forschung verständlich erklären

Die Studierenden lernen während der Fahrt auch, ihre Ergebnisse nicht nur für die Fachwelt, sondern auch für ein breiteres Publikum verständlich aufzubereiten. Und da sie das schon an Bord tun, können Interessierte die Expedition aus der Ferne mitverfolgen.

Neben der theoretischen und praktischen Arbeit ist Zeit für den Austausch eingeplant, für Gespräche über Karrierewege, die Masterarbeiten und Heimatländer der Studierenden.

„Die Floating University gehört für Viele zu den eindrücklichsten und unvergesslichen Erfahrungen ihres Studiums“, weiß Fiedler, „auf See werden die vom Menschen verursachten Probleme im Ozean sichtbar und begreifbar.“ Eine Erfahrung, die die angehenden westafrikanischen Meeres- und Klimawissenschaftler:innen mitnehmen, wenn sie sich künftig den drängenden Fragen des Klimawandels und des Meeresschutzes stellen.

 

Expedition auf einen Blick:

Name: PS147/2 (WASCAL III) „Floating University“

Dauer: 01.04.2025 - 14.04.2025

Fahrtleitung: Dr. Björn Fiedler

Start: Mindelo (Cabo Verde)

Ziel: Bremerhaven

 

Hintergrund:

Beteiligte Institutionen

Neben Teilnehmenden von Ƶ und UTA sind Wissenschaftler:innen des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), des Thünen-Instituts für Fischereiökologie, des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven, der Syddansk Universitet (SDU) im dänischen Odense und des Centre de Recherche Océanographique de Dakar Thiaroye (CRODT-ISRA) aus Senegal dabei. Außer den WASCAL-Studierenden nimmt außerdem eine Masterstudierende im Fach Seerecht von der Universität Utrecht sowie ein Schüler vom Johannes-Althusius-Gymnasium in Emden teil.

Insgesamt sind Teilnehmer:innen aus 15 Nationen mit fünf verschiedenen Muttersprachen vertreten.

Seminar in Kiel

Nach Abschluss der Fahrt geht es vom 14.-16. April für die Studierenden zu einem zweitägigen Nachbereitungsseminar nach Kiel ans Ƶ. Dort treffen sie weitere Nachwuchswissen­schaftler:innen des Programms „Foster Young Ocean Researcher Development“ (FYORD), dem Nachwuchsförderprogramm von Kiel Marine Science an der Christian-Albrechts-Universität Kiel (CAU) und des Ƶ, das insbesondere auch die Zusammenarbeit mit internationalen Studierenden aus den  Meereswissenschaften fördert.

WASCAL

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte WASCAL-Programm („West African Science Service Centre on Climate Change and Adapted Land Use“) stärkt die Forschungsinfrastruktur und akademische Ausbildung zu Klimawandel und dessen Auswirkungen in Westafrika. Der zweijährige Masterstudiengang „Klimawandel und Meereswissenschaften“, der von der Universidade Técnica do Atlântico (UTA) in Mindelo koordiniert und vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel eng begleitet wird, vermittelt Studierenden wissenschaftliche Kompetenzen für Forschung, Umweltmanagement und Industrie. Seit 2021 ist das Programm Teil der internationalen „UN-Dekade der Ozeanforschung für nachhaltige Entwicklung“.

Das WASCAL-Alumni-Netzwerk sowie die „Floating University“ leisten auch einen Beitrag zum internationalen Großprojekt FUTURO, das derzeit vom Ƶ vorbereitet wird. FUTURO verfolgt das Ziel, ein nachhaltiges Management des westafrikanischen Meeresökosystems zu entwickeln.

Forschung auf Cabo Verde

Die Kapverdischen Inseln, rund 600 Kilometer vor der senegalesischen Küste gelegen, bilden seit 1981 einen eigenen Staat: die Republik Cabo Verde. Die Region bietet ein einzigartiges Spektrum an wissenschaftlich aktuellen und hoch relevanten Forschungsthemen, bei denen der Ozean meist eine entscheidende Rolle spielt. Gemeinsam mit nationalen und internationalen Partnern forscht das Ƶ seit mehr als 20 Jahren in Cabo Verde und will die Zusammenarbeit in der Region auch in Zukunft weiter ausbauen. Im Jahr 2017 wurde das Ocean Science Centre Mindelo (OSCM), ein regionaler Wissenschafts- und Bildungsstandort, für die internationale Wissenschaftsgemeinschaft eröffnet. Das OSCM wird zu gleichen Teilen vom Ƶ und dem kapverdischen Instituto do Mar (IMar) betrieben.

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news-9804 Thu, 27 Mar 2025 14:10:45 +0100 Neuer Schub für ökosystembasiertes Fischereimanagement /news/article/neuer-schub-fuer-oekosystembasiertes-fischereimanagement 28.03.2025/Kiel. Das Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und das Bundesamt für Naturschutz (BfN) haben eine Kooperationsvereinbarung „AWZFISCH“ unterzeichnet. Damit wird die seit 15 Jahren bestehende Zusammenarbeit beider Institutionen zu einer langfristigen strategischen Partnerschaft ausgebaut. In den kommenden fünf Jahren werden beide Institutionen ihre Kräfte bündeln, um gemeinsam an der Zukunft der Fischbestände im Klimawandel, der nachhaltigen Umsetzung von Fangquoten und der Regulierung von Fischerei in Meeresschutzgebieten zu arbeiten. Die Meere stehen unter Druck, sie leiden unter den Auswirkungen menschlicher Aktivitäten wie der kommerziellen Fischerei, dem Klimawandel und anderen Stressfaktoren wie Eutrophierung und Sauerstoffmangel. Diese Faktoren haben Fischbestände und die Schweinswal-Population (Phocoena phocoena) in der Ostsee an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Diesen Herausforderungen wollen sich das Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und das Bundesamt für Naturschutz (BfN) im Rahmen des Kooperationsvertrages „AWZFISCH“ (Ökosystembasiertes Fischereimanagement in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone) widmen. Das BfN stellt dem Ƶ für die Forschung im Rahmen der Kooperation 2,4 Millionen Euro über die Laufzeit von 5 Jahren zur Verfügung. AWZ steht für „Ausschließliche Wirtschaftszone“ und bezeichnet das Gebiet außerhalb der Hoheitsgewässer bis zu einer Entfernung von 200 Seemeilen vom Festland – der Zuständigkeitsbereich des BfN und das Untersuchungsgebiet der Kooperation.

Förderung von europäischen Lösungen

„Ich hoffe, dass dieses Projekt endlich zu einer europäischen Herangehensweise führt, um die dramatische Überfischung in unseren Meeren zu stoppen“, so Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des Ƶ. „Vorangegangene Projektphasen von AWZFISCH haben bereits international beachtete Publikationen hervorgebracht. Ich freue mich, dass wir die Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Naturschutz nun weiter stärken“.

Die Kooperation trägt dazu bei, international verpflichtende Ziele zum Schutz der biologischen Vielfalt des Meeres und des Klimas zu erreichen. Die regional entwickelten Lösungen für ein ökosystemgerechtes Fischereimanagement sollen anschließend auch auf nationaler sowie auf EU-Ebene und in internationale Projekte eingebracht werden.

Verbesserung von ökosystembasiertem Fischereimanagement

„Große, gesunde Fischbestände und ein nachhaltiges, ökosystemgerechtes Fischereimanagement sind grundlegende Bestimmungen der gemeinsamen Fischereipolitik der EU und damit auch Deutschlands. Diese Bestimmungen sind aber bisher nicht umgesetzt worden“, sagt Dr. Rainer Froese, Meeresökologe und Fischereiwissenschaftler am Ƶ. Froese war maßgeblich an der Entwicklung des neuen Kooperationsvertrags beteiligt. Professor Thorsten Reusch, Projektleiter, ergänzt: "Mit der neuen Vereinbarung wollen wir vor allem die Basis für ökosystembasiertes Management der Fischerei in den deutschen Meeresgebieten schaffen, insbesondere in und um die bestehenden Schutzgebiete.“

Beim ökosystembasierten Fischereimanagement wird die Meeresumwelt im Gesamtkontext betrachtet. So wird nicht nur der Zustand einzelner Fischbestände bewertet, sondern die Wechselwirkung zwischen Arten, ihren Lebensräumen und Umweltfaktoren wie dem Klimawandel und der Wasserqualität. Die Einhaltung der Empfehlungen könnte die Bestände kommerziell relevanter Fischarten und Populationen geschützter Arten, wie die der gefährdeten Schweinswale, wiederherstellen.

Hintergrund: Projekt „AWZFISCH“

Das Projekt „Ökosystembasiertes Fischereimanagement in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone“ (AWZFISCH) wird durch eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem Ƶ und dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) gefördert. Im Rahmen dieser Kooperationsvereinbarung erhält das Ƶ vom BfN für fünf Jahre (bis Januar 2030) Mittel in Höhe von 2,4 Millionen Euro.

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news-9799 Tue, 25 Mar 2025 12:53:08 +0100 Ozeanwirbel als „Foodtrucks“ der Meere /news/article/ozeanwirbel-als-foodtrucks-der-meere 25.03.2025/Kiel. Wie gelangt organische Materie von den produktiven Küstengebieten aufs offene Meer? Eine wichtige Rolle dabei spielen Ozeanwirbel, wie Forschende des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen jetzt zeigen konnten. Die wirbelförmigen Strömungen enthalten große Mengen energiereicher und lebensnotwendiger Fettmoleküle (essenzielle Lipide) und spielen damit eine zentrale Rolle für die Nahrungsketten im Meer und den Kohlenstoffkreislauf. Die Studie ist jetzt in Communications Earth and Environment veröffentlicht worden. Kleinräumige Wirbelbewegungen im Ozean mit einem Durchmesser von etwa 100 Kilometern werden als „mesoskalige Wirbel“ bezeichnet. Sie sind allgegenwärtig im globalen Ozean und spielen eine entscheidende Rolle für die Meeresökosysteme. Insbesondere Wirbel, die sich in den biologisch produktiven küstennahen Auftriebsgebieten bilden, stellen ein wichtiges Transportmittel für Kohlenstoff und Nährstoffe dar: Sie schließen Wassermassen ein und wandern in den offenen Ozean, wo die Produktivität vergleichsweise gering ist. Somit haben sie einen erheblichen Einfluss auf den Nährstoff- und Kohlenstoffkreislauf im Ozean.

Es ist ein langjähriges Ziel von Meeresforscher:innen im Detail zu verstehen, wie das Küstenwasser transportiert wird und die Produktivität im offenen Ozean beeinflusst, vor allem da sich die Wirbelaktivität durch den Klimawandel vermutlich stark verändern wird.

Bisher war zwar bekannt, dass Ozeanwirbel große Mengen an organischem Kohlenstoff und Nährstoffen transportieren, doch deren genaue Zusammensetzung und Nahrungsqualität für Zooplankton und Fische blieben weitgehend unerforscht. Mithilfe hochauflösender Massenspektrometrie konnte nun ein Forschungsteam vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen das Lipidom – die Gesamtheit der Fettmoleküle – in und um einen rotierenden Wirbel bestimmen. Ihre Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift Communications Earth and Environment veröffentlicht worden.

Hochmoderne Analytik enthüllt Lipidvielfalt in Wirbeln

„Diese Wirbel sind quasi die Foodtrucks des Ozeans“, sagt Dr. Kevin Becker, Geochemiker am Ƶ und Erstautor der Studie, „sie transportieren Nährstoffe von den hochproduktiven Auftriebsgebieten vor der Küste in den offenen Ozean, geben sie dort ab und beeinflussen mutmaßlich die biologische Produktivität.“

Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler:innen Proben, die für das am Ƶ koordinierte Projektes REEBUS (Role of Eddies in the Carbon Pump of Eastern Boundary Upwelling Systems) während der Meteor Expedition M156 vor der Küste Mauretaniens (Westafrika) genommen wurden. Dabei konnten fast 1000 verschiedene Lipide identifiziert werden. Lipide können bis zu 20 Prozent des Kohlenstoffs in Phytoplankton ausmachen. Sie sind essenzielle Bestandteile von Zellen und erfüllen als Energiespeicher, Membranbausteine, Signalmoleküle und Elektronentransporter zentrale biologische Funktionen.

Kevin Becker: „Lipide enthalten auch so genannte chemotaxonomische Informationen, die Rückschlüsse auf die Zusammensetzung mikrobieller Gemeinschaften erlauben. Sie verraten uns also über die Chemie, ob sie von Phytoplankton-, Bakterien- und Archaeenarten stammen.“

Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Lipidsignatur innerhalb des Wirbels deutlich vom Umgebungswasser unterscheidet, also  eine spezifische Mikrobengemeinschaft beherbergt. Besonders angereichert waren energiereiche Speicherlipide sowie lebensnotwendige Fettmoleküle (essenzielle Fettsäuren) – Nährstoffe, die von höheren Meeresorganismen wie Zooplankton und Fischen nicht selbst hergestellt werden können und daher über die Nahrung aufgenommen werden müssen.

Hochrechnungen zeigen, dass Küstenwirbel in der Auftriebsregion vor Mauretanien jährlich bis zu 9,7 ± 2,0 Gigagramm (rund 10.000 Tonnen) leicht abbaubaren organischen Kohlenstoffs (labiler Kohlenstoff) in den offenen Ozean transportieren. „Unsere Studie verdeutlicht die zentrale Rolle mesoskaliger Wirbel für den Kohlenstoffkreislauf auf lokaler Ebene und schafft eine Basis für zukünftige Untersuchungen ihrer Bedeutung im globalen Kontext“, sagt Prof. Dr. Anja Engel, Leiterin der Studie und des Forschungsbereichs Marine Biogeochemie am Ƶ .

 

Publikation:

Becker, K.W., Devresse, Q., Prieto-Mollar, X. Hinrichs, K. U., & Engel, A. Mixed-layer lipidomes suggest offshore transport of energy-rich and essential lipids by cyclonic eddies. Commun Earth Environ 6, 179 (2025).

 

 

Hintergrund: REEBUS

Das Forschungsprojekt REEBUS (Role of Eddies in the Carbon Pump of Eastern Boundary Upwelling Systems) wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF Förderkennzeichen 03F0815A) gefördert und am Ƶ koordiniert. Das Ziel des Arbeitspakets 4 unter der Leitung von Prof. Dr. Anja Engel war es, die oberflächennahe Dynamik des organischen Kohlenstoffs im Küstenauftrieb sowie die Rolle von Eddies beim Transport in den angrenzenden offenen Ozean zu verstehen.

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news-9797 Mon, 24 Mar 2025 10:03:04 +0100 Tiefseebiologie vor den Kapverdischen Inseln /news/article/deep-sea-biology-of-the-cape-verde-islands 24.03.2025/Kiel/Mindelo. Dieses Wochenende ist die Expedition M209 „BASIS“ unter der Leitung des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel gestartet. Ein internationales Team untersucht mit dem Forschungsschiff METEOR die weitgehend unerforschte Tiefsee vor den Kapverdischen Inseln. Dafür wird der Meeresboden an Inseln und Unterwasserbergen, sogenannten Seamounts, kartiert sowie die Lebensgemeinschaften und Nahrungsnetze beobachtet, dokumentiert und beprobt – von der Wassersäule bis zum Meeresboden. Dabei kommt auch der Ƶ-Unterwasserroboter ROV KIEL 6000 zum Einsatz, der bis zu 6.000 Meter tief tauchen kann. Der küstennahe Ozean vor den Kapverden besteht zu mehr als 90 Prozent aus Tiefsee (Gewässer, die tiefer als 200 Meter sind) und ist noch weitgehend unerforscht. Ein internationales Forschungsteam ist nun mit dem Forschungsschiff METEOR aufgebrochen, um die biologische Vielfalt, Nahrungsnetze und die Interaktion von Lebewesen in der Wassersäule (mesopelagische Zone), auf dem Meeresboden (benthische Zone) und über dem Meeresboden (benthopleagische Zone) zu untersuchen. „Die Bedingungen vor Santa Antao und den anderen kapverdischen Inseln sind einzigartig. Wir können küstennah arbeiten, profitieren aber trotzdem von den geschützten Bedingungen und können in Tiefsee-Lebensräumen arbeiten, die im offenen Ozean normalerweise schwer zugänglich sind“, erklärt Fahrtleiter und Meeresbiologe Dr. Henk-Jan Hoving vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Die Expedition ist Teil einer Forschungsreihe, die sich auf In-situ-Beobachtung von Tiefseeorganismen rund um die makaronesischen Inseln konzentriert.

Kapverdische Forschende an Bord

An der Expedition nehmen auch drei kapverdische Wissenschaftler:innen mit unterschiedlichen Forschungsschwerpunkten teil: Rui Freitas, Fischexperte mit Interesse an Korallenriffen von der kapverdischen Universidade Técnica de Atlantico (UTA) und Keider Neves, Spezialist für Krustentiere, der zum Ziel hat, neue kapverdische Arten zu beschreiben. Ebenfalls an Bord ist Vanessa Lopes, die während der Expedition Wale und Seevögel untersucht und sich mit der Bewertung des wissenschaftlichen Bedarfs kleiner Inselentwicklungsstaaten beschäftigt. „Die Expedition M209 unterstützt die Datenerfassung und das Lernen über die biologische Vielfalt der Tiefsee in verschiedenen Regionen von Cabo Verde, von denen einige für ein Meeresschutzgebiet vorgeschlagen sind. Darüber hinaus wird der Wissensaustausch und die Weitergabe von Kenntnissen an junge Biologen und Biologinnen aus Cabo Verde unterstützt, die hoffen, die Tiefsee in ihrer Heimat weiter erforschen zu können“, sagt Vanessa Lopes, die an der Universität von Edinburgh promoviert.

Derzeit stehen nur etwa 7,7 Prozent der Gesamtfläche der Ozeane unter Schutz. Cabo Verde ist als Hotspot biologischer Vielfalt bekannt. Ziel von Meeresschutzgebieten ist es, natürliche Lebensräume, eine nachhaltige Bewirtschaftung und die biologische Vielfalt zu erhalten. Mit der Erhebung grundlegender biologischer Daten will das Forschungsteam Informationen sammeln, die von den kapverdischen Wissenschaftler:innen an Bord und ihren Organisationen eingeholt werden und zur Gestaltung und zum Vorschlag von Meeresschutzgebieten in den Gewässern von Cabo Verde beitragen können.

Weite Teile des kapverdischen Archipels noch nicht kartiert

Ein wichtiges Ziel der Expedition ist die Kartierung des Meeresbodens rund um die Inseln und der Unterwasserberge. „In vielen Regionen von Cabo Verde wissen wir immer noch nicht, wie tief der Meeresboden tatsächlich ist und wie die Morphologie des Meeresbodens aussieht“, sagt Mareike Keller, Co-Fahrtleiterin und Teil der Deep Sea Monitoring Gruppe am Ƶ. Dieses Grundwissen spielt eine wichtige Rolle für den Schiffsverkehr in Cabo Verde, aber auch für künftige Kampagnen, die Instrumente auf dem Meeresboden einsetzen wollen. Ein Beispiel ist die bevorstehende internationale Beobachtungskampagne FUTURO (Future West African Marine Ecosystems), die von 2028 bis 2030 vor der westafrikanischen Küste durchgeführt werden soll.

Parallel zur M209-Expedition verbringt auch das Forschungsschiff OceanXplorer einige Tage vor den Kapverdischen Inseln. Der Aufenthalt ist Teil der 2,5-monatigen „Around Africa Expedition“ mit afrikanischen Wissenschaftler:innen. Eine gemeinsame Anstrengung von zwei gemeinnützigen Organisationen zur Erforschung der Ozeane – OceanX und dem neu gegründeten OceanQuest. Während ihres gemeinsamen Aufenthalts vor der Küste und am Unterwasserberg Nola (Seamount Nola) werden die Wissenschaftler an Bord der METEOR und der OceanXplorer gemeinsame Messungen durchführen und in direktem Kontakt stehen. Ein solcher gemeinsamer wissenschaftlicher Einsatz mit einer Vielzahl von ozeanographischen Instrumenten ist auch für die Forschungskampagne FUTURO vorgesehen.

Fragile und schwer zu erforschende Lebewesen

Tief unter der Oberfläche, in der Mitte der Wassersäule, lebt eine große Vielfalt von Organismen – darunter Quallen, Krebstiere, Laternenfische und Kopffüßer. Diese Gemeinschaft ist die Nahrung für viele kommerziell genutzte Fische wie Thunfisch. Jedoch ist weitgehend unbekannt, wovon sie sich ernähren. Einige verzehren möglicherweise totes Material (Meeresschnee), das aus der darüber liegenden Wassersäule herabsinkt, andere wiederum fressen lebende Beute. Um das Nahrungsnetz zu untersuchen, wollen die Forschenden gelatinöses Plankton, z. B. Quallen, sammeln, um herauszufinden, welche Rolle diese durchsichtigen und empfindlichen Organismen im Nahrungsnetz spielen. Um die empfindlichen Tiere zu sammeln und zu untersuchen, setzen sie eine Kombination verschiedener Methoden ein. Da es fast unmöglich ist, gelatinöses Plankton mit Netzen zu fangen und unversehrt an Bord zu bringen, wird der ferngesteuerte Unterwasserroboter ROV KIEL 6000 eingesetzt, um lebende Tiefseeorganismen zu fangen. Die Tiere werden später im Labor fotografiert und die Proben für Studien zum Nahrungsnetz verwendet. Außerdem werden Schleppkameras mit akustischen Sensoren eingesetzt, um die Verteilung und Biomasse in der Wassersäule zu untersuchen. Schließlich wird das Wasser aus verschiedenen Tiefen gefiltert, um die von den Tieren zurückgelassene Umwelt-DNA zu erfassen. Dadurch lassen sich Tiere aufspüren, die Forschungsinstrumente meiden. 

Wo zwei Welten aufeinandertreffen

Ein weiteres Ziel der Expedition M209 ist es, die Interaktion zwischen Tieren in der Wassersäule und dem Meeresboden zu erforschen. „An einigen Stellen rund um die Inseln und Seeberge prallen möglicherweise zwei Welten aufeinander. Wir erwarten, dass Meeresorganismen in der Mitte der Wassersäule von 400-500 Metern in einigen Regionen auch nahe dem Meeresboden vorkommen“, sagt Hoving. Viele Organismen führen zudem vertikale Migrationen durch und wandern nachts von der Tiefe nach oben, um von der Nahrung im flacheren Wasser zu profitieren. Henk-Jan Hoving: „Diese Organismen können während ihrer anschließenden Abwärtswanderung mit dem Meeresboden in Berührung kommen und so zur Nahrung für Organismen am Meeresboden werden. Mit Blick auf die steilen Inselhänge und Unterwasserberge können diese Wechselwirkungen besonders intensiv sein.“

 

Hintergrund: Forschung auf den Kapverden

Die Kapverdischen Inseln liegen rund 600 Kilometer vor der Küste des Senegals und bieten eine einzigartige Bandbreite von wissenschaftlich aktuellen und hoch­relevanten Forschungs­themen, bei denen der Ozean meist eine entscheidende Rolle spielt. Das Ƶ forscht dort 20 Jahren zusammen mit regionalen und internationalen Partnern, seit 2017 betreibt es gemeinsam mit dem Instituto do Mar (IMar) in Mindelo das Ocean Science Centre Mindelo (OSCM), das mit seiner Infrastruktur der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Verfügung steht. Ein wichtiger Bestandteil ist zudem das WASCAL-Programm für westafrikanische Masterstudierende, das vom Ƶ unterstützt und seit 2019 aufgebaut wird. WASCAL steht für West African Science Service Centre on Climate Change and Adapted Lande Use. Der Studiengang umfasst neben den Lehrveranstaltungen und praktischen Kursen auch eine zweiwöchige, seegehende Ausbildungskomponente „Floating University“, die am Ƶ koordiniert wird. Die nächste Floating-University startet am 1. April (PS147-2) in Mindelo.

ʰ-öܲԲ:

Die Expedition wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

Expedition auf einen Blick: 

Name: METEOR-Expedition M209 „BASIS“ (Benthic and pelagic biodiversity, ecology and habitat mapping in Cabo Verde deep seas, Benthische und pelagische Artenvielfalt, Ökologie und Habitatkartierung in der Tiefsee von Cabo Verde)

Fahrtleitung: Dr. Henk-Jan T. Hoving

Zeitraum: 21.03.2025 – 23.4.2025

Start: Mindelo, Kap Verde 

Ende: Ponta Delgada, Azoren

Fahrtgebiet: Tropischer Atlantik

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