Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel Die aktuellen Klima-Nachrichten de Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel Wed, 08 Oct 2025 16:50:08 +0200 Wed, 08 Oct 2025 16:50:08 +0200 News TYPO3 EXT:news news-10030 Mon, 06 Oct 2025 08:41:00 +0200 Kühlere Warmzeiten: Wie der Südozean das Klima und den CO2-Gehalt der Atmosphäre steuerte /news/article/kuehlere-warmzeiten-wie-der-suedozean-das-klima-und-den-co2-gehalt-der-atmosphaere-steuerte 06. Oktober 2025/Kiel. Der Südozean rund um die Antarktis spielt eine entscheidende Rolle für den globalen Kohlenstoffkreislauf – und damit für das Klima. Das zeigt eine neue Studie unter Beteiligung des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, die heute in Nature Communications erscheint. Ein internationales Team konnte nachweisen, dass eine stärkere Schichtung des Südozeans vor 800.000 bis 430.000 Jahren dazu führte, dass weniger Kohlendioxid aus der Tiefe in die Atmosphäre gelangte. Die Folge waren deutlich niedrigere Temperaturen als in späteren Warmzeiten. Das Klima der Erde schwankt seit Millionen von Jahren zwischen Kalt- und Warmzeiten. Während der sogenannten „lauwarmen Zwischeneiszeiten“ – Warmphasen zwischen 800.000 und 430.000 Jahren vor unserer Zeit – lagen die CO2-Konzentrationen nur bei rund 240 bis 260 ppm (parts per million, Maßeinheit für Moleküle pro einer Million Luftmoleküle). Spätere Zwischeneiszeiten erreichten Werte um 280 bis 300 ppm. Zum Vergleich: Heute liegt die Konzentration durch menschliche Emissionen bereits bei über 420 ppm. Warum diese frühen Warmzeiten kühler ausfielen, war bislang unklar. Eine neue Studie rückt den Südozean, also das Meer rund um den Südpol, als entscheidenden Faktor in den Mittelpunkt.

„Unsere Daten zeigen erstmals, dass eine stärkere Schichtung des Südozeans entscheidend für die vergleichsweise kühlen Zwischeneiszeiten vor dem Mittel-Brunhes-Ereignis war“, sagt Erstautor Dr. Huang Huang, der 2019 am Ƶ promoviert hat und inzwischen am chinesischen Laoshan Laboratory in Qingdao arbeitet. Das so genannte Mittel-Brunhes-Ereignis bezeichnet einen markanten Klimawandel vor rund 430.000 Jahre, nach dem die Zwischeneiszeiten deutlich wärmer wurden, länger anhielten und höhere atmosphärische CO2-Werte aufwiesen. „Mit unserem neuen methodischen Ansatz konnten wir sogar kurzfristigere Schwankungen im Ozean erkennen – das eröffnet uns einen viel detaillierteren Blick auf die Dynamik des Südozeans.“

Blick in die Vergangenheit mit neuartiger Lasertechnik

Um ihre Forschungsfrage zu beantworten, analysierte das Team eine Mangankruste vom antarktischen Kontinentalrand aus rund 1.600 Metern Tiefe. Diese Krusten wachsen extrem langsam und speichern über Hunderttausende Jahre hinweg die chemische Signatur des Meerwassers.

Mithilfe einer neuartigen Laser-Technik – der sogenannten 2D-Laserablation, bei der winzige Materialproben punktgenau verdampft und anschließend analysiert werden – konnten die Forschenden die Isotopenzusammensetzung von Blei in den Lagen der Mangankruste untersuchen. Die Blei-Isotope verraten, wie stark die Wasserschichten im Ozean in der Vergangenheit durchmischt waren. Eine neue Methode ermöglicht zudem auch eine genaue Datierung der Krustenlagen. So lassen sich Klimaveränderungen mit hoher zeitlicher Auflösung rekonstruieren.

„Diese neue Lasermethode eröffnet völlig neue Möglichkeiten für die Klimarekonstruktion“, sagt Dr. Jan Fietzke, Physiker und Leiter des LA-ICP-MS.Labors (laser-ablation inductively coupled plasma mass spectrometry) am Ƶ. „So können wir die Rolle des Südozeans im globalen Kohlenstoffkreislauf besser verstehen – ein Wissen, das auch für die Einschätzung künftiger Klimaentwicklungen relevant ist.“

Stärkere Schichtung: Ozeanprozesse bestimmen das Klima

Die Daten zeigen, dass der Südozean während der frühen Zwischeneiszeiten stärker geschichtet war, sich die oberen und unteren Wasserschichten also weniger durchmischt haben. Dadurch blieb mehr Kohlenstoff in der Tiefe gespeichert und gelangte nicht in die Atmosphäre. Weniger CO2 in der Luft führte wiederum zu einem geringeren Treibhauseffekt, kühleren Temperaturen in der Antarktis und vermutlich auch zu einer größeren antarktischen Eisbedeckung. Damit zeigen die Ergebnisse, welche Rolle Veränderungen im Ozean im empfindlichen Klimasystem spielen.

 

Publikation:

Huang, H., Fietzke, J., Gutjahr, M., Frank, M., Kuhn, G., Zhang, X., Hillenbrand, C.-D., Li, D., Hu, J., & Yu, J. (2025). Enhanced deep Southern Ocean stratification during the lukewarm interglacials. Nature Communications.

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news-10037 Wed, 24 Sep 2025 16:00:00 +0200 Phytoplankton – winzige Klimahelden im Meer /news/article/phytoplankton-winzige-klimahelden-im-meer 24. September 2025/Berlin/Kiel. Sie sind mikroskopisch klein und spielen doch eine gigantische Rolle im Klimasystem: die winzigen Mikroalgen, die unter dem Namen Phytoplankton zusammengefasst werden. Durch Photosynthese tragen sie maßgeblich dazu bei, CO2 im Ozean zu binden. Diese verborgenen Klimahelden stehen im Mittelpunkt des neuen Leuchtturmprojekts „KIMMCO“. Darin entwickeln Forschende vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel sowie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) auf Künstliche Intelligenz (KI) gestützte Methoden, um die Rolle des Phytoplanktons und klimarelevanter Gase wie CO2 und Methan schneller und einfacher zu erfassen. Getestet werden die Methoden in der Ostsee. Heute wurde im Bundesumweltministerium in Berlin der Förderbescheid über rund 2,16 Millionen Euro übergeben. – Gemeinsame Pressemitteilung des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel –

Phytoplankton im Ozean ist winzig, aber von globaler Bedeutung: Es macht nur etwa ein bis zwei Prozent der pflanzlichen Biomasse aus und ist dennoch für fast 40 Prozent der weltweiten CO2-Aufnahme durch Photosynthese verantwortlich. Ein neues Projekt am Ƶ und an der CAU nutzt nun KI, um die Rolle des Phytoplanktons für den Klimaschutz präziser und schneller zu erfassen. Ziel ist es, die natürlichen Klimaschutzfunktionen der Meere besser zu verstehen und zu stärken. Das Projekt wird mit rund 2.160.000 Euro aus der Förderinitiative „KI-Leuchttürme für Umwelt, Klima, Natur und Ressourcen“ gefördert Dafür hat heute die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium (BMUKN), Rita Schwarzelühr-Sutter in Berlin den Förderbescheid übergeben.

Das Projekt KIMMCO (kurz für: KI-gesteuertes Monitoring mariner Mikroalgen als CO2-Senke) ist eingebettet in das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK), das vom Bundesumweltministerium aufgelegt wurde, um Ökosysteme zu schützen und ihre Rolle als natürliche Klimaschützer zu stärken.

Künstliche Intelligenz trifft Klimaschutz

„Das Verständnis der Zusammenhänge zwischen Artenvielfalt und CO2-Speicherkapazität des Phytoplanktons ist eine zentrale Grundlage für wirksamen Meeresschutz“, sagt Projektleiterin Prof. Dr. Anja Engel, Professorin für Biologische Ozeanographie am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

Genau hier setzt KIMMCO an: Die Forschenden kombinieren Ansätze mit unterschiedlichen Auflösungen – von Sensormessungen im Meer über mikroskopische Kamerasysteme, optische Wassereigenschaften bis hin zu satellitengestützter Fernerkundung. KI-Anwendungen analysieren und verknüpfen die gewonnenen Daten und liefern nahezu in Echtzeit ein detailliertes Bild der Produktivität und Artenzusammensetzung des Phytoplanktons.

„Mit dem KIMMCO-Ansatz wollen wir großflächige Messungen effizienter, ressourcenschonender und schneller durchführen – und gleichzeitig die Genauigkeit erhöhen“, erklärt Prof. Dr. Kevin Köser, Leiter der Arbeitsgruppe Marine Data Science an der Universität Kiel. „Das spart nicht nur Zeit und Schiffseinsätze, sondern soll auch die CO2-Bilanz der Meeresbeobachtung selbst verbessern.“

Leuchtturmcharakter für Wissenschaft und Politik

Das Projekt läuft bis Ende 2027 und wird zunächst in der Ostsee erprobt. Ziel ist es, neue Erkenntnisse über die natürliche Klimaschutzfunktion des Meeres zu gewinnen und diese auch für politische Entscheidungsträger:innen nutzbar zu machen. KIMMCO liefert Grundlagen für internationale Monitoringprogramme und Umweltindikatoren, etwa im Rahmen der europäischen Wasserrahmenrichtlinie, der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie oder bei HELCOM.

Darüber hinaus umfasst das Projekt einen Biodiversitäts-Check und einen Nachhaltigkeits-Check, mit denen die neuen KI-Verfahren mit klassischen Methoden verglichen werden – auch im Hinblick auf Genauigkeit, Ressourceneinsatz und CO2-Bilanz.

 

 

Hintergrund: Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK)

Mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) stärkt das Bundesumweltministerium Ökosysteme wie Wälder, Moore, Gewässer und Meere in ihrer Rolle als natürliche Klimaschützer. Zwischen 2024 und 2028 stehen dafür mehr als 3,5 Milliarden Euro bereit. Die „KI-Leuchttürme für Umwelt, Klima, Natur und Ressourcen“, zu denen auch KIMMCO zählt, sind ein zentraler Baustein des Programms.

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news-10009 Mon, 08 Sep 2025 17:20:00 +0200 Neue Mesokosmen-Studie auf Gran Canaria /news/article/neue-mesokosmen-studie-auf-gran-canaria 08.09.2025/Las Palmas/Kiel. Mit einem Experiment in abgeschlossenen Meeresbehältern vor Gran Canaria untersuchen internationale Forschende unter Leitung des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel in den kommenden Wochen, wie sich verschiedene Verfahren der Ozean-Alkalinisierung auf das marine Ökosystem auswirken. In so genannten Mesokosmen lassen sich natürliche Ökosysteme unter kontrollierten Bedingungen beobachten wie in überdimensionierten Reagenzgläsern. Erstmals werden bei der jetzigen Studie zwei Ansätze systematisch miteinander verglichen: die Zugabe von bereits gelösten Mineralien und die Einbringung von fein gemahlenem Gestein ins Meerwasser. Die Alkalinität im Ozean durch die Nachahmung natürlicher Gesteinsverwitterung zu erhöhen, könnte das Meer dabei unterstützen, noch mehr CO2 aus der Atmosphäre aufzunehmen und gleichzeitig die Versauerung abpuffern. Dieses Verfahren heißt Ocean Alkalinity Enhancement (OAE). Es zählt zu den ozeanbasierten Verfahren der CO2-Entnahme (Carbon Dioxide Removal, CDR). Solche Ansätze können die dringend notwendige schnelle Reduktion von Treibhausgasemissionen nicht ersetzen, werden aber als Möglichkeit diskutiert, unvermeidbare Restemissionen auszugleichen. Bei der Ozean-Alkalinisierung werden dem Meerwasser Mineralien wie Silikat oder Kalk zugesetzt, wodurch es basischer wird. Eine zentrale Frage der Forschung dabei: Wie reagieren die Lebewesen im Ozean auf solche Eingriffe in die Meereschemie?

Um das zu untersuchen, startet jetzt vor Gran Canaria ein Freiland-Experiment unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Ulf Riebesell, Professor für Biologische Ozeanographie am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, und vor Ort geleitet durch Meeres-Biogeochemiker Dr. Kai Schulz, Gastwissenschaftler der Southern Cross University (Australien). Dabei werden erstmals zwei Ansätze systematisch verglichen: die Zugabe von bereits gelösten Mineralien und die Einbringung von fein gemahlenem Gestein ins Meerwasser. Mit dem Ausbringen der Mesokosmen beginnt heute der Aufbau des Experiments.

Natürliche und beschleunigte Gesteinsverwitterung

Langfristig bindet die Natur Kohlendioxid durch die Verwitterung von Gestein: Mineralien werden über Flüsse ins Meer eingetragen, wo sie CO2 chemisch in gelöster Form speichern. Doch dieser natürliche Prozess dauert Jahrtausende – zu langsam, um den menschengemachten Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten spürbar abzumildern. Deshalb erproben Forschende weltweit, ob sich dieser Prozess technisch beschleunigen lässt. Neben einer potenziellen langfristigen Speicherung von CO2 könnte die Ozean-Alkalinisierung auch einen positiven Nebeneffekt haben: Sie wirkt der zunehmenden Versauerung des Meerwassers entgegen, die durch die Aufnahme von großen Teilen der CO2-Emissionen verursacht wird.

Mesokosmen als Freiland-Labor

Für das Experiment auf Gran Canaria setzen die Forschenden die sogenannten Kieler Mesokosmen ein – 3,5 Meter lange Kunststoffschläuche, in denen natürliche Lebensgemeinschaften unter kontrollierten Bedingungen beobachtet werden können. Die insgesamt 12 Mesokosmen werden derzeit aufgebaut und mit Meerwasser befüllt. Der entscheidende Eingriff erfolgt dann am 19. und 20. September, wenn die Zugabe von Mineralien beginnt. Ziel ist es, die Wirkung von gelöster Alkalinität versus Gesteinsmehl auf das Ökosystem zu vergleichen.

Vergleichende Experimente im Norden und im Süden

Das aktuelle Experiment knüpft an eine Serie von Freilandstudien zu Ocean Alkalinity Enhancement (OAE) an, die 2021 auf Gran Canaria, 2022 vor Bergen (Norwegen), 2023 auf Helgoland und im vergangenen Jahr in der Kieler Förde durchgeführt wurden. Bei dieser letzten Studie wurde erstmals Gesteinsmehl statt zuvor gelöster Mineralien verwendet. Dabei zeigten sich unter bestimmten Bedingungen, insbesondere bei stark erhöhten Konzentrationen, deutlich stärkere Effekte auf das Zooplankton. Offen ist bislang, ob diese Unterschiede auf die noch nicht vollständig gelösten Partikel zurückzuführen sind, die in den ersten Stunden bis Tagen direkten Einfluss auf Organismen nehmen könnten.

Kai Schulz: „Mit diesem Experiment wollen wir herausfinden, ob es die Partikel selbst sind, die eine zusätzliche Wirkung auf das Ökosystem entfalten – oder ob die beobachteten Effekte allein auf die erhöhte Alkalinität des Wassers zurückzuführen sind.“ Der wissenschaftliche Leiter Prof. Dr. Ulf Riebesell erklärt, warum das wichtig ist: „Effekte im Zooplankton würden sich auch auf Tiere weiter oben in der Nahrungskette auswirken. Nur wenn wir diese Mechanismen genau verstehen, können wir das Potenzial und die möglichen Risiken der Ozean-Alkalinisierung realistisch einschätzen.“

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news-10005 Fri, 05 Sep 2025 12:36:19 +0200 Was der Klimawandel für das Mittelmeer bedeutet /news/article/was-der-klimawandel-fuer-das-mittelmeer-bedeutet 05.09.2025/Kiel. Der Klimawandel gefährdet die Meeres- und Küstenökosysteme im Mittelmeerraum. Erwärmung, Meeresspiegelanstieg und Versauerung treten dort intensiver und schneller auf, als im globalen Durchschnitt. Eine aktuelle Studie unter Leitung des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel hat untersucht, wie stark das Meeres- und Küstenökosysteme im Mittelmeer schon bei weiterer, vergleichsweise geringer, Erwärmung gefährdet sind. Dafür wurden 131 wissenschaftliche Studien im Rahmen einer Meta-Analyse ausgewertet. Die Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift Scientific Reports erschienen. Im Mittelmeer steigen die Temperaturen derzeit auf Rekordwerte. Statt einer Erfrischung erwarten Urlauber:innen etwa in Griechenland, Italien und Spanien Wassertemperaturen bis zu 28 Grad und mehr. Mit einer durchschnittlichen Wassertemperatur von 26,9°C war der Juli 2025, laut dem Erdbeobachtungsdienst Copernicus, der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen für das Mittelmeer. Die Erwärmung durch den Klimawandel gilt – neben Stressoren wie Überfischung, Verschmutzung oder Habitatzerstörung – als Hauptfaktor für die Gefährdung von Lebensräumen im Meer und an den Küsten. „Die Folgen sind nicht nur Zukunftsszenarien, sondern sehr reale Risiken, die wir bereits heute beobachten können. Der anhaltende Anstieg der Temperaturen und des Meeresspiegels sowie die Ozeanversauerung bergen erhebliche Risiken für die Umwelt am und im Mittelmeer“, sagt Dr. Abed El Rahman Hassoun, Chemischer Ozeanograph am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

Metastudie zu Klimawandelszenarien

Gemeinsam mit Prof. Dr. Meryem Mojtahid, Professorin für Paläo-Ozeanographie an der Universität Angers und am Laboratoire de Planétologie et des Sciences de la Terre (Frankreich), hat er die Auswirkungen des Klimawandels auf Meeres- und Küstenökosysteme im Mittelmeerraum untersucht. Die Prognosen dieser Metastudie basieren auf anerkannten Klimaszenarien des IPCC (Intergovernmental Panal on Climate Change). Dafür analysierte das Forschungsteam 131 wissenschaftliche Studien die bis August 2023 veröffentlicht wurden. Erstmals entstand daraus ein sogenanntes „Burning-Ember“-Diagramm für die Ökosysteme des Mittelmeers – ein ursprünglich vom Weltklimarat IPCC entwickeltes Instrument zur Risikobewertung. „Das Diagramm macht deutlich sichtbar, wie stark der Klimawandel wichtige Ökosysteme bedroht. Ich hoffe, dass unsere Ergebnisse dazu beitragen, das Bewusstsein dafür zu schärfen und konkrete Maßnahmen zum Schutz dieser einzigartigen Lebensräume umzusetzen“, sagt Meryem Mojtahid. Die Studie stützt sich zudem auf die Forschungsinitiative zum Klimawandel und zu Umweltschädigungen im Mittelmeerraum (MedECC). Die Initiative veröffentlichte 2020 den ersten Mittelmeer-Bewertungsbericht unter dem Namen MAR1 und nimmt damit eine zentrale Rolle bei der Bündelung des Wissens über Klima- und Umweltveränderungen in der Mittelmeerregion ein.

Mittelmeer als „Klimawandel-Hotspot“: Jedes Zehntelgrad zählt

Das Mittelmeer ist – ähnlich wie die Ostsee oder das Schwarze Meer – ein Binnenmeer und nur durch die Straße von Gibraltar mit dem globalen Ozean verbunden. Der Austausch von Wassermassen ist daher stark begrenzt. Infolgedessen erwärmt sich das Mittelmeer schneller und versauert stärker als der offene Ozean. Zwischen 1982 und 2019 stieg die Oberflächenwassertemperatur hier bereits um 1,3 Grad, während es global nur 0,6 Grad waren. Der  Weltklimarat IPCC bezeichnet  das Mittelmeer deshalb auch als „Hotspot des Klimawandels“. Forschende betrachten es zudem als „natürliches Labor“, da das Mittelmeer schneller und stärker auf Klimabelastungen reagiert als der offene Ozean und es mehrere Treiber und Stressfaktoren gleichzeitig in einem relativ kleinen, gut beobachteten System konzentriert. „Was im Mittelmeer passiert, ist oft ein Vorbote für Veränderungen, die anderswo zu erwarten sind, sodass das Mittelmeer wie ein Frühwarnsystem für Prozesse wirkt, die später den globalen Ozean beeinflussen werden“, sagt Abed El Rahman Hassoun.

Würden die internationalen Klimaschutzziele in den nächsten Jahren eingehalten, könnten einige Umweltveränderungen noch abgebremst werden. Hierzu können zwei Szenarien des IPCC – so genannte RCPs, Representative Concentration Pathways, repräsentative Konzentrationspfade – herangezogen werden: Bei einem mittleren Emissionsszenario (RCP 4.5) stabilisieren sich die Emissionen in den nächsten Jahren durch moderate Klimapolitik. In diesem Fall wird sich das Mittelmeer im Zeitraum von 2050 bis 2100 voraussichtlich zusätzlich um 0,6° bis 1,3°C gegenüber den aktuellen Werten erwärmen. Das hohe Emissionsszenario (RCP 8.5) hingegen beschreibt den Kurs „weiter wie bisher“ mit weiterhin steigenden Emissionen. Dann läge die zusätzliche Erwärmung im gleichen Zeitraum voraussichtlich zwischen 2,7°C und 3,8°C. Eine solche Erwärmung hätte, zusammen mit dem Meeresspiegelanstieg und der Ozeanversauerung, erhebliche Störungen der Ökosysteme zur Folge: Seegraswiesen gingen verloren, Korallenriffe könnten erhebliche Schäden davontragen und es käme zu folgenschweren Kettenreaktionen in den Nahrungsnetzen.

„Diese Szenarien zeigen: Wir können noch etwas bewirken! Jedes Zehntelgrad zählt!“, sagt Abed El Rahman Hassoun. „Politische Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, entscheiden darüber, ob die Ökosysteme im Mittelmeer teilweise oder vollständig zusammenbrechen oder funktionsfähig bleiben und weiterhin ihre Ökosystemleistungen bereitstellen. Unsere Studie zeigt aber auch, dass wir sogar bei moderatem Klimaschutz und einer zusätzlichen Erwärmung von 0,8 Grad mit einigen Folgen rechnen müssen. Es geht darum, die Folgen so gering wie möglich zu halten.“

Folgen für Meeresökosysteme

Die Forschenden haben eine Vielzahl von Meeresökosystemen in den Blick genommen: von Seegraswiesen über Fische und Makroalgen bis zu Meeressäugern und Schildkröten. Die Erwärmung und Versauerung des Mittelmeers verändert ganze Lebensgemeinschaften. Planktonarten verschieben sich, giftige Algenblüten und Bakterien treten häufiger auf. Bei einer zusätzlichen Erwärmung von 0,8°C würden Seegraspflanzen wie Posidonia oceanica massiv zurückgehen und bis 2100 ganz verschwinden. Auch Seetangarten wie Cystoseira würden zurückgehen, während die Populationen wärmeliebender invasiver Algen zunehmen könnte. Auch Fischbestände geraten ab +0,8°C unter Druck: Sie könnten um 30 bis 40 Prozent schrumpfen, sich nach Norden verlagern und invasiven Arten wie dem Rotfeuerfisch Platz machen, der die Biodiversität gefährdet. Korallen sind, wahrscheinlich aufgrund ihrer langen Evolutionsgeschichte, verhältnismäßig widerstandfähiger als andere Ökosysteme und erst ab +3,1°C in moderater bis hoher Gefahr. Für Meeressäuger und Meeresschildkröten sind die Daten lückenhaft, doch Veränderungen in Nahrungsräumen, Wanderverhalten und Energiehaushalt sind wahrscheinlich.

Küstenökosysteme besonders anfällig

Aufgrund der kombinierten Auswirkungen von Erwärmung und Anstieg des Meeresspiegels sind die Küstenökosysteme im Mittelmeer besonders anfällig für die Folgen des Klimawandels. Sie umfassen den Bereich bis zehn Meter über dem Meeresspiegel, darunter zum Beispiel Dünen und Felsküsten. Ein steigender Meeresspiegel verstärkt die Küstenerosion und bedroht damit auch die Nistplätze von Meeresschildkröten – mehr als 60 Prozent könnten verloren gehen. Bereits ab einer zusätzlichen Erwärmung von 0,8°C steigt das Risiko deutlich: Sandstrände und Dünen sind besonders gefährdet, und auch Felsküsten verlieren zunehmend Lebensraum und Artenvielfalt, obwohl sie etwas widerstandsfähiger sind.

Betroffen sind auch Feuchtgebiete, Lagunen, Deltas, Salzwiesen und Küsten-Grundwasserleiter, die schon ab +0,8° bis +1,0°C erhebliche Schäden aufweisen können. Hier sind der Verlust wichtiger Pflanzenarten, die Ausbreitung invasiver Arten und großflächige Vegetationsveränderungen sehr wahrscheinlich. Gleichzeitig kann der Meeresspiegelanstieg zu weniger Niederschlägen und damit zu Wasserknappheit führen. Ab +1,0°C verschärfen sich die Risiken voraussichtlich zusätzlich durch Überschwemmungen und erhöhte Nährstoffeinträge.

„Wir haben festgestellt, dass die Ökosysteme im Mittelmeerraum sehr unterschiedlich auf klimabedingte Belastungen reagieren. Einige sind widerstandsfähiger als andere, aber keines ist unverwundbar“, sagt Meryem Mojtahid. „Nur durch strenge Klimaschutzmaßnahmen können die Risiken auf einem Niveau gehalten werden, an das sich die Ökosysteme noch anpassen können. Durch die Studie konnten wir sichtbar machen, dass schon ein vergleichsweise geringer Temperaturanstieg und weitere klimawandelbedingte Stressfaktoren deutliche Auswirkungen haben. Jetzt ist es an der Zeit, dass aus Wissen Handeln wird“, so Abed El Rahman Hassoun.

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Für mehrere Ökosysteme sind wissenschaftliche Studien zur Risikobewertung noch begrenzt. So gibt es nur wenige Prognosen für Tiefsee-Lebensräume, Salzwiesen, Makroalgen und Megafauna. Auch geografisch bestehen erhebliche Lücken, insbesondere im südlichen und östlichen Mittelmeer. Das kann zu einer möglichen Unterschätzung der Risiken in den unterrepräsentierten Ländern führen. Zudem fehlen Langzeitbeobachtungen, die mehrere Stressfaktoren wie Verschmutzung und invasive Arten gleichzeitig berücksichtigen. Um diese Lücken zu schließen, sind verstärkte interdisziplinäre Forschungen und ein erweitertes Monitoring notwendig, insbesondere in unterrepräsentierten Regionen.

Hintergrund:

Der IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), auch Weltklimarat genannt, ist das internationale Expertengremium der Vereinten Nationen, das den aktuellen Stand der Klimaforschung bewertet. Seine Berichte fassen wissenschaftliche Erkenntnisse zusammen, zeigen Risiken auf und liefern Entscheidungsgrundlagen für Politik und Gesellschaft. Ein bekanntes Werkzeug aus den IPCC-Berichten ist das sogenannte „Burning Ember-Diagramm“. Es visualisiert die Wahrscheinlichkeit von Schäden für Mensch und Natur in Abhängigkeit von der globalen Erwärmung. Dabei zeigen orange und rote Bereiche, wo Risiken hoch und sehr hoch werden – ähnlich wie ein „glühender Kohlenrest“, daher der Name.

 

Publikation:

Hassoun, A.E.R., Mojtahid, M., Merheb, M. et al. Climate change risks on key open marine and coastal mediterranean ecosystems. Sci Rep 15, 24907 (2025). 

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news-10001 Thu, 04 Sep 2025 13:23:55 +0200 Lebensfeindliche Prozesse am Meeresboden /news/article/lebensfeindliche-prozesse-am-meeresboden 4. September 2025/Kiel. Warum entstehen in der westlichen Ostsee immer wieder sauerstoffarme Zonen, die zu massenhaftem Fischsterben führen? Welche Rolle spielt dabei der aus dem Sediment freigesetzte toxische Schwefelwasserstoff? Diesen Fragen widmet sich ein Forschungsteam unter Leitung des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel während einer Expedition mit dem deutschen Forschungsschiff ELISABETH MANN BORGESE. Die Fahrt führt von der Flensburger Förde entlang der schleswig-holsteinischen Küste bis nach Fehmarn. Heute startet die Expedition EMB374 im Rahmen des Verbundvorhabens PrimePrevention mit dem Forschungsschiff ELISABETH MANN BORGESE von Kiel in die südwestliche Ostsee. Ziel des Verbundprojekts ist es, eine koordinierte Strategie der Küstenländer zu entwickeln, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Dafür soll die erwartete Zunahme klimabedingter mariner Naturgefahren, darunter schädliche Mikroorganismen und sauerstoffarmes Wasser, näher untersucht werden. Die Expedition fokussiert sich besonders auf die Untersuchung küstennaher sauerstoffarmer Zonen und Schwefelwasserstoff (H2S) am Meeresboden. Das Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel übernimmt erstmals die Fahrtleitung auf dem Forschungsschiff, das vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) betrieben wird. Dem Forschungsteam gehören auch Forschende der Universitäten Hamburg und Oldenburg an.

Küstensediment als Quelle für toxischen Schwefelwasserstoff

In der Kieler Bucht kommt es im Spätsommer regelmäßig zu einer starken Abnahme des Sauerstoffgehalts – eine Folge des Klimawandels und der Eutrophierung. Das hat schwerwiegende Konsequenzen für Ökosysteme und damit auch für die regionale Wirtschaft. Das Untersuchungsgebiet der Expedition EMB374 in der südwestlichen Ostsee ist für das häufige Auftreten sauerstoffarmer Zonen im Spätsommer bekannt. Besonders problematisch ist dabei die Freisetzung von toxischem Schwefelwasserstoff am Meeresboden.

Für die Untersuchungen bleibt das Schiff in Küstennähe, denn obwohl Küstensedimente nur etwa neun Prozent des Meeresbodens ausmachen, spielen sie eine zentrale Rolle bei der Speicherung und dem Abbau von organischem Material, wie Algen-, Pflanzen- oder Tierresten. Unter sauerstoffreichen Bedingungen kann das organische Material zu CO2 abgebaut werden. In der südwestlichen Ostsee treten aber im Spätsommer sauerstoffarme und sogar sauerstofffreie Zonen im bodennahen Wasser auf. Diese Bedingung favorisiert bestimmte Bakterien, die die Zersetzung des organischen Materials an die Atmung mit Sauerstoff-Alternativen koppeln. Sie nutzen dafür Sulfat, wovon es im Meerwasser reichlich gibt. Wird Sulfat reduziert, entsteht Schwefelwasserstoff. Es hat einen charakteristischen Geruch nach faulen Eiern und ist für viele Meeresorganismen giftig. Gelangt sauerstoffarmes bzw. schwefelwasserstoffhaltiges Wasser durch Auftrieb in flachere Wasserschichten, kann dies zu massenhaftem Fischsterben führen.

Wie entsteht schwefelwasserstoffhaltiges Wasser

„Wir wollen herausfinden, unter welchen Umständen und wo genau Schwefelwasserstoff aus dem Sediment ins Bodenwasser freigesetzt wird. Mit diesen Erkenntnissen können wir Risiken für Meeresorganismen besser vorhersagen und die Rolle der Ostsee unter Einfluss des Klimawandels genauer bewerten“, sagt Fahrtleiterin Prof. Dr. Mirjam Perner, Professorin für Geomikrobiologie am Ƶ.

Die Expedition ist Teil eines Projekts im PrimePrevention Verbund der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM). In diesem Projekt werden Faktoren untersucht, die zur Entstehung von schwefelwasserstoffhaltigen Bodenwässern führen. Hierzu werden während der Expedition mithilfe von Sensoren die Sauerstoff- und Schwefelwasserstoffkonzentrationen in der Wassersäule gemessen sowie geochemische und mikrobiologische Faktoren am Meeresboden bestimmt. Alle verfügbaren Umweltdaten fließen dann in numerische Modelle ein, mit deren Hilfe die Freisetzung von Schwefelwasserstoff vorhergesagt werden kann. Ziel ist es, besonders gefährdete Regionen zu identifizieren und das Risiko hypoxischer Ereignisse für Stakeholder wie den Tourismus, die Fischerei und Aquakulturen einzuschätzen.

Algenblüte in der Ostsee

Während der Fahrt werden auch verschiedene Systeme für die Detektion von Cyanobakterien getestet. Diese machen einen großen Teil der sommerlichen Algenblüten in der Ostsee aus und können Toxine produzieren, die zum Teil zu Badeverboten an Stränden führen. Sterben sie ab, führt dies außerdem zu einem erhöhten Sauerstoffverbrauch in tieferen Wasserschichten.

Ein neu entwickeltes optisches Messystem (Hyperspektralmodul) von der Universität Oldenburg wird während der Expedition getestet und mit anderen Messungen verglichen, um seine Tauglichkeit für einen routinemäßigen Einsatz auf Schiffen oder Messplattformen zu beurteilen.

Für Vergleichsmessungen kommt auch das HyFiVe-System (modulares Hydrographie-Messsystem) zum Einsatz. Es wurde am Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) und am Thünen-Institut in Zusammenarbeit mit der Hensel Elektronik GmbH mit öܲԲ des Bundes entwickelt. Ein neu integrierter Sensor kann die Menge an Cyanobakterien messen. Mit dem HyFive System sollen unter anderem Fischer dazu befähigt werden, ergänzend Messdaten für die Meeresforschung aufzunehmen (Projekte PrimePrevention und HyFiVe-Baltic). Die frühzeitige Detektion von Cyanobakterien soll dann in Frühwarnsysteme eingebettet werden, um Menschen in Küstenregionen vor Schäden zu schützen. Um die beiden Systeme zu validieren bzw. die Messergebnisse zu kalibrieren, nimmt das Oldenburger Unternehmen AquaEcology außerdem Wasserproben, die es später im Labor mikroskopisch analysiert.

Mirjam Perner: „In der Ostsee laufen Prozesse wie Erwärmung, Versauerung und Eutrophierung ausgeprägter und schneller ab, als in anderen Weltmeeren. Wir sprechen daher auch von der Ostsee als Zeitmaschine. Deshalb ist es so wichtig, bereits jetzt zu verstehen, wie die Prozesse funktionieren, die in Zukunft verstärkt auch andere Meeresgebiete betreffen können.“

Hintergrund: PrimePrevention

Die Forschungsfahrt und die damit verbundenen Arbeiten sind eingebettet in das Verbundvorhaben PrimePrevention der Mission mareXtreme der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM). PrimePrevention erforscht Möglichkeiten zur Vorhersage biologischer Gefahren für das Meer zur Verhinderung sozioökonomischer Auswirkungen und wird vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) gefördert. Koordiniert wird PrimePrevention von Dr. Katja Metfies am Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI).

 

Expedition auf einen Blick:

Name: EMB374 PrimePrevention
Fahrtleitung: Prof. Dr. Mirjam Perner (Ƶ)
Zeitraum: 04.09.2025 – 13.09.2025
Start und Ende: Kiel
Fahrtgebiet: südwestliche Ostsee

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news-9991 Wed, 03 Sep 2025 10:01:00 +0200 Vom Treibhausgas zum Karbonat im Meeresboden /news/article/vom-treibhausgas-zum-karbonat-im-meeresboden 03.09.2025/Kiel/Reykjavik. Sind Lavagesteine an Kontinentalrändern geeignet, Kohlendioxid dauerhaft und sicher zu speichern? Dieser Frage geht ein Team deutscher und norwegischer Wissenschaftler:innen ab morgen an Bord des Forschungsschiffs MARIA S. MERIAN nach. Unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. Ingo Klaucke vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel untersucht die Expedition MSM140 bis zum 9. Oktober geologische Strukturen auf dem Vøring-Plateau vor der norwegischen Küste. Ziel ist es, herauszufinden, ob Basaltformationen am Meeresboden für die langfristige geologische Speicherung von CO2 geeignet sind. Die Forschungsfahrt ist Teil des multinationalen Projekts PERBAS. Um den Klimawandel wirksam zu begrenzen, wird es nicht ausreichen, Emissionen zu vermeiden – wir werden mittelfristig zusätzlich große Mengen an Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen und sicher speichern müssen. Eine vielversprechende Option für die Speicherung von CO2, das so genannte Carbon Capture and Storage (CCS), liegt unter dem Meeresboden: In bestimmten Lavagesteinen könnte CO2 durch eine natürliche Reaktion mit Wasser und Gestein innerhalb weniger Jahre zu Karbonat mineralisieren und damit dauerhaft ohne Leckage-Risiko gebunden werden. Erste Feldversuche auf Island und in den USA weisen in diese Richtung. Könnten also die weit verbreiteten so genannten Flutbasalten entlang der Kontinentalränder eine Rolle im künftigen Klimaschutz spielen? Das untersucht ab morgen eine Expedition mit dem Forschungsschiff MARIA S. MERIAN vor der norwegischen Küste.

CO2-Speicherung in Flutbasalten unter dem Meeresboden

„Unsere zentrale Forschungsfrage lautet: Eignet sich das Basaltgestein am Meeresboden in seiner Beschaffenheit und Zusammensetzung, um CO2 dauerhaft und sicher zu speichern?“, erklärt Fahrtleiter Dr. Ingo Klaucke, Geologe am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. „Die Expedition liefert uns die dafür nötige Datenbasis. Sie soll helfen, das Potenzial dieser Speicher zu bewerten und die Grundlage für ihre geophysikalische Überwachung zu legen.“

Das Potenzial könnte gigantisch sein: Weltweit gibt es große Basaltvorkommen unter dem Ozean, die theoretisch ein Speichervolumen von 40.000 Gigatonnen haben – das ist ein Vielfaches des heutigen weltweiten Jahresausstoßes an Kohlendioxid. So heißt denn auch die Expedition „Dauerhafte Speicherung von Gigatonnen CO2 in Basaltvorkommen entlang der Kontinentalränder, CO2ʸ“.

Ausgedehnte Lavapakete vor Norwegens Küste

Ziel der Ausfahrt ist das Skoll-Hochplateau auf dem Vøring-Plateau vor der Küste Norwegens, wo Bohrkerne früherer wissenschaftlicher Expeditionen Hinweise auf ausgedehnte Lavapakete gegeben haben. Um die Beschaffenheit des Gesteins am Meeresboden zu bestimmen, werden die Forschenden hochauflösende 2D- und 3D-Vermessungstechniken einsetzen, darunter Reflexions- und Refraktions-Seismik sowie elektromagnetische Messungen. Die so erhobenen physikalischen Parameter wie Schallgeschwindigkeit und spezifischer elektrischer Widerstand fließen dann in Modelle ein, mit denen sich Aussagen über Dichte und spezifische Leitfähigkeit und somit die Speicherfähigkeit des Gesteins treffen lassen. Unterstützt wird die Auswertung durch künstliche Intelligenz. Ziel ist es, nicht nur geeignete Speicherstrukturen zu identifizieren, sondern auch Wege aufzuzeigen, wie sich eine künftige CO2-Lagerstätte aus der Ferne überwachen ließe – etwa mit seismischen oder elektromagnetischen Signaturen, die auf Undichtigkeiten hinweisen könnten.

Bereits auf dem Weg zum Untersuchungsgebiet setzt das Team außerdem zwei ARGO-Floats nordöstlich von Island aus, um eine Lücke im ozeanischen Beobachtungsnetz zu schließen.

Weniger Nutzungskonflikte mit Fischerei, Schifffahrt und Windkraftanlagen

Mit ihrem Beitrag zur internationalen PERBAS-Initiative liefert die Expedition MSM140 wertvolle Grundlagen, um Flutbasalte als Speicherstätten zu erschließen. Diese hätten – neben ihrer schieren Größe und der potenziell schnellen und vor allem permanenten Fixierungsrate – den Vorteil, dass sie meist weit vor der Küste liegen und nicht so vielfältig genutzt werden wie die Nordsee oder andere flache Randmeere. Konflikte mit anderen Nutzungsformen dürften seltener auftreten. Der große Abstand zur Küste wäre im Umsetzungsfall allerdings ein großer Kostentreiber. Tankschiffe müssten das CO2 weit aufs Meer hinaustransportieren.

 

Expedition in Kürze:

Name: MSM 140 „CO2ʸ“

Fahrtleitung: Dr. Ingo Klaucke 

Zeitraum: 04. September – 9. Oktober 2025

Start: Reykjavik (Island)

Ende: Trondheim (Norwegen)

Fahrtgebiet: Vøring Plateau, Norwegen

 

Hintergrund: PERBAS

Das internationale Forschungsprojekt PERBAS (PERmanent sequestration of gigatons of CO2 in continental margin BASalt deposits, zu Deutsch: Dauerhafte Speicherung von Gigatonnen CO2 in Basaltkomplexen an Kontinentalrändern) untersucht, wie sich Kohlendioxid dauerhaft in marinem Basaltgestein speichern lässt. Ziel ist es, Grundlagen für eine sichere und geologisch stabile CO2-Lagerung unter dem Meeresboden zu schaffen – und damit einen Beitrag zur Umsetzung internationaler Klimaziele zu leisten. Denn neben der Reduktion von Emissionen müssen in Zukunft auch große Mengen CO2 aus der Atmosphäre entnommen und dauerhaft sicher gespeichert werden. Basaltformationen gelten dabei als vielversprechender Kandidat: Sie ermöglichen eine mineralische Umwandlung des CO2 in Karbonatgestein – ein Prozess, der in wenigen Jahren abgeschlossen sein kann.

Im Projekt PERBAS bündeln zehn Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft in Deutschland, Norwegen, den USA und Indien ihre Expertise. Das Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel koordiniert das Vorhaben, das im Rahmen der ACT-Initiative (Accelerating CCS Technologies) des European Research Area Networks (ERA-NET) über drei Jahre mit insgesamt 3,6 Millionen Euro gefördert wird. Ziel des Konsortiums ist es, potenzielle Lagerstätten in marinem Basaltgestein systematisch zu charakterisieren, ihre geophysikalischen Eigenschaften zu erfassen und die technische Machbarkeit und Überwachung künftiger Speicherprojekte wissenschaftlich zu untermauern. Die aktuellen Forschungsarbeiten werden im Sommer 2026 abgeschlossen sein. Konkret soll danach ein CO2-Speicherexperiment in den Flutbasalten vor der Küste Norwegens durchgeführt werden, wofür es aber die Hilfe und finanzielle Unterstützung der Industrie braucht.

 

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news-9979 Wed, 13 Aug 2025 11:58:00 +0200 Zeitreise zum Ursprung des Meeresbodens /news/article/zeitreise-zum-ursprung-des-meeresbodens 13.08.2025/Kiel/Papeete. Wie stark beeinflussen Schwankungen des Meeresspiegels die geologischen Prozesse tief unter dem Meeresboden? Gibt es eine Wechselwirkung zwischen globalem Klima und der Bildung und Zusammensetzung neuer ozeanischer Kruste? Diesen Fragen widmet sich ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Frank und Prof. Dr. Heidrun Kopp vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel während der Expedition SO314 mit dem deutschen Forschungsschiff SONNE, die heute von Tahiti aus startet. Wenn sich im Laufe der Jahrmillionen durch das Wachsen und Schmelzen von Eisschilden und Gletschern der Meeresspiegel verändert, ändert sich damit auch der Druck auf den Meeresboden. Welche Auswirkungen hat das auf das geologische Geschehen im Erdinnern?

Modellrechnungen legen nahe, dass der Vulkanismus an Mittelozeanischen Rücken auf diese Druckschwankungen reagiert: etwa durch Änderungen in der Mächtigkeit der neu gebildeten Kruste, der Zusammensetzung des Magmas oder in der hydrothermalen Aktivität, bei der heiße, mineralreiche Flüssigkeiten aus dem Erdinneren ins Meer austreten. Bislang fehlten jedoch Zeitreihen, um diese Zusammenhänge direkt nachzuweisen.

Zeitreihen als Schlüssel zum Erdsystem

„Wir haben sehr gute Rekonstruktionen der vergangenen Meeresspiegelverläufe, aber keine ebenso hochaufgelösten Daten zur zeitlichen Entwicklung der geologischen Prozesse am ozeanischen Meeresboden. Diese Lücke wollen wir jetzt schließen“, sagt Prof. Dr. Martin Frank. Er ist Professor für chemische Paläoozeanographie am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, und unter seiner Leitung wird ein internationales Forschungsteam an Bord des deutschen Forschungsschiffs SONNE in den kommenden acht Wochen den Südostpazifischen Rücken untersuchen – einen besonders aktiven Abschnitt des mittelozeanischen Rückens. Dort entsteht kontinuierlich neue Erdkruste, weil sich die Erdplatten voneinander wegbewegen.

„Dieser Bereich des Ozeans ist wie ein Fließband der Erdgeschichte“, sagt Frank. „Und wir vermuten, dass die Prozesse hier über geologische Zeiträume hinweg vom globalen Klima beeinflusst werden – etwa über Druckveränderungen durch Schwankungen des Meeresspiegels während Eiszeiten und Warmzeiten.“

Vulkanisches Glas aus dem Sediment

Auf dem Weg von Papeete (Tahiti) nach Antofagasta (Chile) wird das Team in engem Abstand mit einem Schwerelot Sedimentkerne mit einer Länge von bis zu 25 Metern entlang einer Linie senkrecht zur Rückenachse entnehmen. So entsteht eine hochauflösende Zeitreihe. Martin Frank: „In den Ablagerungen des Meeresbodens sind vulkanische Gläser und Metallverbindungen enthalten – sie erzählen uns, wie sich Magmachemie und hydrothermale Aktivität im Laufe der letzten 1,5 Millionen Jahre verändert haben. Diese Informationen können wir auslesen wie ein Archiv der Erdgeschichte.“ Gleichzeitig sollen auf der Expedition seismische Messungen durchgeführt werden, mit denen sich Veränderungen in der Mächtigkeit der Ozeankruste rekonstruieren lassen.

Dynamik des Erdsystems verstehen

Die Expedition ist Teil des groß angelegten europäischen ERC Synergy Projekts T-SECTOR (Testing Solid Earth - Climate Connections), das sich der Frage widmet, wie eng die Prozesse in Atmosphäre, Ozean und Erdinnerem miteinander verknüpft sind. An diesem Projekt ist neben den Arbeitsgruppen von Martin Frank, Heidrun Kopp und Kaj Hoernle vom Ƶ auch Charles Langmuir von der Harvard University (USA) beteiligt. An der Expedition werden außerdem Wissenschaftler des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen und der Universität Hamburg teilnehmen.

 

Expedition in Kürze:

Name: SO314
Fahrtleitung / Chief Scientist:  Prof. Dr. Martin Frank
Zeitraum: 13. August bis 5. Oktober 2025
Start: Papeete (Tahiti)
Ende: Antofagasta (Chile)
Fahrtgebiet: üDzٱ貹ھ

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news-9959 Wed, 23 Jul 2025 10:22:00 +0200 Grüner Wasserstoff aus dem Meer /news/article/gruener-wasserstoff-aus-dem-meer 23.07.2025/Kiel. Wasserstoff aus Nord- und Ostseewasser direkt an Offshore-Windanlagen gewinnen – dieses Vorhaben steht im Zentrum des Projekts SalYsAse. Dazu sollen Bakterien als Biokatalysatoren genutzt werden, um den Prozess umweltschonend und kostengünstig durchzuführen. Das Projekt unter Leitung von Prof. Dr. Mirjam Perner, Professorin für Geomikrobiologie am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, wird in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Kiel und dem Technologieunternehmen Element22 durchgeführt. Es wird gefördert vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR). Offshore-Windanlagen produzieren oft mehr Strom als über die Leitungen an Land transportiert werden kann. Kann der Strom nicht abgenommen werden, stehen sie still. Effizienter wäre es, den Strom direkt in das speicherbare Medium Wasserstoff umzuwandeln. Wasserstoff aus Meerwasser zu gewinnen, direkt dort, wo der Wind weht – diese Idee steht im Fokus des Projekts SalYsAse (Salzwasserelektrolyse mittels mariner Bakterien auf Titangasdiffusionsschichten). Das Prinzip: Mittels Elektrolyse soll Strom in so genannten grünen Wasserstoff umgewandelt werden. Bei der Elektrolyse wird Wasser durch elektrischen Strom in seine Bestandteile, also Wasserstoff und Sauerstoff, getrennt. Grüner Wasserstoff ist CO2-neutral und kann einfach gespeichert und transportiert werden. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt über drei Jahre mit 733.000 Euro gefördert.

„Ziel des Projekts ist es, Wasserstoff mittels Salzwasserelektrolyse umweltschonend und kostengünstig herzustellen – aber mit optimiertem Wirkungsgrad und geringerem Einsatz von chemischen Katalysatoren“, sagt Dr. Mirjam Perner. Sie ist Professorin für Geomikrobiologie am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und leitet das Projekt gemeinsam mit Prof. Dr.-Ing. Jana Schloesser, Professorin für Werkstofftechnik an der Fachhochschule Kiel, und Florian Gerdts, leitender Prozessingenieur beim Kieler Technologieunternehmen Element22.

Herausforderungen der Elektrolyse mit Salzwasser

Bislang benötigt die Elektrolyse gereinigtes Süßwasser, da es weder Salze noch Mineralien enthält und deshalb die Elektrolyseanlage vor Korrosion schützt. Allerdings sind nur 2,5 Prozent der weltweiten Wasserreserven Süßwasser. Zudem verursachen die Entsalzung und Reinigung von Salzwasser zusätzliche Kosten, die durch die direkte Nutzung des Meerwassers vermieden werden könnten. Die Wissenschaftler:innen wollen im Rahmen des Projekts SalYsAse Salzwasser direkt aus dem Meer nutzen. Damit stehen sie vor einigen Herausforderungen: Durch das enthaltene Salz kann bei der Elektrolyse von Meerwasser giftiges Chlorgas entstehen. „Auch eine schnellere Korrosion der Elektroden oder unerwünschte Nebenreaktionen können auftreten. Dies wollen wir durch geeignete Werkstoffe in Kombination mit den Mikroorganismen verhindern“, sagt Werkstoffexpertin Jana Schloesser.

Effiziente Katalysatoren und Membranen

Um das Meerwasser nutzen zu können, wollen die Forschenden neben herkömmlichen Katalysatorschichten auch marine Mikroben, also Bakterien, verwenden. Die Mikroben stammen aus der Ost- und Nordsee, da sie am besten an die Bedingungen des Salzwassers angepasst sind. Mirjam Perner erklärt: „Oftmals wird das chemische Element Iridium als Katalysator genutzt, da es sehr beständig gegenüber Korrosion ist. Allerdings ist es selten und daher nur begrenzt verfügbar. Deshalb wollen wir Biokatalysatoren in Form von Mikroben nutzen.“ Die Mikroben sollen dabei helfen, die Herausforderungen, die durch die Nutzung des Salzwassers entstehen, zu verringern oder sogar zu umgehen.

Das Projektteam setzt zusätzlich geeignete Materialien für die Membran, die Wasserstoff und Sauerstoff während der Elektrolyse voneinander trennt, und die poröse Transportschicht ein. „Die Besonderheit in SalYsAse liegt darin, dass die poröse Transportschicht nicht nur den Strom und die Reaktionsmedien leitet. Wir gestalten sie so, dass diese Schicht auch als Träger für die Mikroben fungiert. Damit findet die biologische Katalyse direkt in der Elektrolysezelle statt – ein spannender Ansatz, der die Materialwissenschaften und die Life Sciences zusammenbringt“, so Florian Gerdts. Dafür wollen die Projektbeteiligten poröse Titanstrukturen nutzen, da Titan besonders widerstandsfähig gegenüber Korrosion ist, was für den Einsatz im Meerwasser essenziell ist.

Wasserstoffproduktion direkt dort, wo der Wind weht

Der gesamte Prozess soll zukünftig dort stattfinden, wo auch schon der Strom entsteht: an Offshore-Windanlagen. Damit vermeiden die Wissenschaftler:innen, dass der Strom erst noch ans Festland transportiert werden muss. Dieser Weg ist teuer, Energie geht verloren. Stattdessen wird vor Ort sauberer, klimaneutraler Wasserstoff erzeugt. Dieser kann effizient weitertransportiert werden, und zum Beispiel in energieintensiven Industrien wie der Stahl- und Chemieproduktion eingesetzt werden.

 

Hintergrund: Wasserstoff als Energieträger der Zukunft

Um fossile Brennstoffe zu ersetzen, werden in Zukunft mehr erneuerbare Energien genutzt und nachhaltige Energieträger benötigt. Wasserstoff spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, da er gut gespeichert und transportiert werden kann. Wasserstoff als Energieträger ermöglicht so die Kopplung verschiedener Sektoren – von der Industrie, über Mobilität bis hin zur Energieversorgung.  Besonders effizient und ressourcenschonend ist grüner Wasserstoff. Als grün gilt Wasserstoff, wenn er durch Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energien wie Sonnen- oder Windenergie erzeugt wird. Bei diesem Prozess entstehen keine Treibhausgase. Wasserstoff, der durch Meerwasserelektrolyse an windreichen Standorten entsteht, kann beispielsweise in der Industrie oder im Schwerlastverkehr eingesetzt werden.

 

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Das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) fördert das Projekt mit insgesamt 733.000 Euro über einen Zeitraum von drei Jahren.

 

Partner

Projektpartner sind die Fachhochschule Kiel in Koordination der Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule Kiel GmbH und das Technologieunternehmen Element22 GmbH aus Kiel, das für dieses Projekt die Titanbauteile herstellt. SalYsAse ist angebunden an CAPTN Energy, ein schleswig-holsteinisches Innovationsbündnis, das erneuerbare Energien für maritime Anwendungen nutzt.

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news-9963 Fri, 11 Jul 2025 17:17:00 +0200 Mit Tauchgängen eine Datenlücke schließen /news/article/mit-tauchgaengen-eine-datenluecke-schliessen 11.07.2025/Bremen/Kiel. Laut dem EU-Klimadienst Copernicus war 2024, insbesondere der Sommer, das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Der mit der globalen Erwärmung einhergehende Klimawandel manifestiert sich in ganz Europa in Form von extremen Wetterereignissen wie Waldbränden, Dürren, Überschwemmungen nach starken Regenfällen und Hitzewellen im Meer. Das Citizen-Science-Projekt BlueDOT, das vom MARUM – Zentrum für marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen koordiniert wird, arbeitet daran, diese Veränderungen besser zu verstehen, indem es Temperaturdaten in den oberen 40 Metern des Mittelmeers sammelt. Ziel ist es, die Meerestemperaturen genauer zu verfolgen und marine Hitzewellen zu überwachen. Dadurch soll das Verständnis verbessert werden, wie sich der Klimawandel auf die Ozeane auswirkt. Taucher:innen stehen im Mittelpunkt des Projekts BlueDOT. Indem sie Tauchprofile von ihren Tauchcomputern auf das Divelogs-Portal hochladen und der Weitergabe an die wissenschaftliche Datenbank zustimmen, leisten sie einen wertvollen Beitrag zur Meeresforschung.

Mit Citizen Science gegen Datenlücken im Mittelmeer

Das Projektteam nutzt diese Daten unter Einhaltung der Datenschutzbestimmungen, um Temperaturänderungen in verschiedenen Teilen des Mittelmeers und aus Küstenregionen weltweit zu überwachen und aufzuzeichnen. Dr. Christophe Galerne und Prof. Achim Kopf, beide vom MARUM an der Universität Bremen, Dr. Rebecca Zitoun vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Arne Schwab von Schwab Research Technology leiten das Projekt.

Sensoren unter Wasser: Kalibrierung an Referenz-Tauchplätzen

Um die Qualität der gesammelten Daten zu verbessern und sicherzustellen, dass die Temperaturmessungen verschiedener Tauchcomputer vergleichbar sind, hat BlueDOT an ausgewählten Referenztauchplätzen an der Costa Brava, auf Helgoland und auf der maltesischen Insel Gozo hochpräzise Temperatursensoren dauerhaft installiert. Diese Sensoren zeichnen die Temperatur in verschiedenen Tiefen auf, sodass die Wissenschaftler:innen von BlueDOT die gesammelten Daten der Tauchcomputer anhand konsistenter, hochauflösender Messungen kalibrieren können. Um diese Bemühungen zu unterstützen, arbeitet BlueDOT mit zwei Tauchzentren in Spanien und auf Malta zusammen.

Großes globales Potenzial: Sechs Millionen Taucher:innen weltweit

Laut Christophe Galerne erhöht der Einsatz der Sensoren die Genauigkeit der BlueDOT-Datenbank. „Dies schafft eine zuverlässigere Grundlage für die Forschung und hilft dabei, das Projekt für die langfristige globale Ausweitung weiter zu entwickeln.“ Diese von Taucher:innen gesammelten Daten sind eine wichtige Ergänzung zu bestehenden Plattformen zur Meeresüberwachung wie Satellitenbeobachtungen, Argo-Floats und hydrografischen Vermessungen. „Mit geschätzten sechs Millionen aktiven Tauchern weltweit birgt diese Citizen-Science-Initiative enormes Potenzial für die Verbesserung der Klimaforschung durch weitreichende, gemeinschaftsbasierte Beobachtungen der Meerestemperatur“, betont Galerne.

Das Projekt wird vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) gefördert. Es ist im Dezember 2024 gestartet und zunächst auf eine Laufzeit von etwa 18 Monaten angelegt. Es dient als Testphase, um den besten Ansatz für eine mögliche globale Ausweitung zu entwickeln.

Erwärmung mit Folgen

Das Team hat bereits Tauchdaten aus dem Mittelmeer ausgewertet. Wie Galerne erwartet hatte, deuten diese darauf hin, dass die durchschnittlichen Meerestemperaturen stetig ansteigen. Die Wassermassen der Ozeane wirken als Wärmespeicher, die mit der Atmosphäre interagieren und so das Klima beeinflussen. Wenn dieses System durch die anhaltende Erwärmung des Oberflächenwassers aus dem Gleichgewicht gerät, könnte dies zu verstärkter Verdunstung und letztlich zu regional begrenzten extremen Niederschlagsereignissen in den umliegenden Gebieten führen. Galerne erklärt, dass sich der damit verbundene Regenbereich in den vergangenen 20 Jahren immer weiter nach Norden verlagert hat, was zu sporadischen Dürren, starken Regenfällen und Überschwemmungen geführt habe.

Mehr als nur Sommerdaten – warum jede Jahreszeit zählt

„Die anhaltende Erwärmung und die zunehmende Häufigkeit von Hitzewellen im Meer haben auch erhebliche Auswirkungen auf die Artenvielfalt und die Ökosystemleistungen unserer Ozeane – was sie zu einem entscheidenden Faktor macht, der sowohl in der Forschung als auch im Management berücksichtigt werden muss. Derzeit gibt es eine sogenannte Stichprobenverzerrung – eine deutliche Übergewichtung von Daten aus den wärmeren Monaten und der Urlaubssaison. Um einen Durchschnittswert ermitteln zu können, möchten wir Taucher dazu ermutigen, ihre Daten – auch ältere Daten – in unser Portal einzugeben und auch Daten aus kühleren Jahreszeiten aufzuzeichnen und hochzuladen“, sagt Galerne. Durch das Schließen dieser saisonalen Lücken könnten Taucher:innen eine entscheidende Rolle dabei spielen, ein genaueres Bild davon zu erstellen, wie sich die Meerestemperaturen im Laufe des Jahres verändern.

BlueDOT ist ein anerkanntes Projekt der UN-Ozean-Dekade.

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news-9907 Fri, 13 Jun 2025 11:02:09 +0200 Was gut für das Klima ist, ist nicht automatisch gut für den Ozean /news/article/was-gut-fuer-das-klima-ist-ist-nicht-automatisch-gut-fuer-den-ozean 13.06.2025/Kiel. Methoden zur Erhöhung der CO2-Aufnahme des Ozeans sollen dabei helfen, die Klimakrise zu bewältigen. Doch insbesondere biologische Methoden, bei denen Biomasse im Meer zersetzt wird, würden gleichzeitig den Sauerstoffgehalt im Ozean erheblich verringern. Die Auswirkungen auf den Meeressauerstoff müssen daher bei der Bewertung dieser Methoden berücksichtigt werden. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Oschlies vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Seine Studie ist jetzt im Fachjournal Environmental Research Letters erschienen. Die globale Erwärmung ist die Hauptursache für den dramatischen Sauerstoffverlust im Ozean – rund zwei Prozent hat die Menge des in Meerwasser gelösten Sauerstoffs in den vergangenen Jahrzehnten abgenommen, was bereits gravierende Folgen für das Leben im Meer hat. Jede weitere Erwärmung wird den Sauerstoffverlust noch weiter verstärken. Umgekehrt sollten Methoden, die die Folgen des Klimawandels abschwächen, somit auch dem Sauerstoffverlust entgegenwirken. Doch eine neue Studie zeigt: Insbesondere Verfahren zur marinen Entnahme von Kohlendioxid (CO2), die auf biologischen Prozessen basieren, könnten den Sauerstoffverlust des Ozeans zusätzlich beschleunigen.

„Was gut für das Klima ist, ist nicht automatisch gut für den Ozean“, sagt Prof. Dr. Andreas Oschlies, Erstautor der Studie und Leiter der Forschungseinheit Biogeochemische Modellierung am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Gemeinsam mit einem internationalen Team von Wissenschaftler:innen der UNESCO Arbeitsgruppe Global Ocean Oxygen Network (GO2NE) hat er eine umfassende Modellierungsstudie durchgeführt, in der er mithilfe idealisierter globaler Simulationen die direkten und indirekten Auswirkungen verschiedener mariner CO2-Entnahmemethoden (mCDR, marine Carbon Dioxide Removal) auf den Sauerstoffgehalt im Ozean analysiert hat. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Environmental Research Letters öڴڱԳٱ.

Ozeandüngung oder Algenversenkung sind besonders kritische Verfahren

Als besonders kritische Verfahren identifizierten die Forschenden die Ozeandüngung, die Makroalgenzucht mit anschließendem Versenken der Algenbiomasse sowie den künstlichen Auftrieb von nährstoffreichem Tiefenwasser. Bei ersteren werden große Mengen der Algen in den tiefen Ozean eingebracht und dort mikrobiell zersetzt. Dieser Abbauprozess verbraucht Sauerstoff – und zwar in einem Ausmaß, das vergleichbar ist mit dem heutigen jährlichen Sauerstoffverlust durch die globale Erwärmung. Auch der künstliche Auftrieb, bei dem nährstoffreiches Tiefenwasser an die Oberfläche gepumpt wird, wo es das Wachstum von Mikroalgen fördert, würde den Sauerstoffverbrauch im Ozean deutlich erhöhen.

„Verfahren, die zusätzliche Biomasse im Ozean produzieren, deren Abbau Sauerstoff verbraucht, können nicht als unbedenkliche Klimaschutzmaßnahme gelten“, sagt Oschlies. „Unsere Modellrechnungen zeigen, dass manche Methoden zu einem Verlust an gelöstem Sauerstoff im Meerwasser führen können, der vier- bis 40-mal größer ist als der Sauerstoffgewinn, der durch die Minderung der Erderwärmung zu erwarten wäre.“

Geochemische Verfahren, bei denen keine Nährstoffe zugeführt werden, wie die Alkalinitätserhöhung durch basische Substanzen basierend auf Kalkprodukten, schneiden besser ab. Sie scheinen den Sauerstoffgehalt kaum zu beeinflussen und sind in dieser Hinsicht vergleichbar mit einem Szenario, bei dem einfach weniger CO2 ausgestoßen wird.

Von allen untersuchten Methoden ist nur der großflächige Anbau und die Ernte von Makroalgen in der Lage, den historischen Sauerstoffverlust im Ozean tatsächlich umzukehren. Bei diesem Ansatz wird im Ozean kein zusätzlicher Sauerstoff verbraucht, da die Nährstoffe zusammen mit der geernteten Biomasse aus dem Ozean entfernt werden. Die Modellrechnungen zeigen: Diese Methode könnte, wenn sie sehr umfassend eingesetzt würde, innerhalb von 100 Jahren zehnmal mehr Sauerstoff liefern, als durch den Klimawandel im Ozean verloren gegangen ist. Allerdings hätte hierbei die Entnahme von Nährstoffen negative Auswirkungen auf die biologische Produktivität im Meer.

Forderung nach systematischer Überwachung des Sauerstoffs

Die Forschenden fordern, den Sauerstoffgehalt künftig bei jeder mCDR-Maßnahme systematisch mit zu erfassen und die möglichen Auswirkungen auf den Meeressauerstoff bei der Bewertung ihrer Eignung zu berücksichtigen.

„Der Ozean ist ein komplexes und bereits sehr belastetes System“, sagt Oschlies. „Eingriffe an einem Ort können weitreichende Folgen haben. Deshalb dürfen wir auch gut gemeinte Klimaschutzmaßnahmen nur nach gründlicher Erforschung mit größter Vorsicht einsetzen, um sicherzustellen, dass wir das Leben im Meer dabei nicht seiner Lebensgrundlage berauben.“

 

Hintergrund: CO2-Entnahme als Teil der Klimastrategie

Selbst bei ambitionierter Klimapolitik wird Deutschland in drei Jahrzehnten voraussichtlich noch immer zehn bis 20 Prozent der aktuellen Treibhausgas-Emissionen freisetzen und die Erderwärmung weiter vorantreiben. Ein möglicher Ausweg, um diese schwer vermeidbaren Restemissionen auszugleichen und damit das Ziel der Treibhausgasneutralität zu erreichen, ist die gezielte Entnahme und Speicherung von Kohlendioxid. Aufgrund seiner natürlichen CO2-Aufnahmefähigkeit ist der Ozean der Hauptakteur im globalen Kohlenstoffkreislauf. Allerdings finden die CO2-Aufnahmeprozesse im Ozean und im Ozeanboden auf langen Zeitskalen statt. Durch mCDR (marine Carbon Dioxide Removal)-Verfahren könnten diese beschleunigt und damit die Kohlendioxid-Aufnahmerate des Ozeans erhöht werden.

Originalpublikation:

Oschlies, A., Slomp, C. P., Altieri, A. H., Gallo, N. D., Gregoire, M., Isensee, K., Levin, L. A., & Wu, J. (2025): Potential impacts of marine carbon dioxide removal on ocean oxygen. Environmental  Research Letters.

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news-9895 Tue, 03 Jun 2025 17:00:00 +0200 Start in die Unterwasser-Pflanzsaison /news/article/start-in-die-unterwasser-pflanzsaison 03.06.2025/Kiel/Wackerballig. In Schleswig-Holstein hat die Pflanzsaison für ganz besondere Unterwassergärtner begonnen: Freiwillige Taucher:innen von fünf Nichtregierungsorganisationen bepflanzen in diesem Sommer erstmals wissenschaftlich ausgewählte Flächen, um Seegraswiesen in der Ostsee zu renaturieren. Die Schulungen organisiert Sea Shepherd Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, das die Wiederanpflanzungen wissenschaftlich begleitet. Elf Taucher:innen in schwarzen Taucheranzügen machen sich an diesem Frühsommermorgen am Strand von Wackerballig in der Geltinger Bucht bereit für ihren Einsatz als Unterwassergärtner. In leuchtend blauen Netzbeuteln steckt das Pflanzmaterial: Seegrassprossen, entnommen aus einer nahe gelegenen gesunden Spenderwiese. Diese sollen hier, wenige Meter vom Strand entfernt, zu einer neuen Seegraswiese zusammenwachsen. Langsam waten die Taucher:innen ins Wasser, wo ein Schlauchboot sie dann zur Pflanzfläche zieht. Dort angekommen, tauchen sie ab. Am Meeresboden wird nun Spross für Spross in das weiche Sediment gesetzt, immer acht Sprossen auf einen Quadratmeter.

Mit Netzbeutel und Neopren: Unterwassergärtnern für Natur- und Klimaschutz

Einzelspross-Transplantation heißt die Methode, und es ist die derzeit effektivste Technik zur Wiederansiedlung von Seegras. Dafür braucht es viele Hände. In diesem Sommer übernehmen erstmals fünf Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit zahlreichen freiwilligen Taucher:innen in größerem Stil die Renaturierung.

„Die Pilotphase ist vorbei – jetzt gehen wir in die Fläche“, sagt Prof. Dr. Thorsten Reusch, Leiter des Forschungsbereichs Marine Ökologie am Ƶ. „Dass die NGOs mithilfe der geschulten Taucherinnen und Taucher nun eigenständig Seegraswiesen renaturieren, ist eine gute Nachricht für die biologische Vielfalt im Küstenbereich der Ostsee und für den natürlichen Klimaschutz.“

Seegras – die unterschätzte natürliche CO-Senke

Denn Seegras ist ein wahres Multitalent unter Wasser. Es bietet wichtige Lebensräume für Fische und andere Lebewesen, stabilisiert das Sediment, beruhigt Wellen und filtert Krankheitserreger aus dem Wasser. Vor allem aber bindet es sehr effektiv und langfristig Kohlenstoff. Damit zählen Seegraswiesen zu den bedeutendsten natürlichen CO₂-Senken unserer Küstengewässer.

Genau hier setzt das vom Bundesumweltministerium geförderte Projekt ZOBLUC an, das in diesem Jahr unter Leitung des Ƶ gestartet ist. ZOBLUC steht für „Zostera marina als Blue Carbon-Kohlenstoffspeicher in der Ostsee“ und vereint Forschung, Schutz und Wiederherstellung von Seegraswiesen. Im Mittelpunkt steht die Frage, in welchem Umfang diese Ökosysteme als natürliche Kohlenstoffspeicher wirken – und wie sie gezielt gestärkt werden können. Das Projekt ist Teil des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz (ANK) und wird mit rund sechs Millionen Euro vom Bund und vom Land Schleswig-Holstein gefördert.

„Seegraswiesen sind wie unterseeische Moore“, erklärt Reusch. „Sie speichern Kohlenstoff über Jahrhunderte im sauerstoffarmen Sediment – das macht sie zu einer unterschätzten, aber wirksamen Waffe im Kampf gegen den Klimawandel.“

Doch Seegraswiesen sind bedroht. Zu hohe Nährstoffeinträge und daraus resultierendes übermäßiges Algenwachstum, mechanische Störungen, etwa durch Anker sowie steigende Wassertemperaturen haben in den vergangenen Jahrzehnten dazu geführt, dass Seegras vielerorts verschwunden ist. Allerdings haben sich an einigen Küstenabschnitten die Bedingungen nach Ƶ-Daten wieder verbessert. „Um der langsamen natürlichen Kolonisierung eine Starthilfe zu geben, ist eine Renaturierung von Seegras an sorgfältig ausgewählten Flächen sinnvoll“.

Citizen Science für den Meeresschutz

Die Einbindung von Bürger:innen in die Renaturierung im Rahmen des Citizen-Science-Ansatzes ist ein zentrales Element von ZOBLUC. Die dafür notwendigen Schulungsformate wurden über mehrere Jahre hinweg entwickelt und schrittweise ausgebaut: 2023 haben Ƶ-Forschende einen achtteiligen Pilotkurs erarbeitet und in Kooperation mit Sea Shepherd für eine kleine Gruppe erfahrener „Citizen Divers“ angeboten. Im Folgejahr 2024 wurden die Schulungen auf Tauchlehrer:innen und Leiter:innen von Tauchclubs ausgeweitet.

2025 markiert nun den Übergang in die Fläche: Geschult werden die Mitglieder von fünf NGOs – Sea Shepherd Deutschland, Mission Förde, Lake Divers (Just1Ocean), Seagrass Conservation e.V. (SeaGCon, in Gründung) und Greenpeace. Sie betreuen dann neun wissenschaftlich ausgewählte Flächen in der Ostsee, von Holnis bis Fehmarn, auf denen das Seegras entweder vollständig verschwunden oder nur noch in kleinen Resten vorhanden ist. Durch die gezielten Anpflanzungen sollen diese Lücken wieder gefüllt und langfristig vernetzt werden. Die geeigneten Renaturierungs-Flächen und Spenderweisen werden vom Ƶ ausgewählt und in enger Absprache mit dem schleswig-holsteinischen Umweltministerium (MEKUN) genehmigt. Wissenschaftlich begleitet werden die Maßnahmen unter anderem durch ein Monitoring-Programm, das Umweltbedingungen und Pflanzerfolge dokumentiert.

Neun Flächen, fünf NGOs, ein gemeinsames Ziel

Für Christin Otto von Sea Shepherd, die die Schulungen koordiniert, ist dieser Einsatz ein zentrales Anliegen: „Wir setzen damit unseren langjährigen Einsatz für den Schutz der Ostsee konsequent fort – mit direktem, wirkungsvollem Meeresschutz. Dank der Kooperation mit dem Ƶ ist es uns möglich, unsere Schutzbemühungen weiter auszubauen und einen nachhaltigen Beitrag zum Erhalt von wichtigen Lebensräumen zu leisten.“

„Wir bieten hier Naturschutz zum Mitmachen“, sagt der Biologe und Forschungstaucher Christian Lieberum. Er ist hauptamtlicher Koordinator des Citizen-Science-Programms. „Die Resonanz ist riesig“, sagt er. Bei weitem nicht allen Interessierten konnte eine Schulung angeboten werden. „Aber wir fangen ja gerade erst an. Diese Erfolgsgeschichte wird hoffentlich noch lange weitergeschrieben.“

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news-9868 Mon, 05 May 2025 10:53:00 +0200 Künstliche Sauerstoffzufuhr in Küstengewässern: Hoffnungsträger mit Risiken /news/article/kuenstliche-sauerstoffzufuhr-in-kuestengewaessern-hoffnungstraeger-mit-risiken 05.05.2025/Kiel/Nijmegen. Könnte der künstliche Eintrag von Sauerstoff sterbende Küstengewässer wiederbeleben? Ansätze zur Sauerstoffanreicherung haben sich in Seen bereits als erfolgreich erwiesen, aber ihre möglichen Nebeneffekte müssen sorgfältig untersucht werden, bevor sie auch im Meer eingesetzt werden. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende eines internationalen Workshops, der vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und der niederländischen Radbout Universität geleitet wurde. In einem Beitrag im Fachmagazin EOS warnen sie: Technische Maßnahmen können zeitlich und örtlich begrenzt Schäden abmildern, sind aber mit erheblichen Unsicherheiten und Risiken behaftet. Vor allem bieten sie keine dauerhafte Lösung, weil der Sauerstoffgehalt nach Beendigung der Maßnahmen auf das alte Niveau zurücksinkt, wenn nicht die Ursachen des Problems, Nährstoffeinträge und globale Erwärmung, bekämpft werden. Weltweit verlieren Küstengewässer zunehmend Sauerstoff mit dramatischen Folgen – nicht nur für die Ökosysteme, sondern auch für die Menschen, die von ihnen leben. Die Ostsee ist ein bekanntes Beispiel: Dort Die Folgen der sich ausbreitenden sauerstoffarmen oder sauerstofffreien Zonen zeigen sich in Form von Fischsterben, dem Rückgang von Laichgebieten und giftigen Blaualgenblüten. Wäre es da nicht naheliegend, Sauerstoff ins Meer einzuleiten – genau dort, wo er am dringendsten benötigt wird?

„Technisch sind bereits verschiedene Ansätze getestet worden, die in Seen zum Teil auch positive Effekte gezeigt haben“, sagt Prof. Dr. Andreas Oschlies, Professor für Marine Biogeochemische Modellierung am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, „doch die künstliche Sauerstoffzufuhr kann keine Wunder bewirken – sie lindert vorübergehend Symptome, bekämpft aber nicht die Ursachen.“

Andreas Oschlies leitet gemeinsam mit Prof. Dr. Caroline P. Slomp, Professorin für Geomikrobiologie und Biogeochemie an der Radboud Universität in den Niederlanden, das Global Ocean Oxygen Network (GO2NE), ein internationales Expert:innengremium der Intergovernmental Oceanographic Commission (IOC UNESCO) der Vereinten Nationen, das die Ursachen und Folgen des sinkenden Sauerstoffgehalts im Ozean erforscht und im Herbst einen ersten internationalen Workshop zum Thema künstliche Sauerstoffzufuhr durchgeführt hat. Die Ergebnisse dieses Workshops sind letzte Woche im Fachmagazin EOS erschienen.

Hauptursachen für Sauerstoffverluste in Küstenmeeren

Küstenmeere gewinnen Sauerstoff auf natürliche Weise durch den Austausch zwischen dem Meer und der Luft, und durch das Phytoplankton, das an der Oberfläche Photosynthese betreibt. Tiefere Wasserschichten können nur durch Austausch mit Oberflächenwassermassen Sauerstoff erhalten. Das Meerwasser verliert Sauerstoff durch Bakterien, die ihn beim Zersetzen von organischem Material aufzehren. Diese können besonders gut gedeihen, wenn das Nährstoffangebot hoch ist – daher gehören zu hohe Nährstoffeinträge (vor allem Stickstoff und Phosphor) aus Abwässern und Landwirtschaft zu den Hauptursachen für den sinkenden Sauerstoffgehalt. Dazu kommt die Erwärmung der Gewässer – in wärmerem Wasser kann weniger Sauerstoff gelöst werden, und durch warme Wasserschichten, die sich über kühlere legen, wird die Durchmischung der Wasserschichten gehemmt.

Oschlies: „Es gibt in der Ostsee inzwischen riesige Zonen, in denen gar kein Sauerstoff mehr vorkommt. Wir nennen sie anoxisch, also sauerstofffrei. Umgangssprachlich werden sie als ,Todeszonen‘ bezeichnet. Ganz tot sind sie nicht, denn es gibt durchaus Bakterien, die in diesem Milieu noch leben können. Für alle anderen Organismen sind diese Bereiche aber absolut lebensfeindlich.“

Grenzen und Risiken von künstlichem Sauerstoffeintrag

Oschlies und Slomp haben Studien zu zwei technischen Ansätzen untersucht, mit denen Gewässern Sauerstoff zugeführt werden kann: das Einblasen von Luft oder reinem Sauerstoff (englisch Bubble Diffusion) sowie das Pumpen sauerstoffreicher Oberflächengewässer in tiefere Schichten (künstliches Downwelling). Beide Methoden wurden bereits lokal getestet – mit zum Teil positiven Effekten. Doch sobald die Maßnahmen eingestellt werden, kehrt die Anoxie meist innerhalb kürzester Zeit zurück. Slomp: „In Seen, flachen Flussmündungen oder kleinen Buchten kann dieser künstliche Sauerstoffeintrag erfolgreich angewendet werden. Doch die Wirkung hält nur so lange an, wie der Betrieb aufrechterhalten wird.“ Ein Beispiel dafür ist die Chesapeake Bay bei Baltimore in den USA, wo nach jahrzehntelanger Belüftung eines flachen Nebenarms die Anlagen abgeschaltet wurden und innerhalb eines Tages die Sauerstoffgehalte auf die alten Werte zurückfielen.

Zudem birgt die künstliche Sauerstoffzufuhr ökologische Risiken. So kann etwa die aufsteigende Bewegung von Gasen wie Methan – einem starken Treibhausgas – durch das Einblasen von Sauerstoff verstärkt werden. Auch Veränderungen von Temperatur- und Salzverteilungen sowie Unterwasserlärm könnten marine Lebensräume beeinträchtigen und im Extremfall sogar zu einer noch stärkeren Sauerstoffabnahme führen. „Diese Verfahren dürfen nur nach gründlicher Prüfung und mit begleitender Umweltüberwachung eingesetzt werden“, betont Oschlies.

Kein Ersatz für Klimaschutz und Reduktion von Nährstoffeinträgen

Ein aktueller Anlass für die Debatte ist der Ausbau von Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff. Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse gewonnen, wobei Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. Stehen die Elektrolyseure am Meer, könnte der als Nebenprodukt entstehende Sauerstoff direkt für Maßnahmen zur Sauerstoffanreicherung in küstennahen Meeresregionen genutzt werden. Doch die Forschenden mahnen zur Vorsicht: Wo geeignete Bedingungen herrschen, könnten technische Eingriffe sinnvoll sein – sie müssten aber eingebettet werden in umfassende Strategien zum Gewässerschutz.

Slomps Fazit: „Die technischen Möglichkeiten zur Sauerstoffzufuhr sind kein Ersatz für konsequenten Klimaschutz und die Reduktion von Nährstoffeinträgen aus Landwirtschaft und Abwasser. Sie können aber unter bestimmten Bedingungen dazu beitragen, die schlimmsten Folgen des Sauerstoffmangels zumindest zeitweise abzumildern.“

 

Original-Publikation:

Slomp, Caroline P./Oschlies, Andreas (2025): Could bubbling Oxygen revitalize dying coastal seas?. Eos.

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news-9853 Tue, 29 Apr 2025 10:08:00 +0200 Deutschlands begrenzte Optionen, schwer vermeidbare Restemissionen mithilfe des Meeres auszugleichen /news/article/deutschlands-begrenzte-optionen-schwer-vermeidbare-restemissionen-mithilfe-des-meeres-auszugleichen 29. April 2025/Kiel. Die natürliche Kohlendioxid-Aufnahme des Meeres zu erhöhen oder abgeschiedenes Kohlendioxid (CO2) biogenen Ursprungs tief im Meeresuntergrund zu speichern, werden in Deutschland aktuell als Möglichkeiten diskutiert, um schwer vermeidbare Restemissionen auszugleichen und das Ziel der Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 zu erreichen. Welche CO2-Entnahme- und Speicherverfahren jedoch erfolgreich einsetzbar sind, hängt von den lokalen Bedingungen ab. In deutschen Nord- und Ostseegewässern sind die Möglichkeiten auf wenige Methoden begrenzt. Das ist das Ergebnis einer ersten Machbarkeitsabschätzung von Wissenschaftler:innen der Forschungsmission CDRmare. Die Studie ist vor kurzem im Fachmagazin Earth’s Future erschienen. Oberstes Ziel auf dem Weg zur Klimaneutralität ist die Vermeidung von Emissionen. Doch angesichts der Notwendigkeit, schwer vermeidbare CO2-Emissionen in Zukunft durch eine Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre auszugleichen, gewinnen Methoden zur CO2-Entnahme und -Speicherung mithilfe des Ozeans zunehmend an Aufmerksamkeit. Welche Möglichkeiten hat Deutschland, seine Meeresgebiete dafür zu nutzen? Dieser Frage geht eine Studie nach, in der Forschende erstmals versuchen, die Machbarkeit von CO2-Entnahme- und Speicherung in deutschen Gewässern abzuschätzen, wenn man die lokalen Meeresbedingungen berücksichtigt und danach fragt, woher das notwendige Material, die erforderlichen Infrastrukturen und die benötigte Energie kommen sollen, die eine meeresbasierte CO2-Entnahme im großen Stil erfordern würde.

„Solche Standortfaktoren entscheiden maßgeblich darüber, welche Verfahren zur marinen CO2-Entnahme und -Speicherung überhaupt in Frage kommen. Unsere Analyse hilft uns, genauer zu verstehen, über welche Größenordnungen wir sprechen, wenn wir einen Einsatz dieser Verfahren in deutschen Meeresgewässern diskutieren, und an welchen Stellen der Prozessketten wir absehbar auf Engpässe oder Machbarkeitsgrenzen stoßen würden“, sagt Dr. Wanxuan Yao, Co-Autor und zum Zeitpunkt der Studie Klimamodellierer am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. 

Neueste Forschungsergebnisse ausgewertet

Für die Analyse haben die Forschenden sowohl aktuelle Fachliteratur ausgewertet als auch Ergebnisse aus ihrer aktuellen Arbeit in der DAM-Forschungsmission zur marinen CO2-Entnahme und -Speicherung (CDRmare) einfließen lassen. Abgefragt wurde für jede Methode unter anderem wie viel Wasser, Material, Energie, Land- oder Meeresfläche benötigt werden, welche Abfall- oder Beiprodukte entstehen könnten, welche Bauten und Transportwege notwendig wären, welche Betriebskosten entstünden und was über mögliche Auswirkungen auf Mensch und Natur bekannt ist.

„Außerdem haben wir untersucht, ob es für jede der Methoden bereits etablierte Verfahren gibt, mit denen die erzielte CO2-Entnahme sowie mögliche Umweltauswirkungen gemessen und überwacht werden können. Ohne solche Mess- und Kontrollverfahren hat keine der diskutierten Methoden eine realistische Chance, eines Tages großflächig eingesetzt zu werden“, erläutert Co-Erstautorin Dr. Teresa Morganti, zum Zeitpunkt der Studie Meeresbiologin am Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde.

Zehn marine CO2-Entnahmemethoden in der engeren Auswahl

Am Ende des mehrjährigen Auswahlprozesses blieben fünf Verfahren zur CO2-Entnahme übrig, die in den deutschen Nord- und Ostseegewässern umgesetzt werden könnten. Fünf weitere untersuchte Methoden müsste die Bundesrepublik in internationalen Gewässern umsetzen oder dafür mit anderen Küstenstaaten kooperieren.

„Die von uns entwickelten Optionsskizzen sollen dazu dienen, konkrete Fragen und Herausforderungen aufzuwerfen, die sich im Falle eines großskaligen Einsatzes stellen würden, und eine Diskussionsgrundlage zu liefern. Es ist aber wichtig zu betonen, dass diese Skizzen weder die rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen, noch hinterfragen sie, ob die möglichen Auswirkungen einer gezielten CO2-Entnahme mithilfe des Meeres unseren ethischen Werten und Zielvorstellungen entsprechen. Das sind wichtige Fragen, die wir nun in Folgestudien aufgreifen müssen“, sagt Dr. Nadine Mengis vom Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Co-Autorin der neuen Studie und CDRmare-Co-Sprecherin.

Zu hohe Erwartungen an marine CO2-Entnahmemethoden

Die Forschenden arbeiten deshalb gezielt daran, Methoden und Prozesse zu entwickeln, die ein realistisches Bild davon zeichnen, inwiefern marine CO2-Entnahmeverfahren machbar und ihre Auswirkungen für Mensch und Natur wünschenswert sind. „Sobald man marine CO2-Entnahmeverfahren für eine konkrete Region hochskaliert und somit die Dimension dieser Eingriffe begreifbar macht, wird deutlich, dass die bisherigen Erwartungen ohne diese Überlegungen oft zu hoch sind. Wir brauchen mehr solcher Studien, die die kontextspezifischen Bedingungen für eine mögliche Umsetzung von CDR-Maßnahmen mit einbeziehen, nur so kommen wir letztlich auch auf belastbare Potenziale”, sagt Nadine Mengis.

Die Erwartungen bergen zudem die Gefahr, dass auch Länder wie Deutschland auf zukünftige technische Lösungen hoffen und in der Zwischenzeit ihre Ambitionen zur Treibhausgasvermeidung mit bekannten und erprobten Maßnahmen zurückschrauben. „Das darf nicht das Resultat unserer Forschung sein“, betont Nadine Mengis.

Zu den in der Studie beschriebenen marinen CO2-Entnahme- und Speicherverfahren zählen:

Verfahren zur Erhöhung der CO2-Säurebindungsvermögens (Alkalinität) des Ozeans:

1. die Herstellung einer Lauge aus Silikatgestein und Wasser sowie die Verteilung dieser Lauge im Flachwasser entlang der deutschen Nordseeküste,

2. die Herstellung einer Lauge aus Löschkalk und Wasser sowie die Verteilung dieser Lauge entlang der Schifffahrtswege in der deutschen Nordsee,

3. das Einstreuen von pulverisiertem Basaltgestein vulkanischen Ursprungs entlang der deutschen Küste,

4. die Einleitung von Natriumhydroxid, welches in Entsalzungsanlagen durch Elektrolyse gewonnen werden kann (derzeit keine Entsalzungsanlagen in Nord- oder Ostsee).

Verfahren zur Wiederherstellung und Ausweitung vegetationsreicher Küstenökosysteme

5. die gezielte Ausweitung oder Einführung von Kelpwäldern rund um die deutsche Nordseeinsel Helgoland,

6. die Wiederherstellung und Ausweitung von Mangrovenwäldern in Indonesien,

7. der künstliche Auftrieb nährstoffreichen Tiefenwassers, um das Planktonwachstum im Nordatlantik anzukurbeln (Verstärkung der biologischen Kohlenstoffpumpe des Ozeans)

8. die gezielte Zucht von Sargassum-Algen im subtropischen Wirbel des Südatlantiks sowie das anschließende Versenken der erzeugten Biomasse im Meer

Verfahren zur Speicherung von abgeschiedenem, biogenem CO2

9. die Zucht von Großalgen mit anschließender Verwendung der Biomasse für die Herstellung von Biomethan. Bei der Verbrennung des Methans im Gaskraftwerk würde das entstehende CO2 biogenen Ursprungs abgeschieden, komprimiert und in Sandsteinformationen unter der deutschen Nordsee gespeichert.

10. die direkte Entnahme von CO2 aus der Umgebungsluft mit anschließender Speicherung in der ozeanischen Basaltkruste vor der Küste Norwegens

 

Publikation:

Yao, W., Morganti, T. M., Wu, J., Borchers, M., Anschütz, A., Bednarz, L.-K., et al. (2025). Exploring site-specific carbon dioxide removal options with storage or sequestration in the marine environment – the 10 Mt CO2 yr−1 removal challenge for Germany. Earth's Future, 13, e2024EF004902.

 

Hintergrund: CDRmare

CDRmare ist eine Forschungsmission der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM). Ihr Langtitel lautet: „Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung“. Die Mission startete im Sommer 2021 mit sechs Forschungsverbünden, die vielversprechende Methoden der marinen CO2-Entnahme und -Speicherung (Alkalinisierung, Ausweitung vegetationsreicher Küstenökosysteme, künstlicher Auftrieb, CCS) hinsichtlich ihrer Potenziale, Risiken und Wechselwirkungen untersuchen und in einem transdisziplinären Bewertungsrahmen zusammenführen. Im August 2024 ist CDRmare mit fünf Forschungsverbünden in die zweite dreijährige Förderphase gestartet. Gefördert wird CDRmare vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und den Wissenschaftsressorts der norddeutschen Bundesländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

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news-9836 Mon, 14 Apr 2025 11:00:00 +0200 Stoffflüsse in der Arktis vor tiefgreifenden Veränderungen durch den Klimawandel /news/article/stofffluesse-in-der-arktis-vor-tiefgreifenden-veraenderungen-durch-den-klimawandel 14.04.2025/Kiel. Wie gelangen Stoffe aus sibirischen Flüssen in den Arktischen Ozean – und was bedeutet das für die Ökosysteme im hohen Norden? Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Universität Bristol hat diese Frage nun in einer in Nature Communications veröffentlichten Studie beantwortet. Die Untersuchung basiert auf Daten der MOSAiC-Expedition, der bislang größten Arktis-Expedition, und offenbart: Die Transpolardrift, eine wichtige arktische Oberflächenströmung, ist räumlich und zeitlich weitaus variabler als bislang gedacht – mit direkten Folgen für den Transport von Nährstoffen, Mikroplastik und anderen Schadstoffen. An der Studie beteiligt waren unter anderem die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), das Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Die Transpolardrift, eine großräumige Meeresströmung, ist ein wichtiger Transportweg für Süßwasser und terrestrische Stoffe im Arktischen Ozean. Die Oberflächenströmung prägt nicht nur die polaren Ökosysteme, sondern beeinflusst auch die globale Ozeanzirkulation. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Universität Bristol hat nun gemeinsam mit internationalen Partnern, darunter die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und das Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, bisher unbekannte Einblicke in die Transportwege geliefert, über die beispielsweise Nähr- oder Schadstoffe aus sibirischen Flüssen in die Arktis gelangen. Die Ergebnisse, die heute [14.4.2025] in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurden, wecken neue Besorgnis über die zunehmende Ausbreitung von Schadstoffen und deren mögliche Folgen für die empfindlichen Ökosysteme der Arktis angesichts des fortschreitenden Klimawandels.

Neue Erkenntnisse aus der bisher größten Arktis-Expedition

Die neue Studie basiert auf den Ergebnissen der MOSAiC-Expedition – der bisher größten Arktis-Expedition, bei der das deutsche Forschungsschiff POLARSTERN ein Jahr lang eingefroren im Meereis driftete. Die Forschenden liefern das bislang präziseste Bild davon, wie die sogenannte Transpolardrift funktioniert und welche verschiedenen Faktoren diese wichtige arktische Oberflächenströmung beeinflussen – darunter auch steigende Temperaturen, die die Verbreitung von Schadstoffen zusätzlich verstärken könnten. Der arktische Stofftransport beeinflusst sowohl die Verteilung von natürlichen Stoffen wie Nährstoffe, Spurenelemente, Gase und organisches Material als auch von anthropogenen Schadstoffen wie Mikroplastik oder Schwermetalle. Diese gelangen aus den sibirischen Flusssystemen in den zentralen Arktischen Ozean und weiter in den Nordatlantik. Alle diese Stoffe beeinflussen die biogeochemischen Prozesse und Ökosysteme in der Arktis, während das Süßwasser selbst die Ozeanzirkulation verändert.

Transportwege variabler als bisher angenommen

Da der Arktische Ozean ein besonders variables System ist, folgen die Stoffe aus den Flüssen keinem einheitlichen Pfad. Stattdessen nehmen sie unterschiedliche, jahreszeitlich variierende Wege, die durch sich ändernden Schelfbedingungen, ѱٰöܲԲ und der Bildung, Drift und dem Abschmelzen von Meereis bestimmt werden. Dies führt zu einer raschen und weiträumigen Umverteilung sowohl von natürlichen Stoffen als auch von schädlichen Substanzen. „Wir haben deutliche Veränderungen in der Zusammensetzung des sibirischen Flusswassers entlang der Transpolardrift beobachtet – ein klarer Hinweis auf hochdynamische Wechselwirkungen. Saisonale Schwankungen der Flusseinträge und die dynamische Zirkulation auf dem sibirischen Schelf treiben die Variabilität an der Ozeanoberfläche an, während die Wechselwirkung zwischen Meereis und Ozean die Umverteilung der von den Flüssen transportierten Stoffe noch verstärkt,“ erklärt Erstautor Dr. Georgi Laukert, Marie-Curie-Postdoktorand für Chemische Ozeanographie an der Universität Bristol (UK) und der Woods Hole Oceanographic Institution (USA).

„Eine weitere zentrale Erkenntnis ist die zunehmend aktive Rolle des Meereises, das sich entlang der Transpolardrift bildet – nicht nur als passives Transportmittel, sondern als aktiver Gestalter der Stoffumverteilung. Dieses Meereis nimmt während seines Wachstums – anders als das meiste küstennahe Meereis – Material aus mehreren Flüssen auf und bildet so komplexe Stoffmischungen, die über weite Strecken transportiert werden,“ so Laukert, der nach seiner Promotion an der Uni Kiel als Postdoktorand am Ƶ Helmholz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und an der Dalhousie University (Kanada) geforscht hatte.

Geochemischer Fingerabdruck ermöglicht Rückverfolgung von Stoffflüssen

Um diese komplexen Transportwege zu entschlüsseln, analysierte das internationale Forschungsteam die Isotope von Sauerstoff und Neodym und Seltenen Erden in Proben von Meerwasser, Meereis und Schnee und erstellte daraus einen geochemischen Datensatz. Dieser geochemische „Fingerabdruck“ ermöglichte es den Forschenden, die Herkunft der in den Flüssen transportierten Stoffe zurückzuverfolgen und deren Entwicklung im Laufe eines Jahres im zentralen Arktischen Ozean zu rekonstruieren.

„Die Ergebnisse stellen eine bislang einzigartige Ganzjahresbeobachtung dar. Zuvor hatten wir nur Sommerdaten, da Expeditionen ins Wintereis zu aufwendig und zu zeitintensiv waren. Diese kontinuierlichen, interdisziplinären Daten aus der Arktis liefern entscheidende Erkenntnisse, die unser Verständnis des hochkomplexen Ozeansystems und seiner zukünftigen Entwicklung erheblich erweitern,“ sagt Co-Autorin Dr. Dorothea Bauch von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

Da sich das sommerliche Meereis aufgrund steigender Temperaturen weiter zurückzieht, verändern sich auch die Zirkulations- und Driftmuster zunehmend. „Diese Veränderungen könnten die Verteilung von Süßwasser und Flussmaterial in der Arktis grundlegend beeinflussen – mit weitreichenden Folgen für Ökosysteme, biogeochemische Kreisläufe und die Dynamik der Ozeane,“ ergänzt Co-Autor Prof. Dr. Benjamin Rabe vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) und Honorarprofessor an der Hochschule Bremerhaven.

Transpolardrift nicht so stabil wie angenommen

Die Forschungsergebnisse stellen auch die langjährige Annahme in Frage, dass die Transpolardrift ein stabiles ‚Förderband‘ für Flusswasser ist. Zwar wurde sie bereits von Fridtjof Nansen auf seiner legendären Fram-Expedition in den 1890er Jahren beschrieben, doch mehr als 130 Jahre später zeigen die neuen Erkenntnisse, dass die Transpolardrift räumlich und zeitlich sehr variabel ist.

„Unsere Studie befasst sich zwar nicht mit einzelnen Schadstoffen, beleuchtet aber die zugrundeliegenden Transportmechanismen, ein entscheidender Schritt, um vorherzusagen, wie sich der arktische Stofftransport im Zuge der globalen Erwärmung verändern wird. Wenn selbst diese symbolträchtige Strömung so dynamisch ist, dann könnte der gesamte Arktische Ozean deutlich variabler und anfälliger sein als bisher angenommen,“ resümiert Dr. Laukert.

Publikation:

Laukert, G., Bauch, D., Rabe, B., Krumpen, T., Damm, E., Kienast, M. Hathorne, E., Vredenborg, M., Tippenhauer, S., Andersen, N., Meyer, H., Mellat, M., D’Angelo, A., Simoes Pereira, P., Nomura, D., Horner, T.J., Hendry, K., Kienast, S. (2025). Dynamic ice–ocean pathways along the Transpolar Drift amplify the dispersal of Siberian matter. Nature Communications, 16, 3172.

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news-9830 Fri, 11 Apr 2025 11:00:00 +0200 CO2-Entnahme und -Speicherung: Welche Verfahren sind sinnvoll und wünschenswert? /news/article/co2-entnahme-und-speicherung-welche-verfahren-sind-sinnvoll-und-wuenschenswert 11.04.2025/Kiel. Mit zunehmendem Klimawandel steigt der Druck auf die Menschheit, der Atmosphäre gezielt Kohlendioxid (CO2) zu entnehmen – möglicherweise auch mithilfe des Meeres. Doch welche der diskutierten meeresbasierten Verfahren zur CO2-Entnahme und -Speicherung sollten tatsächlich eingesetzt werden? Wissenschaftler:innen der Forschungsmission CDRmare haben einen neuen Bewertungsleitfaden entwickelt, der Verantwortliche in die Lage versetzt, faktenbasiert zu entscheiden, ob eine ausgewählte marine Entnahmemethode oder ein konkretes Entnahmeprojekt umgesetzt werden können und ob ihre Folgen für Mensch und Natur wünschenswert sind. Damit unterstreichen die Forschenden, dass bei Entscheidungen über den Einsatz solcher Verfahren nicht ausschließlich deren technische, rechtliche und politische Machbarkeit im Fokus stehen darf, sondern auch die möglichen Folgen eines Einsatzes für Mensch und Natur auf strukturierte und einheitliche Weise bewertet werden müssen. Bewertungsleitfäden für Klimaschutzmaßnahmen werden von Fachleuten entwickelt und eingesetzt, um im Rahmen einer Technologiebewertung alle relevanten Informationen zu sammeln, zu strukturieren und zu gewichten. Diese Aufgabe erfüllen existierende Bewertungsschemata für Klimaschutzmaßnahmen wie etwa solche zur CO2-Entnahme und -Speicherung jedoch nur unzureichend, urteilen Expert:innen der Forschungsmission CDRmare in zwei neuen Fachpublikationen.

„Für die Frage, ob und wie ein CO2-Entnahmeverfahren umgesetzt werden sollte, sind sowohl seine Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit relevant als auch seine Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Mit den bislang bekannten Schemata lässt sich diese Frage aber nicht systematisch betrachten,“ sagt Prof. Dr. Christian Baatz, Klima- und Umweltethiker an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und Co-Autor der beiden neuen Fachartikel. „Wir zeigen jetzt, wie es besser geht und stellen Akteuren einen strukturierten Leitfaden für die Bewertung mariner CO2-Entnahmeprojekte zur Verfügung. Mit ihm können sie alle zentralen Themenaspekte bearbeiten und am Ende faktenbasiert entscheiden.“

29 Kriterien für eine umfassende Bewertung mariner CO2-Entnahmemethoden

Der neue Leitfaden umfasst 29 Kriterien, mit denen sieben große Themenbereiche beleuchtet werden. Dazu gehören sowohl Fragen zur technischen, rechtlichen und politischen Machbarkeit der zu bewertenden Verfahren als auch Fragen zur Wirtschaftlichkeit, Gerechtigkeit und solche der Umweltethik. Aufgrund dieser Komplexität empfehlen die Forschenden, Fachleute aus der Wissenschaft, der Wirtschaft, der öffentlichen Verwaltung, aus Interessenverbänden sowie aus gegebenenfalls betroffenen Bevölkerungsgruppen in den Bewertungsprozess einzubinden. Diesem Grundsatz folgend, hatten die Wissenschaftler:innen die Praxistauglichkeit des neuen Bewertungsleitfadens in einer Reihe transdisziplinärer Workshops überprüft, an denen zahlreiche Vertreter:innen aus Behörden und Interessenverbänden teilnahmen.

„Wie unsere Erfahrungen aus den Testläufen des neuen Leitfadens zeigen, sollte niemand allein versuchen, eine marine CO2-Entnahmemethode oder ein konkretes Entnahmeprojekt zu bewerten. Aufgrund der hohen Komplexität des Themas braucht es immer die Expertise vieler“, betont Ko-Autor Dr. Lukas Tank, ebenfalls Klima- und Umweltethiker an der CAU.

Im Idealfall machbar und wünschenswert

Neben dem Kriterienkatalog haben die Forschenden fünf Leitprinzipien definiert, die dazu beitragen sollen, dass im Zuge des Bewertungsverfahrens Informationen mit bestmöglicher Qualität zusammengetragen werden. Diese Leitprinzipien zielen darauf ab, das Verfahren transparent zu gestalten und alle möglicherweise von der Maßnahme betroffenen Parteien an dem Bewertungsverfahren zu beteiligen.

„Final zu entscheiden, ob ein konkretes marines CO2-Entnahmeprojekt umgesetzt werden soll, bleibt den politisch und gesellschaftlich Verantwortlichen vorbehalten. Im besten Fall entscheiden sich diese für wirksame Projekte und Methoden, die sowohl technisch, rechtlich und politisch machbar sind als auch wirtschaftlich, gerecht und umweltverträglich. Dabei kann unser Bewertungsrahmen unterstützen“, sagt Prof. Dr. Gregor Rehder, Chemiker am Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW). Auch er war als Autor an beiden Fachartikeln beteiligt und hat zudem den CDRmare-Forschungsverbund ASMASYS geleitet, unter dessen Schirm die Forschungsarbeiten zu beiden Publikationen stattgefunden haben.

 

Hintergrund: CDRmare

CDRmare ist eine Forschungsmission der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM). Ihr Langtitel lautet „Marine Kohlenstoffspeicher als Weg zur Dekarbonisierung“. Die Mission startete im Sommer 2021 mit sechs Forschungsverbünden, die vielversprechende Methoden der marinen CO2-Entnahme und -Speicherung (Alkalinisierung, Ausweitung vegetationsreicher Küstenökosysteme, künstlicher Auftrieb, CCS) hinsichtlich ihrer Potenziale, Risiken und Wechselwirkungen untersuchen und in einem transdisziplinären Bewertungsrahmen zusammenführen.

Im August 2024 ist CDRmare mit fünf Forschungsverbünden in die zweite dreijährige Förderphase gestartet. Gefördert wird CDRmare vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und den Wissenschaftsressorts der norddeutschen Bundesländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Publikationen:

Tank, Lukas; Lieske Voget-Kleschin, Matthias Garschagen, Miranda Boettcher, Nadine Mengis, Antonia Holland-Cunz, Gregor Rehder & Christian Baatz (2025): Distinguish Between Feasibility and Desirability When Assessing Climate Response Options, NPJ Climate Action, DOI: 10.1038/s44168-025-00237-2

Christian Baatz, Lukas Tank, Lena-Katharina Bednarz, Miranda Boettcher, Teresa Maria Morganti, Lieske Voget- Kleschin, Tony Cabus, Erik van Doorn, Tabea Dorndorf, Felix Havermann, Wanda Holzhüter, David Peter Keller, Matthias Kreuzburg, Nele Matz-Lück, Nadine Mengis, Christine Merk, Yiannis Moustakis, Julia Pongratz, Hendrikje Wehnert, Wanxuan Yao and Gregor Rehder (2025): A holistic assessment framework for marine carbon dioxide removal options. Environmental Research Letters, DOI: 10.1088/1748-9326/adc93f

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news-9785 Thu, 13 Mar 2025 11:00:00 +0100 Weltweite Vergleichsstudie zur Alkalinitätserhöhung im Ozean startet in Kiel /news/article/oaepiip 13.03.2025/Kiel. Wie reagieren Plankton-Gemeinschaften auf eine Erhöhung der Alkalinität in verschiedenen Regionen des Ozeans? Diese Frage steht im Mittelpunkt des internationalen Forschungsprojekts Ocean Alkalinity Enhancement Pelagic Impact Intercomparison Project (OAEPIIP). Im Rahmen dieser ersten weltweit koordinierten Vergleichsstudie werden an 19 Standorten standardisierte Experimente durchgeführt – darunter auch am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Hier nutzen die Forschenden Wasser aus der Eckernförder Bucht, das sie jetzt an der Zeitserienstation Boknis Eck entnommen haben. Damit hat ein Messmarathon begonnen, mit dem bis Ende des Jahres Daten von allen Kontinenten gewonnen werden. Die Erhöhung der Alkalinität über die Zugabe einer alkalischen Substanz ist eine vielversprechende Klimaschutzmaßnahme. Die Methode, im Englischen ocean alkalinity enhancement (OAE) genannt, soll das Speichervermögen des Ozeans für Kohlendioxid (CO2) erhöhen und dabei gleichzeitig lokal der  Versauerung entgegenwirken. OAE ahmt den natürlichen Prozess der Gesteinsverwitterung nach. Eine weltweite Vergleichsstudie untersucht nun, wie Plankton – die winzigen Lebewesen im Meer an der Basis des Nahrungsnetzes – auf diese Maßnahme reagieren.

Experimente an 19 Standorten rund um die Welt

Das „Ocean Alkalinity Enhancement Pelagic Impact Intercomparison Project (OAEPIIP)“ – auf Deutsch „Vergleichsprojekt zu den Auswirkungen der Alkalinitätserhöhung im Ozean auf im freien Wasser schwimmende Organismen“ – wird von Prof. Dr. Lennart Bach, Meeresbiologe an der Universität von Tasmanien (Australien) koordiniert. 19 Forschungsgruppen aus verschiedenen Teilen der Welt werden in diesem Jahr standardisierte Experimente in abgeschlossenen 55-Liter-Behältern durchführen. Diese so genannten Mikrokosmen sind Experimentiersysteme, in denen die Forschenden Veränderungen in der Zusammensetzung von Planktongemeinschaften und biogeochemischen Parametern infolge der Alkalinitätserhöhung beobachten können.

Untersuchung der Planktonreaktion in der Ostsee und in tropischen Gewässern

Das Ƶ beteiligt sich mit zwei Untersuchungen in ganz verschiedenen Umgebungen: Dr. Giulia Faucher, Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe Biogeochemische Prozesse, untersucht die Auswirkungen der OAE auf Planktongemeinschaften in gemäßigten Breiten. Dafür begann sie am Freitag mit der Befüllung der Mikrokosmen von Bord des Forschungskutters LITTORINA aus an der Zeitserienstation Boknis Eck (Eckernförder Bucht). „Die verwendeten Behälter, die Art und Weise, wie sie befüllt werden, wie die Alkalinität hinzugefügt wird und welche Messungen gemacht werden – all das ist standardisiert, um die Vergleichbarkeit der Studien zu gewährleisten“, sagt Giulia Faucher.

Ihre Kollegin aus der gleichen Arbeitsgruppe, Dr. Leila Kittu, wird dasselbe Experiment ab Mai in tropischen Gewässern vor Kenia durchführen. Dafür hat sie eine neue Kooperation zwischen dem Ƶ, dem Kenya Marine Fisheries Research Institute (KMFRI) und der Technischen Universität Mombasa (TUM) aufgebaut.

Standardisierung für Vergleichbarkeit weltweit

OAEPIIP ist die erste weltweit koordinierte Vergleichsstudie zur Alkalinitätserhöhung im Ozean. „Diese standardisierten Experimente ermöglichen es uns, die ökologischen Auswirkungen unter verschiedenen Umweltbedingungen zu vergleichen – von gemäßigten Breiten bis zu tropischen Gewässern, von nährstoffarmen bis nährstoffreichen Regionen“, sagt Giulia Faucher.

Die Ergebnisse fließen in eine umfassende Meta-Analyse ein, die neue Erkenntnisse zu den potenziellen Auswirkungen der OAE liefert – entscheidende Informationen für politische Entscheidungstragende, die eine großflächige Anwendung dieser Methode als Maßnahme gegen den Klimawandel in Betracht ziehen.

 

 

Hintergrund: Alkalinitätserhöhung im Ozean

Die Methode der Alkalinitätserhöhung im Ozean (auf Englisch ocean alkalinity enhancement, OAE) ahmt die natürliche Gesteinsverwitterung nach, die über geologische Zeiträume die Alkalinität des Ozeans erhöht. Da jedoch der menschengemachte CO2-Eintrag etwa hundertmal schneller erfolgt als dieser natürliche Prozess, beschleunigt OAE diesen Mechanismus durch die direkte Zugabe von alkalischen Mineralien ins Meerwasser. Diese Zugabe erhöht den pH-Wert und die Konzentration von Karbonat-Ionen, wodurch das Wasser mehr CO2 chemisch binden kann. Gleichzeitig kann die Steigerung des pH-Wertes eine lokal puffernde Wirkung gegen Ozeanversauerung entfalten.

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news-9732 Fri, 24 Jan 2025 11:45:00 +0100 Natürlicher Klimaschutz unter Wasser /news/article/natuerlicher-klimaschutz-unter-wasser 24.01.2025/Kiel. Wie kann Seegras dazu beitragen, den Klimawandel zu bekämpfen? Diese Frage steht im Mittelpunkt des neuen Forschungsprojekts ZOBLUC („Zostera marina als Blue Carbon-Kohlenstoffspeicher in der Ostsee“), das jetzt unter der Leitung des Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel startet. Ziel ist es, die Rolle von Seegraswiesen als Kohlenstoffspeicher genauer zu untersuchen und Handlungsempfehlungen für deren Schutz zu entwickeln. Das Projekt wird im Rahmen des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz (ANK) des Bundesumweltministeriums sowie durch das Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein mit rund 6 Millionen Euro gefördert und läuft bis September 2030. Seegraswiesen fördern Artenvielfalt, tragen durch Wellenberuhigung zum Küstenschutz bei und verbessern die Wasserqualität. Sie sind darüber hinaus auch sehr effektive Speicher für Kohlendioxid (CO2), denn die Unterwasserpflanzen binden Kohlenstoff sowohl in ihren Blättern und Wurzeln als auch im Sediment.

Am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel startet jetzt ein neues Projekt, bei dem in Zusammenarbeit mit der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und dem Landesamt für Umwelt Schleswig-Holstein (LfU) die Rolle von Seegraswiesen als natürliche Kohlenstoffsenken untersucht und Strategien für ihren Schutz und ihre Renaturierung entwickelt werden sollen.

Der Projektname ZOBLUC steht für „Zostera marina als Blue Carbon-Kohlenstoffspeicher in der Ostsee“ – Zostera marina ist der wissenschaftliche Name des in der Ostsee heimischen Großen Seegrases. Gefördert wird das Projekt vom Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) des Bundesumweltministeriums sowie durch das Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein mit insgesamt rund sechs Millionen Euro.

Drei Schwerpunkte für den Schutz von Seegraswiesen

„Seegraswiesen sind wie unterseeische Moore“, erklärt der wissenschaftliche Projektleiter Prof. Dr. Thorsten Reusch, Professor für Marine Ökologie am Ƶ, „sie speichern Kohlenstoff, der über Jahrhunderte im sauerstoffarmen Sediment konserviert wird.“ Im Rahmen des Projekts soll nun gezielt untersucht werden, unter welchen Bedingungen Seegraswiesen besonders viel CO2 speichern. Reusch: „Wo zum Beispiel starke Erosion durch Wellengang herrscht, wird weniger Kohlenstoff eingelagert als in ruhigen Buchten, in denen Partikel schneller absinken und Sedimentschichten bilden.“ Die Forschung wird die Kohlenstoffspeicherung von Seegraswiesen nicht nur bilanzieren, sondern auch modellieren, wie sich diese unter veränderten Umweltbedingungen entwickeln könnte.

Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt am Ƶ ist die Renaturierung von Seegraswiesen. Dabei ist es entscheidend, die Renaturierung resilient und damit zukunftsfähig zu machen. Reusch: „Es nützt wenig, wenn wir jetzt Seegraswiesen wiederanpflanzen, die dann in wenigen Jahren wieder absterben, weil sie mit den steigenden Wassertemperaturen nicht zurechtkommen.“ Dazu wird das Seegras experimentell verschiedenen Stressfaktoren ausgesetzt, um robuste, klimaresistente Bestände zu züchten, die so genannte Assisted Evolution.

Unterwasser-Gärtnern zum Mitmachen

Der dritte Schwerpunkt liegt auf der Einbindung von Bürger:innen in die Renaturierung. Nachdem das Ƶ in den vergangenen Jahren Pflanzschulungen entwickelt und angeboten hat, um in kleinerem Maßstab versuchsweise Seegraswiesen wiederanzupflanzen, wird jetzt im Zuge des neuen Projekts noch stärker auf die Mithilfe Freiwilliger gesetzt. Thorsten Reusch: „Die Pilotphase ist erfolgreich abgeschlossen, jetzt gehen wir in die Fläche.“

Die Unterstützung durch Freiwillige wird dringend benötigt, denn bei der Wiederanpflanzung verlorengegangener Seegraswiesen gibt es bislang noch kein effektiveres Vorgehen, als das manuelle Einpflanzen der einzelnen Halme durch Taucher:innen – die sogenannte Einzelspross-Transplantation. Thorsten Reusch betont: „Dabei ist es ganz wichtig, dass alle, die mithelfen wollen, vorher den Schulungskurs durchlaufen und nur in den von uns empfohlenen Flächen gearbeitet wird.“

In diesem Jahr werden fünf Vereine und Nichtregierungsorganisationen mit Hilfe von freiwilligen Taucher:innen das Anpflanzen auf den wissenschaftlich ausgewählten Flächen übernehmen. Zu diesen zählen unter anderem Standorte bei Gelting, Holnis-Ost und Wulfen. Die dabei gesammelten Beobachtungsdaten werden am Ƶ ausgewertet, um daraus für die Zukunft zu lernen.

Andere Renaturierungstechniken, zum Beispiel durch Aussaat, werden derzeit parallel im  Projekt SeaStore II entwickelt, werden aber noch einige Jahre bis zur großflächigen Anwendung benötigen.

Kartierung per Fächerecholot und Drohnen

Zunächst aber wird der aktuelle Bestand von Seegraswiesen in der Ostsee umfassend kartiert. Dazu nutzen Professorin Natascha Oppelt und Dr. Jens Schneider von Deimling von der CAU mit ihren Teams Methoden der Fernerkundung, bei denen modernste optische und akustische Messmethoden kombiniert werden. Auch die Überwachung der wiederangepflanzten Flächen mittels Drohnen wird die CAU übernehmen.

Die Ergebnisse aller Untersuchungen in ZOBLUC sollen in Form von Workshops und Handlungsempfehlungen an die Politik weitergegeben werden, um den Schutz und die Wiederherstellung von Seegraswiesen in der Ostsee voranzutreiben.

 

Hintergrund: Blue Carbon

Blue Carbon (Blauer Kohlenstoff) wird das Kohlendioxid genannt, das von Ozean- und Küstenökosystemen wie Mangrovenwäldern, Salzwiesen oder Seegraswiesen gespeichert wird. Seegraswiesen binden Kohlenstoff in abgestorbener Biomasse und organischen Sedimentpartikeln, die im sauerstoffarmen Meeresboden über Jahrhunderte erhalten bleiben – ähnlich wie in Mooren an Land. 

Hintergrund: Assisted Evolution

Assisted Evolution ist eine Technik, die darauf abzielt, die evolutionären Anpassungsprozesse von Organismen zu beschleunigen, um sie widerstandsfähiger gegen Umweltveränderungen zu machen. Seegraspflanzen werden in den Klimakammern des Ƶ experimentellen Hitzewellen ausgesetzt. Dabei wird nicht nur untersucht, welche lokalen Bestände möglicherweise bereits hitzetoleranter sind, sondern mit einem breiten Spektrum an Methoden, von den physiologischen Reaktionen innerhalb der Zellen (Metabolomik) über die genetischen Informationen (Genexpressionsanalyse) bis hin zu Veränderungen der Besiedlung mit Mikroorganismen (Mikrobiom) wird erforscht, welche Mechanismen Pflanzen resilienter machen.

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news-9694 Fri, 06 Dec 2024 20:00:00 +0100 Wie reagieren marine Nahrungsnetze auf Alkalinitätserhöhungen? /news/article/zooplankton-toleriert-alkalinitaetserhoehung 06.12.2024/Kiel. Um den Klimawandel einzudämmen, müssen die vom Menschen verursachten Kohlendioxid-Emissionen so schnell und umfassend wie möglich reduziert werden. Zusätzlich muss ein Teil des von uns bereits ausgestoßenen CO2 sicher aus der Atmosphäre entfernt werden. Ein Lösungsansatz dafür ist, die natürliche CO2-Aufnahme des Ozeans durch Alkalinitätserhöhung zu beschleunigen. Dabei wird der Prozess der Gesteinsverwitterung nachgeahmt, indem gemahlenes oder gelöstes Gestein direkt dem Meerwasser zugegeben wird. Bislang ist noch wenig über die Auswirkungen bekannt, die diese Methode auf das Leben im Meer hat. Jetzt konnte eine Studie des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel zeigen, dass die Auswirkungen auf Zooplankton unter bestimmten Voraussetzungen gering wären und das Nahrungsnetz stabil bliebe. Die Ergebnisse erscheinen heute in dem Fachjournal Science Advances. Der Ozean nimmt bereits heute ein Viertel bis ein Drittel der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen auf, doch dieser Prozess führt auch zur Versauerung des Wassers. Durch den gezielten Eintrag von bestimmten Mineralien kann die Alkalinität des Meerwassers erhöht werden. Das bedeutet, dass das Wasser dann mehr CO2 chemisch binden kann, ohne weiter zu versauern. Welche Auswirkungen eine Alkalinitätserhöhung (Ocean Alkalinity Enhancement, OAE) auf die Umwelt hätte, ist noch wenig erforscht. Wissenschaftler:innen aus der Gruppe von Professor Dr. Ulf Riebesell am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel haben nun im Rahmen des europäischen Projekts OceanNETs in einem Experiment auf Gran Canaria erstmals die Reaktion von Zooplankton und mögliche Auswirkungen auf das Nahrungsnetz untersucht. Ihre Ergebnisse erscheinen heute in der Fachzeitschrift Science Advances.

Experiment im Riesen-Reagenzglas

Die Studie hat einen Ansatz gewählt, der die Meereschemie nur geringfügig stört: die CO₂-equilibrierte Alkalinitätserhöhung – eine Form von OAE, bei der der zu bindende Kohlenstoff bereits vom alkalisierten Wasser absorbiert wurde, bevor er in die Meeresumwelt freigesetzt wird. Für ihr Experiment setzten die Wissenschaftler:innen sogenannte KOSMOS-Mesokosmen ein (Kiel Off-Shore Mesocosms for Ocean Simulations) – große Behälter, die direkt ins Meerwasser gelassen werden und dort jeweils acht Kubikmeter Wassersäule isolieren. In diese wurden verschiedene Konzentrationen von Natriumkarbonat und -hydrogenkarbonat (auch als Soda, bzw. Backpulver bekannt) eingebracht – von keiner Alkalinitätssteigerung bis hin zur Verdopplung der natürlichen Alkalinität. Über einen Zeitraum von 33 Tagen wurde untersucht, wie sich die Alkalinisierung auf das Zooplankton auswirkt, das eine zentrale Rolle im marinen Nahrungsnetz spielt. Dafür analysierten die Forschenden eine Vielzahl von Parametern wie Biomasse, Produktion, Diversität und Fettsäuren des Zooplanktons.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Planktongemeinschaften stabil blieben und das Zooplankton die moderaten chemischen Veränderungen durch die CO2-equilibrierte OAE weitgehend tolerierte. Zwar verschlechterte sich während des Experiments die Nahrungsqualität der Schwebstoffe, von denen sich das Zooplankton ernährt, doch dies schien die Konsumenten nicht zu beeinträchtigen. Die Forschenden vermuten, dass die nährstoffarmen Bedingungen im Untersuchungsgebiet – ein charakteristisches Merkmal subtropischer Gewässer – mögliche indirekte Auswirkungen der OAE auf das Zooplankton abgemildert haben könnten.

Potenzial im Klimaschutz und weiterer Forschungsbedarf

Die Alkalinitätserhöhung könnte eine bedeutende Rolle bei der Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre im Kampf gegen den Klimawandel spielen. Wenn der Ozean mehr CO2 aufnehmen kann, ohne saurer zu werden, könnte er ein noch stärkerer Puffer gegen die globale Erwärmung werden und den Weg in eine Zukunft ebnen, in der kohlenstoffintensive Industrien durch erneuerbare Energien ersetzt, die Emissionen von Industrien, die nicht dekarbonisiert werden können, neutralisiert und historische Kohlenstoffemissionen sicher entfernt und gelagert werden. Es besteht jedoch noch dringender Forschungsbedarf, um die Auswirkungen auf das gesamte marine Ökosystem zu klären.

„Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass die CO2-equilibrierte Alkalinitätserhöhung das Zooplankton in dem untersuchten nährstoffarmen subtropischen Gebiet nur geringfügig beeinflusst und das Nahrungsnetz insgesamt stabil bleibt“, erklärt Erstautor Nicolás Sánchez, Doktorand am Ƶ, „das sagt allerdings noch nichts darüber aus, wie andere marine Umgebungen darauf reagieren oder wie sicher andere, technisch besser umsetzbare OAE-Ansätze sind, die größere chemische Veränderungen im Meerwasser verursachen.“

Die Wissenschaftler:innen empfehlen daher, die Methode in verschiedenen Ökosystemen weiter zu erforschen, da es keinen universellen OAE-Ansatz geben wird, der überall anwendbar ist. Die Methode müsse an die jeweiligen Bedingungen angepasst werden. Sánchez: „Unsere Studie ist ein vielversprechender erster Schritt zur Definition eines verantwortungsvollen Rahmens für die Anwendung der Alkalinitätserhöhung.“

 

Originalpublikaton:

Sánchez, N., Goldenberg, S., Brüggemann, D., Taucher, J., & Riebesell, U. (2024). Plankton food web structure and productivity under Ocean Alkalinity Enhancement. Science Advances. 

öܲԲ:

Das Projekt OceanNETs (Ocean-based Negative Emission Technologies; Ozeanbasierte Technologien zur Entfernung von Kohlendioxid) läuft von 2020 bis 2025 und wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 der Europäischen Union gefördert. Die Studie wurde co-finanziert von dem Helmholtz European Partnering Projekt Ocean-CDR.

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news-9669 Wed, 13 Nov 2024 18:30:00 +0100 Von winzigen Organismen und ihrer Riesenleistung im Ozean /news/article/von-winzigen-organismen-und-ihrer-riesenleistung-im-ozean 13.11.2024/Kiel. Professorin Dr. Susanne Neuer, renommierte Meeresbiogeochemikerin und Professorin an der Arizona State University, wurde heute mit der 31. Exzellenzprofessur der Prof. Dr. Werner-Petersen-Stiftung geehrt. Die feierliche Verleihung fand am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel statt. In ihrem Fachvortrag beleuchtete Susanne Neuer, wie Phytoplankton und Bakterien durch die biologische Kohlenstoffpumpe zum globalen Kohlenstoffkreislauf beitragen. Diese Prozesse spielen eine Schlüsselrolle im Klimaschutz und stehen im Fokus der aktuellen Forschung der Professorin. Der Ozean nimmt etwa ein Viertel der jährlichen Kohlendioxidemissionen auf. Einer der Mechanismen, der dies bewirkt, wird als biologische Kohlenstoffpumpe bezeichnet. Dieser Mechanismus beginnt mit der Photosynthese winziger mikroskopischer Algen, dem Phytoplankton, die schwebend in der sonnenbeschienenen Schicht des Ozeans leben.

Professorin Dr. Susanne Neuer erforscht gemeinsam mit ihrem Team die biologische Kohlenstoffpumpe, vor allem die Rolle von Planktonorganismen in der Bildung von sinkenden Partikeln, im Labor wie auch im Meer. Sie ist seit 2004 Professorin der Meeresbiogeochemie an der Arizona State University in Tempe, USA. Seit 2022 leitet sie dort als Gründungsdirektorin die neue School of Ocean Futures. Für ihre Arbeit wird sie heute mit der 31. Exzellenzprofessur der Prof. Dr. Werner-Petersen-Stiftung ausgezeichnet. Die mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung ist mit einem sechswöchigen Forschungsaufenthalt am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel verbunden.

Dr. h. c. Klaus Wichmann, Vorsitzender der Prof. Dr. Werner-Petersen-Stiftung, sagte: „Im Namen der Stiftung freue ich mich sehr, heute eine weitere herausragende Wissenschaftlerin mit einer Exzellenzprofessur auszeichnen zu dürfen. Die Exzellenz-Initiative ist seit ihrer Gründung 2009 ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Mission, wissenschaftliche Exzellenz in Schleswig-Holstein zu fördern und den Austausch auf internationaler Ebene zu intensivieren. Es ist uns eine Ehre, dies auch weiterhin zu unterstützen, und ich wünschte mir, dass diese Initiative auch für andere beispielgebend wirkt.“

Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des Ƶ, gratulierte der Preisträgerin: „Ich freue mich sehr darüber, dass wir heute Susanne Neuer mit dieser verdienten Auszeichnung ehren. Mit ihrer herausragenden Forschung zur biologischen Kohlenstoffpumpe leistet sie einen unverzichtbaren Beitrag zum Verständnis der Prozesse, die unser Klima beeinflussen. Professorin Neuer hat nicht nur als Wissenschaftlerin, sondern auch als Mentorin große Erfolge erzielt. Sie setzt sich mit Nachdruck für die öܲԲ von Frauen in der Wissenschaft ein und hat in führenden Rollen bei der Association for Women in Science und an der Arizona State University, viel bewegt. Ihre Expertise und ihre außergewöhnlichen Leistungen haben sie zu einer führenden Stimme auf internationaler Ebene gemacht. Wir sind stolz, sie heute hier am Ƶ begrüßen zu dürfen und freuen uns auf die inspirierenden Impulse, die sie hier während ihres Gastaufenthaltes setzen wird.“

In ihrer Laudatio ging Professorin Dr. Anja Engel, Leiterin des Forschungsbereichs Marine Biogeochemie am Ƶ, auf die Bedeutung der Forschung der Preisträgerin ein: „Professorin Neuer nimmt eine führende und international sichtbare Rolle in den Bereichen der marinen Biogeochemie, des Kohlenstoffkreislaufs und des Partikelexports ein. Ihre vielfach ausgezeichneten Arbeiten haben erheblich zum aktuellen Verständnis der biologischen Kohlenstoffpumpe im Ozean beigetragen. Ihre Analysen ozeanischer Zeitserien legten das Fundament für vergleichende Studien zur Effizienz dieses zentralen Mechanismus im Kohlenstoffkreislauf.“

Einblicke in die Arbeit der biologischen Kohlenstoffpumpe des Ozeans

In ihrem Fachvortrag schilderte Susanne Neuer, welch herausragende Bedeutung die biologische Kohlenstoffpumpe für das Klima unseres Planeten hat. Ein faszinierender Aspekt dieses Mechanismus ist die Bildung von so genanntem Meeresschnee. Dabei handelt es sich um klebrige Aggregate aus Phytoplankton, Bakterien und anderen organischen Stoffen, die von größeren Partikeln wie Staubkörnern zusammengehalten werden. Diese können groß genug werden, um mit bloßem Auge sichtbar zu sein, und bilden die Grundlage für den Transport von Kohlenstoff in die Tiefsee. Planktonische Tiere wie Krill und Ruderfußkrebse tragen zusätzlich zum Kohlenstoffexport bei, indem sie Phytoplanktonpartikel in der Dämmerungszone absondern, wo das Licht kaum mehr ausreicht und die Meereswelt in Dunkelheit gehüllt ist.

„Die Prozesse, die Phytoplankton und Bakterien in der oberen Wasserschicht initiieren, sind ein wesentlicher Baustein für die langfristige CO2-Speicherung und somit bedeutend im Kontext des Klimawandels“, betont Prof. Neuer. „Der Ozean verbirgt in seinen tiefen Wasserschichten ein faszinierendes Zusammenspiel von winzigen Zellen, das nicht nur Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernt, sondern auch das Leben im gesamten Ozean ermöglicht“, sagte Prof. Dr. Neuer. „Wenn Sie das nächste Mal auf den Ozean schauen, denken Sie an all das mikroskopische Leben im Wasser und alles, was es für das Wohl unseres Planeten tut.“

Zurück zu den Wurzeln: Wiedersehen mit Kiel und Chance für neue Kooperationen

Kiel ist für Susanne Neuer kein Neuland: Vor rund 40 Jahren hat sie hier ihre Ausbildung zur Meereswissenschaftlerin am damaligen Institut für Meereskunde (IfM) begonnen, bevor sie zum weiteren Studium in die USA ging. Es ist aber auch nicht das erste Mal, dass sie nach Kiel zurückkehrt, um über ihre Forschung zu sprechen. Auf Einladung des Women Executive Boards am Ƶ hat sie bereits 2016 im Rahmen der Marie Tharp Lectures einen Vortrag gehalten und mit Nachwuchswissenschaftlerinnen über Karrierefragen diskutiert.

„Die Verleihung der Exzellenzprofessur ehrt mich sehr“, sagt sie, „diese wird mir erlauben, meine Zusammenarbeit mit dem Ƶ und besonders mit Prof. Dr. Anja Engel, auszubauen, und Synergien in unserer Forschung zur Biologie im globalen Kohlenstoffkreislauf zu entwickeln.“ Besonders freue sie sich auf den Austausch mit Nachwuchswissenschaftler:innen am Ƶ. Susanne Neuer: „Es ist wichtig, dass die nächste Generation besondere Unterstützung in ihrem Karriereverlauf erhält, damit sie nicht nur erfolgreich sein kann, sondern auch nachhaltig zu Lösungen der Umweltprobleme beiträgt.“

 

Hintergrund: Prof. Dr. Werner-Petersen-Stiftung

Die Prof. Dr. Werner-Petersen-Stiftung mit Sitz in Schleswig-Holstein hat sich die öܲԲ von Wissenschaft, Forschung, Technik und Kultur zum Ziel gesetzt. Ein zentrales Fördergebiet ist die Exzellenz-Initiative, die in enger Kooperation mit dem Ƶ herausragende Wissenschaftler:innen mit internationaler Reputation würdigt. Im Rahmen der Exzellenz-Initiative können hochkarätige Meereswissenschaftler:innen aus aller Welt für Gastaufenthalte von sechs Wochen nach Kiel eingeladen werden.

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news-9671 Wed, 13 Nov 2024 10:00:00 +0100 Wendepunkt bei den fossilen CO2-Emissionen noch nicht erreicht /news/article/wendepunkt-bei-den-fossilen-co2-emissionen-noch-nicht-erreicht 13.11.2024/Kiel/Baku. Trotz Fortschritten bei der Nutzung erneuerbarer Energien steigen die globalen CO2-Emissionen weiter an. Für das Jahr 2024 rechnet das internationale Global Carbon Project mit einem Anstieg der Emissionen um 0,8 Prozent auf insgesamt 37,4 Milliarden Tonnen CO2. Getrieben wird diese Zunahme vor allem durch den steigenden Verbrauch von Erdgas und Öl. Der aktuelle Bericht des GCP, der heute auf der internationalen Klimakonferenz in Baku vorgestellt wird, unterstreicht die Dringlichkeit schneller und umfassender Emissionsreduktionen, um die Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen. Für den Bericht haben Wissenschaftseinrichtungen aus aller Welt zusammengearbeitet, darunter auch das Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, das seit Jahren Daten zur CO2-Aufnahme des Ozeans beisteuert. Die Koordination der Beiträge zu marinen Kohlenstoffsenken lag beim Alfred-Wegener-Institut (AWI) für Polar- und Meeresforschung. Der Wendepunkt beim weltweiten CO2-Ausstoß ist noch immer nicht erreicht. Das geht aus dem Global Carbon Budget-Bericht 2024 hervor, der heute auf der internationalen Klimakonferenz COP29 in Baku, Aserbaidschan, vorgestellt wird. Laut Prognosen des Global Carbon Project (GCP), das den Bericht jährlich veröffentlicht, werden die Emissionen im Jahr 2024 voraussichtlich rund 37,4 Milliarden Tonnen CO2 erreichen – ein Anstieg um 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In den Jahren 2004 bis 2013 lag die Steigerung bei durchschnittlich zwei Prozent pro Jahr. Das deutet zwar auf Fortschritte auf dem Weg zu den Pariser Klimazielen hin, reicht aber bei weitem nicht aus, um die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius zu halten und die weltweiten Emissionen bis 2050 auf Netto-Null zu bringen. Dazu müssten die Gesamtemissionen um durchschnittlich 1,6 Gigatonnen pro Jahr sinken.

Der Bericht, der heute in der Fachzeitschrift Earth System Science Data veröffentlicht wird, untersucht Emissionen aus fossilen Brennstoffen, Landnutzungsänderungen wie Abholzung von Wäldern und die Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Ozean und Land. Er schätzt ab, wie viel Kohlenstoff von  Pflanzen, Böden und Meeren aufgenommen oder freigesetzt wird. Die zukünftige Entwicklung der Kohlenstoffflüsse wird projiziert und das verbleibende CO2-Budget berechnet, das für das Erreichen der globalen Klimaziele entscheidend ist.

Die marine CO2-Senke bleibt stabil – aber die Herausforderungen wachsen

Der Bericht zeigt, dass der Ozean nach wie vor etwa 26 Prozent der globalen CO2-Emissionen aufnimmt – eine wichtige Funktion, die jedoch durch den Klimawandel zunehmend gefährdet ist. Ein Grund dafür: Steigende Wassertemperaturen verringern die Löslichkeit von CO2 und damit die Aufnahmefähigkeit der Ozeane. „Der Klimawandel hat die CO2-Aufnahmefähigkeit der Ozeane in den letzten zehn Jahren um etwa sechs Prozent verringert“, erklärt Professorin Dr. Judith Hauck, Umweltforscherin am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Der El-Niño-Zyklus führte 2023 zu einer vorübergehenden Erholung der Ozeansenke, da weniger kohlenstoffreiches Tiefenwasser an die Oberfläche gelangte, doch die fortschreitende Erwärmung könnte den Ozean langfristig als Kohlenstoffspeicher schwächen.

CO2-Messungen im Nordatlantik – ein Langzeitprojekt des Ƶ

Die Ozeansenke – also wie viel CO2 der Ozean aus der Atmosphäre aufnimmt und speichert – wird aus Messungen des CO2-Gehalts im Oberflächenozean und Simulationen mit globalen Ozeanmodellen abgeschätzt. Wissenschaftler:innen des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung tragen mit ihren Messungen zu diesen Daten bei. Im Mittelpunkt steht dabei eine Langzeitmessung im Nordatlantik, die bereits seit mehr als 20 Jahren von der CO2-Gruppe am Ƶ existiert: In Zusammenarbeit mit der Reederei Atlantic Container Lines (ACL) hat das Ƶ auf dem Containerschiff MS ATLANTIC SAIL Messgeräte installiert, die im Liniendienst zwischen Nordamerika und Europa kontinuierlich Daten zu Temperatur, Salzgehalt, gelöstem Sauerstoff und CO2 im Oberflächenwasser sammeln. Die Messungen sind Teil der europäischen Forschungsinfrastruktur Integrated Carbon Observation System (ICOS), die jährlich Daten für das Global Carbon Budget liefert.

Die Messanlagen an Bord werden von Dr. Tobias Steinhoff, Chemischer Ozeanograph und Mitautor des Global Carbon Budget Reports, betreut. „Im vergangenen Jahr mussten wir die Messgeräte von Bord nehmen, weil sie nach zehn Jahren kontinuierlichem Einsatz überholt und auf den neusten technischen Stand gebracht werden mussten“, sagt Dr. Steinhoff, „dadurch waren in diesem Jahr leider weniger Daten verfügbar.“

Datenplattform SOCAT: Schlüssel für Kohlenstoffforschung und Klimapolitik

Neben den eigenen Messungen ist Dr. Tobias Steinhoff aktiv an der Plattform Surface Ocean CO2 Atlas (SOCAT) beteiligt, einer internationalen Initiative zur Sammlung und Qualitätskontrolle von CO2-Oberflächenmessdaten. Die SOCAT-Daten liefern eine Vorababschätzung der Kohlenstoffaufnahme der Ozeane und fließen ebenfalls in das Global Carbon Budget ein. Dr. Steinhoff: „Unsere Arbeit in SOCAT stärkt das globale Verständnis der CO2-Dynamik im Ozean und verdeutlicht seine Rolle als CO2-𾱳.“

 

Hintergrund: Über das Global Carbon Project

Das Global Carbon Project (GCP) ist ein Projekt der internationalen Forschungsinitiative Future Earth. Es hat zum Ziel, ein umfassendes Bild des globalen Kohlenstoffkreislaufs, seiner biophysikalischen und menschlichen Dimensionen sowie deren Wechselwirkungen zu entwickeln. Klimaforscher:innen aus aller Welt arbeiten an dem jährlichen Bericht zum globalen Kohlenstoffbudget. Das Global Carbon Budget 2024 ist die 19. Auflage. Die erste erschien im Jahr 2006. Veröffentlicht wird der Bericht jeweils in der Fachzeitschrift Earth System Science Data.

Viele Forschende aus dem deutschsprachigen Raum waren am Global Carbon Budget 2024 beteiligt. Sie kommen vom Alfred-Wegener-Institut (Bremerhaven), der ETH Zürich, dem Ƶ (Kiel), dem Helmholtz Zentrum Hereon (Geesthacht), dem Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA), dem Karlsruher Institut für Technologie, dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung (Warnemünde), der Ludwig-Maximilians-Universität (München), dem Max-Planck-Institut für Meteorologie (Hamburg), dem Max-Planck-Institut für Biogeochemie (Jena), dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und von den Universitäten Bremen, Bern und Hamburg.

Originalpublikation

Friedlingstein et al. (2024) Global Carbon Budget 2024. Earth System Science Data.

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Aktuelles2024 Transfer Presse2024 Top_Slider FB2News Ozeanbeobachtung Ozean und Klima Klima
news-9667 Mon, 11 Nov 2024 13:01:48 +0100 Lücken in der Ozeanbeobachtung schließen /news/article/luecken-in-der-ozeanbeobachtung-schliessen 11.11.2024/Kiel/Baku. Die europäischen Meeresforscher:innen plädieren dringend für eine Verbesserung und Vereinheitlichung der Ozeanüberwachung. Ein Appell, der sich auch an die internationale Gemeinschaft richtet, die sich von heute an in Baku zur Weltklimakonferenz COP29 trifft. Um den Ozean als wichtigen Partner im Kampf gegen den Klimawandel zu erhalten, sei es dringend notwendig, seinen Zustand umfassend zu überwachen. Darauf weisen die Forschenden in zwei kürzlich veröffentlichten Berichten hin, in denen die zentralen Lücken und Herausforderungen in Europa beschrieben, aber auch Lösungen aufgezeigt werden, wie Überwachung und Schutz europäischer Gewässer verbessert werden können. Die Positionspapiere sind aus dem EU-Projekt EuroSea hervorgegangen, das am Ƶ-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel koordiniert wurde. Ein gesunder Ozean bildet die Grundlage für vieles, was unser Leben prägt. Er versorgt uns mit Sauerstoff und Nahrung und bietet Lebensraum für unzählige Arten – vor allem aber wirkt er wie ein Puffer gegen den Klimawandel, indem er große Mengen CO2 und überschüssige Wärme absorbiert. Doch dem Ozean geht es schlecht. Verschmutzung, Versauerung, Überfischung und die zunehmende Erwärmung setzen ihm zu und beeinträchtigen seine Fähigkeit, das Klima zu stabilisieren. Um den Ozean als Klimapartner zu erhalten, ist es daher wichtig, seinen Zustand möglichst umfassend und gut koordiniert zu überwachen.

Lücken in der Ozeanbeobachtung: Technologische und finanzielle Defizite

Die Mitglieder des EU-Projekts EuroSea haben die Ozeanbeobachtung in Europa unter die Lupe genommen. In ihren beiden kürzlich erschienenen Berichten „Urgent gaps and recommendations to implement during the UN Ocean Decade“ und „Towards a sustained and fit-for-purpose European ocean observing and forecasting system“ werden die gravierendsten Lücken in der Überwachung von mariner Biodiversität, invasiven Arten und Ozeanphänomenen wie der Erwärmung und dem Anstieg des Meeresspiegels identifiziert. Viele dieser Lücken entstehen demnach durch technologische Defizite oder durch unzureichende Finanzierung.

„Wir brauchen dringend eine nachhaltigere und effektivere Ozeanbeobachtung, um Veränderungen im Zustand der Ozeane zu verfolgen und die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern“, sagt Dr. Toste Tanhua, Chemischer Ozeanograph am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Leiter des nun abgeschlossenen Projekts EuroSea, aus dem die beiden Berichte hervorgegangen sind. Er nimmt selbst an der heute beginnenden UN-Weltklimakonferenz COP29 in Baku teil und wird dort dem Thema Ozeanbeobachtung auf internationaler Ebene seine Stimme leihen. Im Ocean Pavilion, an dem sich das Ƶ in diesem Jahr als Partner beteiligt, diskutiert er auf einem Panel über die Beteiligung von nicht-wissenschaftlichen Akteur:innen, wie etwa Segler:innen, an der Ozeanbeobachtung.

In ihren Positionspapieren unterstreichen die Wissenschaftler:innen die Notwendigkeit, die Datensammlung zu verbessern, innovative Technologien wie Umwelt-DNA und mehr autonome Geräte einzusetzen sowie die internationale Zusammenarbeit zu stärken. Besonders hervorgehoben wird die öܲԲ der langfristigen Finanzierung und die Schaffung zentraler Koordinationsstellen, um die Effektivität der Meeresbeobachtung langfristig zu sichern.

„Die Empfehlungen, die wir gemeinsam erarbeitet haben, richten sich sowohl an die wissenschaftliche Gemeinschaft als auch an politische Entscheidungsträger und die Industrie“, sagt Dr. Tanhua. „Die Herausforderungen sind groß, aber die Lösungen, die wir vorschlagen, bieten klare Handlungsansätze. Wir müssen möglichst umfassende Informationen generieren, um marine Ökosysteme besser zu verstehen und besser schützen zu können. Das ist ein ganz wichtiger Baustein in den Bemühungen, die Klimakrise abzumildern. Zwar reduziert die Beobachtung allein nicht die Auswirkungen des Klimawandels, doch sie ermöglicht uns, zu verstehen und geeignete Maßnahmen vorzuschlagen. Denn: Man kann nur managen, was man auch messen kann.“

Empfohlene Maßnahmen zur Verbesserung der Ozeanbeobachtung

Beispielswiese wird empfohlen, umfassende Programme zur Überwachung der marinen Biodiversität zu entwickeln. Insbesondere der Einsatz innovativer Technologien wie Umwelt-DNA (eDNA) könnte dazu beitragen, invasive Arten frühzeitig zu identifizieren und die Datensammlung zu verbessern.

Der Einsatz autonomer Geräte (z.B. Argo-Floats und Sensoren) sollte erhöht werden, um die Daten von Satelliten zu validieren und die Beobachtung des tiefen Ozeans zu verbessern. Dies ist besonders wichtig für schwer zugängliche extrem kalte Regionen.

Weiterhin sollten einheitliche Verfahren zur Überwachung von Eutrophierungsindikatoren wie Nährstoffkonzentrationen und Sauerstoffgehalt entwickelt werden, um die negativen Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Meeresumwelt besser zu überwachen und zu reduzieren.

Gerade in Gebieten mit hohem Nährstoffeintrag sollte der Einsatz von autonomen Sensoren gefördert werden. Diese Systeme ermöglichen eine kontinuierliche Überwachung von Algenblüten und der Versauerung der Ozeane.

Empfehlungen für die Koordination und das Management der Ozeanbeobachtung

Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ländern und Akteuren wird empfohlen, um die Überwachungsstrategien zu harmonisieren und den Austausch von Daten zu erleichtern. Für die Koordination braucht es eine verantwortliche Stelle, die für das Management und die strategische Planung der Ozeanbeobachtungsaktivitäten verantwortlich ist. Diese Struktur würde die Effizienz fördern und länder- und disziplinenübergreifende Kooperationen erleichtern.

Um sicherzustellen, dass die Ozeanbeobachtungssysteme nachhaltig arbeiten und kontinuierlich aktualisiert werden können, sollte vor allem eine Finanzierungsstrategie für langfristige Beobachtungsprogramme entwickelt werden. „Unsere Forschungs­förderungs­strukturen unterstützen – völlig zu Recht – die Generierung von Wissen, nicht aber das Monitoring“, erklärt Dr. Abed El Rahman Hassoun, Erstautor des ersten Positionspapiers. „Um diese Lücke zu schließen, bräuchte es eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Kofinanzierung zwischen verschiedenen Ministerien. Dies ist ein Problem, das wir nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern der EU sehen.“

 

Hintergrund: EuroSea-Projekt

Das EU-Projekt EuroSea brachte von 2019 bis 2023 unter der Leitung von Dr. Toste Tanhua vom Ƶ mehr als 150 Expert:innen von 53 Partnerinstitutionen aus 16 Ländern zusammen, um die bestehenden Systeme der Ozeanbeobachtung besser zu integrieren und die Bereitstellung von Ozeaninformationen zu verbessern. Der Fokus lag auf der gesamten Wertschöpfungskette der Ozeanbeobachtung, von den Messungen bis zu den Nutzern der Daten. Die Europäische Union förderte das Projekt mit 12,6 Millionen Euro.

Originalpublikationen:

Hassoun A.E.R., Tanhua T., Lips I., Heslop E., Petihakis G. and Karstensen J. (2024) The European Ocean Observing Community: urgent gaps and recommendations to implement during the UN Ocean Decade. Frontiers in Marine Sciences. 11:1394984.

Tanhua T , Le Traon P-Y , Köstner N et al. (2024) Towards a sustained and fit-for-purpose European ocean observing and forecasting system Frontiers in Marine Science. 11:1394549.

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news-9663 Wed, 06 Nov 2024 10:00:00 +0100 Vulkanasche als Nährstofflieferant /news/article/vulkanasche-als-naehrstofflieferant 06.11.2024/Kiel. Der Ausbruch des Unterwasservulkans Hunga Tonga-Hunga Ha’apai im Inselstaat Tonga im Januar 2022 hat riesige Mengen vulkanischen Materials freigesetzt. Wie dieses die biogeochemische Zusammensetzung des Oberflächenwassers im Südpazifik veränderte, haben Forschende des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel untersucht. Im Rahmen einer GEOTRACES-Expedition konnten sie nachweisen, dass mit dem vulkanischen Material große Mengen an Spurenelementen ins Meer gelangten, die das Wachstum von Phytoplankton verstärkten. Dieser Nährstoffeintrag könnte das Leben im Meer nachhaltig beeinflussen und die CO₂-Bindung im Ozean erhöhen. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Nature Communications öڴڱԳٱ. Der Ausbruch des untermeerischen Vulkans Hunga Tonga-Hunga Ha’apai (HTHH) im Januar 2022 hat rund 2,9 Milliarden Tonnen vulkanisches Material in die Atmosphäre und in den Südpazifik freigesetzt. Kurz nach dem Ausbruch untersuchte eine wissenschaftliche Expedition die Auswirkungen dieses gewaltigen Ereignisses auf die Biogeochemie des Oberflächenwassers. Die Wissenschaftler:innen konzentrierten sich dabei besonders auf die Veränderungen in der Konzentration von Spurenelementen im Ozean und deren Einfluss auf das marine Leben. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden in einer Studie zusammengefasst, die jetzt in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen ist.

Per Computer und per Schiff: Nachweis des vulkanischen Einflusses auf den Südpazifik

Zur Analyse der Auswirkungen des Ausbruchs setzten die Wissenschaftler:innen auf eine Kombination aus moderner Computersimulation und spezialisierter Probenanalyse. Um die Ausbreitung der Vulkanasche nach dem Ausbruch zu simulieren, nutzten sie das Computermodell HYSPLIT der NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration), einer US-amerikanischen Bundesbehörde. Das Modell simuliert den Transport von Stoffen in der Atmosphäre. Damit konnte die Ausbreitung der Vulkanasche in verschiedenen Höhen für 72 Stunden und die Flugbahnen der Asche für bis zu 315 Stunden berechnet werden.

Während der SONNE-Expedition SO289 im Rahmen des internationalen GEOTRACES-Programms von Februar bis April 2022 sammelten die Forschenden Wasserproben entlang einer festgelegten Route im Südpazifik, um die Verteilung von Spurenelementen und ihre biogeochemischen Auswirkungen zu analysieren. Große Mengen schwimmenden vulkanischen Materials, hauptsächlich Bimsstein, wurden während der Expedition beobachtet und beprobt. Außerdem kamen Meerwasseranalysen von Neodym-Isotopen und Seltenen Erden zur Nachverfolgung des vulkanischen Eintrags und von Chlorophyll-a als Indikator für Phytoplankton zum Einsatz.

Phytoplankton profitiert von Spurenelementen aus dem vulkanischen Material

Im westlichen Südpazifik fanden die Forschenden erhebliche Mengen an Spurenelementen wie Eisen und Neodym, die normalerweise nur in geringen Mengen als Staubeintrag in den Ozean gelangen. Durch den Vulkanausbruch wurden beispielsweise rund 32.000 Tonnen Eisen und 160 Tonnen Neodym zusätzlich freigesetzt. Die Menge an Eisen entspricht dem Eintrag, den die Region normalerweise in einem Jahr erhält, während die Neodym-Menge dem weltweiten Eintrag eines gesamten Jahres entspricht.

„Gleichzeitig haben wir in der Region erhöhte Werte von Chlorophyll-a gemessen, was auf ein verstärktes Wachstum des Phytoplanktons und damit auf eine höhere biologische Produktivität hinweist“, sagt Dr. Zhouling Zhang, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungseinheit Paläo-Ozeanographie und Erstautorin der Studie.

Langfristige Auswirkungen auf das Klima

Damit konnte das Team zeigen, dass durch Vulkanausbrüche freigesetzte Spurenelemente eine wichtige Rolle für das Leben im Meer spielen. Diese Elemente, insbesondere der Mikronährstoff Eisen, wirken im Ozean als Nährstoffe, die das Wachstum von Phytoplankton anregen. Phytoplankton spielt eine wesentliche Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf, da es durch die Photosynthese CO₂ aus der Atmosphäre aufnimmt und im Ozean speichert. Durch die Erhöhung der biologischen Produktivität wird somit möglicherweise auch die Fähigkeit des Ozeans, CO₂ aus der Atmosphäre aufzunehmen verbessert – ein Prozess, der sich langfristig auf das Klima auswirken könnte.

Die Forschenden schätzen, dass die Freisetzung des Mikronährstoffs Eisen durch den HTHH-Ausbruch vergleichbar ist mit der Eisendüngung durch den Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinen im Juni 1991. Damals wurden rund 40.000 Tonnen vulkanischen Materials freigesetzt, und etwa zwei Jahre nach dem Ausbruch konnte eine Verlangsamung des CO₂-Anstiegs in der Atmosphäre um 1,5 ppm (parts per million) gemessen werden. Zhouling Zhang: „Wir gehen davon aus, dass auch der Ausbruch des Hunga Tonga einen ähnlichen Effekt haben könnte.“

 

Publikation:

Zhang, Z., Xu, A., Hathorne, E. et al. (2024): Substantial trace metal input from the 2022 Hunga Tonga-Hunga Ha’apai eruption into the South Pacific. Nat Commun 15, 8986.

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Aktuelles2024 Presse2024 Top_Slider FB1News FE-PalOz Ozeanbeobachtung Ozean und Klima Naturgefahren aus dem Ozean Klima Plattentektonik Naturgefahren
news-9659 Wed, 30 Oct 2024 11:43:58 +0100 Wie tragen Blasen zum Gasaustausch zwischen Luft und Meer bei? /news/article/wie-tragen-luftblasen-zum-gasaustausch-zwischen-luft-und-meer-bei 30. Oktober 2024/Kiel. Die Alexander von Humboldt-Stiftung fördert die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen ausländischen und deutschen Forschenden durch ihre Forschungsstipendien. Diese öܲԲen ermöglichen es Expert:innen aus dem Ausland, Zeit an deutschen Forschungseinrichtungen zu verbringen und dort eigene Projekte umzusetzen. In der Forschungseinheit Chemische Ozeanografie am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel ist derzeit der Humboldt-Stipendiat Dr. Yuanxu Dong bei Dr. Christa Marandino zu Gast. Für zwei Jahre wird er hier die Rolle von Blasen im CO2-Austausch zwischen Ozean und Atmosphäre erforschen. Die Alexander von Humboldt-Stiftung fördert mit ihren Forschungsstipendien die wissenschaftliche Kooperation zwischen ausländischen und deutschen Forschenden. Die öܲԲ ermöglicht es herausragenden Postdoktorand:innen aus dem Ausland, ihre Projekte an deutschen Forschungseinrichtungen zu bearbeiten. Das Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel konnte in diesem Jahr einen neuen Stipendiaten begrüßen: Dr. Yuanxu Dong wird für zwei Jahre in der Forschungsabteilung Chemische Ozeanographie von Dr. Christa Marandino betreut.

Dr. Yuanxu Dong stammt ursprünglich aus China und hat zuletzt in Norwich, England, studiert, wo er an der University of East Anglia promovierte. Am liebsten wäre der frischgebackene Ozeanograph sofort nach der Promotion mit seiner jetzigen Gastgeberin in See gestochen: Dr. Christa Marandino, Privatdozentin und Leiterin der Arbeitsgruppe Luft-Wasser-Austausch von Spurengasen am Ƶ, leitete im vergangenen Dezember eine fünfwöchige Expedition in die Labradorsee. Während dieser Winterexpedition untersuchte sie den Beitrag von Luftblasen zum Gasaustausch zwischen Atmosphäre und Ozean. Dies ist genau das Thema, das Dr. Yuanxu für sein Postdoc-Forschungsprojekt am Ƶ gewählt hat.

„Mich interessiert der globale CO2-Fluss zwischen Luft und Ozean“, sagt er. Es sei bekannt, dass der Ozean einen großen Teil der CO2-Emissionen aufnehme, die Rolle der Blasen in diesem Prozess sei aber noch ein Rätsel.

Seine Gastgeberin, Dr. Marandino, umreißt die Problematik: „Die Quantifizierung erfolgt oft mathematisch auf der Grundlage von Laborergebnissen. Labortests sind nützlich, um Mechanismen zu verstehen, aber das Labor ist keine realistische Meeresumgebung.“ Die realistische Meeresumgebung, das sind sich brechende Wellen, die Blasen ins Wasser schlagen, je höher, desto mehr. Und hier liegt die Herausforderung: Je stärker der Wind und je höher die Wellen, desto schwieriger sind Messungen an der Meeresoberfläche. Es überrascht daher nicht, dass es noch keine Messdaten zum Gasaustausch unter Sturmbedingungen gibt, also bei Windgeschwindigkeiten von 20 bis 30 Metern pro Sekunde (etwa 70 bis 100 Kilometer pro Stunde). Da jedoch aufgrund des Klimawandels mit einer Zunahme von Stürmen zu rechnen ist, wird es immer wichtiger, die Rolle der Blasen beim Gasaustausch zwischen Luft und Meer zu verstehen.

Erst kürzlich hat Dr. Yuanxu Dong dazu eine bedeutende Studie in der renommierten Fachzeitschrift Science Advances öڴڱԳٱ. Zusammen mit einem internationalen Team konnte er zeigen, dass das Südpolarmeer rund um die Antarktis etwa 25 Prozent mehr Kohlendioxid aufnimmt als bisher angenommen. Für die neue Studie wurde eine hochpräzise Messmethode namens „Eddy-Kovarianz“ eingesetzt, die die Bewegung atmosphärischer Wirbel misst, um aus dem Verhältnis von vertikaler Windgeschwindigkeit und Gasfluss-Schwankungen den Netto-Gasfluss zu berechnen. Dies ermöglicht eine direkte Bestimmung des CO2-Austauschs zwischen Ozean und Atmosphäre. Ausgewertet wurden Daten, die mit dieser Methode während sieben Forschungsfahrten im Südlichen Ozean gewonnen wurden. Die Ergebnisse stellen einen wichtigen Fortschritt im Verständnis der Rolle dieses Meeres bei der Regulierung des globalen Klimas dar, wenngleich auch hier noch Winterdaten fehlen.

Seit diesem Sommer arbeitet Dr. Yuanxu Dong im Rahmen des Forschungsprojekts MUSE (Marine Environmental Robotics and Sensors for Sustainable Research and Management of Coasts, Seas and Polar Regions) an der Entwicklung und dem Bau eines innovativen Eddy-Kovarianz-Systems mit, das auf einer Boje installiert werden soll. Dieses hat das Potential, die direkten Messungen des CO₂-Flusses zwischen Luft und Meer erheblich zu verbessern.

Im März und September war Dr. Yuanxu Dong bei seinem Co-Gastgeber Prof. Dr. Bernd Jähne am Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg zu Gast. Im dortigen Aeolotron, einem der größten und modernsten ringförmigen Wind-Wellen-Kanäle der Welt, führte er Experimente zu blasenvermittelten Transferprozessen durch. Diese Laborergebnisse wird er nun mit den Daten aus seinen Feldexperimenten verknüpfen, um die Mechanismen des blasenvermittelten Gasaustausches zu verstehen.

Pünktlich zum Beginn der dunklen Jahreszeit ist Dr. Yuanxu wieder zurück in Kiel. Doch den norddeutschen Winter fürchtet er nicht: „Ich habe Norwich überlebt“, sagt er lachend, „und Kiel liegt ja nur ein bisschen weiter nördlich.“

 

Originalpublikation:

Yuanxu Dong et al. (2024): Direct observational evidence of strong CO2 uptake in the Southern Ocean. Sci. Adv.10.

DOI:10.1126/sciadv.adn5781

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Aktuelles2024 Presse2024 Top_Slider FB2News Kohlenstoffspeicherung im Ozean Ozeanbeobachtung Ozean und Klima Technik Klima Ozean
news-9652 Mon, 28 Oct 2024 11:11:02 +0100 Baku Ocean Declaration zur UN-Klimakonferenz /news/article/baku-ocean-declaration-zur-un-klimakonferenz 28.10.2024/Kiel. Die Partner des Ozean-Pavillons fordern Staats- und Regierungschefs auf, solide und langfristige Investitionen in die Meeresbeobachtung, -forschung und -kartierung zu tätigen, um zur Erreichung der Hauptziele der UN-Abkommen über Klima, biologische Vielfalt und Wüstenbildung beizutragen. Die Baku Ocean Declaration wird im Vorfeld der 29. UN-Klimakonferenz veröffentlicht, die vom 11. bis 22. November in Baku, Aserbaidschan, stattfindet. Die Erklärung unterstreicht die entscheidende Rolle, die das Wissen über den Ozean für das Wohlergehen der Menschen und Gemeinschaften sowie für die Gesundheit der Ökosysteme weltweit spielt. Das Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel beteiligt sich auch in diesem Jahr am Ozean-Pavillon. Gemeinsame Gemeinsame Pressemitteilung der Ocean Pavillon Partner bei der COP29

Ƶ Direktorin Professor Katja Matthes: „Die globale Bestandsaufnahme für die COP28 in Dubai im vergangenen Jahr hat gezeigt, dass die Welt auf 2,6 Grad Celsius zusteuert und nicht auf die 1,5 Grad, die im Pariser Abkommen von 2015 festgelegt wurden. Wir müssen die Treibhausgasemissionen sofort und drastisch senken. Gleichzeitig müssen wir Lösungen für die verbleibenden Emissionen finden, die sich nicht vermeiden lassen. Die Meeresforschung liefert wichtige Erkenntnisse über natürliche und technische Ansätze zur Kohlendioxid-Entfernung (CDR) und zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS), so dass der Ozean uns bei der Bekämpfung des Klimawandels helfen kann. Wir rufen die Staats- und Regierungschefs der Welt auf, diese Forschung zu unterstützen und Aktivitäten zum Schutz des Ozeans zu fördern.“

Peter de Menocal, Präsident und Direktor der Woods Hole Oceanographic Institution: „Unsere Zukunft hängt davon ab, dass die Menschheit kluge Entscheidungen über den Umgang mit dem Ozean trifft. Und um kluge Entscheidungen zu treffen, brauchen wir die bestmöglichen wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Ozean und seine vielfältigen Auswirkungen auf alle Menschen auf unserem Planeten. Langfristige Ozeanbeobachtungen liefern die entscheidenden Daten, um eine nachhaltige Zukunft für alle zu gewährleisten.“

Der Ozean hat mehr als 90 Prozent der Wärme und fast 30 Prozent des Kohlendioxids aufgenommen, die durch menschliche Aktivitäten verursacht wurden. Das Ausmaß und die Geschwindigkeit von Faktoren wie dem Anstieg des Meeresspiegels, den steigenden Temperaturen in der Atmosphäre und in den Ozeanen, den Veränderungen des Wasserkreislaufs, den Trends bei der Versauerung und dem Sauerstoffmangel der Ozeane, dem Rückgang der Ökosysteme und der biologischen Vielfalt sowie den Unwettern wird daher davon abhängen, wie gesund der Ozean bleibt. Trotzdem haben die internationalen Investitionen in Meeresbeobachtungssysteme nicht mit dem Bedarf an Informationen für die Anpassung an den Klimawandel und andere wichtige Entscheidungen Schritt gehalten.

Margaret Leinen, Direktorin der Scripps Institution of Oceanography an der UC San Diego: „Der Ozean hat einen überragenden Einfluss auf das globale Klima, selbst wenn es um die Wüstenbildung geht, und ist selbst vom Klimawandel betroffen. Mindestens die Hälfte der Makroorganismen auf unserem Planeten sind Meeresorganismen. Die meisten von ihnen sind noch nicht einmal entdeckt, geschweige denn benannt worden, so dass die weitere Erforschung des Systems, das das Leben auf der Erde trägt, zwingend notwendig ist.“

Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) ist zu dem Schluss gekommen, dass die Welt koordinierte Maßnahmen ergreifen muss, um einen Anstieg von mehr als 1,5 °C gegenüber den vorindustriellen Temperaturen zu vermeiden - ein wichtiger Schwellenwert, bei dessen Unterschreitung nach Ansicht der Klimawissenschaftler:innen die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels vermieden werden können. Gleichzeitig wächst das Interesse an den zahlreichen Möglichkeiten, die der Ozean bietet, darunter Methoden zur Eindämmung der steigenden Treibhausgase in der Atmosphäre, zur Anpassung an den aktuellen und künftigen Klimawandel und zum Aufbau einer gesunden blauen Wirtschaft, die der Menschheit zugute kommt und wichtige Ökosysteme schützt.

Die Ozean-Erklärung ruft die Teilnehmer:innen der UN-Klimakonferenz und darüber hinaus dazu auf, Maßnahmen zur Verbesserung der Beobachtung kritischer Meeresvariablen zu ergreifen, um diese Vorteile zu erhalten. Darüber hinaus werden in der Erklärung die Möglichkeiten hervorgehoben, die verbesserte Beobachtungen bieten, um die miteinander verknüpften Ziele der UN-Konventionen über Klima, biologische Vielfalt und Wüstenbildung, die zusammen als Rio-Konventionen bekannt sind, zu erreichen.

In der Baku Ocean Declaration der COP29 werden unter anderem folgende konkrete Maßnahmen genannt:

  • Ausbau der internationalen Zusammenarbeit, um Fortschritte bei der Bewältigung der Klima-, Biodiversitäts- und Süßwasserkrisen der Erde zu erzielen.
  • Verbesserung der öffentlichen und privaten Finanzierung, um die Unterstützung für langfristige Meeresbeobachtung, Forschung und Innovation für die Entscheidungsfindung zu erweitern.
  • Aufbau von Kapazitäten und Zugang, insbesondere in kleinen Ländern des globalen Südens, niedrig gelegenen Küstenregionen und anderen unterrepräsentierten Menschen und Orten, um Meeresdaten, Wissen und Innovationen weiterzuentwickeln.
  • Verbesserung des Bewusstseins für die Rolle des Ozeans in planetarischen Systemen und die Notwendigkeit seines Schutzes als wichtiger Schritt zur Mobilisierung von Entscheidungsträgern, um dem Schutz und der Wiederherstellung der Ozeane Priorität einzuräumen.

 

Hintergrund

Der Ozean-Pavillon wird von der Woods Hole Oceanographic Institution und der Scripps Institution of Oceanography der UC San Diego organisiert. Es handelt sich um einen eigenen Bereich in der Blue Zone der COP29, um den Ozean in einer entscheidenden Phase der internationalen Klimaverhandlungen in den Mittelpunkt zu stellen. Der Pavillon bringt Akteure zusammen, die sich dafür einsetzen, dass ozeanbezogene Lösungen bei der Reaktion der Welt auf die Klimakrise als entscheidend anerkannt werden. Während der zweiwöchigen Konferenz wird der Pavillon mehr als 50 Veranstaltungen anbieten, um Diskussionen über ein breites Spektrum von Themen im Zusammenhang mit der Zukunft des Ozeans anzuregen. Die Besucher:innen werden auch die Möglichkeit haben, mehr über die Arbeit der Partner des Ozeanpavillons zu erfahren und mit Wissenschaftler:innen, Vordenker:innen und Studierenden zu sprechen, die an der Suche nach Lösungen für einige der dringendsten Herausforderungen der Welt beteiligt sind.

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news-9524 Tue, 16 Jul 2024 10:38:38 +0200 Expedition erforscht Auswirkungen des Klimawandels vor Grönland /news/article/expedition-erforscht-auswirkungen-des-klimawandels-vor-groenland 16.07.2024/Kiel/Reykjavik. Grönland ist vom Nordatlantik und dem arktischen Ozean umgeben – beide Ozeane sind deutlich vom Klimawandel betroffen. Die Folge sind wärmeres, salzärmeres und saureres Wasser, ein verstärkter Eintrag von Schmelz- und Flusswasser sowie ein rapider Rückgang des Meereises. Das internationale Team der Expedition MSM130 unter Leitung des Ƶ untersucht diese Auswirkungen vor der Ostküste Grönlands mit dem Forschungsschiff MARIA S. MERIAN. Im Fokus stehen Forschungen und Modellierungen zur Rolle des arktischen Meereisverlustes als treibende Kraft des globalen Klimawandels sowie chemische und physikalische Prozesse an der Schnittstelle von Eis, Ozean und Atmosphäre. Die Region um Grönland ist vom Nordatlantik und dem Arktischen Ozean umgeben. Auswirkungen wie wärmeres Wasser oder ein verstärkter Eintrag von Schmelz- und Flusswasser zeigen deutlich, dass beide Ozeane vom Klimawandel betroffen sind. Die fünfwöchige Expedition MSM130 ist nun mit dem deutschen Forschungsschiff MARIA S. MERIAN zur Ostküste Grönlands aufgebrochen, um dort die Auswirkungen des Klimawandels zu untersuchen. Entlang der grönländischen Küste führt die Route der Forscher:innen von Kap Farvel bis Kap Young, vorbei an 150 Messstationen und durch fünf Fjorde. Die Expedition unter der Leitung von Professor Dr. Eric Achterberg, Chemischer Ozeanograph am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, trägt den Namen „Untersuchung des Zusammenhangs zwischen arktischem Süßwasserabfluss, atlantischer Biogeochemie und Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation (Atlantic Meridional Overturning Circulation, AMOC)“, kurz „POLAR BEAST“.

Während der Expedition wollen die Wissenschaftler:innen insbesondere drei Forschungsvorhaben angehen: Einerseits ziehen sie Sedimentkerne entlang des ostgrönländischen Schelfs. Damit können sie vergangene Klimaveränderungen und die Kohlenstoffspeicherung in Fjordsedimenten rekonstruieren. „Die Sedimentkerne dienen als Klimaarchiv und werden verwendet, um die Variabilität des Klimas in der Vergangenheit und die Veränderungen zu rekonstruieren, die sich aus den Verschiebungen der Meereisbedeckung, des Salzgehalts und der Produktivität im ostgrönländischen System in den letzten 2000 Jahren ergeben haben“, erklärt Fahrtleiter Professor Dr. Eric Achterberg. Zusätzlich messen die Wissenschaflter:innen die Eisen- und Manganflüsse aus den Sedimenten in das darüber liegende Wasser, um die Auswirkungen dieser Mikronährstoffe auf die Primärproduktion an der ostgrönländischen Küste zu bewerten. Die Primärproduktion beschreibt den Prozess, bei dem pflanzliche Organismen, hauptsächlich Phytoplankton, durch Photosynthese organisches Material aus anorganischen Substanzen (wie Kohlendioxid und Stickstoff) und Licht erzeugen. Sie stellt die Grundlage der marinen Nahrungskette dar.

Außerdem möchten die Forschenden die Auswirkungen des Schmelzwasserabflusses der Grönlandgletscher und des arktischen Süßwasserabflusses auf die Zirkulation und Biogeochemie des Nordatlantiks verstehen. Im Ostgrönlandstrom (East Greenland Current, EGC) werden zunehmende Mengen an Süßwasserabfluss beobachtet, was mit der zunehmenden Meereisschmelze im Arktischen Ozean, dem Abschmelzen der grönländischen Gletscher und den zunehmenden Abflüssen europäischer und asiatischer Flüsse in den Arktischen Ozean zusammenhängt. Der Ostgrönlandstrom führt daher zu einer Auffrischung des Nordatlantiks mit möglichen Folgen für die AMOC und einem Anstieg der Meeresoberflächentemperaturen und des Klimas. Die Süßwassereinträge können auch die Primärproduktivität im Nordatlantik und folglich die Aufnahme von Kohlendioxid (CO₂) durch den Ozean beeinflussen.

Ergänzend misst das internationale Forschungsteam deshalb Kohlendioxid (CO₂), pH, Alkalinität, Nitrat, Phosphat, Methan und Primärproduktivität an der Meeresoberfläche. Diese Erhebungen ergänzen Daten von Land und von Verankerungen in den Fjordmündungen, die das ganze Jahr über von grönländischen Wissenschaftler:innen vor Ort erhoben werden.

„Unser verbessertes Verständnis wird dazu dienen, die Modellprojektionen für die Arktis und die niedrigen Breitengrade unter künftigen Klimaszenarien zu verbessern, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesellschaft zu bewerten und Interessengruppen zu informieren“, sagt Dr. Achterberg. Zu Beginn der Expedition wurden erhöhte Temperaturen im Nordatlantik in der Nähe von Island und eine im Vergleich zu den letzten Jahren deutlich stärkere Eisbedeckung an der Küste Ostgrönlands im Ostgrönlandstrom festgestellt. Die Ursachen für diesen Kontrast sind bislang noch unklar.

 

Expedition auf einen Blick:

MARIA S: MERIAN Expedition MSM130 POLAR BEAST

Fahrtleitung: Prof. Dr. Eric Achterberg

Datum: 09.07.2024 – 14.08.2024

Start: Reykjavik, Island

Ende: Reykjavik, Island

Fahrtgebiet: Ostküste Grönland

 

öܲԲ:

Gefördert wird die MERIAN-Expedition MSM130 unter dem Namen „Untersuchung des Zusammenhangs zwischen arktischem Süßwasserabfluss, atlantischer Biogeochemie und Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation (Atlantic Meridional Overturning Circulation, AMOC)“ kurz „POLAR BEAST“ von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

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news-9519 Mon, 15 Jul 2024 11:00:00 +0200 Verlust von Sauerstoff in Gewässern als neuer Kipp-Punkt identifiziert /news/article/verlust-von-sauerstoff-in-gewaessern-als-neuer-kipp-punkt-identifiziert 15.07.2024/Kiel/New York. Der Sauerstoffgehalt in den Gewässern auf unserer Erde nimmt rapide und dramatisch ab – vom Teich bis zum Ozean. Der fortschreitende Sauerstoffverlust bedroht nicht nur Ökosysteme, sondern auch die Lebensgrundlage großer Bereiche der Gesellschaft und den gesamten Planeten, urteilen die Autor:innen einer internationalen Studie mit Beteiligung des Ƶ, die heute in der Fachzeitschrift Nature Ecology and Evolution veröffentlicht wurde. Sie fordern, den Sauerstoffverlust der Gewässer als planetare Belastbarkeitsgrenze anzuerkennen, um globale Überwachung, Forschung und politische Maßnahmen zu fokussieren. Sauerstoff ist eine grundlegende Voraussetzung für das Leben auf dem Planeten Erde. Der Verlust von Sauerstoff im Wasser, auch als aquatische Desoxygenierung bezeichnet, stellt eine unmittelbare Bedrohung für das Leben im Wasser dar. In einer heute in der Fachzeitschrift Nature Ecology and Evolution veröffentlichten Studie beschreibt ein internationales Forschungsteam, welche Gefahren der fortschreitende Sauerstoffverlust auch für die Lebensgrundlage weiter Bereiche der Gesellschaft und für die Stabilität des Lebens auf unserem Planeten darstellt.

Frühere Forschungen haben eine Reihe globaler Prozesse identifiziert, die als planetare Belastbarkeitsgrenzen bezeichnet werden. Werden diese Belastbarkeitsgrenzen überschritten, erhöht sich das Risiko großräumiger, abrupter oder irreversibler Umweltveränderungen („Kipp-Punkte“), und die Widerstandsfähigkeit unseres Planeten, seine Stabilität, wird gefährdet. Zu den derzeit neun planetaren Grenzen gehören unter anderem der Klimawandel, die Veränderung der Landnutzung und der Verlust der biologischen Vielfalt. Die Autor:innen der neuen Studie argumentieren, dass der Sauerstoffverlust der Gewässer sowohl auf andere planetare Grenzprozesse reagiert als auch diese reguliert und deswegen als weitere planetare Grenze definiert werden sollte.

„Es ist wichtig, dass die Sauerstoffabnahme in der Hydrosphäre auf die Liste der planetaren Grenzen gesetzt wird“, sagt Erstautor Dr. Kevin Rose, Professor am Rensselaer Polytechnic Institute in Troy, New York. „Dies wird helfen, globale Überwachungs-, Forschungs- und Politikbemühungen zu unterstützen und zu fokussieren, um unsere aquatischen Ökosysteme und damit auch die Gesellschaft insgesamt zu schützen.“

In allen aquatischen Ökosystemen, von Bächen und Flüssen über Teiche, Seen und Stauseen bis hin zu Küsten und dem offenen Ozean, ist die Sauerstoffsättigung in den vergangenen Jahrzehnten rapide und erheblich gesunken. Seen und Stauseen haben seit 1980 Sauerstoffverluste von 5,5 beziehungsweise 18,6 Prozent erlitten. Der Ozean hat seit 1960 im globalen Durchschnitt mehr als zwei Prozent seines Sauerstoffs verloren. Prozentual klingt dies nach wenig, absolut bedeutet es aber aufgrund des riesigen Volumens des Weltozeans eine ungeheure Menge an Sauerstoff – und die Geschwindigkeit der Abnahme nimmt weiter zu. Die Wassermenge mit extremer Sauerstoffarmut (hypoxisch) beziehungsweise ohne jeglichen Sauerstoff (anoxisch) ist bei allen Gewässertypen dramatisch gestiegen, mit immer sichtbarer werdenden Konsequenzen für die betroffenen Ökosysteme.

„Ursachen des aquatischen Sauerstoffverlusts sind die globale Erwärmung durch Emissionen von Treibhausgasen und der Eintrag von Nährstoffen als Folge der Landnutzung“, sagt Ko-Autor Dr. Andreas Oschlies, Professor für Marine Biogeochemische Modellierung am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel: „Steigen die Wassertemperaturen, nimmt die Löslichkeit von Sauerstoff im Wasser ab. Dazu kommt eine ausgeprägtere Schichtung der Wassersäule, weil sich wärmeres, salzärmeres Wasser mit geringer Dichte auf das darunter geschichtete kältere, salzigere Tiefenwasser legt. Das behindert den Austausch der sauerstoffarmen Tiefenschichten mit dem sauerstoffreicheren Oberflächenwasser. Nährstoffeinträge von Land fördern zusätzlich Algenblüten, die dazu führen, dass mehr Sauerstoff verbraucht wird, wenn mehr organisches Material absinkt und in der Tiefe von Mikroben zersetzt wird.“

Bereiche im Meer, in denen so wenig Sauerstoff vorhanden ist, dass Fische, Muscheln oder Krebse nicht mehr überleben können, bedrohen nicht nur die Organismen selbst, sondern auch Ökosystemdienstleistungen wie Fischerei, Aquakultur, Tourismus und kulturelle Praktiken. Mikrobiotische Prozesse in sauerstoffarmen Regionen erzeugen darüber hinaus verstärkt Treibhausgase wie Lachgas und Methan, was zu einer weiteren Verstärkung der Erderwärmung und damit einer wesentlichen Ursache der Sauerstoffabnahme führen kann.

Die Autoren warnen: Wir nähern uns kritischen Schwellenwerten des Sauerstoffverlusts in den Gewässern, die mehrere andere planetare Grenzen beeinflussen werden. Professor Dr. Rose: „Gelöster Sauerstoff reguliert die Rolle von Meeres- und Süßwasser bei der Steuerung des Erdklimas. Die Verbesserung der Sauerstoffsättigung in Gewässern hängt von der Bekämpfung der zugrunde liegenden Ursachen ab, einschließlich der Klimaerwärmung und der Abwässer aus bewirtschafteten Landschaften. Wird der Sauerstoffmangel in den Gewässern nicht adressiert, wird dies letztlich nicht nur die Ökosysteme, sondern auch die Wirtschaft und die Gesellschaft auf globaler Ebene beeinträchtigen.“

Die Trends bei der Sauerstoffverarmung der Gewässer sind ein deutliches Warnsignal und ein Aufruf zum Handeln, das verhindern muss, diese planetare Grenze zu überschreiten. Die Studie von Professor Rose und seinen Kolleg:innen wird den Weg für weitere Forschung ebnen und die Tür für neue Regulierungsmaßnahmen öffnen. Sie entstand im Umfeld des Netzwerks Global Ocean Oxygen Network (GO2NE) der Zwischenstaatlichen Ozeanographischen Kommission (Intergovernmental Oceanographic Commission, IOC) der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation, UNESCO), das ebenso wie das Programm Global Ocean Oxygen Decade (GOOD) der Dekade der Meeresforschung für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen von Professor Oschlies geleitet wird.

Original-Publikation:

Rose, K.C., Ferrer, E.M., Carpenter, S.R. et al. (2024): Aquatic deoxygenation as a planetary boundary and key regulator of Earth system stability. Nature Ecology and Evolution, doi:

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news-9453 Wed, 19 Jun 2024 19:00:00 +0200 Boris Herrmann erhält den Deutschen Meerespreis 2024 /news/article/boris-herrmann-erhaelt-den-deutschen-meerespreis-2024 19.06.2024/Kiel. Der deutsche Profisegler Boris Herrmann erhält heute den Deutschen Meerespreis der Prof. Dr. Werner Petersen-Stiftung in Würdigung seiner vielfältigen Verdienste als Botschafter der Meere und zur Vermittlung von Themen der Meeresforschung in die breite Öffentlichkeit. Der Preis wird gemeinsam mit dem Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel unter der Schirmherrschaft von Daniel Günther, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, im Rahmen einer festlichen Veranstaltung mit geladenen Gästen vergeben. Auf seinen Segelrennen ist Boris Herrmann im Wettlauf gegen die Zeit – mal allein und mal gemeinsam mit seiner Crew Wind und Wellen ausgesetzt. Seine Leistungen verfolgen viele Fans in Deutschland und aller Welt. Doch dem Segler geht es nicht nur um die sportliche Konkurrenz: Den gesellschaftlichen Kampf gegen den Klimawandel sieht er als ein Rennen, das wir alle gemeinsam gewinnen müssen. „A Race We Must Win – Climate Action Now“ – der Slogan auf dem Segel der Rennyacht Malizia-Seaexplorer lässt keinen Zweifel daran, was auf dem Spiel steht. Bereits seit Jahren engagiert sich Boris Herrmann mit seinem Team Malizia daher für den Schutz des Ozeans, unterstützt die Wissenschaft mit Unterwegs-Daten von Regatten, die ihn oft in entlegene Meeresregionen führen, und setzt sich für die Ozeanbildung ein.

In Würdigung seiner vielfältigen Verdienste als Botschafter der Meere und zur Vermittlung von Themen der Meeresforschung in die breite Öffentlichkeit erhält Boris Herrmann heute den Deutschen Meerespreis der Prof. Dr. Werner Petersen-Stiftung. Die mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung wird unter der Schirmherrschaft von Daniel Günther, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, gemeinsam mit dem Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel verliehen. Zur heutigen Festveranstaltung am Ƶ werden etwa 200 geladene Gäste aus Wissenschaft, Sport, Wirtschaft und Politik erwartet.

„Der Kampf gegen den Klimawandel ist ein Wettlauf gegen die Zeit – gewinnen können wir ihn nur, wenn sich alle Menschen auf der Welt engagieren. Dieses Engagement braucht eine breite Wissensbasis, und es braucht Daten aus allen Regionen des Ozeans“, sagt Ƶ-Direktorin Professorin Dr. Katja Matthes. „Boris Herrmann trägt einerseits die Botschaft zum Schutz unseres Ozeans in alle Welt und sammelt andererseits rund um den Globus wichtige Informationen für unsere Forschung. Sein Handeln inspiriert viele Menschen weltweit, auch uns Forschende. Der Deutsche Meerespreis würdigt seine wichtige Rolle als Vermittler und seinen beeindruckenden Einsatz. Wir gratulieren aufs Herzlichste, mit Spannung verfolgen wir die kommenden Regatten und freuen uns auf weitere gemeinsame Projekte.“

Ministerpräsident Daniel Günther würdigt den Preisträger als engagierten Klimaschützer und Unterstützer der Wissenschaft. „Boris Herrmann ist ein großartiger Sportler und ein Vorkämpfer für die Umweltbildung. Sie haben sich den Kampf gegen die Erderwärmung sprichwörtlich auf die Segel geschrieben und sind ein Vorbild mit Ihrer Art, Herausforderungen anzupacken“, sagt Günther. Mit seinem langjährigen Einsatz für den Klimaschutz und die Ozeane sei Boris Herrmann ein mehr als würdiger und verdienter Preisträger: „Wir sind in Schleswig-Holstein sehr stolz, Ihnen den Deutschen Meerespreis 2024 verleihen zu dürfen. Herzlichen Dank für Ihr großes Engagement.“

„Die Professor Dr. Werner Petersen-Stiftung sieht sich in der Pflicht, auch solches Engagement zu fördern, das der nachhaltigen Entwicklung und dem Schutz der Ozeane dient“, erklärt Dr. h.c. Klaus-Jürgen Wichmann, Vorsitzender Prof. Dr. Werner Petersen-Stiftung. „Mit der diesjährigen Verleihung des mit 20.000 Euro dotierten Deutschen Meerespreises gemeinsam mit dem Ƶ und unter der Schirmherrschaft des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten ermöglicht die Stiftung nach 2018 erneut die Auszeichnung von Personen, die sich durch besonderen Einsatz für den Erhalt, Schutz oder die Vermittlung von Wissen um und über die Meere verdient gemacht haben. Die vielfältigen Verdienste des Profiseglers Boris Hermann, dem weltweit anerkannten Botschafter der Meere, werden damit in eindrucksvoller Weise gewürdigt.“

Für Boris Herrmann erfüllte sich 2020 ein Jugendtraum, als er als erster Deutscher die Vendée Globe absolvierte. 2024 tritt er erneut in der Nonstop-Einhandregatta um die Welt an. Im Jahr
2023 nahmen er und sein Team mit der Malizia-Seaexplorer am Ocean Race teil – mit einem spektakulären Fly-By in der Kieler Förde. Für das Ocean Race Europe, das im August 2025 in Kiel startet, hat das Team Malizia ebenfalls seine Teilnahme angekündigt. Im Mai 2024 lief Boris Herrmann nach der Transatlantik-Regatta The Transat CIC als zweiter in New York ein. Auch die New York Vendée nach Les Sables d’Olonne beendete er unlängst als gefeierter Zweiter. Er ist Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande.

„Was wir mit dem Team Malizia bewegt haben, berührt mich mit Stolz. Dazu zählen die wachsende Popularität und Begeisterung für unseren Sport, aber allen voran das sichtbare Engagement für Bildung und Wissenschaft zum Schutz von Klima und Ozean. Dieser Preis ehrt die langjährige und zielgerichtete Arbeit des gesamten Teams, unsere Partner und Unterstützerinnen und Unterstützer weltweit und nicht zuletzt meine Frau Birte mit unserem Bildungsprojekt ‚My Ocean Challenge‘“, sagt Preisträger Boris Herrmann. „Wir sehen diese Auszeichnung als Ansporn, unsere Mission mit Nachdruck weiter fortzuführen, nach Lösungen zu suchen und vor allem die Menschen weltweit für Ozean- und Klimaschutz zu begeistern.“

Den Segler verbindet eine langjährige Zusammenarbeit mit dem Ƶ, welche gleichzeitig als ein Ursprung der mittlerweile vielfältigen Verbindungen zwischen der Forschung und dem deutschen Profi-Segelsport gesehen werden kann. Seit Anfang 2024 ist Boris Herrmann auch Botschafter des Deutschen Komitees der Ozeandekade (ODK), deren Kontaktstelle am Ƶ beheimatet ist.

Das Ƶ koordiniert verschiedene Programme im Rahmen der Dekade der Meeresforschung für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und trägt auch darüber hinaus auf vielerlei Weise zur Erreichung der Ziele der Dekade bei. Einen Schwerpunkt der Arbeiten des Ƶ bildet das globale Ozeanmonitoring zur Erforschung und Vorhersage von Auswirkungen des Klimawandels und anderer menschliche Einflüsse auf den Ozean.

Zur Gewinnung von Daten tragen neben wissenschaftlichen Expeditionen, autonomen Messgeräten und Handelsschiffen auch Segelyachten als „Ships of Opportunity“ bei. Führend ist hierbei die von der Helmholtz-Gemeinschaft geförderte Innovationsplattform „Shaping an Ocean Of Possibilities” (SOOP). Gemäß seinem Titel will SOOP einen „Ozean der Möglichkeiten“ für Kooperationen zwischen Wissenschaft und Industrie schaffen. Entstehen sollen nachhaltige Strukturen und Technologien für die Ozeanbeobachtung, um den Zugang zu Messdaten zu verbessern und das Wissen über unsere Meere auszubauen. An Wassersportler:innen in der Ostsee richtet sich das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützte Projekt „Sailing for Oxygen“, in dessen Rahmen Segelcrews Daten zu Sauerstoff-Konzentrationen in der Ostsee sammeln.

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news-9490 Fri, 14 Jun 2024 16:30:00 +0200 Lachgas-Emissionen auf historischem Höchststand /news/article/lachgas-emissionen-auf-historischem-hoechststand 14.06.2024/Kiel/Chestnut Hill. Die Emissionen von Distickstoffmonoxid (N2O) – einem Treibhausgas, das stärker wirkt als Kohlendioxid oder Methan – stiegen von 1980 bis 2020 ungebremst an. Im Jahr 2020 wurden über 10 Millionen Tonnen Distickstoffmonoxid in die Atmosphäre freigesetzt, hauptsächlich durch landwirtschaftliche Praktiken und aus dem Ozean. Dies geht aus einem neuen Bericht des Global Carbon Project hervor, für den Forschende des Ƶ wichtige ozeanische Daten lieferten. Distickstoffmonoxid (N2O), umgangssprachlich als Lachgas bekannt, ist ein farbloses Gas aus der Gruppe der Stickoxide und ein extrem wirksames Treibhausgas mit einem etwa 300-mal größeren globalen Erwärmungspotenzial als Kohlendioxid (CO2). Eine aktuelle Studie für den Forschungsverbund Global Carbon Project unter Leitung des Boston College in Chestnut Hill, Massachusetts, Vereinigte Staaten von Amerika, zeigt einen globalen Anstieg der N2O- Emissionen um 40 Prozent in den vier Jahrzehnten von 1980 bis 2020. Diese Entwicklung hat schwerwiegende Konsequenzen für den Planeten.

Die Landwirtschaft war in den 2010er Jahren für 74 Prozent der vom Menschen verursachten Lachgasemissionen verantwortlich, hauptsächlich durch den Einsatz von Kunstdünger und Tierdung auf Ackerland, so der Bericht Global Nitrous Oxide Budget 2024, der jetzt in der Fachzeitschrift Earth System Science Data veröffentlicht wurde.

Die umfassende Studie über Lachgasemissionen und -senken basiert auf Millionen Messungen, durchgeführt an Land, in der Atmosphäre, in Süßwassersystemen und im Ozean. Ein internationales Team von 58 Forschenden aus 15 Ländern erstellte daraus die bisher umfangreichste Bewertung des globalen N2O-Budgets.

In einer Zeit, in der der Ausstoß von Treibhausgasen drastisch und rapide reduziert werden muss, um die globale Erwärmung zu verringern, wurde laut der Studie in den Jahren 2020 und 2021 mehr Lachgas emittiert als jemals zuvor in der Geschichte. Überschüssiger Stickstoff belastet Böden, Wasser und Luft. In der Atmosphäre zerstört N2O die Ozonschicht und verschärft den Klimawandel durch seinen starken Treibhauseffekt. Neben den Emissionen aus den Böden stellen der Ozean und die angrenzenden Küstengebiete die Hauptquelle von N2O in der Atmosphäre dar.

Für die Abschätzung der ozeanischen Lachgasemissionen der Studie dienten Daten des Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel als Grundlage. Das Ƶ betreibt die weltweit größte Datenbank für N2O-Messungen aus dem Ozean und den angrenzenden Küstengebieten. Ihr Name MEMENTO (lateinisch: erinnere!) steht für MarinE MethanE and NiTrous Oxide (Methan und Distickstoffoxid aus dem Meer).

„Die Distickstoffmonoxid-Emissionen aus menschlichen Aktivitäten müssen reduziert werden, um die globale Erwärmung unter der Zwei-Grad-Marke des Pariser Klimaschutzabkommens zu halten“, betont der Hauptautor des Berichts, Dr. Hanqin Tian, Professor für globale Nachhaltigkeit und Direktor des Center for Earth System Science and Global Sustainability am Schiller Institute for Integrated Science and Society des Boston College. „Derzeit gibt es keine Technologien zur Entfernung von Distickstoffmonoxid aus der Atmosphäre.“

Für Dr. Hermann Bange, Professor für Marine Biogeochemie am Ƶ und Leiter der Arbeitsgruppe Biogeochemie von Spurengasen, ist die internationale Studie ein Meilenstein, da sie die globalen Quellen und Senken von Lachgas in bisher nicht gekannter Detailfülle beschreibt. Um wirksame Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen zu ergreifen, sei deren genaue Kenntnis unabdingbar.

Die Forschenden fordern daher häufigere Abschätzungen des N2O-Budgets und empfehlen den Aufbau eines globalen N2O-Messnetzes. „Dieses müsste dringend auch den Ozean als eine der größten Lachgasquellen mit einbeziehen“, betont Professor Dr. Bange.

 

Original-Publikation:

Tian, H. et al (2023): Global Nitrous Oxide Budget 1980-2020, Earth Syst. Sci. Data Discuss. Global Carbon Project.

Artikel DOI: 10.5194/essd-2023-401,

Zusätzliche Daten DOI: 10.18160/RQ8P-2Z4R,

 

Hintergrund Global Carbon Project:

Das 2001 gegründete Global Carbon Project ist ein internationales Forschungsprojekt, das eine gemeinsame Wissensbasis zu Treibhausgasemissionen schafft, indem es unter anderem globale Budgets für die drei wichtigsten Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) erstellt. Die Budgets bewerten Emissionen und Senken, um weitere Forschung, Politik und internationale Maßnahmen zu beraten und zu unterstützen.

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news-9443 Mon, 27 May 2024 12:34:00 +0200 Auf Datensammlung zu Klimaänderungen im Nordatlantik /news/article/auf-datensammlung-zu-klimaaenderungen-im-nordatlantik 27.05.2024/Kiel/Rostock. Als wichtiger Teil des Förderbandes globaler ѱٰöܲԲ wird im gesamten Atlantik Wärme nach Norden transportiert – ein Prozess, der das heutige Klima auf der Erde stabilisiert. Wenn dieser Wärmetransport abnimmt, kann ein Kipppunkt des Klimasystems überschritten werden, mit der Folge weltweiter Klimaveränderungen. Eine Schlüsselregion für ein funktionierendes globales Förderband ist der Nordatlantik, insbesondere die ozeanischen Prozesse in der Labrador- und Irmingersee. Dorthin ist am Samstag eine internationale Expedition unter Leitung des Ƶ aufgebrochen, um neue Messdaten zum Zustand der Tiefenströmungen im Nordatlantik zu gewinnen. Über die Online-Plattform BELUGA können sowohl das Schiff als auch Messdaten live verfolgt werden. Im Nordatlantik verliert das Oberflächenwasser riesige Mengen an Wärme an die Atmosphäre – ein Prozess, der uns in Europa ein mildes Klima beschert. Als Folge davon wird das zunehmend abgekühlte Oberflächenwasser schwerer und sinkt in größere Tiefen ab, wo es schließlich als Tiefenwasser in Richtung Südatlantik strömt. Diese Tiefenströmungen orientieren sich aufgrund der Erdrotation an den westlichen Rändern der Kontinente und bilden dort Strömungsbänder aus, die als „Tiefer Westlicher Randstrom“ bezeichnet werden.

Die Labradorsee ist eine der wenigen Regionen der Welt, in der dieses Strömungsband nahe der Oberfläche zu finden ist. Deshalb kann diese Region auch als eine Art Eingang zur Tiefsee betrachtet werden. Treten hier Änderungen auf, etwa der Temperatur, des Sauerstoff- oder des Kohlendioxidgehalts, so werden diese in die Tiefsee exportiert – wo sie möglicherweise für Jahrhunderte verbleiben. Für Klimavorhersagen mit Hilfe von Modellrechnungen ist es wichtig, die Prozesse zu verstehen, die zu Veränderungen im Tiefen Westlichen Randstrom führen.

Messdaten belegen, dass sich bereits etwas ändert – und die Forschung konnte Zusammenhänge mit ozeanischen und atmosphärischen Prozessen herstellen, etwa mit der Ausbreitung von Temperatur- und Salzgehaltsanomalien und Schwankungen in Winden und Wärmeflüssen. Um hierbei zwischen Klima- und kurzfristigen Schwankungen zu unterscheiden und ihre ozeanischen und atmosphärischen Antriebe zu identifizieren, sind möglichst langfristige Messreihen erforderlich.

„Seit dem vergangenen Jahr beobachten wir im Nordatlantik eine bisher nie dagewesene Erwärmung, die in Regionen wie der Labradorsee teilweise Werte von mehr als fünf Grad über dem Durchschnitt aufweist“, sagt Dr. Johannes Karstensen, Ozeanograph am Ƶ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Fahrtleiter der internationalen Expedition MSM129, die am Samstag mit der MARIA S. MERIAN von Rostock aus in den Nordatlantik aufgebrochen ist. Karstensen: „Eine wichtige Frage im Rahmen unserer Expedition wird sein, ob sich diese Wärmeanomalie auch in tieferen Schichten des Nordatlantiks nachweisen lässt und ob sie sich möglicherweise bereits auf die Strömungen auswirkt.“

Um das herauszufinden, werden die Forschenden Daten sammeln, die in Zusammenhang mit einem langjährigen Klimabeobachtungsprogramm stehen: Seit 1997 betreibt das Ƶ vor der Küste Labradors (Kanada) ein Ozean-Observatorium mit sieben Mess-Stationen, verteilt über eine Länge von 120 Kilometern. Die Geräte zeichnen kontinuierlich Daten zu Strömung, Temperatur, Sauerstoff- und Salzgehalt auf – vom Meeresboden bis knapp unter die Meeresoberfläche. Alle zwei Jahre fahren Forschende in die Region, um die Daten auszulesen und entlang der Route vom Schiff aus weitere Proben zu nehmen.

Auf dem Transit von Rostock bis zum ersten Zwischenstopp im kanadischen St. Johns wird die MARIA S. MERIAN außerdem verschiedenste Typen von Unterwegsdaten sammeln. Dabei soll auch getestet werden, wie schnell internationale Datenzentren Zugriff auf die Daten bekommen, um deren Nutzung für Ozean- und Wettervorhersagen zu ermöglichen.

„Der Ozean besitzt Eigenschaften, die die bisherigen Auswirkungen der dramatisch voranschreitenden Klimaerwärmung abmildern“, sagt Karstensen. So hat der Ozean aufgrund seiner hohen Wärmekapazität bisher mehr als 90 Prozent der überschüssigen Wärme aufgenommen und speichert diese in zunehmend größeren Tiefen. Doch je mehr sich die Tiefsee verändert, desto weniger kann der Ozean menschengemachte Veränderungen in der Atmosphäre wie die Erwärmung und den Anstieg von Treibhausgasen abmildern. „Irgendwann stößt auch die Kapazität der Tiefsee an ihre Grenzen.“

 

Expedition auf einen Blick:

MARIA S. MERIAN Expedition MSM129

Name: LabSeaFlow2024

Fahrtleitung: Dr. Johannes Karstensen

Datum: 25.05.-06.07.2024

Start: Rostock (Deutschland)

Ende: Reykjavik (Island)

Fahrtgebiet: Nordatlantik/Labradorsee

Die Position des Schiffes und erste Daten können live online über die am Ƶ entwickelte verfolgt werden.

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news-9435 Tue, 14 May 2024 10:44:00 +0200 CO2-Entnahme: Machbarkeitsstudie bewertet mögliche Maßnahmen für Deutschland /news/article/co2-entnahme-machbarkeitsstudie-bewertet-moegliche-massnahmen-fuer-deutschland 14.05.2024/Leipzig/Kiel. Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Dafür müssen Treibhausgasemissionen massiv gesenkt und wirksame Maßnahmen etabliert werden, um Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen. Doch welche Methoden zur Entnahme, Bindung und Speicherung sind in den kommenden zwei Jahrzehnten in Deutschland ohne zu große Hürden umsetzbar? Ein interdisziplinäres Forschungsteam unter Federführung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel hat nun unter Berücksichtigung ökologischer, technologischer, ökonomischer, sozialer, institutioneller sowie systemischer Aspekte eine Machbarkeitsstudie für 14 verschiedene Optionen der Kohlendioxid-Entnahme für Deutschland durchgeführt. Die Forschenden hoffen, dass ihre Studienergebnisse helfen werden, Entscheidungsprozesse und Strategien in Politik, Wirtschaft und Technologieentwicklung weiter voranzureiben. Die Studie ist im Fachmagazin Earth’s Future erschienen. Damit Deutschland bis 2045 klimaneutral werden kann, müssen zuallererst die Emissionen von Kohlendioxid (CO2) drastisch und dauerhaft gesenkt werden. Maßnahmen für die Kohlendioxid-Entnahme (CDR, englisch: Carbon Dioxide Removal) allein können die großen Mengen, die in Deutschland ausgestoßen werden, nicht entfernen. Man geht davon aus, dass sie ungefähr fünf bis 15 Prozent der heutigen Emissionen ausgleichen können.

Doch wie wirksam und effizient sind die verschiedenen möglichen Maßnahmen eigentlich? Welche Hürden gibt es bei der Einführung? Wie hoch sind die Kosten? Wie umweltverträglich sind sie? Diesen und weiteren Fragen ist ein interdisziplinäres Forschungsteam unter Leitung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des Ƶ Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel in seiner aktuellen Studie nachgegangen, in der es die Machbarkeit von 14 in Deutschland umsetzbaren CDR-Maßnahmen untersuchte. Dabei handelt es sich um Maßnahmen der direkten, chemischen Kohlenstoffabscheidung aus der Luft und Speicherung (DACCS, engl.: Direct Air Carbon Capture and Storage), der Bioenergieerzeugung bei gleichzeitiger Kohlenstoffabscheidung und Speicherung (BECCS, engl.: Bioenergy with Carbon Capture and Storage) sowie Maßnahmen zur Erhöhung der Kohlenstoffaufnahme durch Ökosysteme.

Für ihre Untersuchungen nutzten die Forschenden einen Bewertungsrahmen, den sie bereits in einer vorangegangenen Studie gemeinsam entwickelt hatten. Dabei wird in sechs unterschiedlichen Dimensionen bewertet: ökologisch, technologisch, ökonomisch, sozial, institutionell und systemisch. „Für eine gute und vergleichbare Einschätzung der Machbarkeit unter Einbeziehung von Risiken und Chancen verschiedener CDR-Maßnahmen müssen ganz unterschiedliche Aspekte berücksichtigt werden. Da das nicht leicht zu überblicken und zu vergleichen ist, wollten wir mit unserer Studie hier Licht ins Dunkel bringen“, sagt Dr. Malgorzata Borchers vom UFZ und Co-Erstautorin der Studie zusammen mit Dr. Johannes Förster vom UFZ und Dr. Nadine Mengis vom Ƶ.

Im Rahmen von Workshops in multidisziplinären Teams der Helmholtz Klima-Initiative ist in die Studie die Expertise von 28 Co-Autor:innenen eingeflossen. „Auf diese Weise stand uns ein unglaublich großes Reservoir an Expert:innenwissen zur Verfügung, mit dem wir den aktuellen Wissensstand zu den untersuchten CDR-Methoden in unserer Studie abbilden konnten“, so Nadine Mengis. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden in einer anschaulichen Bewertungsmatrix im Ampelfarbsystem dargestellt. Rot bedeutet: Die Hürden der Einführung einer CDR-Maßnahme sind in einem bestimmten Bereich (z.B. ökologisch oder ökonomisch) hoch. Gelb bedeutet mittel, grün niedrig.

Die Studienergebnisse zeigen: Zu den „grünen“ CDR-Maßnahmen mit den niedrigsten technologischen Hürden gehören vor allem ökosystembasierte Maßnahmen wie Renaturierung von Seegraswiesen, Anbau von Zwischenfrüchten in der Landwirtschaft, Wiedervernässung von Mooren oder Aufforstung. „Ökosystembasierte Maßnahmen werden insbesondere zur Vermeidung von Emissionen bereits eingesetzt. Dabei tragen sie auch zur Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre bei. Allerdings ist ihr Potenzial begrenzt, da wir in Deutschland von der Fläche her doch sehr eingeschränkt sind und nicht unendlich Moore wiedervernässen oder großflächig aufforsten können“, sagt Johannes Förster. „Dennoch sollten wir diese Synergien natürlich nutzen! Um das Klimaziel zu erreichen, wird es wichtig und notwendig sein, unterschiedliche CDR-Maßnahmen in einem Portfolio an Klimaschutzmaßnahmen zu kombinieren.“

Bei Maßnahmen mit höherem CO2-Entnahme-Potenzial wie etwa BECCS zeigt die Ampelfarbe in der Bewertungsmatrix dagegen in vielen Bereichen rot. „Bei den technologischen CDR-Maßnahmen sind insbesondere die wirtschaftlichen und institutionellen Hürden heute noch sehr hoch“, sagt Prof. Daniela Thrän, die am UFZ das Department Bioenergie leitet. „Da es, was Machbarkeit und Potenziale dieser CDR-Maßnahmen angeht, regionale Unterschiede gibt, wird aus unserer Sicht hier mehr Praxiserfahrung auf regionaler und lokaler Ebene benötigt, um besser zu verstehen, wie die Technologien weiterentwickelt und als Teil lokaler Wertschöpfungsketten etabliert werden können.“ Zwischen den drei Ampelfarben tauchen in der Bewertungsmatrix aber auch immer wieder weiße Flecken auf, die anzeigen, dass es hier bislang keine Daten gibt. „Das ist insbesondere bei den sozialen Bewertungsaspekten der CDR-Maßnahmen der Fall. Wie zum Beispiel die Kosten und Nachteile der CDR-Maßnahmen gesellschaftlich gerecht verteilt werden könnten, deren Umsetzung für die gesamte Gesellschaft von Vorteil ist, muss dringend weiter erforscht werden“, sagt Nadine Mengis.

Die Wissenschaftler:innen hoffen, dass ihre Machbarkeitsstudie für in Deutschland mögliche CDR-Maßnahmen Entscheidungsträger:innen dabei unterstützen kann, die komplexen Informationen besser zu erfassen und einzuordnen. Nur so können die richtigen Weichen gestellt werden, um das Klima-Ziel für 2045 zu erreichen.

Original-Publikation:

Borchers M., Förster J., Thrän D., Beck S., Thoni T., Korte K., Gawel E., Markus T., Schaller R., Rhoden I., Chi Y., Dahmen N., Dittmeyer R., Dolch T., Dold Ch., Herbst M., Heß D., Kalhori A., Koop-Jakobsen K., Li Z., Oschlies A., Reusch Th., Sachs T., Schmidt-Hattenberger C., Stevenson A., Wu J., Yeates C. and Mengis N.: A Comprehensive Assessment of Carbon Dioxide Removal Options for Germany. Earth’s Future; DOI:

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