Jana Willim: „Seegraswiesen sind die Korallenriffe der Ostsee.“ 

Florian Schütte: „Der Ozean speichert mehr als 90% der Wärme aus dem Klimawandel.“

Morelia Urlaub: „Wir überwachen Vulkanhänge unter Wasser.“

Amavi Silva: „Der Ozean ist der größte CO2-Speicher der Welt.“

Vier Ozean-Fakten zur Kieler Woche

Von Seegras bis Ozeanerwärmung – erklärt von ºÚÁÏÊÓÆµ-Wissenschaftler:innen

20.06.2025/Kiel. Der Ozean ist der größte Lebensraum unseres Planeten. Es gibt vieles, was wir noch nicht über ihn wissen. Prozesse am Meeresboden, wie etwa Hangrutschungen, sind bislang nur unzureichend verstanden. Gleichzeitig stehen die Meere unter erheblichem Druck: Sie leiden unter den Folgen menschlicher Aktivitäten wie der Klimaerwärmung, Überdüngung, Verschmutzung und Überfischung. Das hat viele negative Folgen, darunter Sauerstoffmangel und eine zunehmende Versauerung des Wassers. Das ºÚÁÏÊÓÆµ erforscht den globalen Ozean vom Meeresboden bis in die Atmosphäre. Zur Kieler Woche bringen vier ºÚÁÏÊÓÆµ-Wissenschaftler:innen ihre Forschung direkt in die Stadt: In den Bussen der Kieler Verkehrsgesellschaft (KVG) zeigen sie, warum Ozeanforschung für unsere Zukunft so wichtig ist.

Jana Willim: „Seegraswiesen sind die Korallenriffe der Ostsee.“

Seegraswiesen sind echte Multitalente: Sie bilden einen dreidimensionalen Lebensraum für viele Lebewesen und bieten somit Schutz und Nahrung, sie verbessern die Wasserqualität und speichern effektiv und langfristig Kohlenstoffdioxid (CO2) im Sediment, in ihren Wurzeln und im Wurzelstock. Außerdem schützen sie die Küsten, indem sie Wellen ausbremsen und den sandigen Untergrund mit ihren Wurzeln festhalten.

Ähnlich wie Korallenriffe sind Seegraswiesen also wichtige Ökosysteme und Lebensräume im Ozean und damit essenziell für die marine Biodiversität. Sie reagieren aber empfindlich auf äußere Einflüsse wie ein Übermaß an Nährstoffen, die zunehmende Nutzung der Küstengebiete durch den Menschen und die fortschreitende Erwärmung. Die Folge: In vielen Regionen schrumpfen die Bestände. Deshalb ist es umso wichtiger, Seegraswiesen zu schützen und zu renaturieren. NGOs und Bürger:innen helfen dabei, Seegras in den Küstengebieten der Ostsee wieder anzupflanzen.

Am ºÚÁÏÊÓÆµ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung wird unter anderem erforscht, wie Seegras renaturiert und klimaresistentes Seegras gezüchtet werden kann. Zudem untersuchen Wissenschaftler:innen, wie viel CO2 die Seegraswiesen in der Ostsee speichern.

Jana Willim ist Doktorandin in der Forschungseinheit Marine Evolutionsökologie am ºÚÁÏÊÓÆµ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Sie forscht insbesondere zu Renaturierungsmaßnahmen und Anpassungsprozessen von Seegras an Umweltfaktoren.

 

Florian Schütte: „Der Ozean nimmt über 90 % der überschüssigen Wärme auf.“

Seit Beginn der Industrialisierung hat die Menschheit durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern massiv Einfluss auf den natürlichen Wärmehaushalt der Erde genommen. Der Ozean hat seitdem mehr als 90 Prozent der zusätzlich freigesetzten Wärme aufgenommen. Damit wirken die Meere als Puffer, ohne den es heute auf der Erde schon viel wärmer wäre.

Diese extreme Erwärmung der Meere hat aber auch viele negative Konsequenzen: Die höheren Temperaturen der Wasseroberfläche, kann zu verstärkter Verdunstung führen – und damit regional zu mehr Niederschlag. In tropischen Regionen begünstigt die wärmere Meeresoberfläche zudem die Entwicklung und Intensivierung tropischer Wirbelstürme.

Außerdem nimmt durch die Erwärmung und verstärkte Schichtung der oberen Wasserschichten die Durchmischung des Wassers ab. Das hat Auswirkungen auf die Versorgung von Lebewesen mit Sauerstoff und Nährstoffen – und somit auf das marine Ökosystem. Nicht zuletzt trägt die Ozeanerwärmung zur Eischmelze, insbesondere in der Antarktis und in Grönland, bei. Das wiederum beschleunigt den Meeresspiegelanstieg. Bis zum Ende des Jahrhunderts kann im Durchschnitt mit einem Anstieg von 50 bis 100 Zentimeter gerechnet werden. Selbst wenn wir jetzt mit der Emission von Treibhausgasen aufhören, würde der Meeresspiegel für mehrere Jahrhunderte weiter ansteigen, da das Klimasystem träge auf solche Veränderungen reagiert.

Florian Schütte ist Juniorprofessor für Physikalische Ozeanographie am ºÚÁÏÊÓÆµ Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Er beschäftigt sich unter anderem mit der physikalischen Beobachtung von ozeanischen Wirbeln, die überall in den Weltmeeren anzutreffen sind.

 

Morelia Urlaub: „Wir überwachen Vulkanhänge unter Wasser.“

Genau wie an Land können auch unter Wasser Hänge ins Rutschen geraten. Doch die Ausmaße von Hangrutschungen im Ozean übersteigen die von denjenigen an Land oft deutlich. Etwa ein Viertel aller Tsunamis werden von submarinen Hangrutschungen ausgelöst. Die Ursachen für solche Hangrutschungen im Meer sind bisher kaum bekannt und die dynamischen Prozesse am Meeresboden werden bislang nur ungenügend verstanden. Denn die Spuren der Rutschungen sind unter mehreren hundert oder tausend Metern Wasser verborgen, und die Schicht, in der der Hang zuerst nachgibt, wird beim Erdrutsch meist zerstört.

Flächendeckende Kartierungen des Meeresbodens mithilfe von autonomen Tauchfahrzeugen (Autonomous Underwater Vehicles, AUVs) und punktuelle Langzeitmessungen sollen diese Wissenslücken füllen. Hier kommen zum Beispiel akustische Vermessungsnetze auf dem Meeresboden zum Einsatz. Diese bestehen aus mehreren autonomen Transpondern, die miteinander kommunizieren. Dadurch kann über die Laufzeit der Schallwellen der Abstand der Geräte zueinander zentimetergenau bestimmt werden. Verändert sich die Laufzeit (zum Beispiel aufgrund einer Hangrutschung), können daraus die relativen Bewegungen zueinander errechnet werden.

Ziel der Forschung ist es, ein Frühwarnsystem auf dem Meeresboden zu entwickeln, um Echtzeitdaten zu Erdbeben, Bodenbewegungen und vulkanischer Aktivität zu sammeln. So soll eine zuverlässige Überwachung unterseeischer Vulkane möglich werden. 

Morelia Urlaub ist Juniorprofessorin für Marine Geomechanik am ºÚÁÏÊÓÆµ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung und der Universität Kiel. Schwerpunkte ihrer Forschung liegen in der Erforschung submariner Naturgefahren, insbesondere solcher, die durch Hanginstabilitäten und submarine Rutschungen verursacht werden. Diese untersucht sie mit Hilfe von Langzeitbeobachtungen am Meeresboden und numerischen Modellen.

 

Amavi Silva: „Der Ozean ist der größte CO2-Speicher der Welt.“

Der Ozean ist unser Verbündeter im Kampf gegen den Klimawandel. Seit Beginn der Industrialisierung hat er rund ein Viertel des vom Menschen verursachten Kohlendioxids (CO2) aus der Atmosphäre aufgenommen – und damit den Klimawandel deutlich verlangsamt. Doch die CO2-Aufnahme hat einen hohen Preis: das Wasser im Meer wird sauerer.

Die Kohlendioxidaufnahme des Ozeans erfolgt an der Meeresoberfläche, wo sich das CO2 aus der Luft im Meerwasser löst. Ob und wie viel atmosphärisches CO2 im Wasser gelöst wird, hängt in erster Linie vom Unterschied im sogenannten CO2-Partialdruck zwischen Meerwasser und Atmosphäre ab. Vereinfacht gesagt, handelt es sich dabei um jenen Druck, den das im Oberflächenwasser gelöste und das in der Atmosphäre befindliche Kohlendioxid jeweils erzeugen. Der natürliche Gasaustausch zwischen Meerwasser und Atmosphäre zielt immer auf einen Ausgleich des Druckunterschieds ab.

Am ºÚÁÏÊÓÆµ werden Ansätze erforscht, wie die Aufnahme von CO2 durch den Ozean in Zukunft erhöht werden kann, um die international vereinbarten Klimaziele zu erreichen und nicht vermeidbare Emissionen zu kompensieren. Oberstes Ziel auf dem Weg zur Klimaneutralität ist und bleibt aber die Vermeidung von Emissionen.

Amavi Silva ist marine Biogeochemikerin (Postdoc) am ºÚÁÏÊÓÆµ Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Ihre Forschung zielt darauf ab, die Dynamik der Mikroschicht an der Meeresoberfläche zu verstehen - die „Haut“ des Ozeans, die den CO2-Austausch zwischen Luft und Meer kontrolliert.

Seegraswiesen sind die Korallenriffe der Ostsee

Jana Willim: „Seegraswiesen sind die Korallenriffe der Ostsee.“ 

Der Ozean nimmt über 90 % der überschüssigenWärme auf.

Florian Schütte: „Der Ozean speichert mehr als 90% der Wärme aus dem Klimawandel.“

Wir überwachen Vulkanhänge unter Wasser.

Morelia Urlaub: „Wir überwachen Vulkanhänge unter Wasser.“

Der Ozean ist der größte CO2-Speicher der Welt

Amavi Silva: „Der Ozean ist der größte CO2-Speicher der Welt.“