Vor 100 Jahren stach die Meteor (I) in See, um den Südatlantik systematisch zu erforschen – eine Expedition, die Wissenschaftsgeschichte schrieb. Mit innovativen Messmethoden kartierte das Team den Meeresboden, analysierte Strömungen und wagte sogar den Versuch, Gold aus dem Ozean zu gewinnen. Doch die Forschungsfahrt diente nicht nur der Wissenschaft: Sie war auch ein Mittel, um Deutschlands internationale Präsenz nach dem Ersten Weltkrieg zu stärken. Erfahren Sie mehr über die historische Expedition und die wissenschaftlichen Untersuchungen an Bord der Meteor in einer
Eckdaten der Deutschen Atlantischen Expedition

Foto: Sammlung DSM
- Expeditionsleitung: bis zu seinem Tod am 16. August 1926 Prof. Alfred Merz,
danach bis zum Ende der Reise Kapitän Fritz Spieß - Dauer: 16. April 1925 bis 2. Juni 1927 (ab/bis Wilhelmshaven)
- Reisezeit: 777 Tage
- Anzahl Seetage: 512 Tage
- Zurückgelegte Strecke: 67.535 Seemeilen (etwa drei Mal um die Erde)
- ´¡³Ù±ô²¹²Ô³Ù¾±°ì³Ü̈²ú±ð°ù±ç³Ü±ð°ù³Ü²Ô²µ±ð²Ô: 14
- Nördlichste Stationen: 20°±·
- Südlichste Stationen: 64°³§
- Lotprofile: 14 Querprofile über den Atlantik
- Echolotungen: rund 67.000
Spezifikationen Meteor
- ³¢Ã¤²Ô²µ±ð: 71,15 Meter
- Breite: 10,9 Meter
- Tiefgang: 3,2-4,3 Meter
- Antrieb: Dampfmaschine, kohlenbefeuert, zusätzliche Besegelung
- Kohlenvorrat: 383 Tonnen unter Deck, 50 Tonnen an Deck
- Besegelung: 226 Quadratmeter vorn, 237 Quadratmeter hinten
- ±áö³¦³ó²õ³Ù²µ±ð²õ³¦³ó·É¾±²Ô»å¾±²µ°ì±ð¾±³Ù: 11,6 Knoten, mit Besegelung etwa 2 Knoten mehr
- Winden: Lukas-Lotmaschine mit 10.000 Meter Klaviersaitendraht,
zwei Serien-Maschinen mit 8000 Meter Drahtseil - Mannschaft: 118 militärische Besatzung, 6 Zivilangestellte, 9 Wissenschaftler
Der Wissenschaftliche Stab

Kapitän Spieß mit dem wissenschaftlichen Stab.
von links: Dr. Meyer, Dr. Hermann Wattenberg, Dr. Georg Wüst, Dr. Otto Pratje, Fritz Spieß, Dr. Erich Kuhlbrodt, Dr. Arnold Schumacher, Professor Ernst Hentschel, Professor Josef Reger, Dr. Günther Böhnecke. Quelle: F. Spieß: Die Meteor-Fahrt, 1928, Abb. 10
Ozeanographie:
Professor Alfred Merz, Institut für Meereskunde, Universität Berlin, wissenschaftlicher Leiter (verstorben während der Expedition)
Professor Albert Defant, wissenschaftliche Leiter
Dr. Georg Wüst, Institut für Meereskunde, Universität Berlin, Ozeanographischer Leiter
Dr. Arnold Schumacher, Deutsche Seewarte Hamburg, Serienmessungen
Dr. Günther Böhnecke, Institut für Meereskunde, Universität Berlin, Serienmessungen
Dr. ? Meyer, Institut für Meereskunde, Universität Berlin, Serienmessungen
Biologe:
Professor Ernst Hentschel, Zoologisches Staatsmuseum Hamburg, Planktonzählungen
Geologie:
Professor Carl Wilhelm Correns, Geologische Landesanstalt Berlin, mineralogische Untersuchungen
Dr. Otto Pratje, Geologisches Institut, Universität Königsberg, geologische Untersuchungen
Chemie:
Dr. Hermann Wattenberg, Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische und Elektrochemie Berlin-Dahlem, chemische Untersuchungen
Dr. Kurt Quasebarth, chemische Untersuchungen
Meteorologie:
Professor Josef Reger, Drachen- und Ballonaufstiege
Dr. Erich Kuhlbrodt, Aeronautisches Observatorium Lindenberg, Drachen- und Ballonaufstiege
Dr. Fritz Löwe
Die Vorgeschichte der Expedition
1919 entstand die Idee, mit Hilfe eines Forschungsschiffs der Marine auf den Weltmeeren auf relativ zivile Weise „Flagge zu zeigen“. Abgesehen von der wissenschaftlichen Motivation sollte die Expedition Deutschlands Rolle in der Welt nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, dem Verlust der Kolonien und der Flotte wieder stärken. So waren zahlreiche Landaufenthalte vor allem in den ehemaligen deutschen Kolonien in die Reise integriert.
Für die Reise wurde die Meteor ins Auge gefasst. Das Schiff wurde 1913 als Kanonenboot der Kaiserlichen Marine geplant, 1915 in Danzig vom Stapel gelassen, jedoch aufgrund des Krieges nicht fertiggebaut. Im November 1920 begannen die Umbauarbeiten in Wilhelmshafen.
Die Planung der Expedition übernahm Alfred Merz. Der Historiker und Geograph war nach seinem Studium 1910 an das Institut für Meereskunde Berlin berufen worden, wo er sich der physikalischen Ozeanografie widmete. 1921 wurde er Direktor des Instituts. Er konnte auf die Erfahrung einiger Forschungsreisen in den Südatlantik und ins Mittelmeer zurückblicken und prägte die DAE entsprechend seiner wissenschaftlichen Interessen. Für die Meteor sah er zunächst eine dreijährige Reise in den Pazifik vor, während derer der Wärme- und Wasserhaushalt und die Ozeanzirkulation sowie Gezeitenströme untersucht, die geologische Beschaffenheit der Ozeanbecken erkundet, sowie weitere biologische, meereschemische und meteorologische Messungen vorgenommen werden sollten.
Aufgrund des Währungsverfalls lehnte das Reichsfinanzministerium im November 1921 Merz‘ Vorschlag allerdings zunächst ab. Auch private Unterstützer ließen sich nicht mehr im ausreichenden Maße finden. Die Meteor sollte nun als einfaches Vermessungsschiff weiter gebaut werden – doch auch diese Arbeiten stockten aufgrund der wirtschaftlichen Lage.
Bei einer Sitzung der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft im Januar 1924 ergriff Merz eine überraschende Chance, erneut für die Unterstützung einer Expedition zu werben – mit Erfolg: Ihm wurden kurzfristig 100.000 Mark zugesagt. Da kein geeignetes Schiff für eine grundlegende Erforschung von Pazifik oder Indik zur Verfügung stand, setzte er nun auf eine Vertiefung der Erkenntnisse über den Atlantik. Im Zentrum der Arbeiten sah er die Ozeanzirkulation, die er auch als Grundlage für die Erforschung chemischer und biologischer Fragestellungen betrachtete. Auch meteorologische Messungen und eine Lotung und Erprobung des neuen Behm-Lots sowie Beprobung des Meeresbodens hielt er für umsetzbar.
Merz rechnete nun mit einer Dauer von anderthalb Jahren und Kosten von insgesamt 815.000 Mark. Die Notgemeinschaft brachte schließlich 335.000 Mark auf, den Rest übernahm die Marine. Am 15. November 1924 wurde die Meteor offiziell in Dienst gestellt, und die Probefahrten begannen.
Die Notgemeinschaft war 1920 eigens dafür gegründet worden, die Wissenschaft nach dem Krieg wieder aufzubauen und die verfügbaren Mittel dorthin zu leiten, wo sie einen möglichst großen gesellschaftlichen Nutzen erzielen konnten. Geldgeber stammten aus der Industrie. 1929 wurde der Name in „Deutsche Gemeinschaft zur Erhaltung und Förderung der Forschung“ (Forschungsgemeinschaft) geändert. 1951 fusionierte sie mit dem 1949 gegründeten Deutschen Forschungsrat zur Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).
Das wissenschaftliche Programm
Die Deutsche Atlantische Expedition hatte beeindruckende wissenschaftliche Ergebnisse hervorgebracht. Über 67.000 systematisch erhobene Echolotmessungen verzehnfachten das Wissen über die Tiefenverhältnisse im Südatlantik. Das daraus entstandene, höherauflösende Bild des Meeresbodens zeigte erstmals deutlich den Mittelatlantischen Rücken. Neue Untiefen wurden entdeckt und zum Teil erstmals benannt. An über 300 Stationen führten die Forschenden chemische, physikalische und biologische Untersuchungen durch, begleitet von atmosphärischen Messreihen. Diese umfassende Forschungsweise markierte den Übergang von einer rein beschreibenden Meereskunde hin zur analytischen Ozeanografie, wie sie heute betrieben wird. Sie ermöglichte unter anderem den Nachweis des Wasseraustauschs zwischen den Strömungssystemen der Nord- und Südhalbkugel.
Hafenaufenthalte und Landgänge
Die Hafenaufenthalte nahmen etwa ein Drittel der gesamten Expeditionszeit in Anspruch. Sie wurden genutzt, um das Schiff instand zu setzen, die Vorräte an Kohle und anderen Gütern aufzustocken und Freizeitaktivitäten nachzugehen. Es wurden Kontakte zu örtlichen politischen, militärischen und wissenschaftlichen Stellen geknüpft sowie Veranstaltungen besucht. Eine weitere Aufgabe der Meteor-Crew bestand darin, gezielt Kontakte zu deutschen Gruppen oder Gemeinden zu pflegen, um deren Verbindung zu Deutschland zu stärken. Bei dieser politischen Aufgabe sowie auch bei der fotografischen oder beschreibenden Darstellung indigener Gruppen wurde deutlich, wie sehr die Expedition von kolonialistischen Sichtweisen und Deutungen geprägt war.